Donnerstag, 30. Oktober 2014

Posen voller Enttäuschung



Politiker üben sich immer wieder und ganz offensichtlich immer wieder gerne in peinlichen Posen. Jüngst konnte es sich der Geschäftsführer einer Landespartei-Organisation in einem Bundesland, in dem im kommenden Jahr Wahlen anstehen, nicht verkneifen, sein Neugeborenes in die Kameras zu halten. Ohne Krawatte, im Kapuzensweater. Ganz locker. Mit auf dem Bild auch gleich sein Parteichef und Landeshauptmann, der sich selbiges offenbar auch nicht verkneifen konnte.

Besonders aufgefallen ist im Zusammenhang mit aufdringlichen Posen dieser Tage auch der Oberste der pinken Partei, die sich ansonsten so gerne als der Neu-Erfinder der Politik geriert. Neos-Chef Strolz posierte im Sonntagsmagazin der auflagenstärksten Zeitung mit ausgebreiteten Armen in einer Wiese liegend und ließ das p.t. Lese-Publikum wissen, wie es ihm bei so einer Fastenwoche im Kloster geht, die er sich einmal im Jahr auferlegt. "Am dritten Tag schießt die Energie ein. Da könnte ich die Welt umarmen und Bäume ausrupfen."

Warum machen die das, fragt sich der unbedarfte Beobachter. Ein frischgeborenes Kind für eine Zeitung in die Kamera halten? Sich in eine Wiese legen, um Glück darzustellen? Als Politiker, als Person, der man Verantwortung zugestehen will, der man das Geschick des Landes in die Hände legt.

Bei rot, schwarz, blau und grün ist man das gewohnt. Man hat gelernt, man muss leben damit. Man ärgerte sich. Von Jahr zu Jahr mehr. So viel mehr, dass man froh war, auf einen wie Strolz setzen zu können, der eine neue Politik und einen neuen Zugang zur Politik versprach.

Aber auch er tut es. Genau betrachtet sogar noch unverfrorener als die anderen. Bäume umarmen, in der Wiese liegen, selbst verfasste Gedichte beiläufig in die Öffentlichkeit spielen. Und einen Fotografen ins Kloster holen, in das er sich angeblich zum Innehalten zurückzog. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen. Und so dreist muss man erst einmal sein, das zu tun.

Das enttäuscht viele und macht viele stutzig. Die Hoffnung für so viele Politik-Frustrierte kommt als stinknormaler Politiker daher. Ausgerechnet Strolz, der einen neuen Weg in Aussicht stellte. Ganz offensichtlich ist er auch nicht anders als alle anderen, von denen so viele in diesem Land genug haben.

Der Verdacht, dass dem so ist, keimt ohnehin schon seit geraumer Zeit. Strolz und seine Neos bringen nicht wirklich etwas zusammen. Der schnelle Einzug in den Nationalrat und das Ergebnis bei den Salzburger Landtagswahlen sorgten für hochfliegende Erwartungen. Die EU-Wahlen brachten eine harte Landung. Selbst bei den Landtagswahlen in Vorarlberg, dem Heimatland von Strolz, blieb man hinter den Erwartungen. Dabei hätte gerade dort der Durchbruch gelingen sollen.

Die Neos feierten dieser Tage ihren zweiten Geburtstag. Davon kam nicht viel mehr an die Öffentlichkeit, als dass man sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzen wolle. Das bestätigt die wachsende Skepsis der an der Partei-Neugründung Interessierten und passt zum Image -man ist dabei ein bisschen schrullig zu werden, ansonsten aber bleibt man harmlos.

Nach wie vor leiden die Neos unter kaum ausgeprägten organisatorischen Strukturen, es fehlt an Leuten und es fehlt an Gesichtern. Man bemüht sich in Zweckoptimismus. "Die Reise hat erst begonnen" redet man sich selbst Mut zu. Man hält für Stärke, dass man "knapp über 2.300 Mitglieder" hat und "1.500 Menschen", die in "130 Themengruppen" arbeiten. Und man klopft sich für 267 Redebeiträge im Nationalrat, 221 Anträge und 127 parlamentarische Anfragen selbst auf die Schulter.

Es bleibt ihnen auch nichts anders übrig. Sonst tut es kaum jemand. Dabei hätten vor allem viele VP- und Grün-Wähler so gerne etwas von ihnen. Aber sie kriegen nichts. Ab und an Ideen zu einigen politischen Themen. Aber zu viel mehr Themen bekommen sie genau nichts. Die Neos halten sich für die erfolgreichste Parteigründung der Zweiten Republik. Ob sie auch eine erfolgreiche Partei werden, ist indes noch offen. Denn am wirklich Neuen fehlt es. Dabei hätte genau das das Land so dringend nötig, nicht nur frustrierte VP- und Grün-Wähler.

Aber vielleicht kommt für die Partei im dritten Jahr, was für ihren Chef am dritten Tag der Fastenkur kam - dass die Energie einschießt. Auf dass man Bäume ausrupfen könnte. Denn sonst droht die politische Pose, die man mimt, endgültig peinlich zu werden. So peinlich wie die altbackenen Politiker-Posen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. Oktober 2014

Donnerstag, 23. Oktober 2014

Europäische Feistigkeit



Das Zitat, dass Österreich eine Insel der Seligen sei, wird Papst Paul VI zugeschrieben. Es datiert aus den 1960er Jahren und viele Österreicherinnen und Österreicher glauben, dass das auch heute noch so ist. Alles in allem, allen Raunzereien, Wehklagen und Besserwissereien zum Trotz, ist ihnen durchaus recht zu geben. Wir leben gut. Der Lebensstandard ist hoch. Die allermeisten Österreicherinnen und Österreicher dürfen sich über sichere Arbeit, geregeltes Einkommen, eine warme Wohnung, eine dichtes Sozialnetz und Zugang zu Bildung freuen. Und auch an wohlgedeckten Tischen fehlt es nicht. Morgens ein Butterbrot zum Kaffee, Mittags ein Schnitzel und abends ein Flasche Bier oder ein Achterl Wein vorm Fernseher. Kurzum - ein sattes Land mit satten Bewohnern, die sich mit großer Innigkeit sich selbst und ihrem Fortkommen widmen und einer sicheren Pension entgegenleben können.

Das Eis freilich ist dünn, auf dem Herr und Frau Österreicher ihren Wohlstand genießen. Und das nicht nur wegen schlechter Konjunkturaussichten und der Schräglage der öffentlichen Haushalte, die in den vergangenen Jahren zu einer ernsthaften Bedrohung des Wohlstandes geworden ist. Das Eis ist auch dünn, weil sich die großen weltpolitischen Konflikte mit einem Mal nicht mehr irgendwo weit hinten in der arabischen Welt, in Afrika oder in Asien abspielen. Diese Zeiten sind offenbar vorbei. Mit großem Säbelrasseln steht mancher weltpolitische Konflikt mit einem Mal vor der Haustür und führt drastisch vor Augen, wie fragil unser aller Wohlstand ist.

Russlands Präsident Putin spielt mit der Ukraine, deren Grenze wenige hundert Kilometer von Österreich liegt und das wirtschaftlich eng mit Österreich verbunden ist, ein undurchsichtiges Spiel. Die Todesschwadronen des Islamischen Staates stehen an der Grenze zur Türkei und haben Österreich erklärtermaßen gar als Angriffsziel im Visier. Und auf dem Balkan lodert das nationalistische Feuer immer wieder mächtig auf, wie in der vergangenen Woche der Flug der Drohne beim EM-Qualifikations-Spiel in Belgrad zeigte.

"Wir sind nicht mehr in sicherer Distanz zu Konflikten", hieß es dieser Tage in einem Leitartikel einer großen Tageszeitung. "Wir werden von den Weltkrisen eingeholt."

Vor allem der Konflikt mit Russland führt vor Augen, wie fragil die Lage ist. An den Stammtischen - und nicht nur dort - wird diskutiert, was passiert, wenn Putin ernst macht. Gedanken daran, wie schnell eigentlich alles kaputt sein kann, woran man sich so gewöhnt hat, keimen auf. Manche nehmen inzwischen das Wort Krieg in den Mund. Wie will sich Europa wirklich wehren, fragt man sich, wenn wirtschaftliche und politische Sanktionen nicht greifen? Was kann man dann tun, wenn jahrzehntelang gelernte und vermeintlich zur politischen Kultur gewordene Muster nicht mehr funktionieren?

Sich solchen Fragen stellen zu müssen, passt nicht in das Denken der Europäer, die sich so gerne aufgeklärt und auch überlegen geben und die dabei vielleicht doch nur schwach, ideenlos, ohne Herz und selbstbezogen sind.

Seit fast siebzig Jahren kannte man eine solche Situation nicht mehr. Zwei, drei Generationen wuchsen im Frieden auf. Erinnerungen daran, dass das auch ganz anders sein kann, lebten allenfalls in Fernseh-und Buchdokumentationen weiter. Wie hart Leben wirklich sein kann, wie schlimm kriegerische Zustände, fiel langsam und stetig dem Vergessen anheim. Man machte die Augen zu, verweigerte sich zunehmend politischen Realitäten und Konflikten, zumal in Ländern, die fern schienen, und koppelte sich stetig von der internationalen Entwicklung ab und floh zuweilen nachgerade die Verantwortung dafür.

Das politische Klima, das in den vergangenen Jahrzehnten in Europa und in Österreich entstand, hat alle Anzeichen einer wirtschaftlichen und sozialen Feistigkeit. Selbstzufrieden und herablassend. Vielerorts verlor man die Relationen und begann gar die Strukturen, die genau diesen langen Frieden und den Wohlstand in Europa sicherten, anzugreifen. Die Anfeindungen gegen die EU oder gegen internationale Organisationen sind Beleg dafür. Damit lassen sich heute jede Menge Stimmen machen.

Was kommt, wird sich in den nächsten Monaten weisen. Was in den vergangenen Monaten geschah, mahnt jedenfalls zu Wachsamkeit. Gegenüber Europa und gegenüber allen Konfliktherden, die den hiesigen Wohlstand und die damit einhergehende Bequemlichkeit zu bedrohen scheinen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Oktober 2014

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Futtermittel aus dem "gläsernen Kochtopf"



Garant-Tiernahrung reagiert mit neuen Konzepten auf die Veränderung in der Landwirtschaft.

HANS GMEINER

Pöchlarn. Das neue Bürogebäude des Futtermittelherstellers Garant Tiernahrung ist geprägt von Holz, Sichtbeton und Glas. Die elektronische Anzeigetafel im Foyer zeigt die aktuellen Kurse von Weizen, Mais und Soja auf den internationalen Warenterminbörsen, dazu den aktuellen Ausstoß des Mischfutterwerks und vieles andere. Garant-Chef Christoph Henöckl will damit ein Zeichen setzen. „Man kann in den Futter-Kochtopf schauen bei uns“, sagt er. „Wir wollen über Transparenz in der Produktion und auf den Märkten nicht nur reden, sondern sie auch leben.“

Größte Herausforderung sei die Polarisierung in der Landwirtschaft, sagt Henöckl. „Zu unseren Kunden gehören Bauern, die extensiv wirtschaften, genauso wie Intensivbetriebe mit Hochleistungskühen, die mehr als 12.000 Kilogramm Milch pro Jahr liefern.“ Um diesen Spagat zu bewältigen, will der Garant-Chef neben Information und Beratung verstärkt auf fachliche Qualifikation der Kunden setzen.

Angestrebt werden langfristige Partnerschaften. Einen „Vertreter, der zu jedem Bauernhof fährt, um einen Fünf-Tonnen-Auftrag abzuholen“, wollten auch die Bauern immer weniger, weil das alle Beteiligten nur Zeit koste, sagt Henöckl.

Rund zwölf Mill. Euro investiert Garant in die drei Standorte in Pöchlarn, Aschach und Graz. „Wir bemühen uns, von den Rohstoffen bis zu den fertigen Futtermitteln alles anzubieten“, sagt Henöckl. Über die Landwirtschaft hinaus versucht Garant, wie auch andere Anbieter, Nischen zu nutzen. Die Wildfütterung gehört dazu, ebenso wie Futter für Pferde und Fische.

Der Markt belohnt das. Mit einem Jahresumsatz von rund 130 Mill. Euro und einer Produktion von 320.000 Tonnen ist die zur Raiffeisen Ware Austria gehörende Garant-Tiernahrung der mit Abstand größte österreichische Futtermittelerzeuger. Rechnet man dazu die 120.000 Tonnen, die von Lizenzpartnern wie dem Salzburger Raiffeisenverband erzeugt werden, hält man rund 40 Prozent des heimischen Mischfuttermarktes.

Der Konkurrenzdruck in der Branche ist groß. Und das obwohl der österreichische Markt seit dem EU-Beitritt 1995 um mehr als 50 Prozent auf rund 1,4 Mill. Tonnen gewachsen ist, weil viele Bauern im Zuge der Spezialisierung der Tierproduktion auf Fertigmischungen setzen. Der Pferdefuß dabei: die hohe Importabhängigkeit. Vor allem Sojaschrot für die Eiweißversorgung muss aus Nord- und Südamerika importiert werden. Initiativen, in Europa eine Sojaproduktion in großem Stil aufzuziehen, wie das österreichische „Donausoja“-Projekt, stecken noch in den Kinderschuhen. Alternativen wie Raps- oder Sonnenblumenschrot werden von den Bauern nur schlecht angenommen. „Da sind durchaus taugliche Alternativen dabei“, sagt Henöckl, der auch Sprecher der heimischen Futtermittelindustrie ist.

Rund hundert Hersteller teilen sich den österreichischen Markt, überregionale Bedeutung haben nur wenige. Das liegt auch daran, dass der Radius wegen der schmalen Verdienstspannen im Durchschnitt gerade einmal 250 Kilometer beträgt. Der Vorteil: „Futtermittelskandale in Deutschland oder anderswo können so kaum auf Österreich übergreifen“, sagt Henöckl.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. Oktober 2014

"To go" oder "Zum hier"?



Die Präsentation sollte wohl ordentlich was hermachen. Von "Employer-Branding" ist oft die Rede darin und vom "Social Web 2.0". Menschen erzählen nicht ihre Geschichte, sondern ihre "Story". Das alles wird dann, ehe es den "Usern" zum "Discovering" gezeigt wird, selbstredend einem "Interessen-Matching" unterzogen.

Reichlich dick aufgetragen ist da, was Menschen auf Jobsuche die Berufswelt näherbringen soll. Diese Diktion, die so Anglizismenschwanger daherkommt, dass sie kaum mehr zu verstehen ist, ist wohl dabei, üblich zu werden. Immer öfter werden Präsentationen und Texte damit überfrachtet. Immer öfter bis zur absoluten Unverständlichkeit. Englisch überall und allerorten. Und wer nicht dort und da eine flottes "adden" oder etwas Ähnliches in Wort und Schrift einfließen lässt, scheint sich in der Welt von heute, in der Schein so gerne mehr gilt als Sein, nicht wohl zu fühlen. Man will ja doch Eindruck machen, man will Bildung und Kompetenz signalisieren und sprachliche wie fachliche Gewandtheit und Weltläufigkeit obendrein, zumal in einer Welt, die immer internationaler wird.

Selbst das österreichische Fernsehprogramm scheint auf dieser Welle zu schwimmen um Internationalität zu zeigen. Das Programm von ORF 1 am Montag dieser Woche sei Beleg dafür. "The Mentalist" eröffnete den Hauptabend, dann folgte "Grey's Anatomy". Nach dem kurzen "ZIB-Flash" um 21.45 Uhr ging es weiter mit "Revenge" und "Trophy Wife" ehe um 23.00 "Cougar Town" startete, eine US-Comedy-Serie. Mit Ausnahme des österreichisch gehaltenen Dienstags ist es an den anderen Wochentagen kaum anders.

Ein bisschen viel und ein bisschen dick. Das kann schon nerven, zumal dann, wenn kaum mehr zu verstehen ist, was gemeint ist. Internationalität hin, Weltgewandtheit her. "Wir sind doch in Österreich" hört man überforderte Landsleute schnauben. Man ist geneigt sie zu verstehen. An die 7.500 Anglizismen sind es inzwischen, die den deutschsprachigen Alltag durchdringen. Der Kampf dagegen, den wackere Germanisten immer wieder einmal aufnehmen, erweist sich freilich weitgehend als wirkungslos.

Dabei sind die Dimensionen, die die englischen Einsprengsel in der deutschen Sprache erreicht haben, nach Meinung mancher Experten bereits dabei, ein soziales Problem zu werden. In Deutschland etwa schätzt man, dass rund ein Drittel der Bevölkerung mit den englischen Wörtern nichts anfangen kann. Bei Gebrauchsanleitungen und in der Werbung gehe es inzwischen für Millionen Menschen ohne Englischkenntnisse um soziale Ausgrenzung, warnen dort Politiker. Sprachwissenschafter mahnen dennoch zur Vorsicht. Die Deutschtümelei, die in diesem Umfeld selbstredend ein fruchtbares Biotop sieht, verfolgen sie mit großer Skepsis. Einrichtungen wie der "Verein deutsche Sprache" oder der österreichische "Verein Muttersprache", die sich mit Anglizismen-Indices hervortun und sich für Eindeutschung englischer Worte stark machen, werden von ihnen in der Tradition völkisch-deutschnationaler Sprachreiniger gesehen.

Das ist nicht eben eine Empfehlung, sondern Signal dafür, mit diesem Thema sorgsam umzugehen. Dort, wo mit der Reinheit der deutschen Sprache argumentiert werde, schramme man gefährlich am Nationalismus vorbei, warnt etwa der Kommunikations-Wissenschafter Fritz Hausjell von der Universität Wien in einem Interview mit der Zeitschrift Datum. "Wir leben heute in mehreren Sprachwelten, daraus resultieren die stärkeren Einflusse, vor allem aus dem Englischen", rät er, den Ball in der Diskussion flach zu halten.

Auch wenn die vielen Anglizismen immer öfter für Verärgerung und Verwunderung sorgen, muss man dem Professor wohl recht geben. Es empfiehlt sich sowohl in der Verwendung als auch in der Verurteilung von Anglizismen oder der englischen Sprache generell Zurückhaltung.

Denn mitunter findet man sich schon jetzt rätselnd und staunend in einer verkehrten Welt wieder, wenn jemand die Eindeutschung allzu ernst nimmt. Wie jüngst ein Kollege. Er wurde nach der Bestellung von Kaffee und Kleingebäck von der Bäckersfrau gefragt: "Zum hier?" Es dauerte, bis er begriff, was gemeint war. Die gute Frau nahm die inzwischen weitgehend gelernte englische Beifügung "to go" für "zum Mitnehmen" als Blaupause dafür, einen neuen deutschen Begriff zu konstruieren. Mit der Frage "Zum hier?" meinte sie nichts anderes als die Frage, ob der Kollege Kaffee und Gebäck gleich im Lokal konsumieren wolle.

Ein klarer Fall fürs "Interessen-Matching".

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Oktober 2014

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Störfaktor Kunde



Der deutsche Onlinehändler Zalando sorgte in der vergangenen Woche mit seinem Börsengang für dicke Schlagzeilen. Amazon eilt trotz wachsender Kritik an den Methoden vor allem in Deutschland seit Jahren von einem Erfolg zum anderen.

Wunder nimmt das nicht. Man versteht es gut. Vor allem dann, wenn man als kleines Kunden-Würstchen im Handy-Shop steht, wie beim Arbeitsamt eine Nummer ziehen muss und dann wartet und wartet. Oder wenn man an der Supermarktkasse noch Wechselgeld kriegen sollte, aber die Kassierin mit dem Telefonieren nicht fertig wird. Oder wenn einem im Reisebüro die Beraterin auf die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, googelt und dann den Bildschirm zum Kunden dreht, um ihm zu zeigen, was sie gefunden hat. Ohne auch nur eine einzige zusätzliche Information. Gar nicht zu reden von den allerorten als Negativ-Beispiele bekannten Mitarbeitern in Baumärkten, die ihre Tätigkeit oft als Versteckspiel mit den ratsuchend umherirrenden Kunden zu verstehen scheinen.

Beispiele wie diese kennt jeder zur Genüge. Tag für Tag erlebt man sie. Und sie scheinen immer mehr zu werden. Man versteht den Siegeszug des Onlinehandels. Zumal dann, wenn man oft - und gefühlt immer öfter - Opfer des Handels oder anderer Unternehmen, die etwas verkaufen wollen, wird, und der Misshandlungen überdrüssig ist, die man einem dort dafür, dass man Geld ausgibt, zuweilen angedeihen lässt.

Da nimmt die Lust rasch ab, sich den ganzen Wahnsinn anzutun. Mitunter scheint es, als wolle man mit Gewalt die Kundenscharen ins Internet und zu den Onlinehändlern drängen. Selbst hartgesottene Gegner des Internetkaufes werden auf diese Weise weich gemacht und Amazon und Konsorten in die Arme getrieben.

Denn dort findet man, was man sucht. Schneller, leichter und oft auch günstiger. Die Auswahl ist riesig, es ist alles von allen Seiten fotografiert und beschrieben. Dazu gibt es Kundenbewertungen. Und es gibt kein Anstellen bei den Kassen, keinen Ärger über unwissende Berater oder hochnäsige Kassiererinnen. Und es gibt auch keine nervigen Frauen und Männer vor einem, die in aller Ruhe das Kleingeld zusammenkratzen oder die mit hochrotem Kopf erkennen müssen, dass die Bankomatkarte überzogen ist. Gar nicht zu reden davon, dass die Onlineshops 24 Stunden pro Tag und sieben Tage pro Woche offen haben.

Für den Handel ist das freilich eine enorme Herausforderung. Man weiß es. Die Umstellung ist eine große und sie ist zu einem guten Teil selbst verursacht. Man hat zu lange nicht reagiert, man hat zu lange nicht an Strategien gearbeitet und man hat zu lange geglaubt, man kann mit dem Verkaufen heißer Luft, die als Kundenfreundlichkeit daherkommen sollte, über die Runden kommen. Man steht einem Angebot gegenüber, das man nie und nimmer bieten kann. Und das wird noch dazu zu Bedingungen direkt ins Haus geliefert, von denen man nicht einmal zu träumen wagt.

Hilflos steht man oft der immer vielfältigeren Kundenschicht und ihren Erwartungen gegenüber. Zuweilen scheint man komplett überfordert. Man scheint aber auch nicht bereit zu sein, zu investieren. Vor allem nicht in die Mitarbeiter. Sie sind zumeist schlecht bezahlt. Und auf ihre Ausbildung scheint man in vielen Sparten gar keinen Wert mehr zu legen.

Das Mitleid hält sich daher in engen Grenzen. Auch das für die Mitarbeiter, die, so der Eindruck, zuweilen mit Hochdruck an der Wegrationalisierung ihres Arbeitsplatzes arbeiten. Wenn etwa die Kassendamen beim Zahlen nicht einmal aufschauen, geschweige denn grüßen, sondern weiter mit ihrer Kolleginnen schwätzen, wünschen sich auch die geduldigsten und verständigsten Menschen nichts anders, als einen raschen Durchbruch der Selbstbedienungskassen oder nehmen sich vor, beim nächsten Mal im Internet zu bestellen. Da schwindet die Lust rasch, sie zu verteidigen. "Das hat man nicht nötig," denkt man.

Der König Kunde, das war einmal. Das ist lange her. Man darf gespannt sein, wie sich die Dinge entwickeln. Dabei wäre zu wünschen, dass die vielen Geschäfte endlich reagieren und sich bei der Nase nehmen und Kundenfreundlichkeit ernst nehmen. Nicht nur als Worthülse, sondern als gelebtes Modell und als Garantie fürs eigene Überleben. Die Zeit drängt. Für die Handelsbetriebe, für ihre Mitarbeiter, aber auch, die Greißler von seinerzeit sind das schlechte Vorbild, für ganze Städte, Gemeinden und Regionen, deren Gedeih und Verderb mit ihnen aufs Engste verbunden ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Oktober 20114

Samstag, 4. Oktober 2014

Gewagtes Spiel mit der Glaubwürdigkeit





Derzeit sitzen zwölf Bauernbündler im Nationalrat. Mithin ist fast jeder vierte ÖVP-Mandatar dem Bauernbund zuzuzählen. Bei keiner anderen Partei gibt es so viele Bauernvertreter. Prominente Namen, mit viel Erfahrung und Gewicht in der Politik, zumal jener der ÖVP, sind darunter und werden gerne zuvorderst als Argument dafür genannt, bei Bedarf der Volkspartei und dem Bauernbund die Stimme zu geben. Von A wie Auer, über B wie Berlakovich, E wie Eßl bis hin zu S wie Schultes.

Doch was so gerne als Garantie für eine Politik im Sinne der Bauern dargestellt wird, ist das freilich nicht immer. Und mitunter lässt das selbst bei eingefleischten Bauernbund-Anhängern Zweifel aufkommen.

In schlechter Erinnerung ist noch die unselige Sache mit den Führerscheinen und Fahrzeugpapieren, weil man beim Beschluss einer Gesetzesnovelle übersah, die Ausnahme für die Bauern bei Fahrten im Umkreis von zehn Kilometern um den Hof abzusichern. In diesen Wochen ist man wortreich damit beschäftigt, die Verantwortung dafür, dass ein Großteil der Nebenerwerbsbauern den Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren hat, weit von sich zu schieben. "Genau das hat der Nationalrat seinerzeit beim Beschluss der Novelle des Arbeitslosenversicherungesetzes 2007 nicht gewollt", heißt es allerorten.

Mag sein, von der Verantwortung enthebt es dennoch nicht, zumal man ganz offensichtlich schon damals um die Problematik gewusst hat. Es ist zu fragen, warum man nicht schon damals auf eine eindeutigere Formulierung des Gesetzestextes drängte. Und es ist zu fragen, warum man erst jetzt nach Lösungen sucht, wo doch der Entscheid des Verwaltungsgerichtshofes, auf den sich der Arbeitsmarktservice nun beruft, bereits seit fast einem Jahr bekannt ist. Gar nicht zu reden von dem, nach dem man noch fragen könnte - wo nämlich das Gewicht, die Kompetenz und die Erfahrung waren, die man sonst so gerne ins Treffen führt.

Diese Fragen richten sich an die Bauernbündler im Parlament. Sie richten sich aber auch an die Vertreter der anderen Parteien, die so gerne vorgeben, sich um die Sache der Bauern zu bemühen um nach Stimmen zu fischen. Sie alle sind in die Verantwortung zu nehmen.

"Die Reparatur gelingt rasch oder wird ein Ärgernis", zeigte sich dieser Tage sich ein hochrangiger Bauernfunktionär skeptisch. Letzteres steht in der Tat zu befürchten. Während die Bauernbund-Medien bereits meldeten, dass der Sozialminister das Arbeitsmarktservice angewiesen habe, das Arbeitslosengeld wieder zu überweisen, sagte eine Sprecherin des Sozialministers gegenüber einer Tageszeitung nur knapp: "Das ist nicht richtig."

Sachen wie diese häufen sich und kratzen an der Glaubwürdigkeit der bäuerlichen Vertreter. Indes ziehen schon die nächsten Fronten auf, die diese Glaubwürdigkeit neuerlich prüfen. Immer lauter beklagt man die Probleme, die Maisbauern nach dem Verbot der Neonicotinoide mit Drahtwurm und Zünsler haben. Die bäuerlichen Vertreter in der Steiermark und in Niederösterreich, allesamt Bauernbündler, tun sich dabei besonders hervor. Dass genau in diesen beiden Ländern die Landtage, voran mit ihren Agrarlandesräten, nach dem Bienenwirbel im Vorjahr per Verordnung den Einsatz dieser Wirkstoffgruppe verboten haben, lange bevor es das Parlament tat, verschweigen sie gerne. Und erst recht, dass genau das Lösungen auf österreichischer Ebene noch schwieriger macht, als es ohnehin schon ist.      
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 4. Oktober 2014                                                      

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Warum nur gemach?



Der Kanzler im sportlich-farbigen Hemd, sein Vize ohne Krawatte und der Finanzminister in einer legeren Freizeitjacke. Freude und Frohsinn allerorten. Man zeigte sich erleichtert, dass sich die Regierungsmitglieder bei ihrer Klausur Ende vergangener Woche nicht stritten. Geradezu erregt rapportierte man, dass sie auch abseits der Sitzungen ungeachtet der Parteizugehörigkeit zusammensaßen und miteinander redeten.

Das reicht in Österreich offenbar schon, um für gute Politik gehalten zu werden, einer Politik, der man vertrauen kann. Das zumindest legen die Reaktionen auf diese Veranstaltung am Fuße des Dachsteins nahe. Sie fielen durchwegs positiv aus. Kritische Stimmen waren praktisch nicht zu hören. Keine Aufreger, keine Aufregung.

Dass der Hut brennt, scheint allen einerlei. Dass die Konjunktur-Prognosen im Wochenrhythmus zurückgenommen werden, dass die Arbeitslosenzahlen zu explodieren drohen und auch dass ein paar hundert Kilometer von Österreichs Ostgrenze die politische Lage einem Pulverfass gleicht und die österreichische Wirtschaft bedroht ist. Es rührt die Innenpolitik nicht an. Nicht die in der Regierung und nicht die rundherum.

Eile, rasches Handeln gar, das die vielen Brandherde eigentlich nahelegen, hält man offenbar für nicht notwendig. Bis zum Frühjahr will man sich auf eine Steuerreform einigen, frühestens 2016 soll sie wirksam werden. Kein Wort davon, dass angesichts der konjunkturellen Entwicklung dringend politisches Handeln angesagt wäre. Keine Ideen, die diskutiert werden, was man gegen die wachsende Arbeitslosigkeit tun könnte. Ja nicht einmal die Forderung nach solchen Maßnahmen.

Über das Ringen um die Sicherung der aus der Steuerreform winkenden Gelder für die eigenen Wählerschichten hat man offenbar den Blick auf die Realität und die eigentlich gebotene Dringlichkeit zu handeln verloren. Wann, wenn nicht in einer Situation wie jetzt, ist politisches Handeln gefragt? Wann, wenn nicht jetzt, sind Ideen und Konzepte und eine möglichst rasche Umsetzung einzufordern? Nichts davon steht in Diskussion. Als einziges wirtschaftlich relevantes Ergebnis kann die Regierungsklausur auf nichts anderes, als auf eine ins Auge gefasste Neuordnung der ÖIAG verweisen.

Das ist nicht viel. Aber es ist nachvollziehbar. Für aktive Politik hat man ohnehin kein Geld. Der Spielraum dafür ist längst verspielt. Selbst der Gewerkschaftschef erkennt inzwischen, dass es schwierig ist Impulse zu setzen, "wenn der finanzielle Spielraum nicht da ist".

Längst herrscht das Diktat der leeren Kassen, herbeigeführt und selbst verursacht von einer zuweilen maßlosen Klientelpolitik, beständig verschärft von einer wuchernden Verwaltung und Bürokratie und verfestigt bis zur Erstarrung von Parteien und Interessenvertretungen.

Geld fehlt nicht nur für eine aktive Wirtschaftspolitik. Auch in vielen anderen Bereichen fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Und da muss man nicht gleich das herabgewirtschaftete und kaputtgesparte Bundesheer nennen. Das Gleiche gilt auch für die Bildung, für den Sozialbereich und für die Sicherheit. Überall nichts als Stillstand.

Längst hat die Politik aufgegeben sich als gestaltende Kraft zu verstehen. Bewahrung des Bestehenden und Verwaltung der Probleme scheinen die vordersten Ziel zu sein. Das ist, so glaubt man, allemal zielführender, wenn es um Wählerstimmen geht. Dass das freilich immer öfter und immer deutlicher zum Schaden des Landes ist, spielt da keine Rolle.

Schlimmer noch ist, dass über das fehlende Geld längst vielfach auch der Wille zu Veränderungen verloren gegangen ist. Etwa gegen das wirtschaftsfeindliche Klima anzugehen, das von so vielen Gruppierungen mit Wonne gepflegt wird und das längst nicht nur die Warnrufe der Industriekapitäne immer lauter werden lässt.

Darum nimmt es nicht wunder, dass das Land dabei ist, Passagier der politischen Entwicklungen zu werden, weil es wegen der Versäumnisse der vergangenen Jahre fast jede Gestaltungskraft verloren hat.

Die Steuerreform, die man nun ins Auge fasst, wird wohl zu nicht mehr taugen als zu einer Behübschung dieser Situation. Und genau die ist offensichtlich von allen Beteiligten erwünscht, stehen doch im kommenden Jahr wichtige Wahlgänge in den Bundesländern auf dem Terminkalender. Es steht zu fürchten, dass es für die Regierungsparteien reicht, dort wieder erfolgreich zu sein. Aber es steht auch zu fürchten, dass Österreich damit wieder nur ein Stück weiter ins Schlamassel rutscht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Oktober 2014
 
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