Donnerstag, 16. Oktober 2014

"To go" oder "Zum hier"?



Die Präsentation sollte wohl ordentlich was hermachen. Von "Employer-Branding" ist oft die Rede darin und vom "Social Web 2.0". Menschen erzählen nicht ihre Geschichte, sondern ihre "Story". Das alles wird dann, ehe es den "Usern" zum "Discovering" gezeigt wird, selbstredend einem "Interessen-Matching" unterzogen.

Reichlich dick aufgetragen ist da, was Menschen auf Jobsuche die Berufswelt näherbringen soll. Diese Diktion, die so Anglizismenschwanger daherkommt, dass sie kaum mehr zu verstehen ist, ist wohl dabei, üblich zu werden. Immer öfter werden Präsentationen und Texte damit überfrachtet. Immer öfter bis zur absoluten Unverständlichkeit. Englisch überall und allerorten. Und wer nicht dort und da eine flottes "adden" oder etwas Ähnliches in Wort und Schrift einfließen lässt, scheint sich in der Welt von heute, in der Schein so gerne mehr gilt als Sein, nicht wohl zu fühlen. Man will ja doch Eindruck machen, man will Bildung und Kompetenz signalisieren und sprachliche wie fachliche Gewandtheit und Weltläufigkeit obendrein, zumal in einer Welt, die immer internationaler wird.

Selbst das österreichische Fernsehprogramm scheint auf dieser Welle zu schwimmen um Internationalität zu zeigen. Das Programm von ORF 1 am Montag dieser Woche sei Beleg dafür. "The Mentalist" eröffnete den Hauptabend, dann folgte "Grey's Anatomy". Nach dem kurzen "ZIB-Flash" um 21.45 Uhr ging es weiter mit "Revenge" und "Trophy Wife" ehe um 23.00 "Cougar Town" startete, eine US-Comedy-Serie. Mit Ausnahme des österreichisch gehaltenen Dienstags ist es an den anderen Wochentagen kaum anders.

Ein bisschen viel und ein bisschen dick. Das kann schon nerven, zumal dann, wenn kaum mehr zu verstehen ist, was gemeint ist. Internationalität hin, Weltgewandtheit her. "Wir sind doch in Österreich" hört man überforderte Landsleute schnauben. Man ist geneigt sie zu verstehen. An die 7.500 Anglizismen sind es inzwischen, die den deutschsprachigen Alltag durchdringen. Der Kampf dagegen, den wackere Germanisten immer wieder einmal aufnehmen, erweist sich freilich weitgehend als wirkungslos.

Dabei sind die Dimensionen, die die englischen Einsprengsel in der deutschen Sprache erreicht haben, nach Meinung mancher Experten bereits dabei, ein soziales Problem zu werden. In Deutschland etwa schätzt man, dass rund ein Drittel der Bevölkerung mit den englischen Wörtern nichts anfangen kann. Bei Gebrauchsanleitungen und in der Werbung gehe es inzwischen für Millionen Menschen ohne Englischkenntnisse um soziale Ausgrenzung, warnen dort Politiker. Sprachwissenschafter mahnen dennoch zur Vorsicht. Die Deutschtümelei, die in diesem Umfeld selbstredend ein fruchtbares Biotop sieht, verfolgen sie mit großer Skepsis. Einrichtungen wie der "Verein deutsche Sprache" oder der österreichische "Verein Muttersprache", die sich mit Anglizismen-Indices hervortun und sich für Eindeutschung englischer Worte stark machen, werden von ihnen in der Tradition völkisch-deutschnationaler Sprachreiniger gesehen.

Das ist nicht eben eine Empfehlung, sondern Signal dafür, mit diesem Thema sorgsam umzugehen. Dort, wo mit der Reinheit der deutschen Sprache argumentiert werde, schramme man gefährlich am Nationalismus vorbei, warnt etwa der Kommunikations-Wissenschafter Fritz Hausjell von der Universität Wien in einem Interview mit der Zeitschrift Datum. "Wir leben heute in mehreren Sprachwelten, daraus resultieren die stärkeren Einflusse, vor allem aus dem Englischen", rät er, den Ball in der Diskussion flach zu halten.

Auch wenn die vielen Anglizismen immer öfter für Verärgerung und Verwunderung sorgen, muss man dem Professor wohl recht geben. Es empfiehlt sich sowohl in der Verwendung als auch in der Verurteilung von Anglizismen oder der englischen Sprache generell Zurückhaltung.

Denn mitunter findet man sich schon jetzt rätselnd und staunend in einer verkehrten Welt wieder, wenn jemand die Eindeutschung allzu ernst nimmt. Wie jüngst ein Kollege. Er wurde nach der Bestellung von Kaffee und Kleingebäck von der Bäckersfrau gefragt: "Zum hier?" Es dauerte, bis er begriff, was gemeint war. Die gute Frau nahm die inzwischen weitgehend gelernte englische Beifügung "to go" für "zum Mitnehmen" als Blaupause dafür, einen neuen deutschen Begriff zu konstruieren. Mit der Frage "Zum hier?" meinte sie nichts anderes als die Frage, ob der Kollege Kaffee und Gebäck gleich im Lokal konsumieren wolle.

Ein klarer Fall fürs "Interessen-Matching".

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Oktober 2014

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