Freitag, 28. November 2014

Höhere Steuern fürs Essen?



Wirtschaftsminister Mitterlehner will nicht ausschließen, dass zur Finanzierung der Steuerreform begünstigte Mehrwertsteuersätze, die auch für Lebensmittel gelten, zur Diskussion stehen.

HANS GMEINER

WELS. Mit Händen und Füßen wehrt sich die heimische Landwirtschaft gegen zusätzliche steuerliche Belastungen von Vermögen und Grund und Boden. „Wir beißen nicht vom Boden ab, sondern leben von dem, was darauf wächst“, formuliert Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, gerne deftig, wenn es um höhere Steuern auf die betriebliche Substanz geht. Man verweist in diesem Zusammenhang immer wieder auf die wirtschaftliche Bedeutung der Bauern für ganze Regionen. 560.000 Arbeitsplätze hängen nach Angaben der Bauernvertreter in den vor-und nachgelagerten Bereichen wie Landhandel, Landtechnik-Industrie oder Metzgereien an der Landwirtschaft. „Ein Euro, den ein Bauer investiert, löst eine Wertschöpfung von vier Euro aus, eine Million Invest-Förderung sichert 20 Arbeitsplätze“, sagt Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter.

Nun droht den Bauern möglicherweise aber zusätzliches Ungemach. Auf die Frage, ob eine Änderung bei den reduzierten Mehrwertsteuersätzen von zehn bzw. zwölf Prozent, von denen die Landwirtschaft wie alle Lebensmittelerzeuger, aber auch Gastronomie, Beherbergungsbetriebe und andere wichtige Wirtschaftssparten profitieren, für ihn eine Option sei, antwortete Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Donnerstag bei einem Pressegespräch auf der Welser Agrar-Messe ausweichend. Er möchte „keinen Kommentar abgeben“, sagt er und fügte an, „dass bei einer Reform, und wir reden nicht nur von einer Verkürzung oder Senkung der Steuern, auch diverse Überlegungen in diese Richtung mitspielen können, würde ich nicht ausschließen“.

Die Bauern könnten zwar beim Verkauf ihrer Produkte die höhere Mehrwertsteuer aufschlagen, wären aber wohl einem noch größeren Preisdruck ausgesetzt. Für sie würden aber auch Zukäufe, insbesondere Futtermittel, damit deutlich teurer. Zudem hätten Änderungen bei den Mehrwertsteuersätzen weitreichende Folgen für das steuerliche Pauschalierungssystem. Drastisch wären auch die Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise für die Konsumenten. Sie unterliegen, anders als Konsumprodukte, für die 20 Prozent Mehrwertsteuer zu entrichten sind, einem Mehrwertsteuersatz von zehn Prozent.

Eindeutiger war Mitterlehner bei der Ablehnung der von den Bauern so gefürchteten Substanzsteuern. „Das kann nicht Gegenstand der Verhandlungen sein.“ Da gehe es um die wirtschaftliche Substanz der bäuerlichen Betriebe, um Investitionsmöglichkeiten und um Arbeitsplätze nicht nur auf den Bauernhöfen, sondern auch in den Regionen. „Auf viele Bauern kommen durch die Erhöhung der Einheitswerte und die Neuregelung der Grundsteuern ohnehin schon jetzt zusätzliche Belastungen zu.“

Seine explizite Ablehnung einer Erhöhung der landwirtschaftlichen Substanzsteuern will er ausdrücklich nicht als Ja zu höheren Steuern im nicht landwirtschaftlichen Bereich interpretiert sehen. „Dass ich das nicht ausschließe, heißt noch nicht, dass ich das bestätige“, sagt er. Vorstellen will Mitterlehner die ÖVP-Pläne am 9. Dezember.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 28. November 2013

Donnerstag, 27. November 2014

Verlorene Hoffnungen



Seit Tagen führt sich das Team Stronach, respektive das, was davon geblieben ist, in aller Öffentlichkeit selbst vor. Erbarmungswürdig. Ist die Parteichefin aus der Partei ausgetreten oder nicht? Sagt sie etwas oder lieber doch nicht? Wer wusste was und wer was nicht? Und hat er, der Parteigründer, etwas gewusst? Oder doch nicht?

Wenige Wochen zuvor waren es die Neos, die sich in ähnlicher Weise vorführten. Der Parteichef als Verfasser schwülstiger Gedichtzeilen und gleich einem Guru auf Fotos im Gras, die Jungen in seiner Partei hingegen für Gras -ganz legal und ohne Einschränkungen.

Die Ersteren haben sich längst dezimiert und sind dabei in der Öffentlichkeit endgültig durchzufallen. Die Letzteren sind umgehend in den Umfragen abgestürzt. Einst angetreten, um die Republik zu retten und einen frischen Wind in die Politik zu bringen, neue Ideen und mehr Transparenz, wurden die beiden neuen Parteien, eben erst gegründet und voller Hoffnung von allen Seiten in der Öffentlichkeit hofiert, binnen kurzer Zeit gegen die Wand gefahren. Ohne Not, aber mit einer Gründlichkeit, die ihresgleichen sucht.

Dabei hätte sie dieses Land so dringend gebraucht. Nicht zuletzt deswegen setzte man allerorten so große Hoffnungen in sie. Aber nein, sie konnten sie nicht erfüllen. Mancherorts mag sich darob Schadenfreude breit machen. Die ist freilich nicht angebracht. Denn es tut nicht gut, dass sich in diesem Land neue Parteien so schwer tun, groß und stabil zu werden. Das Liberale Forum scheiterte, jetzt sind das Team Stronach und die Neos dabei das Gleiche zu tun.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen haben sie mit der Unfähigkeit der Leute zu tun, die meinen, die politische Landschaft in Österreich aufmischen zu müssen, und auch mit ihren oft nicht ganz lauteren Motiven. Zum anderen haben sie aber auch mit dem bestehenden System zu tun, das sich als wehrhafte Trutzburg erweist, der kaum beizukommen ist. Binnen kurzer Zeit zeigte sich da wie dort bei den jüngsten Parteigründungen, dass die Personaldecke viel zu dünn ist und dass der Text zu den mitunter sehr populistisch und großspurig formulierten Slogans und Überschriften fehlte. Viel zu oft ließ man politische Glücksritter schalten und walten, die zuweilen bereits in mehreren Parteien in unterschiedlichen Funktionen nach oben zu kommen versuchten, dort aber nicht ohne Grund kläglich scheiterten. Hochgejazzt von willfährigen Medien verlor man rasch den Boden unter den Füßen und ging blauäugig und ohne praktischen und theoretischen Unterbau in politische Auseinandersetzungen, in denen man sich oft nur lächerlich machen konnte. Rasch zeigte sich, dass man von den Ansprüchen überfordert war und dass politische Arbeit mehr ist als ein paar flapsige Bemerkungen und kontroverse Vorschläge. Gemeinsam ist den scheiternden Parteien auch, dass sie die Anforderungen und den Aufwand unterschätzten, der notwendig ist, um im politischen Getriebe zu bestehen oder gar etwas zu bewegen.

Und unterschätzt wurde auch der Widerstand des bestehenden Systems respektive der Parteien, die sie vertreten. Und der ist, man ahnt es, nicht gering zu schätzen. Das Beharrungsvermögen ist groß. Da lässt man Neuankömmlinge nach alter Österreicher Traditionen ins Leere laufen, schickt sie im Kreis und lässt sie dumm sterben. Eine kleine Trickserei da, ein kleines Legerl dort. Das macht auch engagierte Polit-Neuankömmlinge schnell mürbe. Und im Nu ist aus vorgeblichen Wunderwuzzis ein Haufen desorientierter Ahnungsloser, frei zum Gespött der Öffentlichkeit, geworden. Die etablierten Parteien, man weiß es, verstehen sich darauf bestens.

Dass in diesem Land neue Parteien nicht Fuß fassen können, hat auch mit der allgemeinen Politmüdigkeit zu tun, unter die auch die etablierten Partien leiden. Es finden sich zwar jede Menge Leute, die über das Politik-Geschäft schimpfen, aber immer weniger, die es sich auch antun wollen. Vor allem solche, die es drauf hätten.

Damit wendet sich, was eigentlich als Aufbruch für das Land und seine Politik gedacht war, ins genaue Gegenteil, spielen doch die neuen Parteien den bestehenden mit ihrem Scheitern in die Hände. Die wissen, dass sie nichts zu befürchten haben und sehen sich gar in ihrem Tun bestätigt.

Und das ist nicht das, was einem Land gut tut, das so sehr nach Veränderung schreit und die auch dringend bräuchte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. November 2015

Donnerstag, 20. November 2014

Da braut sich etwas zusammen



In der heimischen Innenpolitik braut sich wieder etwas zusammen. Die Zeit der Ruhe und der Hoffnung auf konstruktives Arbeiten, die vom Wechsel von Spindelegger zu Mitterlehner und Schelling genährt wurde, dauert manchen ganz offensichtlich schon wieder zu lange. Der Ton ist dabei, wieder rauer zu werden. Die Vernunft in der Politik, die man in den vergangenen Wochen und Monaten zu spüren vermeinte, ist dabei, wieder zu verschwinden. Immer deutlicher zeigt sich, dass man nicht verlernt hat, was Bürgerinnen und Bürger dieses Landes in den vergangenen Jahren so sehr vergrault hat. Allerorten werden im Ringen um eine Steuerreform die vorübergehend verlassenen Stellungen wieder bezogen. Das lässt Übles befürchten.

Vor allem die Sozialdemokraten, aufgejagt von neuerdings guten Umfragewerten des Koalitionspartners und getrieben von den Gewerkschaften, werden im Vorfeld ihres Parteitages Ende November, bei dem es für Bundeskanzler Faymann um alles geht, rückfällig. Mitunter greift man tief in die Klassenkampf-Mottenkiste und heizt ein Klima der Begehrlichkeiten an, das mit der Realität budgetpolitischer Notwendigkeiten kaum etwas zu tun hat.

Aber auch bei den Schwarzen funktionieren die althergebrachten Muster nach wie vor klaglos. "Politik von oben herab" schimpfte Tirols Günther Platter auf Faymanns Vorschlag, bei den Ländern einzusparen, von "Affront" sprach" Vorarlbergs Wallner. Und Oberösterreichs Pühringer stellte klar, dass die Länder zu keinen Sonderopfern bereit sind: "So etwas hat es ja noch nie gegeben."

Lediglich die neuen VP-Köpfe Mitterlehner und Schelling scheinen den Ball rund um die Steuerreform noch flach halten zu wollen. Fraglich freilich ist, wie lange sie dem Druck standhalten können, der die Koalition immer heftiger in die alten Muster drängt, die man schon so satt hat.

Denn dieser Druck wächst rasant. Die Gewerkschaft hat nach Jahren der Neuorientierung wieder die Kraft, bei den Sozialdemokraten die Richtung vorzugeben. Das nimmt Faymann fast jeden Spielraum und macht ihn zu einer "Lame Duck", einer "Lahme Ente", im Bundeskanzleramt. Als fehlte es dafür eines Beweises dafür, hat er, wohl um sein politisches Überleben zu sichern, der Einfachheit halber gleich die ÖGB-Steuerreform-Vorschläge eins zu eins übernommen.

Dass die Steuerreform nun im Vorfeld eines wichtigen Wahljahres gestemmt werden muss, macht die Sache nicht einfacher, zumal es nicht irgendwelche Bundesländer sind, in denen gewählt wird, sondern zumeist Bundesländer, deren Chefs in ihren Parteien die Linien vorgeben. Häupl und Voves, die sich im Juni und September Wahlen stellen müssen, sind auf Seiten der Sozialdemokraten ebenso wenig politische Leichtgewichte wie Oberösterreichs Josef Pühringer auf Seiten der Schwarzen, der sich im September der Wahl stellen wird. Und auch Burgenlands Hans Niessl, wiewohl Landeshauptmann eines kleinen Bundeslandes, hat schon mehrmals bewiesen, dass er sich nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen lässt

Da hält sich die Bereitschaft zu Veränderungen oder gar dazu, sich etwas wegnehmen zu lassen, in sehr engen Grenzen.

Man darf gespannt sein, wie sich die Dinge in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln werden. Dabei geht es nicht nur darum, ob die Steuerreform überhaupt zustande kommt und wie sie aussehen wird. Dabei geht es auch darum, wie es mit der Koalition zwischen SPÖ und ÖVP weitergeht, die sich schon seit so vielen Jahren quält und eher aneinander abarbeitet, als für das Land zu arbeiten. Und man darf gespannt sein, wie es mit der ÖVP unter Mitterlehner und mit Mitterlehner selbst weitergehen wird. Noch hat er kräftigen Rückenwind aus der Partei. Wenn es ums Geld geht, ums Eingemachte, kann sich das sehr schnell ändern. Aufgebrachte Reaktionen von Landeshauptleuten, wie sie am vergangenen Wochenende Faymann galten, könnten sehr schnell auch ihm gelten. Und seinem Finanzminister. Was noch als Selbstbewusstsein bewundert wird, könnte dem bald als Arroganz ausgelegt werden. Auch von den Leuten seiner Partei. Vor allem von jenen in den Ländern, richtete er denen doch schon bei seinem Amtsantritt aus: "Sie wissen, ich bin auch ein harter Knochen."

Als Bürger dieses Landes freilich kann man nur hoffen, dass seine Ankündigung hält. Denn soll das Land Zukunft haben, braucht es "harte Knochen", und nicht Politiker, die allen nach dem Mund zu reden versuchen und nicht zuletzt deswegen nichts voranbringen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. November 2014

Donnerstag, 13. November 2014

Verlorenes Maß



Derzeit sind es die Wirte dieses Landes, die mit der Bürokratie und dem Schicksal, das sie ihnen beschert, hadern. Ab Dezember müssen sie ihre Gäste über die allergenen Inhaltsstoffe in den von ihnen aufgetischten Gerichten informieren. Ein zusätzlicher Aufwand an Zeit, Geld und Papier, den sie sich gerne ersparen würden, meinen sie, ohnehin schon genug gegängelt zu werden.

So wie den Wirten geht es immer wieder ganzen Berufs- und Bevölkerungsgruppen in diesem Land. Allerorten ist das Wiehern des Amtsschimmels längst zum nervigen Dauerthema geworden. Und das nicht nur, weil die vielen Vorschriften lästig sind und jede Menge Nerven, Zeit und Geld kosten, sondern auch deswegen, weil man sich immer leichter in ihnen verheddert, gibt es doch fast nichts mehr, wo man nicht etwas falsch machen und entsprechend bestraft werden kann. Die Fallen, in die man selbst als um Korrektheit bemühter Bürger tappen kann, werden immer mehr. Die Vorschriften werden immer komplexer und detaillierter und die Kontrollnetze immer engmaschiger. Mitunter so engmaschig, dass sich der Verdacht aufdrängt, sie seien nichts als Beschäftigungstherapie für Beamte, auf dass sie um die Häuser ziehen können.

Da nimmt nicht wunder, dass der Ärger zunimmt. Man ist immer weniger gewillt, Entscheidungen und Bescheide von Behörden hinzunehmen, zumal dann, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt. Der enorme Anstieg der Beschwerden bei der Volkanwaltschaft ist einer der Belege dafür. Knapp 20.000 Bürgerinnen und Bürger wandten sich im vergangenen Jahr an die Einrichtung, die ihnen zum Recht verhelfen soll, wenn sonst nichts mehr scheint helfen zu können. Um 27 Prozent mehr Beschwerden als im Jahr zuvor waren das.

Auch in der Wirtschaft wird die Klage immer lauter. Erst vor wenigen Wochen veröffentlichte der Wiener Management-Club eine Umfrage, derzufolge 80 Prozent der Unternehmer der Überzeugung sind, dass sich die Rahmenbedingungen verglichen mit den vor fünf Jahren gültigen deutlich verschlechtert hätten. Und das obwohl Verwaltungsvereinfachung und Bürokratie-Abbau seit Jahren ganz oben auf der politischen Agenda und, wenn schon nicht das, so doch auf der Liste der politischen Versprechungen stehen.

Vor allem die höheren Kosten , der höhere Zeitaufwand und der erhöhte Ressourceneinsatz, den die Bürokratie verlangt, sind es, die von den Führungskräften der Unternehmen beklagt werden. Dabei geht es oft ans Eingemachte und an die Substanz der Unternehmen. "Drei Viertel der Führungskräfte melden einen höheren Personaleinsatz, bei fast zwei Drittel dämpfen überbordende Verwaltung und Gesetzgebung die Investitionstätigkeit aus", schreibt die Tageszeitung "Kurier"."Mehr als 90 Prozent der Führungskräfte erklären, dass die rechtlichen und verwaltungsmäßigen Rahmenbedingungen Investitionen eher behindern bzw. verzögern und verteuern." Am meisten stöhnen die Unternehmen demnach unter langwierigen und komplexen Bauverfahren, unter der Finanzmarktaufsicht, unter Arbeitszeitregelungen und so Unsinnigkeiten, wie Vorschriften für Parkplatzbeleuchtungen, denen oft eine überproportional hohe Bedeutung zugestanden werde.

Die Zustände sind in vielen Bereichen schlimm und zum Erbarmen. Sie haben aber auch, das ist die andere Seite, mit dem wachsenden Anspruchsdenken aller Beteiligten zu tun. Etwa mit der wachsenden Präpotenz bei der Planung und Umsetzung von Projekten, die am liebsten gar keine Rücksicht auf irgendjemand nehmen würden und die oft nur mit rigiden Vorschriften unter Kontrolle zu bringen sind. Oder damit, dass sich immer irgendein Anwalt darauf versteht, für seinen Mandanten, der wegen einer zu schlechten Parkplatzbeleuchtung gestolpert ist und sich verletzt hat, Körberlgeld zu holen. Oder damit, dass allenfalls als Kavaliersdelikt gilt, mit ein paar nicht ganz der Wirklichkeit entsprechenden Angaben in den Genuss irgendeiner Sozialleistung zu kommen - schließlich will doch niemand als Draufzahler da stehen, und als ungeschickt, weil er oder sie sich nicht darauf verstand, einen möglichen Vorteil zu nutzen.

So betrachtet ist die Regulierungswut nicht nur Bosheit, sondern auch Reaktion auf die Kultur gewordene Gier der Gesellschaft und darauf, dass ihr längst das Maß abhanden gekommen ist. Viel eher, als aufs immer Neue den wiehernden Amtsschimmel zu beklagen, ist vieleicht daran zu arbeiten, genau das wieder zu finden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. November 2014

Donnerstag, 6. November 2014

Nur wenn es den Bauern schlecht geht, geht es ihnen gut





Die Obstbauern klagen, die Schweinebauern, die Milchbauern. Die Lage sei schlimm, ja existenzbedrohend. Allerorten wird fest draufgedrückt. Von den Bauern selbst, und noch viel mehr von ihren Vertretern. Nur wenn in der Zeitung steht "Den Bauern geht's schlecht", scheint es ihnen gut zu gehen. Auch den Bauern gefällt das.

Man hält es offenbar für das höchste Ziel, eine Stimmung zu verbreiten, in der die Bauern als bedürftige Opfer da stehen. Nachgerade schleimend heischt man mitunter um Verständnis und Mitleid. Oft abseits der Realität, oft ziemlich frech und vorlaut und oft, um eigenes Versagen zu kaschieren.

Die Unterschrift Putins unter Russlands Importstopp war noch gar nicht trocken, da riefen die Apfelbauern, die auch ohne Russland vor enormen Vermarktungsproblemen gestanden wären, bereits nach Unterstützung. Auch die Vertreter der Schweinebauern meinten den günstigen Wind nutzen zu müssen. Dabei waren Schweinexporte nach Russland wegen der afrikanischen Schweinepest schon seit dem Frühjahr nicht mehr möglich. Und bei der Milch lenkt man lieber das Licht auf Putin, als darauf, dass man den Milchsee, in dem man nun wieder schwimmt und der auf die Preise zu drücken droht, selbst durch kaum je da gewesene Überlieferungen verursacht hat. Genauso wie man lieber den Teufel drohender Bauernmilchpreissenkungen an die Wand malt und dabei vergisst zu sagen, dass in den vergangenen Monaten die Erzeugermilchpreise so hoch, wie kaum je zuvor und sogar auf dem Vor-EU-Niveau waren.

Keine andere Branche redet sich permanent selbst derart schlecht und hilflos, wie die Landwirtschaft.  Als ob es nur Unfähige und Betrogene wären, die in der früh in die Gummistiefel steigen, um in den Stall zu gehen, die Getreide, Milch und Fleisch erzeugen und die Landschaft in Schuss halten. Die nichts können und dem bösen Handel, den bösen Arbeiterkämmerern, der bösen EU oder Wladimir Putin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.

Keine andere Branche hat derart viele Vertreter, die just genau das für ihre vorderste Aufgabe halten. Permanent erklären sie, was fehlt, was falsch läuft und wer dafür schuld ist. Dass sie damit, bei Licht betrachtet, nichts anderes tun, als ihre eigenes Versagen in die Auslage zu stellen und ihre Unfähigkeit zu beklagen, sehen sie nicht.

Für die heimische Landwirtschaft, die Bauern und auch die Politik, ist diese zur Kultur gewordene Miesmacherei längt zum Mühlstein geworden. Immer mehr Bauern haben die Nase voll von der ewigen Raunzerei und davon, permanent den Stempel eine hilflosen Verlierers, der immer und überall Beistand, Verständnis und Sonderbehandlung braucht, aufgedrückt zu bekommen.

Die Stimmung, die in der Öffentlichkeit transportiert wird, stimmt zum Glück immer seltener mit der Realität auf den Höfen überein. Und - das sei angefügt - auch nicht mit dem Erscheinungsbild der Bauernhäuser, der Stallungen, der Maschinen-Ausstattung und der Autos.

Denn die, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, die sich nicht mehr auf öffentliche und politische Alimentation und Bevormundung verlassen wollen, werden mehr. Sie entscheiden sich selbstbewusst für die Landwirtschaft. Sie wissen, was sie erwartet und sie wissen, was möglich ist. Daraus wollen sie etwas machen, das wollen sie zu ihrem Leben machen.

Und sie wissen auch, dass derzeit die Situation in vielen Bereichen alles andere als einfach ist. Aber sie wissen auch, dass es wieder anders wird.

Genau so, wie das in vielen anderen Branchen gilt.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land 11/14, 6. November 2014

Enge Gürtel



Die öffentlichen Haushalte in Österreich sind aus allen Fugen, die Verschuldung explodiert. Die Last, die sich für künftige Generationen aufbaut, lässt vielen die Grausbirnen aufsteigen, ist sie doch längst unüberschaubar geworden. "Wir müssen den Gürtel enger schnallen", heißt es allerorten. Das klingt fraglos gut und vernünftig. Und es ist, auch das ist keine Frage, notwendig. Im Detail freilich präsentiert sich, was an Stammtischen oder an Rednerpulten in Bierzelten so logisch, einfach und einleuchtend klingt, oft sehr diffizil und vielschichtig. Vor allem dann, wenn man mit einem Mal selbst betroffen ist von Einsparungsmaßnahmen. Da hält man's sehr schnell lieber mit der Divise "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass".

Da erweisen sich einfache Lösungen sehr schnell als nicht viel mehr denn als Anfangspunkte für neue Kalamitäten, für Ungerechtigkeiten und Unmut. Das ist bei den Sparvorhaben beim Bundesheer so oder bei der Polizei, in der Landwirtschaft oder im Sozialbereich.

Einsparungen gibt es nicht ohne Schmerzen, auch wenn das die Politik gerne so verkauft. Während viele der Einsparungen, die geplant sind oder dabei sind, umgesetzt zu werden, Institutionen betreffen, sind die Einsparungen vor allem im Sozialbereich sehr schnell dabei, Menschen direkt zu treffen. Dort ist schon jetzt in manchen Bereichen, wie kaum in anderen Sparten, zu sehen, wohin der Weg geht, der notwendig ist, weil man in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten über den Verhältnissen lebte und sich Dinge leistete, die man sich nie und nimmer hätte leisten dürfen.

Doch während zumeist diejenigen, wegen denen nun das System überfordert ist, ihre Schäfchen im Trockenen haben und weiterhin ihre Ansprüche wohl bis ans Lebensende konsumieren können, müssen immer mehr zur Kenntnis nehmen, dass sie zu spät kommen und für sie nicht mehr so viel da ist, wie man es bisher gewohnt war. Sie müssen damit leben, dass es im Sozialstaat Österreich in den vergangenen Jahren bereits spürbar enger wurde.

Sie müssen, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, ausbaden, dass Sozialminister Hundstorfer den Zugang zum Pflegegeld erschweren will, weil das Geld zu wenig geworden ist. In der politischen Diskussion sorgte dieser Vorschlag für hohe Wellen und geriet im Handumdrehen zum innenpolitischen Aufreger. Es wird nicht der letzte dieser Art sein.

Er fügt sich schon jetzt in eine Reihe von immer lauter werdenden Klagen über Kürzungen von Sozialleistungen, Umschichtungen von Geldern oder Neugestaltung von ganzen System-Strukturen.

Jüngst beklagte erst die Arbeiterkammer Oberösterreich wortreich das Schicksal einer an Multipler Sklerose erkrankten 42-jährigen Verkäuferin, die wegen der seit dem Vorjahr geltenden Neuregelung des Pensionsvorschusses droht, durch das in Österreich vermeintlich so dichte Sozialnetz zu fallen. "Weil sie wegen der Neuregelung des Pensionsvorschusses nach Ablehnung ihre Pensionsantrages gar nichts mehr gehabt hätte, musste die Frau ihren Job kündigen, um zum Überleben wenigstens das Arbeitslosengeld zu bekommen", schreibt die Arbeiterkammer. Jetzt freilich lebe die Frau ständig unter dem Damoklesschwert eines Krankenhausaufenthaltes. "Denn sollte sie ins Spital müssen, dann stünde sie dem AMS nicht mehr für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung, daher würde ihr das Arbeitslosengeld gestrichen. Wovon sie dann leben soll, weiß sie nicht."

Die bedauernswerte Frau ist sicherlich nicht die einzige, der es so geht. So geht es wohl auch vielen der laut Statistik Austria 1,2 Millionen Armutsgefährdeten in diesem Land. Sie haben schlechte Karten. Vor allem jene, die wirklich Hilfe und Unterstützung bräuchten.

Da bekommt die herablassende Rede von der sozialen Hängematte sehr schnell einen sehr zynischen Beigeschmack. Denn gerade jene, die es am nötigsten hätten, fallen bei Änderungen des Systems oder bei finanziellen Kürzungen besonders oft durch. Für die Politik ist es eine große Herausforderung, den richtigen Weg zu finden. Dabei geht es um Effizienz. Weniger wäre oft mehr. Es geht vor allem darum, die Treffsicherheit der Maßnahmen zu erhöhen. Es soll denen geholfen werden, die es wirklich brauchen, und nicht Trittbrettfahrern, die sich besonders gut darauf verstehen, Lücken in den Vorschriften zu ihrem Vorteil zu nutzen. Denn Erstere fallen immer noch viel zu oft durch, während sich das bei Zweiteren genau umgekehrt verhält.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. November 2014
 
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