Donnerstag, 19. Februar 2015

Bei den Bauern boomt Bio nicht



Die Verkäufe von Biolebensmitteln stürmen seit Jahren von Rekord zu Rekord. Doch die Zahl der Biobauern stagniert. Viele schrecken wegen des höheren Aufwands und auch der Kontrollen vor dem Umstieg zurück.

Hans Gmeiner Salzburg. Der Run auf Biolebensmittel ist ungebrochen. Die Nachfrage steigt seit Jahren kontinuierlich. „Bio ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt AMA-Marketingchef Michael Blass. In den vergangenen fünf Jahren seit 2009 legten die Einkäufe im Lebensmittelhandel in Österreich wertmäßig um rund 40 Prozent auf 388 Mill. Euro zu. Mengenmäßig stieg der Absatz um knapp 20 Prozent. Nach Einschätzung von Kennern der Branche wird der Boom so schnell nicht abreißen. „Grundsätzlich sieht es eigentlich gut aus“, erklärte erst kürzlich Helga Willer vom Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau.

In der österreichischen Landwirtschaft ist von dieser Jubelstimmung dagegen nur wenig zu spüren. Viele Bauern stehen der Erzeugung von Biolebensmitteln eher reserviert gegenüber. Der Anreiz umzusteigen ist gering – wegen der Preise in vielen Produktsegmenten, der Kontrollbürokratie und der zuweilen aufwendigen Produktion. Dazu kommen auch schlechtere Erträge und ein deutlich erhöhtes Produktionsrisiko. Selbst die höheren Förderungen, die geboten werden, vermögen das nicht auszugleichen.

Daher ist nicht verwunderlich, dass die Biolandwirtschaft und die Produktion biologischer Nahrungsmittel in Österreich faktisch stagniert. Die Zahl der Biobauern ist seit der Einführung klarer Kriterien für die biologische Produktion Anfang der 1990er-Jahre kaum gewachsen und pendelt seit zwanzig Jahren rund um 20.000, das entspricht rund einem Achtel aller land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Österreich. Auch die Verbesserungen im neuen Agrarförderprogramm brachten bisher nicht den nötigen Schub. Heuer dürfte die Zahl der Landwirte, die sich dem Biolandbau verschreiben, um nicht mehr als 1000 wachsen.

Zurückhaltung gibt es vor allem in den Kernbereichen der Produktion. Die Biogetreideernte liegt seit fast zehn Jahren bei rund 300.000 Tonnen, bei einer Gesamternte von 5,7 Millionen Tonnen. Ähnlich ist es in der Fleischproduktion. Zwar beträgt die Steigerung bei Schweinen 20 Prozent, die 70.000 Bioschweine machen aber nur rund zwei Prozent der gesamten Schweineproduktion in Österreich aus. Etwas besser ist es bei Rindern, 60.000 Biorinder entsprechen aber auch nur drei Prozent des Gesamtbestands.

Zuwächse in der Bioerzeugung gibt es bei Geflügel, Eiern, Obst und Gemüse und, als einzigem Kernbereich der Landwirtschaft, bei Milch. Dort hadert man aber mit dem Preis. Obwohl Biomilch gesucht ist wie noch nie, rasseln in Österreich die Erzeugerpreise für Bauern gemeinsam mit jenen für konventionelle Milch in den Keller. In Deutschland, wo die Preise nicht gekoppelt sind, ist das anders, dort steigen die Preise für Biomilch rasant. Dort bekämen die Landwirte für Biomilch um zehn Cent pro Kilogramm mehr als in Österreich, sagt Biobauernchef Rudi Vierbauch. Er wirft den Molkereien vor, den bequemen Weg zu gehen und die Möglichkeiten, die Bioprodukte böten, nicht zu nutzen. „Schon jetzt liefern deswegen viele Bauern ihre Biomilch lieber nach Deutschland“, sagt er, „neuerdings tun sich auch in Italien neue Möglichkeiten auf.“

Vierbauch kritisiert, dass für die meisten Lebensmittelverarbeiter in Österreich Bio nicht mehr ist als ein Anhängsel in der Produktion. „Die Produkte laufen mit, es gibt kaum eigene Ideen und Konzepte für dieses Marktsegment.“ Der Interessenvertreter der Bauern sieht dabei nicht nur die Milchwirtschaft in der Pflicht. Angesichts der Marktanteile und der Erwartungen würden die Möglichkeiten in vielen Bereichen zu wenig genützt. Er nennt ein Beispiel dafür, wie es gemacht werden sollte. „Ich hoffe, dass andere Branchen die Bioapfelbauern als Vorbild nehmen, die haben in den vergangenen drei Jahren ihre Produktion und ihren Absatz verdoppelt.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 19. Februar 2015

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