Donnerstag, 12. Februar 2015

Desinformations-Zeitalter



Unsere Zeit gilt als Informationszeitalter. Dabei wäre längst wohl Desinformationszeitalter die weitaus bessere Bezeichnung. Je mehr wir über die Handys wischen, um auf Twitter, Facebook oder den von den Nachrichtendiensten Neues zu erfahren, je mehr wir in Zeitungen und Zeitschriften blättern und je mehr wir uns durch die Fernsehkanäle zappen, desto verwirrter werden wir. Wem ist zu glauben? Und was? Wer will was? Und wer steht dahinter?

Information ist beliebig geworden und wird oft viel eher genutzt, um zu manipulieren, denn zu informieren. Erst dieser Tage sorgten die Gaunereien bei Hotelbewertungen im Internet für Aufsehen. Gegen Bezahlung kümmern sich weltweit Agenturen darum, auf den Reiseplattformen im Internet gute Bewertungen zu platzieren. Bei größeren Hotels dürften bereits zehn bis 20 Prozent der Hotelbewertungen gefälscht sein, vermutet man. "Der Tourismus ist bei weitem nicht die einzige Branche, in der Unternehmen sich via Falsch-Bewertungen besser darzustellen versuchen", schreiben die "Oberösterreichischen Nachrichten".

Auf online-Portalen wie Amazon, dooyoo, geizhals, cioa oder yopi dürfte man, vermutet man, mit ähnlichen Probleme zu tun haben. In Deutschland etwa erregte man sich über eine Agentur, die unter falschem Namen auf Online-Plattformen positive Botschaften über jeweilige Firmenkunden unterbrachte. Und längst hat selbstredend auch die Politik die Möglichkeiten des Internets und der neuen Kommunikationsformen als weites Feld für ihre Spiele entdeckt um auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen. Erst im vergangenen Herbst sorgte bei uns die Aufdeckung von Auftragspostings zu politischen Themen für veritable Aufregung.

Wie sehr das Informationszeitalter zu einem Desinformationszeitalter geworden ist, zeigt sich kaum wo deutlicher als bei gesellschaftpolitischen Themen. Wenn es um die Einschätzungen von weltpolitischen Konstellationen geht, wie jetzt zwischen Russland und dem Westen in der Ukraine-Frage. Wenn es um Griechenland geht, um den Euro oder um das Freihandelsabkommen, das zwischen den USA und der EU ausverhandelt wird. Immer schwieriger wird es sich eine Meinung zu bilden und im von Parteien und Interessengruppen versprühten Informationsnebel Orientierung zu finden.

Es ist nichts mehr zu greifen. Zwischen Guten und Schlechten, zwischen Ehrlichen und Schlitzohren, zwischen Ernsthaften und Flunkerern ist in diesem Spiel längst nicht mehr zu unterscheiden. Nicht in der Politik, nicht in der Wirtschaft. Und auch sonst nirgendwo. Alle spielen mit allem, alle bedienen sich des gesamten Reservoirs. Längst unter die Räder gekommen ist dabei viel zu oft das, was früher als Ethos die Akteure leitete in ihrem Versuchen, ernsthafte Informationen zu bieten. Stattdessen geht es heute nur mehr um den richtigen Dreh zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wenn der gelingt, dann gilt die Information als gut. Nicht immer, aber viel zu oft schon.

Es gibt in der öffentlichen Diskussion kaum mehr eine Äußerung, die keine Absicht hat, die nicht gefärbt ist und hinter der nicht die Absicht steckt, irgend etwas zu erreichen oder zu bewirken. Das Bemühen um ausgewogene Information ist kaum mehr zu erkennen. Die Diskussionskultur ist zerrieben, das Vertrauen zerstört. Das macht es schwierig und aufwändig. Die Gesellschaft heute sei "overnewsed but underinformed" wissen die Kommunikationswissenschafter längst. Ein Gegenrezept haben sie freilich nicht.

Und das ist nicht nur schlimm, sondern auch gefährlich. Immer mehr Menschen wenden sich ab und lassen die Mühe fahren, sich um werthaltige Information zu kümmern. Man verlässt sich angesichts des überbordenden und verwirrenden Angebotes zunehmend auf kleine Happen und das was in dieser Form als Information geboten wird. Und das ist zumeist nichts als laut, zugespitzt, kurz geschlossen und oft nichts als einseitig.

Damit freilich wird man immer leichter zur manipulierbaren Masse, ausgeliefert den Winkelzügen in der Politik und den Strategen in der Wirtschaft.

Die Art und Weise, wie immer mehr Diskussionen laufen, ist Beweis dafür. Fakten zählen nicht, sondern Emotionen, die erzeugt werden bei Menschen, die das Vertrauen in die Informationsgesellschaft längst verloren haben und damit nicht mehr zurecht kommen - im Informationszeitalter, das diesen Namen nicht mehr verdient.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Februar 2015

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