Donnerstag, 5. März 2015

Land mit Wurm



In diesem Land ist der Wurm drinnen. Und das nicht nur wegen der Hypo Alpe Adria. Das sagen viele von denen, die die Entwicklung in Österreich beobachten, schon lange. Man mag sie für Miesmacher halten und für Nestbeschmutzer. Oder für notorische Nörgler. Aber viele von den Meldungen, die Österreich in den vergangenen Wochen im internationalen Konnex zeigten, geben ihnen durchaus recht. Und auch viele andere Meldungen taten das. Nachgerade massiv kam daher, wovor schon so lange gewarnt und was schon so lange befürchtet wurde. Schwarz auf weiß. Und damit gleichsam amtlich. Und allesamt haben sie nichts mit der Wolkenkuckuckswelt zu tun, die sich vorzugaukeln hierzulande vieler Leute, zumal jener in den Regierungsparteien, Lieblingsbeschäftigung ist.

Da ist wenig von der Insel der Seligen und wenig von einem führenden europäischen Land, als das man sich so gerne sieht. Da zeigt sich viel mehr, dass sich all die Fehler und Versäumnisse der vergangenen Jahren jetzt so weit aufsummiert haben, dass sie schlagend werden. Österreich wurde in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen von oben nach unten durchgereicht, nach oben ging es hingegen praktisch nie.

So zählt etwa Österreich mittlerweile in Sachen Wirtschaftswachstum gemeinsam mit Zypern und Italien zu den Schlusslichtern in der Eurozone. Dort wächst die Wirtschaft doppelt so stark wie hierzulande. Was genau betrachtet auch ein leichtes ist, denn hierzulande wächst die Wirtschaft bekanntermaßen ja kaum mehr. Und das seit nunmehr schon drei Jahren. Im letzten Quartal des Vorjahres sank das BIP gegenüber dem vergleichbaren Vorjahrszeitraum gar um 0,2 Prozent, während es in Deutschland zur gleichen Zeit um 1,5 Prozent und in der Eurozone um 0,9 Prozent zulegte.

Das freilich ist nicht alleine Schicksal und nicht nur mit den schwierigen Verhältnissen auf den Märkten zu erklären, wie man das hierzulande gerne tut. Nicht wenige Fachleute sehen das im Zusammenhang mit dem aus den Fugen geratenen österreichischen Staatshaushalt, der der Politik keinen Spielraum mehr lässt. Man verweist darauf, dass sich unter den Euroländer mit den höchsten Zuwachsraten auffallend viele Länder finden, die in der jüngeren Vergangenheit die öffentlichen Haushalte konsolidiert haben. Diejenigen, die ihre öffentlichen Ausgaben hochgefahren beziehungsweise hoch gehalten haben, tummeln sich hingegen, wie etwa die Agenda Austria vorrechnet, "am unteren Ende der Wachstumsskala".

Da passt dazu, dass Standard &Poors wegen der hohen Verschuldung und mangelnder Reformen in den nächsten Jahren für ausgeschlossen hält, dass es für Österreich bald wieder das Triple A geben könnte. Das übrigens wackelt mittlerweile auch bei der einzigen Agentur, Moody's, die unser Land noch in der höchsten Bonitätsstufe hat.

In diese Meldungslage fügt sich auch, dass alle Prognosen erwarten, dass die Arbeitslosenquote in Österreich deutlich stärker ansteigt als im EU-Schnitt. Oder die Meldung, dass Arbeitskräfte in Österreich für die Arbeitgeber um zehn Prozent teurer sind als in Deutschland und ihnen trotzdem weniger in der Brieftasche bleibt.

Österreich hat in den vergangenen Jahren viel von seinem einst passablen Ruf verspielt. Überall wird nun sichtbar, wie sehr es an Führung fehlt, an Entscheidungsfreudigkeit, an Mut zu Neuem und an Konzepten. Das Land bräuchte einen Ruck, aber stattdessen wird der Zustand, der das Land zusehendes lähmt, nur moderiert. Die Diskussion um die Steuerreform ist ein nachgerade archetypisches Beispiel dafür. Sie ist bestimmt von Rücksichtnahmen auf Wählerguppen, auf Wahltermine und auf Politiker-Befindlichkeiten. Ganz abgesehen davon, dass von Einsparungen auf der Ausgabenseite, von den längst überfälligen Strukturreformen gar, keine Rede ist.

Der Politik und den Interessenvertretern in diesem Land fehlt der Zug durchzugreifen. Man weiß sich freilich, und das ist wohl die Krux, eins mit der Bevölkerung. Dort neigt man, wie jüngst Umfragen belegten, viel eher dazu, von der guten alten Zeit zu schwärmen, als sich ins Zeug zu legen und für das eigene Fortkommen und das der Gesellschaft insgesamt etwas auf sich zu nehmen. "Leistung ist nicht mehr sexy", fassten die Meinungsforscher zusammen.

Damit bleibt es wohl beim "Durchwurschtln", wie Wirtschaftskammerpräsident Leitl das erst jüngst wieder nannte - jener Grundhaltung, die seit geraumer Zeit dabei ist, Österreich zu einer Skurrilität Europas zu machen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. März 2015

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