Donnerstag, 26. März 2015

Vorurteile als Staatsräson



Die Regierung will offenbar ernst machen mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Registrierkassenpflicht auch schon für kleine Unternehmungen, keine gerichtlichen Schwellen mehr für die Einschau in Betriebskonten, stattdessen ein Freibrief für Steuerfahnder, mehr Betriebsprüfer im Finanzamt, Spione in den Wartezimmern der Ärzte. Starker Tobak fürwahr. Ein ganzes Land ganz offenbar unter Generalverdacht. Da nimmt nicht wunder, dass das Wehklagen allerorten ein großes ist. "Wir werden behandelt, als wären wir durch die Bank schwarze Schafe und Steuerhinterzieher", tönt es allerorten.

Auch wenn das vielen unverständlich erscheint, unerklärbar ist es nicht. Zumal in einem Land, in dem sich eine Kultur etabliert hat, in der als Geschicktester gilt, wer sich am besten darauf versteht, alles auszunutzen, sich überall zu bedienen und notfalls alles zu verbergen. Ein Augenzwinkern da, ein Augenzwinkern dort. Ein bisserl was geht immer. "Legerl" inklusive. König ist der, der sich am besten darauf versteht - wenn's darum geht, ein bisserl was schwarz zu verdienen, wenn's darum geht, sich mit der Arbeitslosen und ein bisserl Pfusch ein feines Leben einzurichten, wenn's darum geht, ein paar Krankenstandstage herausholen oder darum, sich früher eine Pension zu organisieren.

Das ist Kultur in diesem Land. Alle wissen davon. Und alle wissen davon, dass alle zuschauen. Keiner denkt sich etwas dabei. Und keiner findet das gar groß anstößig. "Kavaliersdelikt" ist der schöne österreichische Begriff dafür. Und wer hält sich nicht für einen Kavalier?

Aber nicht nur deshalb sind die Pläne der Regierung nicht unverständlich. Denn, dass sie nun spezielle Berufsgruppen besonders ins Visier nehmen will, passt gut zu einem Land, in dem Vorurteile allemal einen größeren Stellenwert haben als Fakten.

So gelten Beamte grundsätzlich als faul und bequem und keines anderen Sinnes, als den Bürgerinnen und Bürgern das Leben möglichst schwer zu machen. In einem ähnlich schlechten Ruf stehen mancherorts die Eisenbahner dieses Landes, die sich permanent dem Generalverdacht ausgesetzt sehen, nichts als sündteurer Kostenfaktor fürs Budget zu sein, weil sie es verstanden hätten, einzigartige Dienstverträge inklusive ein vielen als hoffärtig früh geltendes Pensionsantrittsalter zu verteidigen. Mit noch mehr Vorurteilen und noch öfter mit Generalverdächtigungen haben hierzulande nur Arbeitslose und Ausländer zu leben. Die einen gelten als arbeitsscheu, die nur der Öffentlichkeit auf der Tasche liegen und jedweden Anspruch ausnutzen wollen. Die anderen gelten vielen in diesem Land grundsätzlich als kriminell, als Sozialschmarotzer und als faul sowieso.

Darum soll nicht wundern, dass in dieser gesellschaftlich-kulturellen Gemengelage auch die Regierung Vorurteile pflegt. In der sitzen ja auch lauter gelernte Österreicherinnen und Österreicher, denen nichts vom Beschriebenen fremd ist. Und diese Regierung, in der - das sei nebenbei bemerkt - ein ehemaliger Generalsekretär der Wirtschaftskammer als Vizekanzler dient, frönt mit ihrer Steuerreform ganz offensichtlich ihren Vorurteilen gegen die Unternehmer. Die will man ins Visier nehmen, denen will man in die Taschen greifen, die hat man im Verdacht, den Staat nichts denn ausnutzen zu wollen.

Das fügt sich in den Generalverdacht, in dem Unternehmer und die Wirtschaft als Ganzes in den vergangenen Jahrzehnten, vorangetrieben von zahllosen Proponenten der Sozialdemokratie, gestellt wurde. Unternehmer gelten hierzulande vielen, ganz so als herrsche noch der frühe Kapitalismus, als Ausbeuter, von nichts als Raffgier gesteuert. Wer hierzulande erfolgreich ist, dem wird schnell das Stigma angeheftet, es sich gerichtet zu haben. Warum also soll in einem solchen Land das nicht auch die Regierung annehmen? Vorurteile als Staatsräson sozusagen.

Sie soll es mitnichten. Denn das ist nichts anderes denn ein gefährliches Spiel zu nennen. Das ist nichts denn ein Zeichen dafür, dass in dem Land das Vertrauen untereinander grundlegend erschüttert ist und dass die Verantwortlichen den Blick aufs Ganze nicht mehr wahrnehmen.

Gute Basis für die Zukunft dieses Landes ist das jedenfalls keine.

Aber daran zu arbeiten, interessiert hierzulande offenbar ohnehin kaum jemanden. Nicht in der Regierung. Und auch nicht bei den von ihr Regierten. Wohl erst recht nicht jene, die jetzt unter Generalverdacht gestellt werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. März 2015

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