Donnerstag, 30. April 2015

Transpa-was?



Die Bauern haben das Bummerl. Wieder einmal. Ende Mai geht die Transparenzdatenbank wieder online. Haarklein wird jeder aufgeführt und was er an Förderungen und Ausgleichszahlungen bekommt. Fein säuberlich sortiert nach Alphabet, nach Gemeinden, nach politischen Bezirken und nach Bundesländern.

"Der gläserne Landwirt" nennt man das euphemistisch fein. Man habe ja ein Recht darauf zu wissen, was mit dem Steuergeld aus Wien und Brüssel und dem aus den Landeshauptstädten passiert. Fragt sich bloß, warum das nur bei den Bauern gilt und nirgend sonstwo. Und obwohl es weitaus größere Bereiche gäbe, die nach Transparenz im Umgang mit Fördergeldern verlangten als die Landwirtschaft alleine.

Aber wo ist die "gläserne Schule"? Der "gläserne Straßenbau?" Die "gläserne Eisenbahn"? Wo ist das "Gläserne" an allen Einrichtungen und Personen, die Jahr für Jahr von öffentlichen Fördertöpfen gelabt werden? Nur gut eine Milliarde Euro geht in die Landwirtschaft, aber insgesamt sind es rund sechzehn Milliarden, die in Österreich jährlich für direkte Förderungen ausgegeben werden. Rechnet man die Sozialleistungen dazu, kommt man auf gut 80 Milliarden Euro, die da nach Transparenz verlangen.

Im Gegensatz zu den Bauern, wo die Transparenz nichts als Entblößung und Zurschaustellung ist, wäre im großen heimischen Förderdschungel jede Menge Geld zu holen, das die maroden öffentlichen Haushalte gut gebrauchen könnten, weil allerorten Mehrfachförderungen und Ineffizienzen ins Kraut schießen. Auf 3,5 Mrd. bis fünf Milliarden Euro schätzen heimische Wirtschaftforscher alleine aus diesen Titeln das Sparpotenzial.

Aber nichts geschieht. Nichts? Der seinerzeitige Finanzminister Pröll brachte vor sechs Jahren eine Datenbank ins Spiel, die wenn schon nicht konkrete Geldflüsse, so doch zumindest die Förderungen von Gebietskörperschaften offenlegen sollte. Seine Nachfolgerin Fekter brachte keinen Fortschritt zusammen und auch nicht deren Nachfolger Spindelegger.

Das Ergebnis ist mager und fristet als "transparenzportal.gv.at" ein verstecktes Dasein im Internet. Und das ganz zu Recht. Denn wer aber glaubt, dort Informationen und gar ähnliche Transparenz, wie in der Landwirtschaft, zu finden, irrt gewaltig. Mehr als eine Auflistung der Fördermaßnahmen ist das nicht. Dass das so wenig ist, hat nicht

nur mit der Unlust öffentlicher Stellen zu tun, sondern auch mit Macht. Etwa jener der Länder in diesem Land. Die lassen sich nicht gerne in die Karten schauen. Schon gar nicht vom Bund. Und da kann ihnen der noch so viel Geld geben. Transparenz? Fehlanzeige. Und auch der nationale Rechnungshof bleibt draußen. Da hat man als Feigenblatt allemal neun Länder-Rechnungshöfe lieber.

Dabei wäre gerade dort Transparenz gefragt. Weiß jemand, wofür das Geld im Detail ausgegeben wird? Wer es bekommt? Gibt es eine Transparenz des jeweiligen Budgetvollzuges?

Aber das passt zum nachgerade schizophrenen Verhältnis, das die Verantwortlichen in diesem Land zum Thema Transparenz haben. Vor allem, wenn es um die der eigenen Institutionen geht. Die Ereignisse der vergangenen Wochen waren entlarvend. Die Schwärzungs-Orgien in den Akten, die dem Hypo-Untersuchungsausschuss vorgelegt wurden, sind ein beredtes Beispiel dafür. Und die geplante Registrierkassenpflicht und der vereinfachte Zugriff der Finanz auf die Bankkonten von Gewerbetreiben ein anderes.

Wie bitte geht das zusammen? Ungeniertes Verstecken und Vertuschen dort unter dem Mäntelchen von Personenschutz und Ähnlichem. Und unverblümte Überwachung und neugieriges Stierln da.

Ein Linie ist da bei bestem Willen nicht zu erkennen. Nirgendwo. Nicht in der Politik und auch nicht in der Verwaltung. Das legt den Verdacht fehlender Ernsthaftigkeit nahe. Und eines fehlenden Willens. Den lässt man lieber bei kleinen Gruppen aus. Bei den kleinen Unternehmern, bei den Gewerbetreibenden und bei den Bauern - ganz so, als müsste man beweisen, woher das Wort Bauernopfer kommt.

Und noch eines sei angemerkt. Die Schizophrenität im Umgang mit Transparenz spielt sich hauptsächlich im Einflussbereich jener Partei ab, die seit Jahrzehnten in der Regierung sitzt, in den Ländern die Mehrheit hat und die just jene Gruppen, die sich vor der Öffentlichkeit und dem Fiskus bis auf die Unterhose ausziehen müssen, zu ihren Kernschichten zählt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. April 2015

Mittwoch, 29. April 2015

Bauer ist Bauer ist Bauer



Die Voraussetzungen in Österreich Landwirtschaft zu betreiben und die hiesigen Agrarstrukturen sind so unterschiedlich, wie kaum anders wo. Und zahllos sind die Diskussionen darüber, welche Bauern es in diesem Land leichter haben und welche schwerer, welche bevorzugt werden und welche benachteiligt.

Sind es die Bergbauern, die auf steilen Hängen arbeiten? Sind es die Milchbauern, die jetzt mit dem freien Markt zurechtkommen müssen? Sind es die Schweinebauern, die unter großem Marktdruck stehen? Die Rindermäster, die um so viel Fördergelder umfallen? Oder sind es die Ackerbauern, denen die Preise unterm Hintern wegbrechen?

Über die Antworten, die dabei angeboten werden, mag man unterschiedlicher Meinung sein. Was aber auffällt ist, dass die Struktur der Probleme in allen Produktionszweigen, in allen Betriebsgrößen und in allen Regionen durchaus ähnlich sind. Dabei spielt keine Rolle, ob der Hof im Waldviertel steht und mit zehn Kühen Milch erzeugt, oder ganz hinten im Pitztal, ob in Kärnten oder im Burgenland. Es spielt keine Rolle, ob Milch, Fleisch oder Getreide erzeugt wird und ob bio oder nicht. Und es spielt auch keine Rolle, ob der Hof 15 Hektar, 50 oder 100 Hektar bewirtschaftet.

Der Grund dafür ist, dass objektive Kriterien für das persönliche Befinden kaum eine Rolle spielen. Es sind das subjektive Empfinden und die persönlichen Voraussetzungen, die ausschlaggebend sind dafür, wie sich die Bauern fühlen und die Sorge darum, gewohnte Standards zu verlieren. Daher gleichen sich die  Probleme überall. Überall empfindet man, wirtschaftlich kämpfen zu müssen und unter großem Druck zu stehen. Überall wird als enorme Herausforderung empfunden mit Veränderungen von politischen Rahmenbedingungen oder Umwälzungen auf den Märkten zurechtzukommen. Und überall auf den Bauernhöfen nistet die Unsicherheit darüber, wie es denn weitergehen wird. Überall ist die Betriebsgröße ein großes Thema. Wie können wir uns in Zukunft behaupten, wenn es doch offenbar nur mehr um große Produktionseinheiten und möglichst billige Produkte geht? Wie kann man vor diesem Hintergrund die Jungen motivieren, den Betrieb weiter zu führen? Wird jemand den Hof, der über Generationen bewirtschaftet wurde übernehmen? Wie geht es mit den Gebäuden weiter?

Überall klagt man über Auflagen und Bürokratie. Und überall macht man sich Sorgen wegen des zunehmenden Landwirtschafts-feindlichen Umfeldes, das immer öfter als Realitätsfremd empfunden wird.  

Gerade all das zeigt, dass alle Bauern in einem Boot sitzen. Die im Osten, die im Westen, die auf dem Bergen, die in den Tälern, die in den hügeligen Regionen, die auf dem flachen Land die Konventionellen und die Bios. Ihre Situation ist viel gleicher, als viele wahrhaben wollen, zumal, jene die sich benachteiligt fühlen. Bauer ist Bauer ist Bauer.

Das freilich wird zunehmend vergessen, wenn man übereinander redet, lästert und zuweilen sogar schimpft. Auch von der Politik. Immer öfter fühlen sich ganze Regionen und Produktionszweige mit ihren Problemen übergangen und ihrem Schicksal überlassen. Der Landwirtschaftsminister ist nicht der einzige, der sich das vorhalten lassen muss. Auch agrarische Interessenvertreter sehen sich mit Vorhaltungen konfrontiert, dass sie zu oft alleine die Region oder den Betriebszweig, aus dem sie kommen, bei ihrer Tätigkeit im Auge hätten und dabei immer öfter das Ganze übersähen.

Sie sollten wieder mehr über den Tellerrand schauen. So wie das die Bauern auch tun müssen.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 30. April 2015

Donnerstag, 23. April 2015

Ehrenamt stößt an Grenzen



Ehrenamtliche Tätigkeiten haben in Österreichs gesellschaftlichem Leben einen hohen Stellwert. Im Sozialwesen, in der Bildung, im Sport, in der Kultur, in der Politik, in der Wirtschaft. Die Verantwortung, die in diesem Land viele Menschen als Mitarbeiter in Vereinen, Initiativen, Parteigruppen oder Genossenschaften auf sich nehmen, ist in manchen Sparten sehr groß. Nicht nur für sie selbst, sondern für die gesamte Gesellschaft. Vieles in diesem Land würde ohne sie und ohne die Organisationen und Gruppen, für die sie sich einsetzen, gar nicht funktionieren. Und dennoch macht man es ihnen immer schwerer - auch wenn von oben her immer wieder gerne das Hohelied auf die Bedeutung der ehrenamtlichen Arbeit gesungen wird. Man hat kaum Hemmungen, die Vorschriften immer weiter zu verfeinern, an die sich die Ehrenamtlichen und die Organisationen, für die sie tätig sind, zu halten haben. Da wird ein bisschen mehr verlangt, und dort auch. Es geht um immer rigider werdende bürokratische Auflagen, um immer straffere Kontrolle, um immer strengere steuerliche Vorschriften und um vieles anderes, was der Bürokratie-Baukasten hergibt. Dazu kommen immer rigidere Aus-und Fortbildungsfortschriften und oft auch Haftungsfragen, die vielen ein Engagement verleiden.

Da nimmt nicht wunder, dass es viele, die eigentlich Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit hätten, lieber doch mit dem Spruch halten, der insbesondere an Stammtischen immer wieder zu hören ist. "Willst du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt dir geben."

Nicht verwunderlich ist daher, dass Organisationen und Einrichtungen, die auf ehrenamtliche Arbeit aufgebaut sind, immer öfter über Nachwuchssorgen klagen. Die Bereitschaft, Freizeit zu opfern, Wochenenden in Seminaren und wochentags Abende in Sitzungen zu verbringen oder bei Veranstaltungen Hilfsdienste zu leisten, sinkt angesichts der ständig höher geschraubten Anforderungen in manchen Bereichen zusehends.

Freilich, das Umfeld hat sich für die ehrenamtliche Tätigkeit in den vergangenen Jahren zuweilen regelrecht dramatisch gewandelt. Die Anforderungen schnellten in die Höhe und die Ansprüche, die gestellt werden. Die Materien, in denen die ehrenamtlichen Organisationen und Unternehmungen tätig sind, sind heute oftmals wesentlich komplexer als noch vor wenigen Jahren. Das verlangt als Voraussetzung für die Arbeit und auch für das Finden von Entscheidungen nach gediegenen Grundkenntnissen und stetiger Fortbildung.

Gedreht wird die Anspruchsspirale freilich auch dadurch, dass die Tätigkeit von auf dem Ehrenamt aufgebauten Organisationen zusehends in manchen Bereichen weniger gerne gesehen und als Konkurrenz empfunden wird. Zumal von Unternehmungen, die ihn ähnlichen Tätigkeitsfeldern arbeiten. Das beginnt bei den Vereinsfesten, die von den Wirten oft als unlautere Konkurrenz empfunden werden, und reicht bis ins Bankenwesen, wo vielen die genossenschaftliche Organisation, die von ehrenamtlichen Vertretern getragen wird, ein Dorn im Auge zu sein scheint.

Der Bogen der Vorhalte ist weit, von Lauterkeit getragen sind sie freilich nicht immer. Allzuoft geht es darum, sich lästige Konkurrenz vom Hals zu halten.

Da mag überall etwas dran sein. In manchen Bereichen ist man aber bereits dabei, die Grenzen zu überschreiten. Das gilt etwa für die Ausbildungserfordernisse, die die Finanzmarktaufsicht selbst den ehrenamtlichen Vorständen und Aufsichtsräten der Raiffeisenbanken auf der Primärebene auferlegt. Da mögen die Fortbildungsveranstaltungen für die Fit & Proper-Richtlinie noch so interessant gestaltet sein, es macht es sicherlich nicht einfacher, neue Funktionäre zu rekrutieren, zumal solche, die im täglichen Leben nicht als Juristen oder Betriebswirte tätig sind, sondern die das gesamte Spektrum der Bevölkerung repräsentieren.

Es drängt sich aber nicht nur im Bankwesen der Eindruck auf, dass die Gefahr groß ist, das Kind mit dem Bad auszuschütten. Viel zu oft ist das in diesem Land schon passiert in den vergangenen Jahren. Traditionsreiche Veranstaltungen verschwanden, viele Aktionen werden nicht mehr durchgeführt, allerorten kämpft man mit Problemen und wachsender Bürokratie und die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, schwindet.

Man sollte alles daran setzen, diese Entwicklung zu bremsen und Wege zu finden, die für alle tragbar sind und trotzdem die geänderten Anforderungen erfüllen -im Sinne dieses Landes, das nicht zuletzt durch ehrenamtliches Engagement zu dem geworden ist, was es heute ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. April 2015

Donnerstag, 16. April 2015

Ungenutzte Milliarden



Die Gewerbetreibenden hoffen, gaben sie in der Vorwoche kund, dass ihnen die Steuerreform eine Extra-Umsatz-Milliarde in die Kassen spült, weil den p. t. Österreicherinnen und Österreichern, von der Politik versprochen, angeblich mehr netto vom brutto im Börsel bleibt. Im Handel hofft man auf Ähnliches. Und überall anderswo auch. Woher diese Zuversicht, fragt man sich, wo doch schon die vielen Milliarden, die in den vergangenen Monaten die Fährnisse der internationalen Wirtschaft praktisch kostenlos und ganz ohne politisches Getöse mehr Geld im Börsel beschert haben, nicht viel bewirkt haben.

Energie etwa kostet heute im Schnitt um fast zehn Prozent weniger als vor einem Jahr. Legt man zugrunde, dass Österreich in den vergangenen Jahren für seine Öl-und Gasimporte jährlich bis zu 15 Milliarden Euro aufwenden musste, lässt sich erahnen, wie viel Geld da frei geworden ist. Ähnliches gilt für die Zinsen. Weil die Einlagenzinsen noch nie so gering waren, ist auch die Sparquote gering, wie kaum je zuvor. Lag sie zwischen 2005 und 2009 noch bei elf bis zwölf Prozent, so liegt sie nun schon das zweite Jahr hintereinander mit nur mehr 7,5 Prozent ebenfalls auf einem historisch niedrigen Niveau. Die Leute kaufen lieber ein, als das Geld auf die hohe Kante zu legen. Angesichts der rund 190 Milliarden Euro, über die private Haushalte hierzulande insgesamt als jährliches Einkommen verfügen, kommt richtig viel Geld zusammen, das heute, anders noch als vor wenigen Jahren, statt auf Konten gebunkert zu werden direkt in die Wirtschaft fließt.

Gegen das, was da in den vergangenen Monaten geschah, schaut jedes Konjunkturpaket und jede Steuerreform alt aus. Aber in Österreich versteht man nicht die Situation zu nutzen. Von all dem frei gewordenen Geld, das da Schwung bringen könnte, ist nichts zu spüren. Und auch nicht davon, dass Kredite so wenig kosten, wie kaum je zuvor. Während in anderen Staaten Europas, allen voran in Deutschland, der Konjunkturmotor dabei ist, wieder anzuspringen
-inklusive aller Begleiterscheinungen, wie verbesserte Arbeitsmarktdaten - tut sich in Österreich nichts. Im Gegenteil . Das Land rutscht beständig ab. Die Wirtschaftsforschungsinstitute kommen kaum mehr nach, ihre Prognosen ständig nach unten zu korrigieren, die Arbeitslosenzahlen erreichen immer neue Rekordhöhen und in der Wirtschaft ist die Stimmung schlecht. Österreich kann es offenbar nicht. Und das, obwohl die Voraussetzungen um keinen Deut schlechter sind als in anderen EU-Staaten. Hierzulande aber erfüllte, was immer in den vergangenen Jahren als Maßnahmenpaket zur Belebung der Wirtschaft angekündigt würde, selten die Erwartungen. Strohfeuer waren es allenfalls, die abgebrannt wurden. Kaum je hatte etwas die Kraft, eine Wendung der wirtschaftlichen Stimmungslage in diesem Land herbeizuführen, sondern erstickte schnell im österreichischen Trott.

Was dabei wuchs, ist eine inzwischen allerorten herrschende Verunsicherung, zu der sich immer öfter auch Verdruss gesellt. Es gibt keinen Rückenwind und keine Perspektive. Immer lauter werden die Klagen über das wirtschaftsfeindliche Klima, das in diesem Land herrscht. Wer immer etwas anpacken will, erfährt zunächst Misstrauen, ehe ihm bürokratische Hürden vor die Füße geworfen werden.

"Müdigkeit", konstatierte erst die Woche ein heimisches Politmagazin, sei die neue Modekrankheit. Das passt zur wirtschaftlichen Situation in diesem Land, das von einer weit verbreiteten Kasko-Mentalität vereinnahmt ist, die sich längst in allen Gesellschaftschichten breit gemacht hat. Auch in der Wirtschaft.

Kein Wunder, dass die immer weniger werden, die bereit sind, Risiko zu nehmen. Viel zu oft sind sie die in diesem Land die, die draufzahlen. Ohne Schutz und oft als Freiwild. Dabei bräuchten gerade sie Rückhalt und Unterstützung. Nicht nur von der Politik, sondern von der gesamten Gesellschaft.

Doch dieses Klima gibt es in Österreich kaum. Viel eher, als dass man einem, der Neues versucht, Erfolg wünscht, schließt man darüber Wetten ab, wann er scheitert. Nicht zuletzt damit hat zu tun, dass das alleine durch niedrige Energiepreise und niedrige Zinsen frei gewordene Geld in diesem Land nichts bewirkte. Dem Optimismus, dass das mit der Milliarde, die die Steuerreform zumindest auf dem Papier bringen soll, anders sein soll, haftet Blauäugigkeit an. Aber vielleicht ist er nichts denn Verzweiflung.

Was in diesem Land freilich besser verständlich wäre.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. April 2015

Freitag, 3. April 2015

Agrarisches Multi-Organversagen



Gut Meinende meinen, dass es sich für die Bauern bei der Steuerreform noch einmal ausgegangen ist. Weniger gut Meinende und vor allem solche, denen eine Stange Geld kostet, was die Spitzen von ÖVP und SPÖ hinter verschlossenen Türen ausgemacht haben, halten das Ergebnis eher für ein Multi-Organversagen der Agrarvertreter. Namentlich jener in der ÖVP, die sonst nie müde wird zu betonen, dass sie die einzige Partei sei, die die Bauern vertritt.

Sie fragen, wie passieren konnte, dass die Bemessung der Grunderwerbssteuer nach Verkehrswert auch für die Landwirte überhaupt in den ursprünglichen Vorschlag kommen konnte. Sie fragen sich, woher die Mehrwertsteuerideen kamen. Sie fragen sich angesichts der vielen notwendigen Erklärungen und nachträglichen Klarstellungen, wie die Vorschläge zustande kamen und wie und in welcher Form die Bauernvertreter überhaupt eingebunden waren. Ob sie überhaupt gefragt wurden, oder ob die Bauernvertreter das, was da über Wochen am Verhandlungstisch ausgehandelt wurde, nicht verschlafen haben?

Und es ist nichts, denn äußerst befremdlich zu nennen, wenn namhafte Vertreter von wichtigen Betriebszweigen der Landwirtschaft und Unternehmungen, deren Telefonnummern man immer genau weiß, wenn es um Inserate für die eigenen Medien geht, im Vorfeld nicht um ihre Einschätzung gefragt und mit Ergebnissen überrascht werden.

Vertrauen weckt all das nicht. Souveränes Handeln schaut anders aus.

Der Ärger der Betroffenen ist verständlich. Gerade in Branchen wie der Schweinemast oder der Rindermast, wo es jeden Tag um jeden Cent geht, wo man ohnehin mit den günstigeren Mehrwertsteuersätzen in anderen Ländern zu kämpfen hat. Dass man dann von den "eigenen Leuten unterlaufen wird, tut weh", wie einer sagt. Und: "Es ist ein Desaster, was da angerichtet wurde".

Ihm ist nur recht zu geben. Und Leuten wie ihm ist auch recht zu geben, wenn sie genug davon haben,  von den Agrarpolitikern ständig zu Verständnis und Dankbarkeit angehalten zu werden. "Es hätte ja noch schlimmer kommen können", heißt inzwischen permanent und von oben herab.

Die Agrarreform haben die Bauern so schlucken müssen, den Wegfall der Dieselrückvergütung, die Immobilienertragssteuer, die Erhöhung der Abgabe für Land- und fortwirtschaftliche Betriebe und vieles andere mehr. Und seit Jahren sind die Bauern angehalten, dankbar zu sein für die Erhaltung des Pauschalierungssystems samt Abwehr der Verkehrswerte für die Bemessung des Einheitswertes und vieler anderer Gebühren, wenn sie etwas schlucken sollen, das ihnen nicht passt.

Das mag alles schön und gut ein, aber immer öfter drängt sich der Verdacht auf, dass diese Argumentation missbraucht wird, um vom eigenen Unvermögen oder von eigenen Fehlern abzulenken.

Die Vorgänge rund um die Steuerreform und die Mitwirkung, respektive Nicht-Mitwirkung, der Bauernvertreter daran, legen diesen Verdacht nahe. Sie fügen sich aber in die Art und Weise wie die Agrarpolitik hierzulande zuweilen betrieben wird - mit viel heißer Luft in öffentlichen Äußerungen und inflationär vielen Ankündigungen und Absichtserklärungen, denen nur selten zählbare Ergebnisse folgen. 

"Die spielen vor allem für die Galerie", sagt man in solchen Fällen im Fußball. Denkt man an die Steuerreform und die vielen nachgereichten und dafür umso wortreicheren Erklärungen, muss man das, wie in vielen Fällen auch, auch für die heimische Agrarpolitik sagen.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 3. April 2015

Donnerstag, 2. April 2015

Verschwendung frisst Nachhaltigkeit



Das Produkt ist ehrlich und fristet zumeist nach anfänglicher Euphorie ein wenig beachtetes Dasein vorzugsweise in sündteuren Designerküchen. "Eiersollbruchstellenverursacher" heißt das schicke Gerät, das es ermöglicht, dem Frückstücksei, sauber und ohne viel Schalenbruch, die Kappe abzunehmen, auf dass es mit Genuss und ohne Patzerei ausgelöffelt werden kann.

Beim Ei mag das Sinn machen, ist es doch ein durch und durch ehrliches Produkt. Viele andere Produkte, technische zumal, sind das freilich nicht. Sie haben, so wird von Konsumenten immer drängender die Vermutung geäußert, Sollbruchstellen bereits eingebaut. Sie sollen nach einer bestimmten Zeit den Geist aufgeben und durch neue ersetzt werden müssen. "Geplante Obsoleszenz" heißt der Fachbegriff dazu. Dass die Obsoleszenz tatsächlich geplant ist, lässt sich freilich nur schwer feststellen. Aber in manchen Produktgruppen verdichten sich, wie Untersuchungen immer häufiger ergeben, die Verdachtsmomente.

Darüber mag man sich in Aufregung ergehen und in Ärger. Aber es ist ein Klacks im Vergleich zu dem, was die Konsumenten ihrerseits für obsolet erklären, obwohl es noch gar nicht der Obsoleszenz verfallen ist und einfach wegwerfen. Auch das wurde untersucht. Demnach funktionieren zwischen 30 und 60 Prozent der weggeworfenen Güter noch. Aber sie sind eben nicht mehr modern genug, leisten zu wenig oder werden schlicht nicht mehr gemocht.

Was da wie dort erhoben wurde, ist wohl nichts denn ein Zeichen für die durchknallende Gesellschaft in der wir leben und in der Anspruch und Wirklichkeit immer öfter auseinanderfallen. Vor allem auch bei den Konsumenten. Denn für die gibt es keinerlei Vorschriften, die eingehalten werden müssen und keinerlei Auflagen. Da gibt es nur das eigene Gutdünken.

Beispiele gibt es viele. Nachhaltigkeit ist nur ein Wort, Verschwendung ist das Verhalten. Die Österreicherinnen und Österreicher handeln dann nachhaltig, wenn damit kein besonderer Aufwand verbunden ist, wurde schon vor Jahren in einer Untersuchung erhoben. Vor allem darf nachhaltiges Einkaufen und nachhaltiges Handeln nichts kosten. Das freilich hält niemand davon ab, sich selbst grüner darzustellen, als man tatsächlich ist.

Die Bauern kennen das, wenn Vorschriften über Vorschriften und Auflagen über Auflagen abgefordert werden, die zu bezahlen die Konsumenten dann freilich zuweilen trotz gegenteiliger Versprechungen mit dem Verweis auf zu hohe Preise verweigern und dann lieber doch zu den billigeren daneben ausliegenden Produkten greifen.

Dieses Verhalten fügt sich nicht nur ins Einkaufsverhalten. Hierzulande lebt man gerne auf doppeltem Boden. Vorne schön reden und hinten viel schimpfen. Man geißelt die Energieverschwendung und tut selbst aber nichts, um irgendwo zu sparen. Man schimpft über das teure Essen und wirft ungeniert weg, was man zu viel gekauft hat oder nicht mehr schmeckt. Man ätzt über den Verpackungswahn und nimmt nichts mit nach Hause, das nicht wurfsicher verpackt ist in Karton und Styropor. Und man reibt sich an Onlinehändlern wie Amazon und bestellt im Internet, als gäbe es kein Morgen. Ganz abgesehen davon, dass es bei dieser Art des Einkaufens jederfrau und jedermann einerlei zu sein scheint, wie viel Verkehr allein von den Autos der Botendienste verursacht wird, die rund um die Uhr fahren, um die Waren von dort nach da und wieder zurück zu bringen, wenn es denn sein muss.

Dieses doppelbödige und zuweilen gedankenlose Verhalten hat längst weitreichende Folgen für die gesamte Gesellschaft. Nicht nur, dass das Verhalten im Handel, in der Landwirtschaft und sonstwo tiefe Umwälzungen nach sich zieht, die, wenn es zu spät ist, vorzugsweise von jenen beklagt werden, die sie mit ihrem Verhalten verursacht haben. Es werden auch ganze Orte, Städte und Regionen ausgedünnt bis zur Unkenntlichkeit. Und bis zur Unwirtlichkeit. Tauglich nicht einmal mehr zum Schlafen.

Das bisschen, das ich da gekauft habe, das bisschen, das ich da weggeworfen habe, das bisschen von mir, das macht doch nichts aus. Es macht doch etwas aus. Vor allem, weil es nicht immer die Großen sind, die Mist bauen und die Leute an der Nase herumführen. Sehr oft tun dies nämlich schon wir selbst.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. April 2015
 
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