Donnerstag, 2. April 2015

Verschwendung frisst Nachhaltigkeit



Das Produkt ist ehrlich und fristet zumeist nach anfänglicher Euphorie ein wenig beachtetes Dasein vorzugsweise in sündteuren Designerküchen. "Eiersollbruchstellenverursacher" heißt das schicke Gerät, das es ermöglicht, dem Frückstücksei, sauber und ohne viel Schalenbruch, die Kappe abzunehmen, auf dass es mit Genuss und ohne Patzerei ausgelöffelt werden kann.

Beim Ei mag das Sinn machen, ist es doch ein durch und durch ehrliches Produkt. Viele andere Produkte, technische zumal, sind das freilich nicht. Sie haben, so wird von Konsumenten immer drängender die Vermutung geäußert, Sollbruchstellen bereits eingebaut. Sie sollen nach einer bestimmten Zeit den Geist aufgeben und durch neue ersetzt werden müssen. "Geplante Obsoleszenz" heißt der Fachbegriff dazu. Dass die Obsoleszenz tatsächlich geplant ist, lässt sich freilich nur schwer feststellen. Aber in manchen Produktgruppen verdichten sich, wie Untersuchungen immer häufiger ergeben, die Verdachtsmomente.

Darüber mag man sich in Aufregung ergehen und in Ärger. Aber es ist ein Klacks im Vergleich zu dem, was die Konsumenten ihrerseits für obsolet erklären, obwohl es noch gar nicht der Obsoleszenz verfallen ist und einfach wegwerfen. Auch das wurde untersucht. Demnach funktionieren zwischen 30 und 60 Prozent der weggeworfenen Güter noch. Aber sie sind eben nicht mehr modern genug, leisten zu wenig oder werden schlicht nicht mehr gemocht.

Was da wie dort erhoben wurde, ist wohl nichts denn ein Zeichen für die durchknallende Gesellschaft in der wir leben und in der Anspruch und Wirklichkeit immer öfter auseinanderfallen. Vor allem auch bei den Konsumenten. Denn für die gibt es keinerlei Vorschriften, die eingehalten werden müssen und keinerlei Auflagen. Da gibt es nur das eigene Gutdünken.

Beispiele gibt es viele. Nachhaltigkeit ist nur ein Wort, Verschwendung ist das Verhalten. Die Österreicherinnen und Österreicher handeln dann nachhaltig, wenn damit kein besonderer Aufwand verbunden ist, wurde schon vor Jahren in einer Untersuchung erhoben. Vor allem darf nachhaltiges Einkaufen und nachhaltiges Handeln nichts kosten. Das freilich hält niemand davon ab, sich selbst grüner darzustellen, als man tatsächlich ist.

Die Bauern kennen das, wenn Vorschriften über Vorschriften und Auflagen über Auflagen abgefordert werden, die zu bezahlen die Konsumenten dann freilich zuweilen trotz gegenteiliger Versprechungen mit dem Verweis auf zu hohe Preise verweigern und dann lieber doch zu den billigeren daneben ausliegenden Produkten greifen.

Dieses Verhalten fügt sich nicht nur ins Einkaufsverhalten. Hierzulande lebt man gerne auf doppeltem Boden. Vorne schön reden und hinten viel schimpfen. Man geißelt die Energieverschwendung und tut selbst aber nichts, um irgendwo zu sparen. Man schimpft über das teure Essen und wirft ungeniert weg, was man zu viel gekauft hat oder nicht mehr schmeckt. Man ätzt über den Verpackungswahn und nimmt nichts mit nach Hause, das nicht wurfsicher verpackt ist in Karton und Styropor. Und man reibt sich an Onlinehändlern wie Amazon und bestellt im Internet, als gäbe es kein Morgen. Ganz abgesehen davon, dass es bei dieser Art des Einkaufens jederfrau und jedermann einerlei zu sein scheint, wie viel Verkehr allein von den Autos der Botendienste verursacht wird, die rund um die Uhr fahren, um die Waren von dort nach da und wieder zurück zu bringen, wenn es denn sein muss.

Dieses doppelbödige und zuweilen gedankenlose Verhalten hat längst weitreichende Folgen für die gesamte Gesellschaft. Nicht nur, dass das Verhalten im Handel, in der Landwirtschaft und sonstwo tiefe Umwälzungen nach sich zieht, die, wenn es zu spät ist, vorzugsweise von jenen beklagt werden, die sie mit ihrem Verhalten verursacht haben. Es werden auch ganze Orte, Städte und Regionen ausgedünnt bis zur Unkenntlichkeit. Und bis zur Unwirtlichkeit. Tauglich nicht einmal mehr zum Schlafen.

Das bisschen, das ich da gekauft habe, das bisschen, das ich da weggeworfen habe, das bisschen von mir, das macht doch nichts aus. Es macht doch etwas aus. Vor allem, weil es nicht immer die Großen sind, die Mist bauen und die Leute an der Nase herumführen. Sehr oft tun dies nämlich schon wir selbst.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. April 2015

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