Donnerstag, 5. November 2015

Und sie wissen nicht was sie tun



Es ist noch nicht lange her, da schlampten die Bauernvertreter im Parlament bei einer Gesetzesnovelle. Und die Bauern mussten plötzlich auch bei Fahrten im Umkreis von weniger als zehn Kilometern um den Hof immer Führerschein und Fahrzeugpapiere dabei haben.
Peinlich.
Dann war die Sache mit dem Arbeitslosengeld für Nebenerwerbsbauern, auf das die mit einem Mal wegen einer ebenfalls übersehenen Gesetzespassage keinen Anspruch mehr hatten. Arglos winkte man eine Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz durch und musste Jahre später zu Kenntnis nehmen, dass man damit die Bauern um ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld brachte.
Peinlich.
Aber offenbar war das noch nicht genug. Bei der heurigen Steuerreform und der Anhebung der Umsatzsteuer hat sich die politische Vertretung der Bauern, die so viel auf ihre Erfahrung und ihre Kompetenz hält, wie die Dinge liegen, selbst übertroffen. Der Pawalatsch, den man da angerichtet hat, ist beträchtlich. Und die Verwirrung auch.
Denn nichts kommt so, wie man glaubte - und Bauernvertreter wussten nicht einmal etwas davon, obwohl sie brav zustimmten. Umso größer ist jetzt die Überraschung. Bei Saatgut etwa kommt die Mwst-Erhöhung bei weitem nicht in dem Umfang, wie befürchtet, sondern nur kleinweise und bei eher speziellen Früchten, und bei Futter und Futtermitteln gibt es auch Ausnahmen.
Warum das so ist, und warum es so gekommen ist und welche Kriterien da angelegt wurden, weiß niemand. Und erklären kann es auch niemand. Nicht einmal die Agrarier, die das im Parlament beschlossen haben, können da weiterhelfen. Denn auch die waren bis vor wenigen Wochen noch der Meinung, sie hätten einer Mehrwertsteuererhöhung für Saatgut und Futtermittel jeder Art zugestimmt. Was haben sie sich prügeln lassen müssen dafür von den Bauern. Es gab viele Geschimpfe und böse Worte. Es habe sich "nicht vermeiden lassen", war allerorten die stereotype Antwort von Bauernbund, Kammer und Ministerium. "Es ist so, da kann man nichts machen. Und basta". Und wer das kritisierte, den versuchte man schnell mundtot zu machen und als Nestbeschmutzer zu brandmarken.
Und jetzt das. Nach mühseligen Recherchen, bei denen sich die Bauernvertreter, aber auch die Abgeordneten und der ganze Apparat als völlig unwissend und überrascht zeigten, stellte sich heraus, dass es in einigen Bereichen gar keine Erhöhung der Mehrwertsteuer gibt. Und schon gar nicht konnte man sich erklären, von wem diese Ausnahmen in den Gesetztestext hineingeschrieben wurden. Allein das ist ein Thema für sich. Ein alarmierendes freilich.
Allerorten herrscht Verwunderung und oft auch ungläubiges Staunen. Die Blamage hat mittlerweile weit reichende Folgen. Seit ruchbar wurde, dass viele Saatgutarten und Futtermittel irgendwie durchrutschten, ist vor allem bei den Schweinebauern und allen anderen Tiermästern und auch bei den Futtermittelherstellen der Bär los. Sie fühlen sich benachteiligt. Die Unterschiede und die Unterscheidungen, die gemacht wurden, sind ja auch schwer verständlich.
Man darf gespannt sein, wie man aus der Misere herauskommt. Bei allem Verständnis dafür, dass manche Materie sehr komplex ist, dass man bei Gesetzestexten schnell einmal etwas überlesen wird und dass bei Beschlüssen durchaus etwas passieren kann - die Vorgänge werfen die Frage auf, wie in Österreich Gesetze wirklich zustande kommen.
"Wissen denn die überhaupt noch was sie tun?" fragen sich viele Bauern ohnehin oft genug. Jetzt ist für sie die Antwort wohl klar.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 5. November 2015

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