Donnerstag, 31. Dezember 2015

Mehr Bauern setzen auf Bio



Nach Jahren der Stagnation steigen derzeit wieder deutlich mehr Landwirte auf biologische Wirtschaftsweise um.

Hans Gmeiner

Salzburg. „Reicher werde ich wohl nicht, aber vielleicht zufriedener.“ Thomas Weigl stellt seinen Ackerbaubetrieb in Pasching auf Bio um. „Im konventionellen Ackerbau geht nichts mehr, dafür bin ich mit meinen 31 Hektar zu klein.“ Die biologische Landwirtschaft scheint ihm die wirtschaftlich tragfähigere Basis zu sein. „Außerdem will ich mich nicht mehr rechtfertigen müssen“, sagt der junge Landwirt, dessen Felder in vielen Fällen an Siedlungen angrenzen. „Da haben einen die Leute immer öfter schief angeschaut, wenn ich mit Düngerstreuer oder Spritze gearbeitet habe.“

Weigl ist nicht der einzige Bauer, der heuer auf Bio umstellt. Allein in seiner Gemeinde sind es vier Ackerbauern, die den Wechsel wagen. Gemeinsam besuchen sie seit Monaten Kurse, fahren zu anderen Biobauern, um sich Tipps zu holen, haben einen Berater engagiert und investieren gemeinsam in neue Geräte wie spezielle Bodenbearbeitungsgeräte und Sämaschinen.

Nach Jahren der Stagnation steigen in Österreich so viele Bauern wie lange nicht von konventioneller auf biologische Landwirtschaft um. Nach Abgabe der Herbstanträge geht man von knapp 2000 neuen Biobauern 2016 aus. Damit steigt ihre Zahl um fast zehn Prozent auf 23.000 und ihr Anteil an der Zahl der Bauern Richtung 20 Prozent. Da auch größere Betriebe umsteigen, wird der Anteil der Biofläche, die mit rund 524.000 Hektar derzeit schon 20 Prozent beträgt, wohl noch deutlich größer werden. Die Bedingungen sind günstig. Nach der EU-Agrarreform sind die Unsicherheiten geklärt, die Förderungen wurden verbessert und vor allem passen die wirtschaftlichen Bedingungen für den Biolandbau. Während sich die konventionelle Landwirtschaft mit Preis- und Absatzschwierigkeiten herumplagt, läuft der Biomarkt gut. Das schlägt sich auch in den Einkommen nieder. „Im Vorjahr verdienten vergleichbare Betriebe mit Bio mehr“, sagt Adi Marksteiner von der Landwirtschaftskammer Österreich.

Produkte wie Biomilch sind gefragt und erzielen deutlich höhere Preise. „Der Markt ist attraktiv und die Preise zweifellos interessant“, sagt Michael Wöckinger, Milchexperte der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Gleiches gilt für Fleisch, Getreide, Obst und Gemüse. Die Impulse kommen vor allem vom deutschen Markt, in Österreich gibt es hingegen bereits da und dort Sättigungstendenzen, etwa bei Milch und Rindfleisch.

Susanne Maier, Geschäftsführerin von Bio Austria, weiß um die Herausforderung. „Wir müssen den Markt entsprechend weiterentwickeln.“ Kenner der Szene erwarten dabei keine Probleme. „Der Markt nimmt die zusätzliche Produktion auf“, sagt Reinhard Geßl vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau überzeugt. Für ihn ist der Plafond noch nicht erreicht. „Mit mehr Unterstützung vor allem aus der Politik und von Interessenvertretung geht noch mehr“, sagt er.

Die Umstellung eines Hofs auf Biobetrieb ist ein komplexer Prozess. Daher sind die Bauern auch vorsichtig. „Der Glaube an Bio ist nicht so groß wie bei den Marktforschern“, sagt Marksteiner. Als Hemmschuh erweisen sich oft die hohen Investitionen. „Wer erst vor wenigen Jahren einen konventionellen Stall gebaut hat, hat sich auf Jahre einzementiert und kann sich die Anpassung an die Biovorschriften oft nicht leisten“, erklärt Geßl.

„Die Lust umzusteigen ist groß“, sagt Werner Lampert, der früher die Biomarke "ja!natürlich" für Rewe entwickelte und jetzt mit „Zurück zum Ursprung“ für Hofer aktiv ist. Wenn Bauern etwas vom Umstieg abhält, sind es laut Lampert psychologische Motive. „Kontrolle, Offenlegung und Transparenz stehen bei vielen im Widerspruch zum Selbstverständnis als freier Bauer.“

Landwirtschaftskammern und Bio Austria haben die Information über den Biolandbau und seine Chancen deutlich verstärkt. „Wer mit Biolandbau zurechtkommt, soll umsteigen“, empfiehlt Marksteiner. „Wir sagen aber dazu, dass man nicht damit rechnen kann, dass die Preise so gut bleiben.“ Für Maier von Bio Austria greift der Preis als Argument für einen Umstieg ohnehin zu kurz. „Man muss auch die Einstellung anpassen. Wer nur nach dem Preis geht, wird bei den ersten Schwierigkeiten gleich einknicken und unglücklich sein.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 31. Dezember 2015

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Ran an den Speck



In Österreich klagt man gerne, dass alles schlechter wird. Man kennt das. Jammern, das gehört zu Österreich, wie der Großglockner und der Stephansdom. Jammern ist, selbstverständlich, auch fixer Bestandteil der Politik und Interessenvertretung. Zumal dann, wenn es geht, die Situation der eigenen Klientel möglichst schlecht darzustellen. Da hat man keine Hemmungen, da geht man auch sonntags in Sack und Asche.

Zuweilen freilich entlarvt man sich in der Hitze des Gefechtes. "2016 werden die fetten Jahre vorbei sein", diktierte etwa der hochverdiente Chef des Gemeindebundes dieser Tage den Medienvertretern in die Notizblöcke. Wohl, um für die Gemeinden bei den laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich guten Wind zu machen.

Der gute Mann lässt damit, unabsichtlich wohl, tief in die österreichische Seele blicken, legt doch sein Statement den Umkehrschluss nahe, dass es den Gemeinden in diesem Land in den vergangenen Jahren durchaus gut gegangen ist. "Fett" sogar. Dabei hat man, angesichts dessen, was in den vergangenen Jahren kommuniziert wurde, ganz anderes vermutet. Kein Geld an allen Ecken und Enden, überforderte Gemeindekassen, die keine großen Sprünge erlauben, ungebührliche Kostenbelastungen, die kaum zu stemmen sind und Ähnliches in diese Richtung.

Aber nein, es waren "fette Jahre" hört man nun. Da ist wohl etwas falsch gelaufen. Da hat jemand zu viel bekommen, während andere mit ihren Wünschen abblitzten. Verständnis, auch von geneigten Beobachtern, verflüchtigt sich da schnell. "Fett" muss nicht sein. "Fett" heißt "zu viel" und legt die Vermutung nahe, dass man es in der Vergangenheit verstanden hat, es sich zu richten. Und es legt auch den Schluss nahe, dass man mit weniger auskommen kann.

Dieses Beispiel rund um das Wohlergehen der Gemeinden und ihrer Finanzen ist das aktuellste, das einzige ist es nicht. Viele Menschen und die Gruppen, die sie vertreten, klagen zwar permanent und über Jahre und oft Jahrzehnte über die eigene Situation und werden nicht müde, die Benachteiligungen zu benennen. Aber just dann, wenn sich Veränderungen abzeichnen oder gar Kürzungen bei den Geldern drohen , beginnt man die bestehenden Regelungen zu verklären und über den grünen Klee zu loben. Mit einem Mal wird just das, worüber man sich so lange so aufregte, zum Ziel erklärt und zur Forderung erhoben.

Die Bauern zeigen dieses Muster immer, wenn Reformen anstehen, sei es in der EU oder in Österreich selbst. Und andere Gesellschaftsgruppen sind nicht anders. Seien es die Pensionisten, sei es die Wirtschaft, seien es die Beamten, die Eisenbahner, die Schulen oder die Gewerkschaften. Wortreich erklärt man im Handumdrehen für unabdinglich, worüber man jahraus, jahrein schimpfte und was man jahraus, jahrein für zu wenig befand. Dann will man plötzlich nichts, als das Bestehende erhalten. Oft mit Zähnen und Klauen. "War eh nicht so schlecht."

Österreich ist ein Land der Besitzstandswahrer. Und um diesen Besitzstand zu wahren, hat man es zu großer Meisterschaft gebracht. Mit viel Fantasie versteht man es, sich vielerorts als bedürftig und benachteiligt darzustellen. Man spekuliert darauf, dass die wahren Verhältnisse nicht durchschaut werden und verschleiert sie nach Kräften. Vor allem, wenn es ums Geld geht. Eine Sonderregelung da, Koppelungen von Zahlungen dort, die noch niemand durchschaut hat, und Ausnahmen, die niemandem auffallen. Man weiß sich das Auskommen zu sichern, "fette Jahre" eben. Meistens zumindest.

Rückhalt für dieses Verhalten gibt es von der Politik und von den Interessenvertretungen, die sich auf das Bedienen der Nebelmaschinen im Sinne ihrer Klientel bestens verstehen, mit denen dem Rest der Gesellschaft die Orientierung über die wahren Verhältnisse und die Spielräume, die es eventuell gäbe, genommen wird.

Für den Einzelnen und für die Gruppe, der er angehört, macht sich das bezahlt. Da spielt keine Rolle, dass sich mit einem solchen Verhalten das Land insgesamt in einer Blockade fixiert, in der kaum mehr etwas möglich ist.

Um das gesamte Land freilich muss man sich Sorgen machen. Denn Österreich ist diesem Zustand ziemlich nahe. Wenn jemand sagt "Die fetten Jahre sind vorbei", sollte man aufhorchen. Da ist etwas da. Und sicher nicht nur in den Gemeinden.

Also - nur ran an den Speck und rein in die Reformen. Nur zu und nur Mut möchte man den Verantwortlichen zurufen. Und weniger Scheu.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. Dezember 2015

Samstag, 12. Dezember 2015

Lampert soll Agrariern auf die Sprünge helfen



AMA-Marketing und der „Bio-Guru“ arbeiten künftig zusammen.

Salzburg. Werner Lampert und die AMA machen gemeinsame Sache, um Österreichs Lebensmittel besser und effizienter zu vermarkten. Die Lampert-Firma Fairify und AMA-Marketing werden in einem gemeinsamen Konsortium das „Netzwerk Kulinarik“ aufbauen. Mit diesem Netzwerk will das Landwirtschaftsministerium die unterschiedlichen Vermarktungsinitiativen, die sich in den vergangenen Jahren entwickelten, inhaltlich bündeln und zum Teil auch neu ausrichten. Eingebunden werden sollen die „Genussregionen Österreich“ genauso wie Genussland-Initiativen von Bundesländern oder die Organisationen der bäuerlichen Direktvermarkter. Mit der Bekanntgabe der Entscheidung wird in der kommenden Woche gerechnet. Details der Pläne sind noch nicht bekannt. Nur so viel: Man will Synergien nutzen, die regionale Wertschöpfung stärken und das Qualitätssystem verbessern.

Fairify wurde von Lampert, wie es auf der Homepage heißt, als „neuer Standard für faire Konsumgüter“ konzipiert. Auch wenn dort Fairify als Gütezeichen vorgestellt wird, das sicherstellen soll, „dass Konsumgüter nachhaltig und fair produziert und vermarktet wurden“, soll es sich um kein zusätzliches Siegel handeln. Genutzt werden soll vor allem Know-how, heißt es. Lampert, der für Hofer die Marke Zurück zum Ursprung entwickelte, war für die SN zu keiner Stellungnahme zu erreichen. Die Agrarpolitik versuchte ihn schon einmal zu gewinnen, um heimischen Agrarprodukten auf die Sprünge zu helfen. 2004 war dieses Vorhaben allerdings gescheitert. gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 12. Dezember 2015

Donnerstag, 10. Dezember 2015

Land der Spendenpolitiker



In diesen Tagen und Wochen vor Weihnachten ist man gerne gut in diesem Land. Man spendet. Für Licht ins Dunkel, für die Caritas, für das SOS-Kinderdorf, für Ärzte ohne Grenzen, für NGOs wie Greenpeace oder Global 2000 und, und, und. Immer dickere Bettelbriefe mit anrührenden Geschichten und oft kleinen Geschenken öffnen die Brieftaschen der Österreicherinnen und Österreicher.

Rund 30 Prozent des jährlichen Spendenaufkommens machen die Organisationen rund um Weihnachten. Rund 600 Millionen werden es heuer sein, um fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor. "Spendenrekord" vermeldete kürzlich der Fundraising Verband Austria.

Auch wenn man sich hierzulande zuweilen gerne mit dem Titel "Spendenweltmeister" schmeichelt - davon ist man weit weg. Mit den 75 Euro pro Kopf und Jahr, die hierzulande gespendet werden, liegt man weltweit nur auf Rang 23.

Zufrieden darf man dennoch sein, steht doch die Spendenfreudigkeit in krassem Gegensatz zu Neid und Habgier, die in diesem Land so häufig die politische und gesellschaftliche Diskussion bestimmen. In der man einander nichts zu gönnen scheint und in der man einander so oft nachgerade vorsätzlich nicht verstehen will. Es scheint, als wolle man sich nicht aus der Hand nehmen lassen, selbst zu entscheiden, was man für gut und unterstützungswürdig hält und was nicht. Als wolle man mit den Spenden selbst eingreifen und versuchen, die Dinge im Rahmen des Möglichen zumindest ein klein wenig zu beeinflussen.

Nachzuvollziehen ist dieses Verhalten allemal. Eine Spende für eine Hilfsorganisation der Wahl ist ohne Zweifel zielführender, zielgerichteter und vor allem befriedigender, als alle paar Jahre das Kreuzerl bei einer politischen Partei zu machen.

Immer mehr Leute verstehen allem Anschein nach ihre Spende als Korrektiv zu politischen Fehlentwicklungen und politischen Fehlleistungen. Und die gibt es längst nicht mehr nur in der Entwicklungshilfe, dem einst klassischen Ziel von Spendengeldern. Längst braucht es inzwischen auch in Österreich selbst diese Spendengelder, um überforderte oder gar versagende öffentliche Strukturen zu ergänzen und zuweilen gar deren Aufgaben zu übernehmen.

Die Betreuung und Unterbringung der Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan in den vergangenen Monaten ist so ein Beispiel dafür. Und die vielfältigen Angebote des Roten Kreuzes, der Caritas, der Diakonie und vieler anderer Organisationen nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für die Schwächsten unserer Gesellschaft, sind ein weiteres. Ohne diese Arbeit würde Österreich anders aussehen, ohne dieses Engagement wäre längst vor allem an den Rändern der Gesellschaft viel aus dem Lot geraten.

Als Korrektiv sehen immer mehr Menschen ihre Spendentätigkeit auch immer öfter in anderen Bereichen. Dort geht es oft nicht um Hilfe, sondern um Durchsetzung von politischen Zielen, die man als zu kurz gekommen sieht. Das freilich hat eine andere Qualität. Greenpeace, Global 2000, der Verein gegen Tierfabriken und wie all die NGOs heißen, sind längst ein Faktor in der politischen Diskussion geworden. Über ausgefeilte Werbe-und Medienstrategien oft weit jenseits jeder Seriosität gewinnen sie zunehmend an Gewicht. Demokratische Grundsätze, oft auch Gesetze und Transparenz, spielen ihnen wenig Rolle. Und auch nicht, dass ihre Methoden oft fragwürdig sind. Sie nehmen sich, was sie wollen und sie haben zumeist keine Scheu, es ohne Rücksicht und ohne Legitimation kraft ihrer Größe, ihres Einflusses, ihrer Beziehungen zu Medien und ihrer Finanzstärke durchzudrücken. Geld spielt schließlich keine Rolle. Alleine in Österreich sammelten sie in den vergangenen sechs Jahren mehr als 150 Mio. Euro. Damit lässt sich etwas bewegen in diesem Land. Das weiß man und das nutzt man auch weidlich aus. Die Landwirtschaft, aber auch viele andere Wirtschaftszweige können ein Lied davon singen. Und das gleicht weniger einer Melodie als vielmehr einem schmerzvollen Quietschen.

Aber offenbar braucht das Land auch diese Organisationen. So wie man die braucht, die im Sozialbereich wirken. Die freilich sind fern davon, über die Grenzen des Rechtsstaates zu gehen oder gar das demokratische Gefüge auszuhebeln. Die anderen sind das nicht. Und das ist nicht gut. Nicht für das Land. Und - hoffentlich - auch nicht für diese Organisationen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. Dezember 2015

Montag, 7. Dezember 2015

Bauern hadern mit dem Markt



Die Preise in den wichtigsten Sparten der landwirtschaftlichen Produktion sind im Keller. Die Einkommen der Bauern sinken weiter.

HANS GMEINER

Salzburg. In den heimischen Bauernstuben macht sich Frust breit. Bei Milch, Fleisch, Getreide und Ölsaaten wollen sich die Preise nicht und nicht erholen. Für den Großteil der Bauern heißt das, dass sie im vierten Jahr hintereinander mit einem Einkommensrückgang zurechtkommen müssen. Und weil es kaum Anzeichen gibt, dass es bei den Preisen für ihre Produkte in absehbarer Zeit zu einer Änderung kommt, dürfte sich daran auch 2016 nichts grundlegend ändern.

Man ist derzeit schon froh, wenn die Preise nicht noch weiter abrutschen. „Die Milchpreise sind aktuell stabil“, sagt Josef Braunshofer, Generaldirektor der Berglandmilch, des größten heimischen Milchverarbeiters. Ähnlich formuliert es Hans Schlederer, als Chef der Schweinebörse der wichtigste Vermarkter von heimischen Schweinen: „Nach einem zehn Wochen anhaltenden Preisabsturz gibt es nun so etwas wie eine Stabilisierung.“ Bei Getreide ist es kaum anders. Ernst Gauhs von der Raiffeisen Waren Austria (RWA) sagt: „Die Preise sind schlecht, aber nicht ganz so schlecht, wie sie schon waren.“

Für die Bauern ist das kein Trost. Von den knapp 30 Cent, die sie derzeit für ein Kilogramm Milch bekommen, können sie kaum leben. Und 125 Euro für ein schlachtreifes Schwein mit mehr als 100 Kilogramm, das monatelang gefüttert wurde, machen das Bauernleben auch nicht zu einem Honiglecken.

Fragt man nach den Ursachen für das hartnäckige Preistief, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Russland und China.“ In Russland sind die Grenzen für Schweinefleisch und Milchprodukte nach wie vor dicht. Und in China, das als Hoffnungsmarkt galt, hadert man nicht nur mit rückläufiger Nachfrage, sondern auch mit dem schwierigen Zugang zum Markt.

Immer öfter wird man zudem Opfer einer auch in Österreich beliebten Strategie. Viele Länder besinnen sich der eigenen Landwirtschaft und forcieren regionale Produkte, die Importe verdrängen. „Das erschwert das Geschäft“, konstatiert Franz Sinabell vom Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Einen Teil des Drucks machen sich die Bauern auch selbst. Auf die sinkenden Preise reagieren sie in ganz Europa mit einer Steigerung der Produktion, um über die Menge zu den nötigen Einnahmen zu kommen. Ein Teufelskreis.

Bei Getreide sorgen die seit Jahren steigenden Lager für den Preisdruck. Die Produktion ist höher als der Verbrauch. „Derzeit ist auf der ganzen Welt mit Getreide nichts zu verdienen“, sagt Martin Ziegelbäck, der mit seinem Unternehmen Preisgut auf den internationalen Warenbörsen für seine Kunden Getreide- und Futterpreise absichert. Gauhs rechnet mit einer Verschärfung des Preisdrucks. „Allenfalls könnten die auf dem Getreidemarkt üblichen starken Preis- und Ertragsschwankungen für eine überraschende Wende auf dem Markt sorgen.“

Die Fleischerzeuger hoffen auf das Weihnachtsgeschäft und eine Einlagerungsaktion der EU Anfang 2016. Und bei Milch übt man sich in Zweckoptimismus. Marktbeobachter wie Leopold Kirner von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik halten Anfang 2016 höhere Milchpreise für möglich, wenn sich der Trend der vergangenen Monate weiter stabilisiert.

Dass von der Politik Hilfe kommt, damit rechnet man in der landwirtschaftlichen Szene nicht. „Hilfspakete, wie die in Österreich angekündigten 14 Mill. Euro, sind Peanuts gegen den Schaden, dem sich die Bauern gegenübersehen“, sagt etwa Schweinevermarkter Schlederer. Und mit dem Rat, den WIFO-Experte Sinabell hat, tut sich die Politik wohl schwer. „Europa muss alles tun, um Freihandelsverträge abzuschließen, damit der Zugang zu wichtigen Märkten offen bleibt“, sagt er. „Bei den USA stellen wir uns selbst ein Bein, wenn wir eine Chance wie TTIP nicht sofort ergreifen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Dezember 2015

Freitag, 4. Dezember 2015

Die falsche Aufregung der Bauern



Bauern können ziemlich böse sein und ungerecht auch. Wenn rundherum und im Prinzip alles passt und erst recht, wenn etwas nicht ganz so passt. Weil es neu ist, weil es ungewohnt ist, weil man Abstriche machen muss, weil es weniger ist. Dann erst recht.

Die Aufregung rund um die Vorschuss-Zahlung der ÖPUL- und AZ-Gelder zählt in diese Kategorie. Die Stammtische schimpften, in Versammlungen ging es zuweilen hoch her. Und im Internet erst recht.

Dabei ist da den heimischen Agrarpolitiken anscheinend wirklich etwas gelungen. In kaum einem anderen EU-Land gab es so früh Fördergelder. In kaum einem anderen Land hatte man nach der EU-Agrarreform so schnell alles neu aufgestellt, um zumindest einen Vorschuss auszahlen zu können.

Manchen Bauern war es dennoch nicht schnell genug. Die Schelte waren zuweilen heftig. Nachvollziehbar sind sie nicht wirklich. Denn, wenn die österreichische Agrarpolitik etwas kann, dann ist es für die Bauern Geld aufzustellen und Wege zu finden, es auf die Bauernhöfe zu lotsen.

Nach wie vor geht überdurchschnittlich viel vom Fördergeld aus Brüssel ins kleine Österreich. Und was aus heimischen Budgets von Bund und Ländern für die Kofinanzierung aufgestellt wird, braucht in Europa keinen Vergleich zu scheuen. Da haben sich die Bauernvertreter und die so oft gescholtenen Paragrafenakrobaten in Ministerium und Landesregierungen nichts vorzuwerfen. Auch nicht, zumindest aus bäuerlicher Sicht, wenn es darum geht, Privilegien abzusichern und kleinere oder größere Vorteile für die eigene Klientel herauszuholen.

Die Anerkennung, die sie dafür von vielen Bauern bekommen, ist dennoch überschaubar. Immer noch sitzt dort in vielen Köpfen die Überzeugung, dass man als Bauer ein Recht auf Sonderbehandlung und nichts mit so profanen Problemen wie Budgetnöten, leeren öffentlichen Kassen und so etwas zu tun hat. Über den Tellerrand mag man nicht schauen, das Leben und das sich rasant ändernde Umfeld außerhalb des Hoftors mag man oft nicht recht sehen. Viele verweigern immer noch zur Kenntnis zu nehmen, dass man sich in der freien Wirtschaft bewegt und nicht in einer  geschützten Werkstätte, in der alles und jedes und bar jeder Selbstverantwortung alimentiert wird.

Freilich, es glänzt nicht alles so gülden, wie Bauernvertreter es gerne darstellen. Und freilich, es gibt da und dort auch Nachteile gegenüber den Standeskollegen in anderen Ländern. Aber alles in allem, und das wird allzu gerne vergessen, stehen Österreichs Bauern im Vergleich zu ihren Kollegen in Europa und sonstwo, was die finanzielle Grundversorgung mit Förderungen und was den Status in der Gesellschaft betrifft, gut da. Mehr als zwölf Milliarden Euro in sieben Jahren, fix zugesagt, ein Förderkonzept mit dem jeder Landwirt sieben Jahre fix planen kann - darum beneiden andere Wirtschaftszweige die Landwirtschaft. Damit kann man kalkulieren, damit könnte man auch manches ausprobieren.

Dort freilich ist die Agrarpolitik in die Kritik zu nehmen. Dort, und nicht beim Geld. Denn, wenn es darum geht, die heimische Landwirtschaft weiter zu entwickeln, ihr eine Richtung zu geben, die den Bauern eine tragfähige Zukunft gibt um sie unabhängiger von Fördergeldern zu machen, da ist die Agrarpolitik in diesem Land ziemlich blank. Da ist wenig, sehr wenig. Da fehlt es an Ideen, da fehlt es an Gemeinsamkeit, da regieren regionale und produktionssparten-spezifische Interessen. Da fehlt Ausdauer. Und da fehlt Führung.

Die scheint sich zur Gänze für die Jagd nach dem Geld zu verbrauchen. Leider.

Gmeiner meint - Blick ins Land 4. Dezember 2015

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Die andere Flucht



Wirtschaftsflüchtlinge gelten nicht viel in unserem Land. Menschen, die nicht unmittelbar von Terror und Anschlägen bedroht sind, sondern Menschen, die kein Leben in zertrümmerten Regionen voller Gewalt, Anarchie und behördlicher Willkür wollen. Die es besser haben wollen für sich und für ihre Kinder. Die Perspektive und Chancen haben wollen und nicht nur Aussicht auf ein Leben in Angst, Sorge und Elend. Wirtschaftsflüchtlinge gelten vielen hierzulande als so etwas wie Flüchtlinge zweiter Klasse. Flüchtlinge, so der Vorwurf, der im Begriff Wirtschaftflüchtlinge mitschwingt, die nur ein leichteres und besseres Leben suchen und die sich vor der Verantwortung im eigenen Land drücken.

Genau betrachtet freilich unterscheidet sich das Muster, dem sie folgen, kaum von jenem, das auch bei uns bekannt ist. Man sucht sein Leben und die Lebensumstände zu verbessern. Wenn das nicht im eigenen Dorf oder in der eigenen Stadt möglich ist, sucht man es anderswo. Und genau betrachtet ist auch das Land, in dem man so gerne mit dem Finger auf die Wirtschaftsflüchtlinge zeigt, selbst voll von Menschen, die ein ähnliches Verhalten an den Tag legen. Und das, obwohl es ganz sicher keinem so schlecht geht und bei keinem der Druck so groß ist wie bei jenen, die man derzeit europaweit als Wirtschaftsflüchtlinge zuweilen nachgerade abkanzelt.

Weil oben im Waldviertel und im Mühlviertel, unten im Burgenland oder in der Oststeiermark oder in den Gebirgstälern von Salzburg und Tirol zu wenige Arbeitsplätze und die Lebensumstände schwierig waren (und sind), war es immer so, dass die Familienväter zuerst in die großen Städte ausgependelt sind, um Geld für die Familie zu verdienen. Und irgendwann war es dann so weit, dass die Familie nachgeholt wurde. Tag für Tag oder Woche für Woche nehmen hundertausende Österreicherinnen und Österreicher oft stundenlange Fahrten zu ihren Arbeitsplätzen in Kauf, weil es in ihrer Region nichts Passendes gibt und es an vielem fehlt.

Viele gehen noch weiter, weil sie in Österreich für sich keine rechte Perspektive sehen. Sie gehen ins Ausland, weil sie dort mehr verdienen, weil sie dort weniger Steuern zahlen, weil sie dort eher die Möglichkeit sehen, sich und ihre Vorstellungen von einem guten Leben zu verwirklichen. 25.000 Österreicher verlassen jährlich das Land. Mehr als 200.000 Österreicher leben irgendwo in Europa. Drei von vier davon suchen, so wie jetzt die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, ihr Glück in Deutschland. Und längst denkt man auch in vielen heimischen Unternehmungen und Konzernen an Flucht. Man hat es satt, von der Politik ständig Prügel vor die Füße geworfen zu bekommen, man hat die Bürokratie satt, die Auflagen und die Vorschriften und die hohe Steuerlast. Man fühlt sich gebremst und gehemmt und ohne viel Unterstützung. Und manche fühlen sich nachgerade vertrieben.

Längst macht diese Entwicklung Österreich Probleme. Sie reichen von der Entsiedelung von Regionen, von teuren Herausforderungen für den Wohnund Siedlungsbau und für die Infrastruktur bis tief hinein in die Kernzonen der Wirtschaft. Der Wirtschaftsstandort Österreich gilt vielen inzwischen als massiv bedroht und Arbeitsplätze sind in Gefahr. Immer größer wird die Sorge, dass vor allem viele Hochqualifizierte das Land verlassen, weil sie hier für sich kaum Perspektiven sehen und weil anderswo die Rahmenbedingungen besser sind.

Die Politik kommt in ihren Bemühungen, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, nicht recht voran. Auch, weil das Bewusstsein dafür nicht recht entwickelt ist. Da bremst man allemal lieber, als dass man Wünsche und Bedürfnisse unterstützt. Da bringt man allenfalls kleine Verbesserungen zustande, nicht aber die großen Würfe. Lieber hofft man, dass sich alles von selbst in Wohlgefallen auflöst und irgendwie gut wird.

In Österreich sei viel Substanz da, es werde aber wenig draus gemacht, verlautet erst kürzlich vom Unternehmensberater McKinsey. Das Potenzial werde nicht ideal genutzt. Wirtschaftsflüchtlinge gehören wohl zu diesem Potenzial dazu.

Was das bringen kann, zeigt sich im Fußball. An den Erfolgen von Österreichs Fußballnationalmannschaft erbaut sich derzeit das ganze Land. An den Leistungen von Leuten wie David Alaba, Marko Arnautovic, Zlatko Junuzovic und Rubin Okotie - allesamt Nachkommen von hierzulande oft so gering geschätzten Wirtschaftsflüchtlingen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Dezember 2015
 
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