Montag, 7. Dezember 2015

Bauern hadern mit dem Markt



Die Preise in den wichtigsten Sparten der landwirtschaftlichen Produktion sind im Keller. Die Einkommen der Bauern sinken weiter.

HANS GMEINER

Salzburg. In den heimischen Bauernstuben macht sich Frust breit. Bei Milch, Fleisch, Getreide und Ölsaaten wollen sich die Preise nicht und nicht erholen. Für den Großteil der Bauern heißt das, dass sie im vierten Jahr hintereinander mit einem Einkommensrückgang zurechtkommen müssen. Und weil es kaum Anzeichen gibt, dass es bei den Preisen für ihre Produkte in absehbarer Zeit zu einer Änderung kommt, dürfte sich daran auch 2016 nichts grundlegend ändern.

Man ist derzeit schon froh, wenn die Preise nicht noch weiter abrutschen. „Die Milchpreise sind aktuell stabil“, sagt Josef Braunshofer, Generaldirektor der Berglandmilch, des größten heimischen Milchverarbeiters. Ähnlich formuliert es Hans Schlederer, als Chef der Schweinebörse der wichtigste Vermarkter von heimischen Schweinen: „Nach einem zehn Wochen anhaltenden Preisabsturz gibt es nun so etwas wie eine Stabilisierung.“ Bei Getreide ist es kaum anders. Ernst Gauhs von der Raiffeisen Waren Austria (RWA) sagt: „Die Preise sind schlecht, aber nicht ganz so schlecht, wie sie schon waren.“

Für die Bauern ist das kein Trost. Von den knapp 30 Cent, die sie derzeit für ein Kilogramm Milch bekommen, können sie kaum leben. Und 125 Euro für ein schlachtreifes Schwein mit mehr als 100 Kilogramm, das monatelang gefüttert wurde, machen das Bauernleben auch nicht zu einem Honiglecken.

Fragt man nach den Ursachen für das hartnäckige Preistief, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Russland und China.“ In Russland sind die Grenzen für Schweinefleisch und Milchprodukte nach wie vor dicht. Und in China, das als Hoffnungsmarkt galt, hadert man nicht nur mit rückläufiger Nachfrage, sondern auch mit dem schwierigen Zugang zum Markt.

Immer öfter wird man zudem Opfer einer auch in Österreich beliebten Strategie. Viele Länder besinnen sich der eigenen Landwirtschaft und forcieren regionale Produkte, die Importe verdrängen. „Das erschwert das Geschäft“, konstatiert Franz Sinabell vom Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Einen Teil des Drucks machen sich die Bauern auch selbst. Auf die sinkenden Preise reagieren sie in ganz Europa mit einer Steigerung der Produktion, um über die Menge zu den nötigen Einnahmen zu kommen. Ein Teufelskreis.

Bei Getreide sorgen die seit Jahren steigenden Lager für den Preisdruck. Die Produktion ist höher als der Verbrauch. „Derzeit ist auf der ganzen Welt mit Getreide nichts zu verdienen“, sagt Martin Ziegelbäck, der mit seinem Unternehmen Preisgut auf den internationalen Warenbörsen für seine Kunden Getreide- und Futterpreise absichert. Gauhs rechnet mit einer Verschärfung des Preisdrucks. „Allenfalls könnten die auf dem Getreidemarkt üblichen starken Preis- und Ertragsschwankungen für eine überraschende Wende auf dem Markt sorgen.“

Die Fleischerzeuger hoffen auf das Weihnachtsgeschäft und eine Einlagerungsaktion der EU Anfang 2016. Und bei Milch übt man sich in Zweckoptimismus. Marktbeobachter wie Leopold Kirner von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik halten Anfang 2016 höhere Milchpreise für möglich, wenn sich der Trend der vergangenen Monate weiter stabilisiert.

Dass von der Politik Hilfe kommt, damit rechnet man in der landwirtschaftlichen Szene nicht. „Hilfspakete, wie die in Österreich angekündigten 14 Mill. Euro, sind Peanuts gegen den Schaden, dem sich die Bauern gegenübersehen“, sagt etwa Schweinevermarkter Schlederer. Und mit dem Rat, den WIFO-Experte Sinabell hat, tut sich die Politik wohl schwer. „Europa muss alles tun, um Freihandelsverträge abzuschließen, damit der Zugang zu wichtigen Märkten offen bleibt“, sagt er. „Bei den USA stellen wir uns selbst ein Bein, wenn wir eine Chance wie TTIP nicht sofort ergreifen.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Dezember 2015

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