Donnerstag, 29. Oktober 2015

Es bleibt, wie es ist



Sie sind schwarz-blau, rot-grün, rot-blau, rotblau-schwarz-grün oder gar noch bunter. Manchmal tragen sie gar schmucke Namen, nachempfunden den Fahnenfarben ferner Länder. In den vergangenen Tagen häuften sich in den Medien Berichte und Betrachtungen über die Vielfalt der Parteikoalitionen in diesem Land.

Acht Koalitionen in allerlei Konstellationen gibt es inzwischen auf Landesebene. Nur mehr Niederösterreich ist monocolor schwarz. Die Landeshauptstädte schillern, bis auf das einheitlich rote Eisenstadt, zumeist in vielen Farben. Und die Gemeinden erst recht.

Österreich geht heute wesentlich entspannter mit dem Thema um als noch vor wenigen Jahren. Selbst der schwarz-blaue Pakt in Oberösterreich sorgt kaum mehr für Aufregung. Da hat schon deutlich mehr Konfliktpotenzial, dass es dort in der Landesregierung derzeit keine Frau gibt.

Das ist durchaus positiv für ein Land, das seit Jahrzehnten als im eisernen Griff von zwei Parteien gesehen wird, denen seinerzeit das "Wohl" zugeschrieben wurde, seit Jahren aber nur mehr das "Weh". Diese neue Vielfalt freut viele Menschen, manche werten das gar als Aufbruch der Parteienlandschaft und nicht wenige knüpfen Hoffnungen dran.

Fragt sich freilich - warum bloß? Denn die Frage bleibt: Was haben diese Koalitionen bisher gebracht? Was hat das Land davon? Und was die Wähler? Was haben diese neuen Koalitionen bewegt? Und was hat sich dadurch verändert? Sind sie tatsächlich geeignet, dem Land Hoffnung zu geben? Die, die in einer solchen Koalition arbeiten, werden wohl viele Antworten drauf haben, die die neue Buntheit positiv bewerten. Der große Rest freilich wird wohl mit den Achseln zucken: "Also, ich weiß nicht so recht."

Man kann sie verstehen. Österreich ist alles in allem nicht anders geworden durch die neuen Koalitionen und die neue Vielfalt. Und die Probleme wurden nicht kleiner. Auch nicht dort, wo diese bunten Koalitionen an der Macht sind. Immer wieder zeigt sich, wie schnell die hochtrabendsten Pläne und die großspurigsten Ankündigungen im PolitikAlltag verschwinden. Aufgefressen von der Tagesroutine, zerrieben von Meinungsverschiedenheiten, gescheitert am eigenen Durchsetzungsvermögen oder am Unverständnis des Partners.

Gut, Wien hätte wohl keine neue Mariahilferstraße und Oberösterreich keinen "Lufthunderter". Dass die Blauen im Burgenland ans Ruder gekommen sind, hat bisher noch in keiner Weise etwas - je nach Standpunkt - bewirkt oder verursacht. In Kärnten wünscht man sich wohl auch, es hätte das seinerzeitige bunte Treiben nie gegeben. Der versprengte Stronach-Mann in Salzburg ist auch unter dem neuen Mäntelchen das geblieben, was er immer war -ein Schwarzer. Und die Neos sind immer noch nirgendwo. Und in den Gemeinden dominiert ohnehin eher die praktische Arbeit.

Länder und Gemeinden und die dortigen Koalitionen sind es jedenfalls nicht, die in diesem Land Änderungen bewirken. Und das freilich nicht, weil der Bund und die dort einzementierte Koalition zu stark und zu starr ist. Der Grund ist eher darin zu sehen, dass man sich viel zu sehr mit sich selbst und der Sicherung der eigenen Macht-Schrebergartens beschäftigt, als sich um das Ganze zu kümmern. Im Bund steht der Beweis noch aus. Schwarz-blau gab's schon einmal. Manche meinen, das habe auch funktioniert. Andere befinden das nicht und kommen heute noch ins Schaudern.

Österreich bleibt wohl in jedem Fall, steht zu befürchten, wie es ist. Nicht zuletzt, weil Koalitionen, welcher Farbe auch immer, von hierzulande sozialisierten Menschen geführt werden. Und die können nicht aus ihrer Haut. Gleich welcher Couleur, leiden sie an den gleichen Defiziten. Wenn es um Kompetenz und Entscheidungsfähigkeit geht, ist es so, und um Durchsetzungsvermögen. Bei den Ideen ist es nicht anders. Und beim Wegschauen, Durchtauchen und Ducken auch.

Ob all die Alternativen, die sich angesichts der Erosion bei den beiden ehemaligen Großparteien anbieten werden, geeignet sind, das Land zu verändern und ihm endlich den Ruck geben, der längst nötig wäre, ist vor diesem Hintergrund mehr als fraglich.

Man mag sich freuen darüber, dass die Parteienlandschaft im Umbruch ist. Man sollte nicht übersehen, dass es nicht mehr als ein Anfang ist. Aus dem man freilich etwas machen sollte und könnte. Fragt sich bloß, wer?

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 29. Oktober 2015

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Kapriziöse Diva



Sie war eine Vorzeige-Bürgermeisterin. Als sie im Vorjahr mit dem Hans-Kudlich-Preis ausgezeichnet wurde, wurde ihr Weitblick gelobt und dass sie immer wieder neue Maßstäbe für attraktive Lebensgestaltung und Perspektiven gesetzt habe. Ulrike Böker, die Bürgermeisterin von Ottensheim in Oberösterreich, kannte und anerkannte man im ganzen Land. Sie war, wie man sich gemeinhin einen Bürgermeister wünscht.

Es wurde nicht honoriert. Bei den Bürgermeisterwahlen vor zwei Wochen verlor sie Stichwahl und Amt. "Es ist nicht leicht, diese Entscheidung der Wählerinnen und Wähler zu akzeptieren", schrieb sie daraufhin enttäuscht auf Facebook. "Meine guten, normalerweise recht lebendigen Geister sind am Sonntag in eine Schockstarre gefallen."

Sie ist nicht die Erste, der es in der Politik so erging. Der steirische Landeshauptmann Voves ist ein anderes Beispiel dafür. Und viele andere gibt es auch. Sie erfüllen, was gefordert wird, sie greifen an, was verlangt wird, sie trauen sich über Dinge drüber, über die alle anderen lange vor sich hergeschoben haben und sie setzen Initiativen, die längst überfällig sind. Und dennoch scheitern sie. Und das meist nicht wegen Fehlern, die sie machen. Sie scheitern ganz einfach an der Beharrlichkeit des Systems, an der Starrheit und Sturheit vieler Leute im Apparat und am mangelnden Willen derer, die die Pläne umsetzen sollten und könnten. Und sie scheitern daran, dass vieles von dem, was in diesem Land Tag für Tag schlagzeilenträchtig und wortstark verlangt wird, offenbar gar nicht so gemeint ist, wie es vorgetragen wird. Vor allem dann, wenn man mit einem Mal selbst davon betroffen sein könnte.

Im Ernstfall entscheidet man sich allemal doch lieber für das Gewohnte und das Bekannte als für das Neue - und sei es noch so notwendig. Angesichts von Veränderungen entscheidet man sich allemal lieber für den Spatz in der Hand als für die Taube auf dem Dach.

Wer in diesem Land etwas Neues will, und gar wenn er oder sie es umsetzen will, hat es schwer. Da wird die Luft schnell dünn, da werden die Freunde schnell wenig und die Gegner aber dafür umso schneller mehr. Da rückt die Sache selbst sehr schnell in den Hintergrund und der politische Vorteil, den man als Gegner von Veränderung herausschinden will, in den Vordergrund. Es findet sich immer wer, der Pläne und Projekte madig und damit Politik und Stimmung machen will.

Was für die Reformer gilt, gilt auch für andere, nach denen in der Öffentlichkeit so oft und so gerne gerufen wird. Für die absolut Zuverlässigen und Vertrauenswürdigen. Für die fleißigen Arbeiter. Für solche, die keine Schlitzohren sind, sondern durch und durch ehrlich und glaubhaft. Die keine Gaukler sind und keine Phantasten. Und keine Gauner und keine Zocker. Für die, die sich der Sache verschreiben und nicht den Medienauftritten. Auch sie haben es schwer.

Michael Spindelegger war ein Vertreter dieser Spezies. Auch er war ohne Chance. Schnell wurde das Fehlen von Farbe und Brillanz moniert und zu Spindeleggers Handicap. Er blieb grau. Grau durch und durch. Da wog all die Seriosität nichts mehr.

Die Wählerin und der Wähler gleichen dem Verhalten einer Diva - kapriziös, hochfahrend, ungerecht. Längst sind diese Verhaltensmuster für das Land zu einer großen Last geworden. Sie sind mit ein Grund dafür, dass sich niemand mehr für die Politik hergeben will. Sie sind mit ein Grund dafür, dass wir seit Jahren in einer Starre gefangen sind, in der kaum wer etwas umzusetzen wagt, schon gar nicht die drängend notwenigen Änderungen in den großen Bereichen wie Staatshaushalt, Sozial- und Gesundheitswesen, Bildung oder Pensionsrecht. Wer hierzulande das Vernünftige macht, verliert. Hat schon verloren, wenn er auch nur ansetzt, das Vernünftige zu machen. Und wer es freilich nicht macht, hat auch keine großen Chancen.

Ein großer Schritt wäre es, die öffentliche und vor allem die veröffentlichte Meinung nicht so ernst zu nehmen, wie dies in der Politik zur Gewohnheit geworden ist. Ein großer Schritt wäre es, Ecken und Kanten zu zeigen und Rückgrat. Das vor allem. Und ein großer Schritt wäre es, wenn die, die immer fordern und alles besser wissen und die so gerne die Politiker vor sich hertreiben, auch Rückgrat zeigen würden - und jene, die etwas bewegen, auch unterstützen und nicht bei der erstbesten Gelegenheit hängen lassen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Oktober 2015

Donnerstag, 15. Oktober 2015

"Fit & proper" für Wahlen?



Wien hat gewählt. Längst kennt man das Ergebnis. Längst weiß man auch, wer wie gewählt hat. Fein ziseliert nach Alters-und Berufsgruppen, nach sozialem Milieu, nach beruflichem Hintergrund und auch nach Bildung. Nach Allgemeinbildung freilich nur. Was man aber nicht weiß, ist, wie es mit der politischen Bildung der Wähler ausgesehen hat, mit der Qualifikation für die demokratische Entscheidung, die für das Land so weitreichende Folgen haben kann.

Dass es durchaus lohnend wäre, sich damit auseinander zu setzen und entsprechend Relationen zum Stimmverhalten herzustellen, ist nicht neu. Anhaltspunkte gibt es aber dennoch nicht, es sei denn man nimmt als solche, was der Mikromann von Ö3 vergangene Woche Tag für Tag in aller Früh seiner Hörerschar präsentierte. Da war auf die Frage, wie der Landeshauptmann von Wien heißt, wenn Michael Häupl der Bürgermeister ist, die Antwort "Faymann" zu hören. Und auf die Frage nach dem Namen des Bundeskanzlers ein saloppes und selbstbewusst-gelangweiltes "Keine Ahnung". Als der Mikromann am Freitag vor den Wien-Wahlen schließlich wissen wollte, ob man vom Ergebnis der Wahlen überrascht sei, war zu hören, dass man nicht überrascht sei vom Ergebnis, aber davon enttäuscht, dass nicht mehr Leute ungültig gewählt hätten.

Nun soll man die Antworten, die nach Unterhaltungswert ausgesucht sind, nicht überbewerten, zum Nachdenken sollten sie aber durchaus anregen, zumal sie sich mit anderen Erfahrungen decken, die jede Frau und jeder Mann tagtäglich machen. Und zumal sie auch mit dem übereinstimmen, was Untersuchungen und Meinungsbefragungen immer wieder ergeben. Nicht nur das politische Wissen und das Wissen um Zusammenhänge in der Politik zliegt dabei in Österreich immer wieder im Argen. Auch um das wirtschaftliche Wissen ist es um nichts besser bestellt. Erst kürzlich ließ die Nationalbank mit einer Umfrage aufhorchen, die belegt, dass es um das Finanzwissen der Bürger in Österreich nicht zum Besten bestellt ist.

Das freilich hindert viele dieser Menschen nur selten daran, recht laut und rechthaberisch über die Politik und die Politiker zu schimpfen, vollmundig davon zu reden, was wie besser gemacht werden kann, und man weiß selbstredend, wie mit den Griechen und ihrem Schuldenberg zu verfahren wäre.

Es gibt freilich eine verschärfte Form dieser ohnehin bemerkenswerten Spezies von Menschen, die trotz geringen Wissens und bar jeder Bemühungen, ein solches zumindest ansatzweise zu erwerben, mit ihrem Stimmverhalten weitreichende Entscheidungen für das ganze Land treffen können und um keinen Ratschlag verlegen sind. Das sind manche Politikerinnen und Politiker selbst. Sie, für die die Verantwortung in noch viel höherem Maß gälte, lassen sehr oft ebendiese in gleichem Maß vermissen, wie jene, die sie vertreten wollen. Es ist zuweilen frappierend, wie eng ihr Horizont ist, wie schnell man statt einigermaßen fundierter Antworten hilfloses Achselzucken erntet. Und wie sie dennoch ohne viel Federlesen weitreichendste Entscheidungen treffen.

Dass vor wenigen Jahren ein heimischer Publizist mit einer Streitschrift unter dem Titel "Prolokratie - Demokratisch in die Pleite" einen Bestseller landete, nimmt vor diesem Hintergrund nicht wunder. Das Eis ist freilich dünn, auf dem man sich bewegt, wenn man thematisiert, was er thematisiert hat. Nichtsdestotrotz erscheint es notwendig, auch darüber zu reden. Da darf es klarerweise nicht darum gehen, gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten und die Demokratie in Frage zu stellen. Vielmehr muss es darum gehen, wie man die Qualifikation der Wähler und auch der Politiker für die Entscheidungen, die sie zu treffen haben, verbessern kann.

In Österreich ist man da säumig, die Wähler und auch die Politiker für ihre Aufgabe "fit &proper", wie das neudeutsch heißt, zu machen. Politische und wirtschaftliche Bildung führen in den Schulen ein Schattendasein und gelten als Blümchen-Disziplinen. Nach der Schule gibt es praktisch überhaupt nichts mehr, es sei denn, man hält die öffentlich-rechtlichen Vermittlungen in Rundfunk und Fernsehen und in den mehr oder weniger bunten Blättern für genügend und adäquat.

Viel ist das, man weiß es, nicht. Deswegen ist der Handlungsbedarf nach den Ergebnissen der vergangenen Wahlen und vor dem Hintergrund der Performance vieler Politikerinnen und Politiker nicht mehr zu übersehen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Oktober 2015

Samstag, 10. Oktober 2015

"Freie Milch" bleibt weiter auf dem Markt



Verhandlungen mit neuen Eigentümern gehen ins Finale.

Linz. Die „Freie Milch Austria“ bleibt als eigenständiges Unternehmen erhalten. Läuft alles nach Plan, soll die Gesellschaft mit Ende Oktober von der Biomolkerei Lembach übernommen werden. „Wir wollen unsere Anteile an der Gesellschaft verkaufen, von einem Ende kann aber keine Rede sein“, sagt Geschäftsführer Ernst Halbmayr, dem die „Freie Milch“ zusammen mit IG-Milch-Chef Ewald Grünzweil und zwei weiteren Teilhabern gehört. „Die Firma bleibt in ihrer derzeitigen Form mit den Betriebsanlagen in Steyr bestehen, geplant ist nur ein Wechsel der Eigentümer.“ Die Gespräche mit der Biomolkerei Lembach, mit der man seit Jahren kooperiere, befänden sich im Finale.

„Wir ziehen uns aus dem Unternehmen zurück, weil wegen der Nähe zur IG-Milch Möglichkeiten auf dem Markt verschlossen bleiben“, sagt Halbmayr. „Die interessenpolitische Arbeit ist mit dem Geschäft nicht kompatibel, aber vor dem Hintergrund der Probleme auf den Milchmärkten notwendiger denn je.“ Das Unternehmen übernimmt derzeit von 160 Bauern jeweils zehn Millionen Liter konventionelle Milch und Biomilch. gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 10. Oktober 2015

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Schweigen im Wald



Seit Tagen hat man in der Diskussion um den Umgang mit dem Flüchtlingsstrom ein neues Thema - die Kosten. Was kommt da auf uns zu, spekuliert man allerorten, seit im Radio die Meldung kolportiert wurde, dass sie nicht weniger als zwölf Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren ausmachen werden. Mag sein, dass es so viel wird, mag sein, dass es nicht so viel wird.

Frappierend ist allemal, was man auch nach Wochen der Flüchtlingswelle, die durch Österreich schwappt, nicht weiß. Immer noch nicht weiß. Und das ist nicht nur, was die Flüchtlinge kosten werden. Man weiß ja nicht einmal, wie viele da sind. Und schon gar nicht wer. Es war erstaunlich, wie in den vergangenen Wochen die Zahlenangaben zwischen Österreich und Deutschland differierten. Selten passten die Zahlen, die Österreich von den täglichen Ankünften in Nickelsdorf und in der Steiermark meldete, mit jenen zusammen, die deutschen Angaben zufolge täglich aus Österreich kamen. Man hat auch bis heute kaum einen Überblick darüber, welche Staatsangehörige da drunter sind und man weiß schon gar nichts über ihre Herkunft und ihr Vorleben.

Zugegeben, das ist auch schwierig. Die Situation ist chaotisch. Aber die Flüchtlingskrise ist nicht vom Himmel gefallen. Was auf Europa und was auf Österreich zukommt, war seit Monaten abzusehen. Aber man zog es vor, wegzuschauen und glaubte, in bester österreichischer Manier, die Entwicklung negieren zu können. Viel zu lange, viel zu oft. Und ohne je auch nur einen Gedanken an einen Plan B verschwendet zu haben. Versprechungen wurden nicht eingehalten, Ankündigungen allenfalls als Beruhigungspillen begriffen und Warnungen und Aufforderungen zu handeln, kleingeredet.

Statt möglichst früh zu einer Sachlichkeit zu finden, die der Umgang mit Flüchtlingen erfordert hätte, ließ man Emotionen freie Bahn. Auf allen Seiten. Nach wie vor sind die Grenzen zwischen echter und notwendiger Hilfe und der Politik, die mit Hilfe betrieben wird, und die Interessen, die verfolgt werden, verschwommen. Nach wie vor gibt es keine Strukturen, die Klarheit und Sicherheit schaffen und damit Ängste und Unsicherheiten nehmen könnten. Und noch immer ist es kaum möglich, das Problem als Herausforderung zu begreifen, die es mit allen Schwierigkeiten und Ungewissheiten, die da auftreten, zu bewältigen gilt. Noch immer hält man vielerorts für die einzige Lösung, das Problem zu negieren und so zu tun, als ob man nichts damit zu tun hätte.

In diesem Klima, das zwischen blanker Blauäugigkeit und Angst und Hass schillert, ist es nicht verwunderlich, dass Ängste und Sorgen wachsen. Längst wirkt das Gift allerorten. Die Verschwörungstheoretiker und die Weltuntergangspropheten bestimmen zunehmend die Diskussion. Mit einem Mal tauchen überall Geschichten von Übergriffen auf, von Streitigkeiten und von ungebührlichem Benehmen, das man den Flüchtlingen anlastet. Allerorten blühen die Geschichten vom Islam, seinem Missbrauch und von schlechten Erfahrungen damit.

"Ob wir stark genug sind, unsere Errungenschaften aufrechtzuerhalten", fragen sich längst auch gutwillige Menschen. Die Antworten, die sie bekommen, sind immer noch dürftig. Die von der Politik sowieso, aber auch die von Institutionen, wie den Kirchen, gleich ob katholisch oder evangelisch.

Die offizielle Kirche, zumal die katholische, ist bemerkenswert ruhig zum Thema Flüchtlinge. Die Caritas ja, die steht ganz vorne, und auch in vielen Pfarren nehmen sich die Menschen an. Wenn es aber darum geht, der Flüchtlingshilfe den Rücken zu stärken und den Menschen Orientierung zu geben, ist von den Bischöfen wenig zu hören und von den Klöstern und von den Pfarrern auch. Selbst die Kirchenblätter schweigen. Ganz so, als fühle man sich nicht wirklich verantwortlich dafür, Nicht-Christen zu helfen. Ganz so, als gelte für sie das Gebot der uneingeschränkten Nächstenliebe nicht und ganz so, als hätte man selbst Angst vor der immer lauter beschworenen Islamisierung.

Immer öfter hört man gerade von jenen, die Sonntag für Sonntag ganz vorne in den Kirchen sitzen, Schauergeschichten über den Islam und die Menschen, die da kommen. Das schmerzt. Und das lässt nicht nur an ihrer Lauterkeit zweifeln.

Diese Versäumnisse haben weitreichende Folgen. Und zu denen gehören auch jene, mit denen sich seit kurzem Oberösterreich herumschlagen muss und demnächst Wien. Und ganz sicher bald das ganze Land.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. Oktober 2015

Montag, 5. Oktober 2015

Durchtauchen? Keine Agrarpolitik ist auch keine Lösung



Die Vollmundigkeit verwunderte. "Wir reden sicher in der Größenordnung von 100 Mill. Euro, die da notwendig sind für Österreich", diktierte Landwirtschaftsminister Rupprechter Ende August den Journalisten in die Notizblöcke. Und, ganz so, als sei schon fast alles im Sack, fügte er nach einem Treffen mit Agrarkommissar Hogan, bei dem es um Hilfen die die Milch- und Schweinbauern ging, an: "Der Kommissar war sehr offen unseren Vorstellungen gegenüber".

Was den heimischen Bauern Hoffnungen machen und dem Minister Ruhm bringen sollte, geriet zum Desaster. Aus den 100 Millionen wurden nachgerade mickrige sieben Millionen. Da war dann auch der Mann, dem bei seiner Bestellung  zum Minister zu Gute gehalten wurde, besonders gute Drähte nach Brüssel zu haben, mit seinem Latein am Ende. Als Krisenkonzept gab er dann die Devise aus, die so auch von jedem anderen x-beliebigen Agrarpolitiker aus einem x-beliebigen Dorf ausgegeben hätte werden können. "Wir müssen dieses aktuelle Preistal durchtauchen".

Rupprechters Hilfe-Flop ist symptomatisch für die vergangenen Wochen und Monate. Man hat den Bauern kaum etwas zu bieten, schon gar nicht neue Ideen. Wie schon seit Jahren betet man auch diesmal gebetsmühlenartig die gleichen Argumente herunter. Man geißelt den Handel als unanständigen Preisdrücker, man appelliert an die Konsumenten, man redet diffus von der Wertigkeit der Lebensmittel und von der Qualität und man klagt darüber, dass sogar Katzenfutter teurer ist, als das Schnitzel im Supermarktregal - ganz so, als wollte man die eigene Unfähigkeit, das zu ändern, damit auch noch dokumentieren.

Geholfen hat das schon bisher nichts, und auch diesmal brachten die Vorhaltungen genau nichts. Das ist symptomatisch für die heimische Agrarpolitik. Man bleibt auf den eingefahrene Geleisen, und erweisen sie auch als noch so wenig zielführend, man hat keine neuen Ideen und man bringt keine wirkungsvollen Initiativen auf den Weg.

Dabei ginge es auch anders. Auch in Österreich. Hier gibt es auch mitten in der Krise Erfolgsgeschichten in der Landwirtschaft. Gemeinsam ist ihnen freilich, dass sie sich zumeist gegen den agrarpolitischen Mainstream durchsetzen mussten. Über Bio etwa lächelt man immer noch und über Erfolgsprojekte wie die Heumilch mag man auch nicht recht reden.

Dass es anders geht, zeigen auch andere EU-Länder. In Belgien etwa haben sich schon Ende August Bauern, Handel und Nahrungsmittelindustrie nach wochenlangen Verhandlungen auf Extra-Hilfen für Milch- und Schweinefleischerzeuger geeinigt. Für Milch sollen 2,7 Cent mehr fließen. Für Milchbauern sollen über dieses auf sechs Monate limitierte Programm insgesamt 46 Mill. Euro zusammenkommen und für die Schweinfleischerzeuger 30 Mill.

Verständlich, dass die Verbitterung in der heimischen Landwirtschaft wächst. Zuzuschreiben haben sich die Agrarpolitiker und die Interessensvertreter das zu einem guten Teil auch selbst. Sie sind Opfer ihrer eigenen Muskelspiele, mit denen sie so gerne den Eindruck erwecken, schier alles regeln zu können und genau zu wissen, wo die Schuldigen sitzen und was die zu tun hätten. Nun können sie - wieder einmal - ihre Versprechen nicht einlösen und müssen die Erwartungen der Bauern enttäuschen.

Denen bleibt angesichts der Umstände in der Tat nichts anderes, als das Preistief tatsächlich durchzutauchen. Wünschen kann man ihnen nur, dass sie dafür genug Luft haben.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land 5. Oktober 2015

"Freie Milch Austria" steht vor dem Aus



Abwärtstrend bei Milchpreisen wurde den Milchrebellen zum Verhängnis.

Linz. Der „Freien Milch Austria“, vor sechs Jahren von Protagonisten der IG Milch gegründet, geht die Luft aus. „Voraussichtlich mit Ende Oktober übernimmt die Bio-Molkerei Lembach die Freie Milch Austria“, meldet das Fachmagazin „top agrar Österreich“. Demnach werden die Mühlviertler, die der bayerischen Molkerei Innstolz und dem Lembacher Landwirt Johann Furtmüller gehören, die jährlich 20 Mill. Kilogramm der 150 Lieferanten von „Freie Milch“ übernehmen.

Die Anlagen in Steyr seien geschlossen, die Homepage ist nicht mehr erreichbar. Mit der „Freien Milch“ wollten IG-Milch-Gründer Ernst Halbmayr und der jetzige IG-Milch-Chef Ewald Grünzweil den Molkereien zeigen, wie man Milch besser vermarktet und einen höheren Milchpreis für Bauern erzielt. In der besten Zeit vermarktete man jährlich 70 Mill. kg Milch von 500 Lieferanten auf dem freien Markt vor allem im Ausland. Das funktionierte, solange die Preise gut waren.

Im Jahr 2013, als die Milchpreise abstürzten, schlitterte auch die „Freie Milch“ in die Krise. Statt der ohnehin niedrigen 30 Cent pro Kilogramm konnte sie oft nur mehr 20 Cent und sogar weniger bezahlen. Schon damals setzten sich die meisten Bauern ab und kehrten unter den Schutzschirm ihrer angestammten Molkereien zurück. Der aktuelle Preisrutsch auf dem Milchmarkt dürfte den Milchrebellen nun endgültig den Todesstoß versetzt haben. gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 5. Oktober 2015

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Aus dem Lot



Wer immer konnte und die Gelegenheit dazu hatte, wärmte sich in den vergangenen Wochen an der Erfolgsstory von Runtastic. Vier Studenten aus der Linzer Gegend, die innerhalb von wenigen Jahren mit ihren Fitness-Apps zu Weltruhm kamen. 60 Millionen Nutzer, 120 Millionen Downloads. Und neuerdings mit Adidas einen Weltkonzern im Boot, dem der Einstieg nicht weniger als 220 Millionen Euro Wert war.

Zyniker mögen sagen, das Unternehmen wurde trotz Österreich und der hiesigen Stimmung, die sich immer offener gegen die Wirtschaft wendet, binnen weniger Jahre zum internationalen High-Flyer. Man mag ihnen recht geben. Denn hierzulande haben es Unternehmen nicht leicht, zu Erfolg zu kommen und, wenn sie den schon haben, ihn auch abzusichern oder gar auszubauen. Monatlich klagt man zwar über das ständige Ansteigen der Arbeitslosigkeit und fordert und verspricht auf Wahlplakaten neue Arbeitsplätze. Wenn's aber darum geht, Nägel mit Köpfen zu machen, ist davon kaum mehr etwas zu merken. Ganz im Gegenteil.

Dieser Tage etwa steht im Oberösterreichischen bei einem sehr erfolgreichen mittelständischen Unternehmen eine Bauverhandlung an. Es geht um eine Erweiterung des Betriebs und um die Errichtung eines kleinen Lagers. Enorm, was eine solche Verhandlung hierzulande alleine an Papierkram auslöst und gar nicht zu reden von der Einladungsflut. Da müssen Vertreter des Bezirksbauamts, der Umweltdirektion des Landes, des Arbeitsinspektorates, der Brandverhütungsstelle, der Straßenmeisterei, von zwei Gemeinden und natürlich die Anrainer zusammenkommen, um dem eigentlich kleinen und sehr überschaubaren Projekt ihren Sanktus zu geben. Die Veranstaltung beginnt um 8.30 Uhr und dauert, bis alle Stellungnahmen vorgetragen, notiert und eingetragen sind, in der Regel bis knapp vor Mittag
-gerade rechtzeitig, um dann im nahe gelegenen, in einem guten Ruf stehenden Landgasthaus das Mittagessen einzunehmen.

Dieses Prozedere zu belächeln ist nicht angebracht. Andere Unternehmen wären froh, wenn es so klaglos laufen würde. In den vergangenen Wochen häuften sich in den Medien die Berichte über Bauprojekte von Unternehmen, deren Genehmigung sich bereits über Jahre hinzieht. Da kämpft in Wels ein Bauunternehmer seit Jahren um ein neues Firmengelände und gegen einen dort nistenden Brachvogel, der allem Anschein nach auf dem längeren Ast zu sitzen scheint. In Grieskirchen legt sich der Umweltanwalt gegen die Pläne der renommierten Firma Pöttinger, eine Größe auf dem internationalen Landtechnik-Markt, quer, 100 Millionen Euro zu investieren und 700 neue Arbeitsplätze zu schaffen. In Leonding hat eine Siemens-Tochter Probleme mit der geplanten Erweiterung, weil die Behörde das Gebäude in einem Hochwassergebiet wähnt. Dass es dort seit 100 Jahren kein Hochwasser gab und auch dass auch das Hauptgebäude dort steht, spielt keine Rolle. In Salzburg schlagen sich Porsche und Maco bereits seit acht Jahren mit Konzepten und Plänen für Umpflanzungsaktionen und Tunnels für Äskulapnattern und Ähnlichem herum, ohne voranzukommen, weil der Naturschutz immer neue Begehrlichkeiten erfindet, mit denen man die Unternehmen nervt.

Da ist es schwer, die österreichische Welt zu verstehen. Da stimmen die Relationen nicht mehr, da ist die Güterabwägung völlig aus dem Lot. Da geht es viel zu oft eher ums Verhindern als ums Unterstützen. Das macht es schwer, die Anforderungen zu bewältigen, denen die heimischen Unternehmen im Land selbst, aber auch auf den internationalen Märkten gegenüberstehen. Gar nicht zu reden von den Anforderungen, die an sie von der Gesellschaft gestellt werden - Arbeitsplätze, Steuern und Abgaben.

"Wir sind drauf und dran uns aus dem Markt zu schießen", sagte erst kürzlich der Chef eines großen Anlagenbaubetriebs. Die politisch Verantwortlichen lassen sich davon freilich nur mäßig beeindrucken. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist das nötige Fingerspitzengefühl abhanden gekommen. Es geht inzwischen nicht mehr darum, allfällig verantwortungslosen Unternehmen und Unternehmern Zügel anzulegen, um Umwelt und Arbeitnehmer vor ihnen zu schützen. Längst hätten sich die Anforderungen umgekehrt. Hätten. Die Unternehmen schützt niemand vor verbohrten, ewig gestrigen Sozialkämpfern, vor zügellosen Bürokraten und vor dreisten Umweltschützern, die allesamt den Bezug zur Realität verloren haben.

Zur Kenntnis nehmen will das freilich niemand.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 1. Oktober 2015
 
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