Donnerstag, 4. Februar 2016

Fremdwort Verantwortung



Verantwortung zu fordern ist das eine, Verantwortung zu tragen das andere. Hierzulande ganz besonders. Und ganz besonders in der Politik. Bundeskanzler Werner Faymann lieferte vor dem Hypo-Untersuchungsausschuss ein eindrückliches Beispiel dafür, wie die Politik in diesem Land damit umgeht. "Der Bundeskanzler ist nicht der oberste Experte für alle Fragen der Republik" ließ er die Mitglieder des Untersuchungsausschusses wissen. Und: "Meine Aufgabe ist es, das Team zu führen". Da war nur zu spüren, dass er mit all dem nichts zu tun haben wollte. Gar nichts.

Bevor jemand einen Stein wirft - so hätte wohl jeder gehandelt. Und nicht nur Faymann. Ein anderes Handeln hätte Kopfschütteln ausgelöst in diesem Land und Verwunderung.

Ein Politiker, der sich vor der Verantwortung drückt, hat in diesem Land wenig zu befürchten. Das persönliche Risiko ist gering. Auch wenn mitunter Forderungen laut werden, sie persönlich und finanziell für manche ihrer Leistungen zur Verantwortung zu ziehen oder gar haftbar zu machen, haben sie praktisch nichts zu befürchten. Den Tatbestand "Schlechte Politik" gibt es nicht im Rechtssystem und ergo auch keinen Titel, Politiker so zur Verantwortung zu ziehen, wie man sich das zuweilen an Stammtischen und anderswo wünscht. Selbst dann nicht, wenn Budgets aus dem Ruder geraten, Arbeitslosenzahlen explodieren oder Probleme, wie der Umgang mit dem Flüchtlingsstrom, so eskalieren, dass viele dadurch die Zukunft des Landes gefährdet sehen. Amtshaftungsklagen oder gar Ministeranklagen sind rar wie eine Blaue Mauritius.

Und landet eine Politikerin oder ein Politiker doch einmal vor Gericht, dann hat das nie mit der Politik zu tun, für die sie zur Verantwortung gezogen werden, sondern mit Tatbeständen, die sie in ihrer Amtszeit setzten, die gegen Amtsvorschriften oder Strafrecht verstoßen. Oder sie verheddern sich in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen. Aber auch die stehen nicht mit ihrer Politik per se, sondern allenfalls mit ihrem Amt, ihrer Funktion und mit ihren persönlichen Handlungen, böse Zungen sagen wohl Machenschaften dazu, in Zusammenhang.

Das größte Risiko für eine Politikerin oder einen Politiker ist es, abgewählt zu werden und damit ein Amt zu verlieren. Wenn man dann strauchelt, kann der Fall ein tiefer sein. Dann gilt es für viele, die es nicht verstanden, beizeiten ein Netz aufzubauen, das sie auffängt, von vorne anzufangen. Das ist nicht einfach, mit solchen Situation freilich müssen immer wieder viele andere Menschen auch zurechtkommen.

In der Wirtschaft ist das nicht viel anders. Auch dort ist die Verantwortung von angestellten Managern zumeist überschaubar. In die Pflicht genommen können auch sie erst, wenn sie sich etwas zuschulden haben kommen lassen. Ansonsten können sie sich zumeist auf feine Abfertigungszahlungen verlassen und darauf, ohne große Konsequenzen anderswo wieder einzusteigen.

Selbst für Unternehmer, die mit ihrem eigenen Vermögen oft viel Risiko nehmen, hört sich die Verantwortung schnell auf, wenn es ums eigene Überleben geht. Da geht es dann oft nur mehr darum, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Wenn man bei Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder Banken verbrannte Erde hinterlässt, ist dann einerlei.

Verantwortung ist in Österreich etwas, was man nicht übernimmt. Gerne schon gar nicht. Weitaus lieber schiebt man sie möglichst weit von sich und drückt man sich davor. Das gilt nicht nur für die genannten Kreise, das gilt für die gesamte Gesellschaft. Und das gilt zumeist vor allem für die, die besonders gerne und oft voller Vorurteile mit den Fingern auf andere zeigen und denen sie vorwerfen, sich um die Verantwortung zu drücken - auf Politiker, Unternehmer und Manager, auf Menschen am Rand der Gesellschaft, auf Arbeitslose oder auf Flüchtlinge.

Dabei agieren sie nicht selten genau so, wie sie meinen es anderen vorwerfen zu müssen. Wenn etwas nicht läuft, wie es laufen sollte, machen genau diese Leute schnell lieber alle anderen eher für etwas verantwortlich, als sich selbst. Verantwortung abzuschieben ist zur Lebenskultur geworden in allen gesellschaftlichen Bereichen. Man hat sich angewöhnt, die Verantwortung für das eigene Leben abzugeben und fordert von der Gesellschaft Verständnis, Unterstützung und Hilfe.

Die Kultur müsste wohl eine andere sein. Es gälte Verantwortung einzufordern. Von allen.

Wer freilich das tut, hat wohl schlechte Karten in diesem Land.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Februar 2016

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1