Donnerstag, 31. März 2016

Europas Politik-Opfer




Es hätte eine Demonstration der Stärke werden sollen und ein Signal der politischen Korrektheit. Längst ist es jedoch zu einem Problem geworden, das, wie so viele andere Probleme auch, das Fortkommen der Europäischen Union bremst und die Zweifel an ihrer Sinnhaftigkeit nähren. Es ist nicht die Rede von der Flüchtlingskrise, es ist die Rede von den Sanktionen gegen Russland, mit denen die EU dem russischen Präsidenten Putin die Stirn bieten und der Ukraine ihre Solidarität zeigen wollte.

Dieser Handelskrieg mag Russland schädigen und wehtun. Was er aber in den Ländern der Europäischen Union in den vergangenen bald zwei Jahren angerichtet hat, ist auch in zentralen wirtschaftlichen Bereichen zu einer massiven Belastung geworden, die zuweilen existenzgefährdende Ausmaße angenommen hat.

Sprechen freilich mag man darüber kaum. Die Schäden gehen längst in die zig Milliarden Euro. Viele Unternehmen mussten sich wieder aus dem kaufkräftigen Russland, in dem so viele Hoffnungen steckten, zurückziehen, weil es für sie dort keine Basis mehr gibt. Mühsam eroberte Märkte sind wieder verloren.

Keinen Wirtschaftszweig hat es so schlimm erwischt wie die Landwirtschaft. Es sind in der Hauptsache die Bauern, auf deren Rücken die EU ihr Mütchen an Putin kühlt und die die Folgen der Sanktionspolitik hauptsächlich tragen müssen. In Produktionssparten wie Fleisch oder Milch und Molkereiprodukte wurde ihnen die wirtschaftliche Basis unter den Füßen weggezogen. Die Märkte implodierten, Bauern und Verarbeiter bleiben auf ihren Produkten sitzen, die Preise stürzten ab auf ein Niveau, das mittlerweile für eine Vielzahl von Betrieben existenzbedrohend geworden ist.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Im Eifer zu helfen, hat man der Ukraine den europäischen Markt geöffnet -und damit die Bauern gleich noch einmal getroffen. Denn, wenn die Ukraine etwas kann, ist es Landwirtschaft. Und wenn sie etwas exportieren kann, sind es landwirtschaftliche Produkte. Getreide, Raps, Mais und Soja, gentechnisch verändert natürlich -alles kein Problem. Trotz der Krise im Land.

Das alles geschah ohne großes Aufsehen und ohne Protest all jener besorgten Bedenkenträger Europas, die nicht müde werden, die TTIP-Verhandlungen Brüssels mit Washington zu geißeln. Dabei ist die Ukraine nicht zehntausend und mehr Kilometer entfernt, sondern gerade einmal 2.000 und in wenigen Stunden erreichbar und das Abkommen mit diesem Staat in seiner Struktur durchaus mit TTIP vergleichbar.

Die Ukrainer dürfen sich glücklich schätzen, die europäischen Bauern hingegen müssen sich vor zusätzlicher Konkurrenz und damit zusätzlichem Preisdruck fürchten und können sich im Unterschied zu TTIP keine Hoffnungen auf neue Märkte machen. Getreide, Milch, Käse, Fleisch und solche Dinge braucht man dort nicht. Dafür kann man selbst liefern. Verkaufen können dort aber nicht nur die europäischen Bauern nichts. Auch für andere Wirtschaftszweige schaut es zappenduster aus. Die Ukraine ist für die Wirtschaft ein schlechter Tausch mit Russland. Ein politisch korrekter vielleicht, aber einer, der in seinen Folgen und Auswirkungen nicht zu vergleichen ist. Aussicht auf Veränderungen gibt es keine.

Die Europäische Union hat sich die nunmehrigen Probleme zum Teil auch selbst eingebrockt. Zu viele Versprechen und Abmachungen aus der Zeit rund um die Ostöffnung und die deutsche Wiedervereinigung hat man gebrochen, die Nato bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt und der Ukraine einen EU-Beitritt in Aussicht gestellt. Bei einem Gegenüber wie Putin sind solche Dinge immer ein großes Risiko,

Wie die EU aus dieser Nummer wieder herauskommt, ist nicht abzusehen. Auch wenn die politischen Forderungen nach einem Einlenken mit Putin drängender werden, sind die Fortschritte im Verständnis der politischen Entscheidungsträger überschaubar. Untragbar ist mittlerweile, wie sehr die betroffenen Wirtschaftzweige und Unternehmungen von der EU mit ihren Problemen alleine gelassen werden. Die Bemühungen, die Schäden, die durch die Sanktionen ausgelöst wurden, einigermaßen einzugrenzen und den Betroffenen zu helfen, sind überschaubar. Genauso wie die Kapazitäten der EU, solche Probleme zu lösen.

Man mag darüber nicht reden. Wie noch vor wenigen Monaten über die Flüchtlingskrise. Die hat inzwischen, man weiß es, das Zeug, die Europäische Union zu sprengen.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 31. März 2016

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