Mittwoch, 4. Mai 2016

Marketing-Gag Landwirtschaft



Wenn Landwirtschaftskammer oder Bauernbund vor ein paar Jahren einen Film mit solchen Bildern gemacht hätten, um für sich zu werben, wären sie der Länge und der Breite nach durch den Kakao gezogen worden. Sie wären ins rechte Eck der Ewiggestrigen gestellt worden. Nachgerade gefährlich hinterwäldlerisch, engstirnig und weltfremd. In diesen Wochen versucht einer aus jener Partei, die sich damals wohl am allermeisten alteriert hätte, just mit solchen Bildern Wählerstimmen für das Bundespräsidentenamt zu fangen. Der Herr Professor Van der Bellen schreitet in einem seiner Promotion-Videos durch Bauernland, ein alter Traktor fährt durchs Bild, Schweine sind zu sehen, und eine lange Szene von einem Gemüsefeld. Wie man sich halt in der Stadt immer noch Landwirtschaft vorstellt. Viel Land und viel Erde. Und viel Heimat. Ausgerechnet der ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen. Da ist nur logisch, dass er, betroffen im Blick, jüngst in der Sonntags-Krone "rasche Hilfe" für die frost-geschädigten Bauern forderte. Da fehlten nur noch die Gummistiefel.

Van der Bellen ist nicht der einzige, der auf solche Bilder setzt. Es ist modern, mit der Landwirtschaft, der Bauernarbeit, der bäuerlichen Welt, Image zu machen. Wenn man zeigen will, dass man ehrlich ist und geerdet, und dass man die Welt versteht und für sie Verständnis hat. Zur Perfektion getrieben haben das die heimischen Handelsketten. Das sprechende Schweinchen ist längst zum Werbe-Hit geworden. Ein Trachtenanzug ist heute, so drängt sich manchmal der Eindruck auf, viele eher in den Vorstandsetagen von Handelskonzernen Dress-Code als in der Raiffeisen-Organisation, über die man sich früher deswegen lustig machte.

Manchen ist freilich selbst das noch zu wenig. Bei den Handelskonzernen hat man keinerlei Hemmungen, die heimischen Bauern und ihre Sorgen in der Werbeschlacht zu benutzen. Denn es riecht sehr streng nach einem Marketing-Gag auf Kosten einer Berufsgruppe, wenn der Chef eines dieser Konzerne wortgewaltig und schlagzeilenträchtig vorrechnet, wie vielen österreichischen Bauern TTIP die Existenz kosten würde.

Zu diesem Abkommen kann man stehen, wie man will, diesen Umgang haben sich die heimischen Bauern aber nicht verdient. Diese Doppelbödigkeit und diese Dreistigkeit.

Da stellt sich ausgerechnet der Chef jenes Konzerns hin und warnt vor einem Bauernsterben, über dessen Verhandlungsmethoden die heimischen Verarbeiter am heftigsten klagen, dessen Preispolitik in den vergangenen Jahren große Teile der heimischen Landwirtschaft in ärgste Bedrängnis brachte und der damit indirekt viele, viele Bauern ins Aus drängte. Mit Billig-Angeboten, mit 50-Prozent-Aktionen, mit Billig-Importen für die eigens aufgebaute Diskontmarke, die den Preisdruck weiter verschärfte und oft nichts denn ein Druckmittel gegenüber heimischen Erzeugern ist. "Wenn die Milchbauern tatsächlich die Produktion zurücknehmen wollen, um die Preise zu erhöhen, werden sie sich anschauen, welche Produkte dann auf einmal bei uns in den Regalen liegen werden", soll er erst kürzlich gedroht haben. Erst am vergangenen Wochenende schaltete sein Unternehmen wieder eine breit angelegte Inseratenkampagne. Titel "Ab sofort: Hunderte Milchprodukte jetzt deutlich preisgesenkt". Selbst wenn man in Rechnung stellt, was der Handel auch für die Landwirtschaft tut und man ihm nicht alles anlastet, was für Preisdruck sorgt, ist die Bilanz insgesamt wohl negativ.

Es ist verstörend, wie die ganze Gesellschaft bei diesen Spielen mitspielt. Bei solchen, wie denen von Van der Bellen oder bei denen des Handels. Da wird nichts hinterfragt. Da sind die einschlägigen Kritiker stumm. Da gibt es kein Aufregen und keine Diskussion. Da werden Themen, die in anderen Konstellationen für hellste Empörung sorgen, mit Gleichmut hingenommen -mit nachgerade unverständlichem Einverständnis. Da lässt man sich alles erzählen und glaubt alles.

In jedem Fall macht es staunen. Zumal sich durch diese Mode, die Landwirtschaft und die Bauernwelt für das Aufpolieren des Images zu nutzen, für die Landwirtschaft nichts verbessert. Im Gegenteil. Es werden falsche, oft längst überholte Bilder fixiert, die für die Landwirtschaft und die Anforderungen, denen sie sich heute gegenübersieht, zumeist oft nichts denn hinderlich sind. Für die Bauern aber, die davon leben müssen, was Stall und Felder hergeben, macht es das nur schwieriger, ihre Bedürfnisse verständlich zu machen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Mai 2016

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