Mittwoch, 17. August 2016

Die Bauern haben in der Krise schlechte Karten



Auf den Höfen gehen Zukunftsängste um. Seit 2011 sanken die Einkommen um ein Drittel. Geld allein reicht nicht aus, um den österreichischen Bauern zu helfen.

Hans Gmeiner

„Weitere 5,86 Millionen Euro der EU für österreichische Bauern“, twitterte Landwirtschaftsminister Rupprechter Mitte Juli stolz vom Agrarministerrat in Brüssel. Das Echo freilich war bescheiden. Die Bauern wissen, dass das allenfalls dem Minister Schlagzeilen bringt, ihnen aber nicht wirklich helfen wird. So wie schon die Sieben-Millionen-Euro-Hilfe, um die im Vorjahr großes Aufheben gemacht wurde, die aber für einen durchschnittlichen Milchbauern nicht mehr als 130 Euro ausmachte. Angesichts der Preiskrise, in der die Milchbauern seit zwei Jahren stecken, ist dieses Geld nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein.

Mit Geld allein ist den Bauern derzeit kaum zu helfen. Auch der geplante und nach wie vor heftig umstrittene 170-Millionen-Euro-Nachlass bei der Sozialversicherung sorgt nicht für Jubelstürme. Denn selbst diese Summe ist, aufgeteilt auf alle rund 140.000 Bauern, angesichts der Probleme, in denen sie in allen Produktionszweigen stecken, nichts als ein mit der Gießkanne verteiltes Almosen.

Da nimmt es nicht wunder, dass die heimischen Agrarpolitiker bei den Bauern derzeit einen schweren Stand haben. Die Stimmung auf den Höfen ist denkbar schlecht. Zukunftsängste gehen um. Die Preise sind nicht nur bei der Milch im Keller. Auch bei Getreide und Fleisch sind sie nach wie vor alles andere als gut. Und mitten in dieser ohnehin angespannten Lage sorgen die neuen Einheitswerte, die ab 2017 gelten und die für viele Bauern oft kräftige Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge und anderer Abgaben bedeuten, für Verunsicherung. Trotz großzügiger Förderangebote wird daher kaum mehr investiert. Die Landtechnikhersteller leiden und auch in der Agrarwirtschaft fühlt man sich mit den Anliegen nicht gehört, geschweige denn unterstützt.

Die Bauern brauchen substanzielle Maßnahmen und Weichenstellungen. Der ökosoziale Weg, der Landschaftserhaltung und Umweltschonung in den Mittelpunkt der heimischen Agrarpolitik stellte, ist nach 30 Jahren ausgelatscht. Das, womit Österreich einst Vorreiter war und den Bauern Luft verschaffte, macht man inzwischen überall. Totgelaufen und ohne Wirkung sind auch die steten Appelle an den Handel, bessere Preise zu zahlen, und bei den Konsumenten den, wie man meint, besonderen Wert heimischer Lebensmittel einzumahnen.Neue Ideen aber sind nirgendwo zu erkennen. Die Magazine der Agrarpolitik sind leer. Gegen die Märkte und ihren Druck ist man machtlos. Dazu kommt, dass Österreich in der ohnehin uneinigen EU, ganz anders als früher, kein Gewicht mehr hat. Und wenn es Ideen gibt, wie die in Diskussion stehenden Prämien für einen Milchlieferverzicht, dauert die Umsetzung viel zu lang, als dass sie eine wirkliche Hilfe für die Bauern wäre.

Längst ist da nichts mehr von den Ankündigungen und Prognosen, dass angesichts der wachsenden Weltbevölkerung die Landwirtschaft ein einträgliches Geschäft mit sicherer Zukunft ist. Für die meisten österreichischen Bauern stellt sich das anders dar. Vor allem für die, die sich darauf verlassen haben. Viele haben sich von der Hochpreisphase zwischen 2008 und 2011 blenden lassen, setzten auf Größe und investierten kräftig. Dass man sich damit auf ein Spiel eingelassen hat, in dem man angesichts der internationalen Konkurrenz schlechte Karten hat, zeigt sich jetzt drastisch. Im fünften Jahr hintereinander gehen die bäuerlichen Einkommen zurück. Im Vorjahr gab es gegenüber 2014 ein Minus von 17 Prozent. Im Vergleich zu 2011 beträgt der Einkommensrückgang laut Grünem Bericht mehr als ein Drittel. Heuer kommen aller Voraussicht nach noch einige Prozent dazu.

Für die Bauern ist es schwierig, einen Ausweg zu finden. Die Möglichkeiten sind begrenzt. Das gilt auch für Bio und Heumilch und alle anderen Initiativen, die gut laufen. Diese Nahrungsmittel sind aber deutlich teurer. Es geht nicht nur um Produktionsnischen, sondern auch um günstige Versorgung mit Lebensmitteln und um Fragen wie Ernährungssouveränität. Das sichern mehr als 80 Prozent der Bauern, die als konventionelle Erzeuger oft scheel angeschaut werden.

Einfache Lösungen, Patentrezepte gar, gibt es für die Landwirtschaft nicht. Es gibt viele Sorgen, aber auch viele Chancen. „Der Schwiegervater beklagt immer den drohenden Untergang der Landwirtschaft und ich weiß nicht, wo ich die Produkte herbekommen soll“, sagt ein junger Landwirt, dessen Hofladen in Oberösterreich Woche für Woche von Kunden gestürmt wird. Genau das ist das Spannungsfeld, in dem die Agrarpolitik gefordert ist. Sie muss für beide eine Perspektive schaffen.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 17. August 2016

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