Donnerstag, 19. Januar 2017

Die Sache mit den dümmsten Kälbern



Am kommenden Freitag beginnt mit der Angelobung von Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten wohl eine neue Zeitrechnung. Und das nicht alleine, weil da offenbar einer per 140 Twitter-Zeichen die Welt regieren will. Erst zu Beginn dieser Woche sorgte der Milliardär mit dem ersten großen Interview für eine deutsche Zeitung für Kopfschütteln. Die Nato sei "obsolet" ließ er wissen, den deutschen Autobauern stellte er Strafzölle in Aussicht und zum Brexit meinte er, dass der sich "letztendlich als großartige Sache" herausstellen werde. Dass er die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Merkel als katastrophalen Fehler bezeichnete, war da noch die einzige Aussage, die noch am ehesten ins gewohnte Politsprech-Spektrum passte

Seit Wochen erschreckt der künftige Präsident mit solchen und ähnlichen Äußerungen die Welt. Und das nicht nur die Welt der Politik. Auch in der Wirtschaft haben längst viele Fracksausen und in der Kultur. Ungeniert und scheinbar ohne alle Rücksichten trägt er seine Einschätzungen zur Schau, kanzelt Politiker, Wirtschaftskapitäne, Journalisten und Schauspieler ab und installiert ein Kabinett von milliardenschweren Günstlingen, inklusive seinem Schwiegersohn als Chefberater.

Unglaubliches geschieht vor den Augen der Welt - und alle müssen hilflos und staunend zuschauen, wie sich da ein Mann einen ganzen Staat unter den Nagel und möglicherweise die ganze Nachkriegsordnung in den Abgrund reißt. Dabei Trump ist auf demokratischem Weg ins Amt gekommen, ohne Staatsstreich, ohne Gesetze zu brechen, auf dem Weg, wie die Verfassung der USA das vorsieht. Da kann man ihm nichts vorwerfen.

Genau darüber freilich sollte man dringend reden. Denn bei all den Diskussionen und in all den Erklärungen ist eine der Ursachen dafür, dass jemand wie Trump ans Ruder einer Weltmacht kommt, unterbelichtet. Warum kann eine Verfassung, wie jene der Vereinigten Staaten, warum kann das Wahlsystem, das dort angewendet wird, nicht davor schützen? Sind es zu nachlässige und zu blauäugige Vorschriften, die selbst Leuten mit kruden Weltbild  und ohne jede Qualifikation den Zugang zu einem der verantwortungsvollsten Ämter der Welt ermöglichen? Die das System im Nu auf den Kopf stellen und die Weltordnung gefährden können, ohne auch nur irgendein Gesetz gebrochen zu haben? Darf eine Demokratie so leichtsinnig konstruiert sein?

Und weil in diesen Tagen hierzulande so viel über eine Reform des Wahlrechts geredet wird - auch das Wahlrecht in den USA trug ganz wesentlich dazu bei, dass Donald Trump und nicht Hillary Clinton ins Amt kommt. Denn ein Mehrheitswahlsystem war es, das Trump den Sieg verschaffte, obwohl Clinton mehr Stimmen auf sich vereinigen konnte.

Und es sei daran erinnert, dass das, was jetzt an der von Trump in Anspruch genommenen Machtfülle so irritiert, auch in Österreich im Kampf um das Bundespräsidentenamt für Bauchweh sorgte. "Sie werden noch staunen, was alles möglich ist", sagte der FP-Kandidat Norbert Hofer und legte die Schwächen der österreichischen Verfassung bloß. Staunend musste man erkennen, was selbst einem österreichischen Bundespräsidenten alles möglich ist in diesem Land, wenn er sich zwar an den Buchstaben des Gesetzes hält, nicht aber an die Konventionen und Gepflogenheiten, die mit diesem Amt verbunden sind.

Nach Trump ist eine Diskussion darüber fällig und über die Qualität der Demokratie und darüber, ob sie nicht allzu großzügig angelegt ist und sich damit leichtfertig selbst gefährdet. Das ist fraglos ein heikles und gefährliches Terrain. Aber es ist an der Zeit, darüber zu reden.

Nur die dümmsten Kälber suchen sich ihre Schlächter selber, heißt ein Sprichwort. Es drängt sich bei den Vorgängen in den USA und anderswo unwillkürlich auf. Man sollte darüber zumindest nachdenken. Und man sollte auch nachjustieren. Ehe noch mehr passiert.

Derzeit kann man nur hoffen, dass die Demokratie stark genug ist, auch mit einem wie Trump fertig zu werden.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Jänner 2017

1 Kommentar:

  1. Ich halte den Kommentar für sachlich richtig. Auch der Hinweis bezüglich der dummen Kälber ist berechtigt. Gilt auch für unser Land!

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