Freitag, 20. Januar 2017

Red Bull verleiht der Agrarbilanz Flügel



Jahr für Jahr feiert die Landwirtschaft Exportrekorde. So richtig Flügel verleihen der Agrarhandelsbilanz freilich Limonaden und Energydrinks wie Red Bull. Denn sie, und nicht etwa Milch und Fleisch, sind die wichtigsten Agrarexportprodukte.

Hans Gmeiner

Berlin. Es hat bereits Tradition. Jahr für Jahr lädt die AMA-Marketing einen Tag vor Beginn der „Grünen Woche“, der weltgrößten Agrarmesse, in ein Berliner Hotel, um einen neuen Exportrekord der heimischen Landwirtschaft zu verkünden. Gestern, Donnerstag, war es nicht anders. Laut aktuellen Schätzungen erhöhten sich die Exporte von heimischen Lebensmitteln und Getränken im Vorjahr gegenüber 2015 um 3,2 Prozent auf 10,383 Mrd. Euro, so viel wie nie zuvor. „Mit Stolz können wir sagen, dass die Exporte nunmehr stabil jenseits der Zehn-Milliarden-Euro-Marke liegen“, freute sich Österreichs oberster Agrarvermarkter Michael Blass, der Chef der AMA-Marketing. In den vergangenen mehr als 20 Jahren seit dem EU-Beitritt Österreichs hätten sich die Exporte der heimischen Landwirtschaft mehr als versechsfacht, ihr Anteil an den österreichischen Gesamtexporten sei von sechs auf acht Prozent gestiegen und die Exportquote der Landwirtschaft habe sich von 16 auf 60 Prozent erhöht, betonte Blass. Das zeige, dass die Landwirtschaft in den vergangenen Jahren zur Gesamtwirtschaft aufgeschlossen habe und die Agrarexporte eine wichtige Stütze der heimischen Exportwirtschaft geworden seien.

Heuer hat man sogar noch besonderen Grund zur Freude. Nach langer Zeit gelang es, den Wertschöpfungsgrad der heimischen Exportprodukte wieder zu erhöhen. Im Schnitt wurden für ein Kilogramm, das im Ausland verkauft wurde, 1,14 Euro erlöst, weil der Anteil von verarbeiteten Produkten kontinuierlich wächst, für sie erzielt man bessere Preise. Im Vorjahr waren es noch 1,08 Euro, in den Jahren davor erreichte man kaum je die Ein-Euro-Marke.

Mit Abstand wichtigstes Abnehmerland war auch im Vorjahr wieder Deutschland, dorthin gingen im Vorjahr fast 35 Prozent der Agrarexporte. Dahinter folgt mit einem Anteil von 11,7 Prozent (1,21 Mrd. Euro) Italien, wo man allerdings zu spüren bekam, dass die Konsumenten in der Krise sparen.

Der neuerliche Exportrekord ermöglichte es auch, das Agrarhandelsdefizit etwas zu verringern. Weil die Einfuhren mit plus 2,4 Prozent auf 11,387 Mrd. Euro deutlich geringer wuchsen als die Ausfuhren, verkleinerte sich das Defizit auf rund eine Milliarde Euro.

So beeindruckend die Ergebnisse der Entwicklung der Agrarhandelsstatistik sind: Dass der Bilanz erst Limonaden und Energydrinks wie Red Bull so richtig Flügel verleihen, geht in der Statistik zumeist unter. Auf Energydrinks – die wegen ihres hohen Zuckeranteils zur Agrarbilanz zählen – entfällt ein Großteil der dem Zollkapitel 22.02 zugeordneten Position „Alkoholfreie Getränke“. Das bestätigte sich auch in der Bilanz 2016. Vom Gesamtexportzuwachs von 323 Mill. Euro ist rund ein Drittel auf den 23-prozentigen Zuwachs der Agrarexporte in die USA zurückzuführen. Und der ist, weiß man in der Branche, praktisch ausschließlich Red Bull zuzurechnen. Mittlerweile entfallen auf den Energydrink fast neunzig Prozent der gesamten Agrarexporte Österreichs in die USA.

An den Agrarexporten insgesamt beträgt der Anteil von Red Bull, aber auch anderen Energydrinks wie Power Horse des oberösterreichischen Herstellers Spitz rund 17 Prozent. Tendenz steigend. Zum Vergleich: Der Anteil von Käse beträgt fünf Prozent, jener von Schweinefleisch 3,4 Prozent und der von Wein 1,4 Prozent. Im Klartext: Ohne die Energydrinks und Limonaden betrüge das Defizit in der Agrarhandelsbilanz nicht eine Milliarde, sondern rund 2,5 Milliarden Euro.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 20. Jänner 2017

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