Donnerstag, 8. Juni 2017

Politik für Insider



Kommt jetzt die Schulreform noch, oder doch nicht? Behindern die Schwarzen das Arbeitsplatzprogramm der Roten, oder ist es umgekehrt? Kann das mit wechselnden Mehrheiten gehen oder ist der Plan von Kanzler Kern ein Fehler gewesen? Hätte Kurz den Vizekanzler machen müssen, oder passt nicht doch auch Brandstetter? Ist Kurz wirklich so gut, wie sie in der Volkspartei meinen, oder haben die anderen recht, die ihm vorhalten, kein Programm zu haben. Und ist im Kern-Lager wirklich Sand im Getriebe, wie das in den vergangenen Tagen kolportiert wurde? Wegen seiner Idee mit wechselnden Mehrheiten regieren zu wollen, wegen seines Beharrens auf Kurz als Vizekanzler und dem kurz darauf folgenden Einknicken in dieser Frage und wegen der Uneinigkeit im Umgang mit der FPÖ? Fragen über Fragen, Finten über Finten, Täuschungsmanöver da und Täuschungsmanöver dort. Die Damen und Herren Politiker im Land ziehen in diesen Wochen alles, was sie für ein Register in ihrem Geschäft halten und blühen in dem, was sie als Politik verstehen, nachgerade auf.

Man kann das alles ja sehr spannend finden, was da getan und nicht getan wird und was gesagt und nicht gesagt wird und noch mehr das Warum, das dahinter zu vermuten ist. Man kann sich freilich aber auch mit Schaudern abwenden, angewidert von den Winkelzügen und den Gerüchten, die gestreut werden, von den Seitenhieben und den Haxelbeißereien. So wichtig die kommenden Wahlen für unser Land sein mögen, sehr schnell hat die Politik in den vergangenen Wochen wieder über die Stränge geschlagen mit ihren Ränkespielen. Politik ist, bei allem Interesse, das ihr gerade rund um die Aufkündigung der Koalition und um die Kür von Kurz zum neuen starken Mann in der Volkspartei entgegengebracht wurde, wieder zu einem Insiderschmäh geworden.

Vieles von dem, was da in den Parteisekretariaten und anderswo an Finessen ausgedacht und in der Öffentlichkeit gestreut wurde, unterhält allenfalls noch  kleine Klüngel in den politischen Parteien selbst und in den Medien. Beim breiten Publikum aber verfehlt all das zusehends seine Wirkung. Dort ist man zunehmend angewidert von den kaum nachvollziehbaren Winkelzügen, Finessen und Volten und von der mitunter schon jetzt penetranten Selbstdarstellung mancher Hauptdarsteller in der heimischen Politik. Der Überblick ist da schnell verloren und das Interesse auch.

Sehr schnell hat sich die Politik in den vergangenen Wochen selbst demontiert. Wieder einmal und wie schon so oft zuvor. Man lebt wieder im eigenen Echoraum und in der Blase, oder wie immer man das neudeutsch nennen mag, und nimmt die Außenwelt kaum mehr wahr. Die wichtigen Fragen spielen kaum mehr eine Rolle und nicht, was die Leute wirklich erwarten und wollen. Alles wird nur mehr unter dem Blickwinkel der im Oktober anstehenden Nationalratswahlen gesehen.

Das alles mag normal sein in Vorwahlzeiten wie diesen und in der Art nicht neu, gut zu heißen ist es freilich dennoch nicht. Viel zu groß ist die Gefahr, dass die wirkliche Arbeit liegen bleibt und große Entwicklungen versäumt werden. Während sich etwa Europa angesichts von Trump hinter Merkel und Macron neu aufstellt und um ein neues Selbstbewusstsein ringt, verbrauchen sich die hiesigen politischen Kräfte nach wie vor vorzugweise darin, wie sie Flüchtlingen das Leben richtig schwer machen könnten. Und das, obwohl kaum mehr welche kommen. Und dass sich der politische Alltag in diesem Land wieder einmal um einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss dreht, der einen neuerlichen Anlauf nimmt um jahrzehntealte Unregelmäßigkeiten aufzudecken, ist bezeichnend für die Haltung, die in diesem Land vorherrscht und wie Politik verstanden wird. Schließlich bietet so ein Spektakel wenn schon sonst nicht vieles und Richtungsweisendes, so doch zumindest reichlich Möglichkeit sich in den Medien zu produzieren.

So, wie man es in den vergangenen Wochen in den Parteisekretariaten anlegte, tut man der Sache nichts Gutes. Statt die Aufmerksamkeit der Menschen zu einem Interesse auszubauen, ist man dabei, wieder in den alten Trott zu verfallen, der von den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land seit Jahren Neugier und Interesse an der Politik vergällt, die Arbeit der Politikerinnen und Politiker in Misskredit brachte und Populisten von rechts und von links Spielraum gab.

Schade um die Chance.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. Juni 2017

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