Donnerstag, 19. Oktober 2017

Die Leiden von Verlierern



Christian Kern, als smarter ÖBB-Chef einer der bestverdienenden Manager des Landes mit einem Jahreseinkommen weit jenseits jener 500.000 Euro-Grenze, die er zuletzt in den öffentlichen Betrieben einführen wollte, redete sich in seiner Not in den vergangenen Wochen in einen klassenkämpferischen Furor hinein. Selbst nach der Wahl am Sonntag postete er noch auf Facebook, die SPÖ lasse sich "nicht von Konzernen, Superreichen und ihren Medienfreunden in die Knie zwingen".

Verlieren will gelernt sein. Viele tun sich schwer damit, das Wahlergebnis zu akzeptieren und damit umzugehen. Nicht nur der abgewählte Kanzler. Da werden schnell Bilder gezeichnet, die wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Da wird gnadenlos überzogen und da werden Ängste geschürt, die nichts mit der Realität zu tun haben. Schon ist man sogar dabei, Demos zu organisieren und die Stimmung aufzuheizen. Pikanterweise freilich nur für den Fall, dass die schwarz-türkisen mit Strache eine Koalition eingehen sollten. Wohl nicht aber, wenn Kerns SP das täte, die seit Tagen dabei ist, sich die FPÖ schönzureden, um vielleicht doch nicht von der Macht lassen zu müssen.

Man tut sich schwer damit, zu akzeptieren, dass es für politische Fragen auch andere Ziele und Lösungsansätze gibt, die von den Wählern für sinnvoller erachtet werden und dass es auch eine andere Sicht von Gerechtigkeit gibt.

Natürlich ergeht man sich jetzt in und rund um die SPÖ darin, einen Rechtsruck zu beklagen und ihn zu einer Gefahr zu stilisieren. Ganz so, als ob Österreich je ein linkes Land gewesen wäre. Das war es nie. Auch ist die SPÖ längst keine linke Partei mehr, sondern viel eher -und dort sollte sie die Fehler suchen -zu einer Verteilungsund Selbstbedienungsmaschine geworden, freilich längst oft weitab von dem, was die Leute wollen und brauchen. Sie hat es selbst vermasselt, und nicht nur wegen Silberstein. Aber davon will man nichts wissen.

Diesmal ist es die SPÖ, die die Fehler macht, die man bisher vor allem von der ÖVP kannte, wenn für sie Wahlen schiefgingen. Man hält sich für moralisch überlegen und die Wählerinnen und Wähler für zu blöd, das zu erkennen -frei nach dem Motto "Der Irrtum geht vom Volk aus".

Es ist nur zu wünschen, dass die Vernunft Oberhand behält und man möglichst rasch lernt, das Wahlergebnis zu akzeptieren und damit umzugehen. Auch wenn es noch so schwer fällt. Runter vom Gas kann man nur verlangen. Es waren Wahlen und es hat das Volk entschieden. Herzstück einer Demokratie ist doch, dass die Menschen die Möglichkeit haben, auf dem Weg von regelmäßigen Wahlen in die politische Führung ihres Landes einzugreifen. Jeder und jede Einzelne.

Daher ist es ein ganz normaler demokratischer Vorgang, dass Wahlen nicht die Bestätigung herrschender Verhältnisse sind, sondern vor allem auch Veränderung ermöglichen, weil man mit der Regierung unzufrieden ist. Nichts anders ist am vergangenen Sonntag geschehen. Da war nichts getürkt, da wurde nicht geputscht, da hat niemand die Macht mit unlauteren Mitteln an sich gerissen. Die Sehnsucht nach Veränderung war stärker als alles andere. Das war es. Und das hat zu neuen Machtverhältnissen geführt.

Jetzt gibt es aller Voraussicht nach eine andere Regierungskonstellation. Was denn sonst, ist zu fragen. Neue Koalitionen müssen möglich sein. Die beiden Parteien, die das Land in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten regiert haben, haben gezeigt, dass sie nicht mehr miteinander können und wollen. Also ist die Veränderung nur zu logisch. Damit muss man leben lernen.

Verlieren ist schwer, aber das Land stürzt, wie man im Umfeld der Sozialdemokraten glaubt, in keine Katastrophe. Im Gegenteil -es ist die Chance, all den Ballast endlich abzuwerfen, der sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten angesammelt hat und neu zu beginnen. Übertriebene Erwartungen sind freilich nicht angebracht. Die ÖVP ist auch im türkisen Kleid die ÖVP, und die Freiheitlichen sind, auch wenn sie sich in den vergangenen Monaten ausschließlich von Kreide ernährt zu haben scheinen, die Freiheitlichen.

Das ist vor allem für Sebastian Kurz die große Herausforderung. Die Erwartungen, die er geweckt hat, sind hoch, die Gefahr zu scheitern auch. Er trägt jetzt die Verantwortung nicht nur dafür, dass wirklich das kommt, was er angekündigt hat, er trägt auch die Verantwortung dafür, dass das nicht kommt, was die Wahlverlierer in ihrer Verzweiflung an Gefahren an die Wände malen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Oktober 2017

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