Donnerstag, 21. Dezember 2017

Was für ein Jahr!



Zu Beginn dieses Jahres glaubte der damals amtierende Kanzler mit seinem sogenannten Plan A neue Maßstäbe zu setzen und seine Macht auszubauen, während sich der Koalitionspartner in einer tiefen Krise wand und vor dem Abrutschen in der Wählergunst auf weniger als 20 Prozent der Stimmen zitterte.

Zum Ende dieses Jahres schritt just ein Proponent dieser damaligen Oppositionspartei über den roten Teppich in der Hofburg zur Angelobung als Bundeskanzler. Seinem Vorgänger hingegen blieb nichts mehr anderes, als zu sagen, dass er es gut fände, "wenn diese Regierung auch Erfolg hat". Jetzt ist es seine Partei, die sich in Krisen windet und gegen die 20 Prozent-Grenze ankämpft.

Ist damit das Jahr 2017 das Jahr der Wende in Österreich? Ist das die Abkehr von der Politik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte? Das Verlassen der bekannten, mitunter ausgelatschten Wege? Ein Aufbruch in eine neue Richtung? Der Schnitt, auf den so viele in diesem Land warteten, und vor dem sich so viele in diesem Land fürchteten? Die kommenden Jahre werden es zeigen. Zumindest die Stammtische dürften fürs Erste befriedigt sein.

Jedenfalls war 2017 das Jahr, in dem sich die heimische Innenpolitik gehäutet hat. In dem vieles aufbrach und nach dem nur mehr wenig so ist wie vor einem Jahr. Gewichte haben sich verschoben, vieles wurde aufgegeben, woran man oft viel zu lange festhielt. Plötzlich scheint möglich, was vor gar nicht langer Zeit undenkbar war.

Das wird greifbar alleine daran, dass ein ehemaliger Proponent der Grünen als Bundespräsident einen christdemokratischen, gerade einmal 31 Jahre alten, unverheirateten Bundeskanzler, der mit seiner Freundin an der Hand zur Angelobung kommt, zum Regierungschef ernennt. Undenkbar noch vor kurzem, zumal in konservativen Kreisen. Und auch, dass es der neue Kanzler wagt, diese Aufgabe mit einem Kabinett anzugehen, in dem bis auf ihn selbst kein einziges Mitglied über Regierungserfahrung verfügt, in dem fünf davon sogar echte Quereinsteiger sind ohne jede politische Erfahrung. Das hat es in Österreich noch nicht gegeben.

Möglich machte das wohl auch der Generationenwechsel vor allem in der ÖVP. Landesfürsten wie Erwin Pröll und Josef Pühringer sind in diesem Jahr zurückgetreten, Christoph Leitl gibt seine Ämter in Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer ab, Bauernbundpräsident Jakob Auer zog sich zurück und auch Arbeiterkammer-Chef Rudolf Kaske hat seinen Abgang bereits angekündigt. Damit kam und kommt auch ein anderer politischer Stil. Damit wurden neue Wege frei. Mit einem Mal scheint möglich, was lange unmöglich schien.

Abgesehen davon hat sich auch die Parteienlandschaft tiefgreifend verändert. Das Team Stronach ist endgültig Geschichte. Die Grünen kannibalisierten sich und flogen aus dem Nationalrat. Schaffen sie den Weg zurück? Wird es ihnen gelingen, sich wieder zu konsolidieren? Was wird mit den Pilz-Leuten?

Spannend wird, wie es mit der ÖVP, die sich derzeit im Sieg suhlt, wirklich weitergeht. Böse Stimmen reden ja sogar davon, dass es die Bundes-ÖVP gar nicht mehr gibt. "Die ÖVP ist aus der Regierung geflogen", ätzt man und "Sebastian Kurz hat bei der Regierungsbildung einmal mehr auf die Partei gepfiffen". Nur mit Mühe unterdrückten manche VP-Granden in den Ländern in den vergangenen Tagen ihre Verärgerung.

Spannend wird auch, wie die FPÖ als klassische Oppositionspartei mit ihrer neuen Rolle fertig wird. Immerhin dreimal schon hat es die Partei dabei zerrissen, wenn sie in der Regierung war.

Und spannend wird auch, wie sich die SPÖ in ihrer neuen Rolle findet. Mit einem Mal werden überall die Baustellen sichtbar. Von Wien über Oberösterreich bis nach Salzburg und darüber hinaus. Und, was können die Neos aus ihrer neuen Position machen? Mehr als bitzeln? Oder schaffen sie es, doch zu einem ernst zu nehmenden Partner zu werden. Ansätze dazu gibt es. Immerhin.

In einem Jahr wird man mehr wissen. Dem Land und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern, "allen, die in Österreich leben", wie Bundespräsident Van der Bellen bei der Angelobung der neuen Regierung am Montag dieser Woche extra betonte, ist jedenfalls vor diesem Hintergrund ein gutes neues Jahr zu wünschen.

Klar ist, es braucht Veränderung. Das freilich nicht nur in der Politik, sondern auch in den Köpfen und Herzen der Menschen. Denn das ist die allererste Voraussetzung dafür.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Dezember 2017

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Gelassenheit ist angebracht



Die Aufregung war eine große. Wieder einmal. Von "Lohnraub" war die Rede, von "moderner Sklaverei" und von vielem anderen mehr. Durch die sozialen Medien im Land fegte ein Shitstorm der Empörung. Man wollte und will kein gutes Haar lassen am Plan der nächsten Regierung, eine Ausweitung der Tagesarbeitszeit auf 12 Stunden zu ermöglichen und an vielem anderen auch.

Wie aufgeregt darf man sein, wenn die Politik, zumal wenn Parteien, die die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hinter sich haben, etwas verändern wollen? Wenn sie nichts anderes tun, als deren Erwartungen gerecht zu werden und deren Wünsche umzusetzen versuchen? Rechtfertigt das in den untersten Schubladen herumzukramen und sich so im Ton zu vergreifen? Darf man die Augen so verschließen und darf man ausschließlich die eigenen Interessen verfolgen ohne jede Rücksichtnahme?

In Österreich ist gerade in den vergangenen Jahren in Sachen politischer Diskussionskultur viel aus dem Lot geraten. Selten nur wurde miteinander geredet und wurden Standpunkte aus getauscht und versucht daraus das Beste zu machen. Um die Lösung, die eine Sache weiterbringen könnte, ging es immer seltener. Es gab immer öfter nur schwarz-weiß. Immer nur gut oder böse. Kaum je aber etwas dazwischen. Und wenn, dann war es verächtliche Bosheit. Der Kompromiss, jahrzehntelang der Dämmstoff allen gesellschaftlichen Zusammenlebens, geriet in Verruf und auch der Respekt voreinander.

Der Kampf am Boulevard hat diese Entwicklung dramatisch befeuert, die sozialen Medien auch und auch die personelle Besetzung der politischen Schaltstellen. In Österreich hat man den politischen Diskurs verlernt. Und darüber ist viel aus den Fugen geraten. So viel, dass der Handlungsbedarf jetzt enorm groß geworden ist, dass viele Menschen genug haben davon, wie es läuft, dass sie sich immer öfter gegängelt fühlen, benutzt und auf der falschen Seite. Und dass sie einen immer dringenderen Handlungsbedarf sahen.

Es hat Jahre gedauert, bis dieser Ärger, diese Ängste und diese Sorgen mehrheitsfähig waren. Nun sind sie es geworden bei den letzten Wahlen. Das zu akzeptieren fällt freilich denen schwer, die selbst jahrzehntelang an den Schalthebeln der Macht in diesem Land waren. Sie haben es in der Hand gehabt, genau das zu verhindern, was ihnen jetzt solchen Schmerz bereitet, schafften es aber nicht und wurden wohl deswegen abgewählt. Ihre Verärgerung und ihr Schmerz sind verständlich, nicht verständlich aber ist, dass sie dabei jedes Augenmaß verlieren. Denn die Reaktionen heißen auch, dass sie keinen Respekt vor den Menschen haben, für die es in diesem Land aus den oben genannten Gründen unerträglich geworden ist.

Dabei ist das, was wir bei den Wahlen erlebten und was wir seither erleben, nur Demokratie und nichts anderes. So ist Demokratie und sie ist eben zuweilen schwierig, wenn man nicht auf der Seite der Mehrheit steht. Freilich steht jedem frei, die Politiker unsympathisch und unfähig zu finden, die sich nun anschicken, eine neue Regierung zu bilden und möglicherweise unangenehme Maßnahmen zu setzen. Die Mehrheit hält das jetzt für gut, was geplant wird. Ob es auch wirklich gut ist, steht auf einem anderen Blatt. Freilich, man kann und muss man sich auch kritisch mit dem auseinandersetzen, was jetzt gemacht und geplant wird. Aber es sind dennoch in jedem Fall Sachlichkeit einzumahnen und Respekt. Und auch Gelassenheit. Aber jetzt ist es einmal so wie es ist.

Schlimmer als all die Veränderungen, die jetzt so heftig diskutiert und kritisiert werden, wäre es, wenn es keine Veränderungen gäbe. Dass man das nun versucht, ist zu akzeptieren, auch wenn es weh tut und wenn man es für falsch und für rückschrittlich hält. Keine neuen Vorschläge und keinen neue Wege, die man zu gehen versucht. Von denen, die sich nun ans Regieren machen, ist allenfalls einzufordern, dass sie auf die Rücksicht nehmen, die sie nicht wählten.

Es kommen wohl auch wieder andere Zeiten. Das Pendel wird auch wieder in die andere Richtung ausschlagen. Auch die kommende Regierung, die nun so vielen Hoffnung macht und auch Angst, wird Fehler machen. Es wird Probleme geben und Abnützungserscheinungen. Und es wird eine neue Chance geben für all die, die jetzt meinen, die Welt gehe unter.

So wie es diese Chance für die gegeben hat, die jetzt am Ruder sind -und die bisher geglaubt haben, die Welt gehe unter.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Dezember 2017

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Agrarreform wird Bauern fordern



Die EU will Verantwortung abgeben. Die Länder geraten stärker in die Pflicht.

Hans Gmeiner

Salzburg. Soeben haben die Bauern mit der letzten EU-Agrarreform, die vor drei Jahren in Kraft getreten ist, umzugehen gelernt, da wirft schon die nächste ihre Schatten voraus. Kürzlich stellte EU-Agrarkommissar Phil Hogan die Eckpunkte der EU-Agrarpolitik nach 2020 vor. Er will den Mitgliedsstaaten mehr Spielraum und damit auch mehr Verantwortung bei der Gestaltung der Agrarpolitik geben. Nach dem Vorliegen des EU-Finanzplans für die nächste Budgetperiode will der Kommissar noch vor dem Sommer 2018 konkrete Gesetzesvorschläge präsentieren. Doch bei den heimischen Agrariern herrscht bereits jetzt Hochspannung.

Für die österreichischen Landwirte geht es nicht nur um die Vorgaben für ihre Arbeit, sondern vor allem auch ums Geld. Der Brexit liegt schon jetzt wie ein Schatten über allen Plänen. Man befürchtet, dass für die Gemeinsame Agrarpolitik weniger Geld zur Verfügung stehen wird, und macht sich Sorgen, weil dem gemeinsamen Markt Millionen an Kunden verloren gehen.

Im Kern geht es EU-Kommissar Hogan darum, dass die Agrarpolitik besser auf die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Bauern und der Umwelt zwischen Lappland und Sizilien abgestimmt werden kann. In Bereichen wie Klima und Umwelt soll demnach die Kommission in Zukunft nur mehr die Ziele und Prioritäten vorgeben. Erreicht werden sollen sie auf Basis von Strategieplänen, die von Mitgliedsstaaten selbst erarbeitet werden. Kontrolliert werden soll nicht mehr die Einhaltung der Maßnahmen, sondern die Erreichung der Ziele. Das sogenannte Greening, mit dem die Landwirtschaft bisher Umweltzielen folgte, ist damit Geschichte. „Es war zu kompliziert und hat nicht funktioniert“, sagt Hogan.

Grundsätzlich beibehalten wird der Zwei-Säulen-Aufbau mit Direktzahlungen an die Bauern, die aus der ersten Säule kommen, und mit Abgeltungen für Maßnahmen im Bereich der Ländlichen Entwicklung aus der zweiten Säule. Sie sollen auch weiterhin von den Mitgliedsstaaten kofinanziert werden können. Dazu gehören Umwelt-und Bioprogramme, die Bergbauernförderung, aber auch die Unterstützung für die Jungbauern und die Investitionsförderung. Möglich werden sollen in Zukunft bei den Förderungen eine degressive Staffelung nach Betriebsgrößen und das Einziehen einer Obergrenze.

Mehr Bedeutung will die EU in Zukunft dem Einsatz neuer Technologien, der Stärkung der Zusammenarbeit mit Landwirten entlang der Lebensmittelkette vom Feld bis auf den Küchentisch und dem Schutz der Bauern vor Preisschwankungen, Marktkrisen und Wetterextremen geben.

Für Diskussionen sorgt insbesondere die Verlagerung der Verantwortung auf die Mitgliedsstaaten. Sie könnte zu einer Renationalisierung der EU-Agrarpolitik führen, wird befürchtet. Thema ist auch die Angleichung der Hektarprämien. Und umstritten ist die Obergrenze für die Förderungen. Während Länder wie Deutschland diese am liebsten verhindern würden, können sich österreichische Agrarier, wie der oberösterreichische Landwirtschaftskammerpräsident Franz Reisecker, eine Obergrenze von 100.000 Euro je Betrieb und eine Degression der Förderungen ab 50 Hektar Fläche vorstellen. Reisecker ist als Vizechef des europäischen Bauernverbandes Copa ranghöchster Bauernvertreter Österreichs in Brüssel.

Auch wenn Details noch offen sind, zeigt man sich in der Landwirtschaft insgesamt zufrieden. „Das ist keine Revolution, sondern eine Evolution mit guten Ansätzen“, sagen Reisecker und der oberösterreichische Agrarlandesrat Max Hiegelsberger. Auch Franz Sinabell, Agrarexperte im Wirtschaftsforschungsinstitut, sieht den Vorschlag positiv. „Wesentliche Punkte wie das Verteilungsproblem, der Umweltbereich oder die Themen Innovation und Volatilität wurden direkt angesprochen.“ Skeptisch ist er freilich, dass sich die Bauern in Zukunft mit weniger Bürokratie herumschlagen müssen. „Das wird wohl eher noch komplizierter.“ Und auch wirtschaftlich werde es für die Bauern nicht einfacher. „Die Anforderungen werden nicht geringer, es wird zunehmend enger.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 13. Dezember 2017

Donnerstag, 7. Dezember 2017

Problemfall Erfolg



Seit Monaten kommen aus der Wirtschaft Meldungen wie aus dem Bilderbuch. Die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute, die Nationalbank und internationale Einrichtungen wie die OECD haben die Wirtschaftsprognosen für Österreich Schritt für Schritt angehoben. Auch für die Eurozone wird das stärkste Wirtschaftswachstum sein 2007 erwartet und die Weltwirtschaft wächst so schnell wie zuletzt vor acht Jahren. Die Konsumlaune hierzulande sei gar so gut, wie seit 15 Jahren nicht mehr, heißt es, der Fremdverkehr meldete eine Rekord-Sommersaison und der Chef des Arbeitsmarktservices befand jüngst sogar die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gegenüber dem Vorjahr als "wolkenlos". Viele Branchen können den Erfolg gar nicht mehr bedienen. Es wird von fehlenden Kapazitäten bei den Frächtern berichtet und von den Schwierigkeiten, im Fremdenverkehr genügend Arbeitskräfte aufzutreiben.

So viele Indikatoren wie selten zuvor stehen auf Rekord. Es läuft so gut wie schon lange nicht mehr. Freilich heißt das nicht, dass es nirgendwo Handlungsbedarf gibt, aber besser wird es wohl nicht mehr werden -und darum sollte man alles daran setzen, die Gunst der Situation zu nutzen, Versäumtes nachzuholen, die Stellschrauben nachzujustieren und die Weichen für die Zukunft zu stellen.

In der öffentlichen Meinung freilich dominieren dennoch immer noch die ewig negativen Schlagzeilen, der klagende und anklagende Ton, und die Nörgelei und Jammerei. Daran will sich in diesem Land offenbar nichts und unter keinen Umständen etwas ändern. Schon gar nicht mag man zugeben und zur Kenntnis nehmen, dass sich etwas verbessert hat oder gar gut läuft.

In Österreich, scheint es, kann man mit Erfolg nicht umgehen. Da macht man lieber schlecht, was man nur schlecht machen kann und suhlt sich in Problemen, anstatt sie anzugreifen und zu lösen. Nur in ganz wenigen Momenten ist davon zu hören, dass zu keiner Zeit in der Geschichte eine so große Anzahl von Bürgern auf einem derart hohen Wohlstandsniveau lebte wie heute. In der Regel aber will man das nicht zur Kenntnis nehmen. Und schon gar nicht will man zur Kenntnis nehmen, dass es in allen Bereichen vorderste Aufgabe sein sollte, die Dinge weiter zu entwickeln und die Weichen nachzujustieren, allein um den Status abzusichern.

Und man tut sich auch schwer damit in diesem Land, den Erfolg zu nutzen. Da schreibt man am liebsten alles fort aus der Vergangenheit. Nicht nur bis etwas nicht mehr zu halten ist, weil es vorne und hinten an Geld fehlt und sich das Umfeld und die Umstände längst verändert haben, sondern auch bis, und das ist wohl noch gravierender, aller Spielraum für die Weiterentwicklung aufgebraucht ist.

Wer sich gegen diese Stimmung und die Haltung sperrt, wer sie nicht akzeptieren will, und wer die Chancen und Möglichkeiten, die sich in einem Wirtschaftsumfeld wie dem derzeitigen bieten, nutzen will, hat es schwer in diesem Land. Rückenwind ist selten zu verspüren, die Skepsis überwiegt allemal. Der Apparat und seine Bürokratie zeigen sich zumeist beharrlich und hölzern. Der Unwillen ist es, der dominiert und die Feindseligkeit. Wer Neues will und Neues schaffen will, dem schlägt meist Reserviertheit entgegen und Skepsis. Da ist selten etwas von begeisterter Unterstützung zu hören und davon, dass man Steine möglichst rasch aus dem Weg räumen will. Da geht es viel zu oft immer noch um Unterschriften und Genehmigungen und das Einhalten auch von Vorschriften, die nicht nur längst überholt, sondern die auch in ihrer Rigidität oft nicht zu überbieten sind.

Schwer macht es auch, dass das Angebot von Ämtern, Behörden und Kammern immer öfter nicht zu den Bedürfnissen der Wirtschaft und all der anderen passt, die den Rückenwind nutzen wollen, die Neues schaffen und neue Wege gehen wollen. Vor allem zu diesen nicht. Auch wenn sich in vielen Bereichen dort in den vergangenen Jahren vieles zum Positiven geändert hat, erweist sich der Apparat oft als zu träge. Bis das Angebot an die aktuellen Bedürfnisse angepasst ist, sind die Anforderungen schon wieder längst andere.

Daran ist zu arbeiten. Und nicht nur daran. Österreich muss lernen die Zeit zu nutzen. Daran fehlt es freilich immer noch viel zu oft. Ganz so, als ob man auch für die Zukunft sichern wolle, was man vielerorts am besten kann - jammern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Dezember 2017

Samstag, 2. Dezember 2017

Verloren im Dickicht der Kammern



Es gibt Unternehmen, in denen die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern kuriose Blüten treibt. Die Saatbau Linz ist so eines.

Hans Gmeiner

Linz. In der intensiven Debatte über die Pflichtmitgliedschaft bei Kammern sind Gegner und Befürworter tief gespalten. Das Beispiel Saatbau Linz zeigt, warum das so ist. „Welche und vor allem wie unsere Interessen von all den Kammern vertreten werden, an die wir Pflichtbeiträge entrichten müssen, ist für uns nicht nachvollziehbar“, sagt deren Chef Karl Fischer. Kein Wunder, die Genossenschaft, die er leitet, muss Pflichtbeiträge an nicht weniger als vier Kammern abführen.

An die Wirtschaftskammer zahlt die Saatbau Linz, die rund 180 Millionen Euro Jahresumsatz im In- und vor allem im Ausland erzielt und 445 Mitarbeiter (davon 230 in Österreich) beschäftigt, jährlich rund 81.000 Euro. „Je Betriebsstätte zahlen wir eine Grundumlage, dazu kommen die Kammerumlage eins und ein Betrag, der sich aus unserem Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds ableitet“, sagt Fischer. An die Landarbeiterkammern in Oberösterreich und Niederösterreich, die für die Genossenschaftsmitarbeiter zuständig sind, hat die Saatbau jährlich knapp 50.000 Euro zu zahlen. Fischer: „Grundlage dafür sind die Sozialversicherungsbeiträge unserer Mitarbeiter.“ Weil es im Burgenland, wo die Saatbau auch Betriebsstätten hat, keine Landarbeiterkammer gibt, steht man dort bei der Arbeiterkammer in der Pflicht, mit knapp 6000 Euro pro Jahr. Und dann sind da noch die Landwirtschaftskammern der Länder, in denen die Saatbau landwirtschaftliche Betriebe hat, wo sie der Pflanzenzucht nachgeht, dem eigentlichen Geschäftszweck. Ausgehend vom steuerpflichtigen Umsatz gibt es einen Grundbetrag pro Betrieb und eine Umlage für leitende Angestellte, macht noch einmal knapp 4000 Euro. „In Summe zahlen wir pro Jahr also rund 140.000 Euro“, rechnet der Saatbau-Chef vor. „Das ist nicht wenig und für uns ein echter Wettbewerbsnachteil gegenüber der internationalen Konkurrenz, die keine solchen Beiträge kennt.“

Fischer versteht sich trotzdem nicht als Kammer-Gegner. Die derzeitige Form der gesetzlich festgeschriebenen Pflichtmitgliedschaft bei Kammern, für die der Staat über das Finanzamt, an das alle Kammerbeiträge überwiesen werden müssen, sogar das Inkasso macht, hält Fischer aber für „vollkommen überholt. Ich will mir selbst aussuchen können, wer mich vertritt.“ Das klingt angesichts seiner Erfahrungen verständlich. „Die einen kümmern sich mehr um uns und sind für unsere Arbeit auch wichtig, andere nehmen nur das Geld, ohne sich je anschauen zu lassen.“

Dazu kommt, dass die Konstellation der Saatbau nur schwer ins System passt, weil sich die Interessen aller Beteiligten überlagern und das oft gleich mehrfach. Weil die Mitarbeiter des Unternehmens über ein Beteiligungsmodell auch Miteigentümer sind, stehen sie mehrmals in der Pflicht – direkt bei der Landarbeiterkammer und indirekt als Miteigentümer auch bei der Wirtschaftskammer sowie bei der Landwirtschaftskammer.

Für die Nebenerwerbsbauern unter den Saatbau-Mitarbeitern gilt das in einer verschärften Version, sind sie doch neben den indirekten Beiträgen und dem Beitrag zur Landarbeiterkammer als Landwirte auch verpflichtet, den Landwirtschaftskammerbeitrag zu entrichten. Damit nicht genug. Sind die Nebenerwerbsbauern nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Mitglied der Saatbau-Genossenschaft, trifft sie die Beitragspflicht gleich noch einmal. Aber immerhin wieder nur indirekt. Dass sie dabei den Überblick verlieren, wer wo und wie welche Interessen vertritt, nimmt da nicht Wunder.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Dezember 2017

Freitag, 1. Dezember 2017

Netzwerk Kulinarik ohne Lampert



Bündelung der landwirtschaftlichen Initiativen bei AMA Marketing.

Hans Gmeiner

Salzburg. Geplatzt ist die Zusammenarbeit der Landwirtschaft mit Bio-Pionier Werner Lampert im Netzwerk Kulinarik, in dem das Landwirtschaftsministerium die Initiativen der Landwirtschaft in der Direktvermarktung und in der Gastronomie bündeln will. Lampert ist bereits seit Ende August nicht mehr Partner des Projekts, wurde jetzt bekannt. Sein Unternehmen Fair und Gut zog sich aus der gemeinsamen Gesellschaft mit der AMA Marketing zurück. Landwirtschaftsminister Rupprechter holte Lampert als Aushängeschild für das Projekt und stellte mehr als zehn Millionen Euro bereit. Nicht mehr dabei ist auch Geschäftsführer Thomas Müller. Er firmiert bis Jahresende nur noch als Berater.

Das Netzwerk soll nun von der AMA Marketing allein weitergeführt werden. „Wir stehen in den Startlöchern und warten auf das Go“, sagte Michael Blass, Chef der AMA Marketing den SN. Auch aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es: „Der Umbau ist im Finale.“ Einen genauen Zeitpunkt freilich will vor dem Hintergrund der aktuellen Regierungsverhandlungen niemand nennen.

Blass hält das Konzept, das anfänglich vor allem bei den um ihr Geld fürchtenden Genussregionen auf große Skepsis stieß, nach wie vor für gut. „Es kommt an“, sagt er.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 1. Dezember 2017
 
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