Dienstag, 31. Januar 2017

Rupprechter will um EU-Gelder "bis zum letzten Cent" kämpfen



Wien. Ende dieses Jahres will EU-Agrarkommissar Phil Hogan erste Pläne veröffentlichen, wie es mit der Agrarpolitik in der neuen EU-Budgetperiode ab 2020 weitergehen soll. Schon jetzt ist man allerorten dabei, Positionen abzustecken, schließlich drohen wegen des Brexits, aber auch wegen höherer Kosten für die Bewältigung der Flüchtlingskrise Budgetkürzungen in Höhe von zumindest fünf Milliarden Euro jährlich.

Das sorgt auch in der Landwirtschaft für Nervosität. „Wir werden in Brüssel um jeden Cent kämpfen“, kündigte am Montag bei der Wintertagung des Ökosozialen Forums in Wien Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter vorsorglich an. Es wird wohl ein harter Kampf. Auch Hogan ließ am Montag in Wien neuerlich keinen Zweifel daran, dass der Landwirtschaft Kürzungen ins Haus stehen. Konkret wollte er nicht werden. Als mögliche Alternative zu Kürzungen nannte er die Erschließung neuer Einnahmequellen. Von Rupprechter gab es postwendend Empfehlungen: „Es gibt die Möglichkeit einer Finanztransaktionssteuer oder einer EU-weiten CO2 -Abgabe.“ gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 31. Jänner 2017

Montag, 30. Januar 2017

Ein Schnitzel zum Wohlfühlen



Freiwillige Programme, die die Herkunft des Fleisches betonen und mehr Platz sowie spezielle Fütterung vorschreiben, boomen. Bei Fleisch entsteht zwischen konventionell und bio ein neuer Markt.

Hans Gmeiner

Salzburg. Das Wohl der Nutztiere ist in Deutschland seit Monaten ein großes Thema. Handelsketten gründeten im Vorjahr die „Initiative Tierwohl“ und zahlen den Bauern für ihre Schweine und Rinder mehr, wenn sie sich an bestimmte Vorgaben halten, die über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen. Der deutsche Landwirtschaftsminister will darüber hinaus spätestens im kommenden Jahr ein staatliches Tierwohl-Siegel einführen.

Die österreichische Landwirtschaft will sich deswegen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Weder vom Handel noch aus der Politik gibt es Signale, den deutschen Weg einschlagen zu wollen. „Wir sind schon einen Schritt weiter“, sagt Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Er verweist auf die in Österreich in vielen Bereichen tierfreundlicheren Vorschriften und auf das AMA-Gütesiegel, das zentrale Instrument in der heimischen Qualitätsstrategie, nach dessen Richtlinien rund 40 Prozent des Rind- und Schweinefleischs erzeugt werden.

Mit einem eigenen „Tierwohl-Siegel“ arbeitet in Österreich nur „zurück zum Ursprung“, die Biomarke von Hofer, bei Rindfleisch, Eiern und Geflügel. Und das seit Kurzem. Die Kriterien dafür stammen vom Verein gegen Tierfabriken und dem Wiener Tierschutzverein.

Hofer könnte bald Nachahmer bekommen. Seit dem vergangenen Herbst werden den Bauern im Rahmen des Agrarumweltprogrammes spezielle Förderungen angeboten, wenn sie sich verpflichten, den Tieren mehr Platz zu bieten und auf den Liegeflächen Einstreu zu verwenden. Bei Schweinen etwa macht das sechs bis sieben Euro je Tier aus. Ergänzend dazu bietet die AMA-Marketing seit Kurzem als Erweiterung des AMA-Gütesiegels Schweinehaltern ein sogenanntes „Modul Tierwohl“. Es schreibt den Bauern vor, den Schweinen um 60 Prozent mehr Platz als gesetzlich verlangt, eingestreute Liegeflächen und Spielmaterial zu bieten. Schon bald soll es das Modul auch für Mastrinder und Geflügel geben. „Da ist Potenzial drinnen“, sagt Martin Gressl, Qualitätsmanager der AMA-Marketing. „Die Differenzierung hilft den Bauern, die Wertschöpfung zu erhöhen.“ Das Interesse ist groß. Bei der AMA-Marketing spricht man von 900 Interessenten für das neue Gütesiegel-Modul. Für die Agrar-Umwelt-Maßnahme haben sich mehr als 1000 Schweinehalter und mehr als 2500 Rinderhalter angemeldet.

Das überrascht nicht. Angesichts der gedrückten Preissituation suchen die Bauern nach besseren Verwertungsmöglichkeiten. Allerorten schießen seit einigen Jahren eigene Spezial- und Regionalprogramme aus dem Boden. Es gibt zahllose Varianten. Neben der Herkunft stehen dabei Fütterung und Tierwohl meist im Mittelpunkt. Ein „Salzburger Jungrind“ oder ein „Tullnerfelder Schwein“ verkauft sich eben besser als ein No-Name-Rind oder -Schwein, das nur den gesetzlichen Vorschriften entsprechend gemästet wurde. Viele Beobachter sehen diese Programme als künftige dritte Schiene auf dem Markt zwischen konventionell erzeugter Ware und Biofleisch, dessen Marktanteil wegen der sehr hohen Preise bei nicht mehr als zwei Prozent liegt. Grundlage für die Programme ist zumeist das AMA-Gütesiegel, das Herkunft, Haltungsform, tierärztliche Betreuung und andere Qualitätsparameter sowie einen offiziellen Rahmen garantiert. Aufbauend darauf versucht man sich mit speziellen Haltungs-, Fütterungs- und Herkunftsvorschriften von der Konkurrenz abzuheben. Zuweilen arbeitet man dabei mit Nichtregierungsorganisationen und Tierschutzorganisationen zusammen, für die das ein Geschäft ist.

Auf solche Programme, hinter denen zumeist Handelsketten und bäuerliche Gruppierungen stehen, entfallen mittlerweile Schätzungen zufolge rund 15 Prozent des heimischen Marktes. Bei Rindfleisch begleitet die AMA-Marketing mit den Qualitätssicherungssystemen bereits 62 unterschiedliche Regional- und Markenprogramme. Bei Schweinefleisch sind es 20. „Tendenz stark steigend“, heißt es. Erst jüngst sorgte die Marke „FairHof“ der Handelskette Hofer und des oberösterreichischen Fleischverarbeiters Hütthaler für Aufsehen. Dabei müssen die Bauern den Schweinen doppelt so viel Platz wie gesetzlich vorgesehen und Auslauf ins Freie bieten, dürfen nur heimisches Futter und gentechnikfreies Soja verwenden. Dafür verspricht man den Landwirten einen um rund 30 Prozent besseren Preis.

In den Verbänden der Erzeuger beobachtet man die Entwicklung nicht nur wegen des rasant wachsenden Gütesiegel-Dschungels mit Zurückhaltung. „Manche machen das eher zur Behübschung ihres Sortiments“, sagt Johann Schlederer von der österreichischen Schweinebörse. Auch wenn den Bauern mehr bezahlt werde, sei der wirtschaftliche Anreiz oft sehr bescheiden, „weil die zusätzlichen Kosten nicht immer gedeckt sind“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Jänner 2017

Donnerstag, 26. Januar 2017

Lernen von Trump



Es ist nur ein Beispiel. Wenn es heuer nicht mehr gelingt, aus den Vorschlägen der vor zwei Jahren eingerichteten "Taskforce Agrarmärkte" Nägel mit Köpfen zu machen, dann ist der Zug für eine Umsetzung von Maßnahmen, die den Bauern nachhaltig aus der Preiskrise helfen sollen, in dieser Budget-und Wahlperiode gelaufen. Denn dann wird die Zeit zu kurz, in der Kommission und im EU-Parlament und in Gruppen, Ausschüssen und Plenumsversammlungen alles Nötige zu beschließen. "Dann geht erst nach 2020 wieder etwas", sagen Experten, die sich im Brüsseler Getriebe auskennen.

Ob das dann den Bauern noch viel hilft, und ob nicht bis dahin gerade die, die die Hilfe am nötigsten gehabt hätten, längst untergegangen sind, sei dahingestellt. In jedem Fall ist es ein Beispiel dafür, woran das gemeinsame Europa und die gemeinsame europäische Politik leidet. Und es steht für vieles von dem, was den Europäern die Europapolitik verleidet und was die Europäische Union und Europa bei seiner Bevölkerung so sehr in Misskredit gebracht hat, sodass inzwischen die Union vielen als ernsthaft gefährdet gilt.

Ein ganzer Kontinent hat das Tempo verloren, scheint aus dem Takt gekommen und ohne Ziele. Und das angesichts der neuen weltpolitischen Konstellation zum völlig falschen Zeitpunkt. Eitel mit sich selbst beschäftigt, der Beschau des eigenen Nabels und der Pflege der eigenen Befindlichkeiten, ist man in den vergangenen Jahren ins Abseits geraten. Das gilt in wirtschaftlicher genauso wie in politischer Hinsicht. Man hat sich in Nebensächlichkeiten verbraucht und hat viele der großen Linien verloren. Verfangen in Kleinkariertheit und Bürokratie ist man unfähig zu effektiven Lösungen, schon gar nicht zu raschen. Mit der Wirtschaft hat man Probleme und mit den Flüchtlingen. Und es könnten noch ganz andere werden.

Europa muss Geschlossenheit und Tempo wieder finden, will es nicht im Weltstrudel untergehen -auf der einen Seite Trumps Amerika, das die Europa untreu gewordenen Briten ködert, auf der anderen Seite ein immer machtbewussteres Russland. Die Führer dieser beiden Blöcke ticken ähnlich. Vor allem ist ihre Politik sehr zielorientiert. Da werden Ziele nicht zerredet, sondern schnell umgesetzt, da wird nicht lange gefackelt, schon gar nicht so lange, wie das in Europa üblich geworden ist.

Spätestens jetzt sollte all denen, die oft so lustvoll an Europa herummäkeln oder gar an seiner Zerstörung arbeiten, klar sein, dass ein Zusammenrücken des alten Kontinents die bessere Alternative ist, um dem, was da auf die Welt zukommen kann, Paroli bieten zu können.

Das politische Europa hat Verantwortung nicht nur für die mehr als 300 Millionen Menschen, die hier leben, es hat auch Verantwortung für die Welt. Othmar Karas, Österreichs ranghöchstem Mitglied des EU-Parlaments, ist nur beizupflichten, wenn er fordert, die Europäische Union "handlungsfähiger" zu machen, das Miteinander stärken und zur politischen Union weiterzuentwickeln. Die Europäische Union müsse schnell einen Dialog über ihre Rolle als Global Player starten. Der Europapolitiker sieht die Union in einer großen Verantwortung. "Sie ist nun der einzige Anwalt für eine wertorientierte offene Gesellschaft". Das gilt für die Demokratie genauso, wie für die Gleichstellung der Frauen und alles dazwischen, was in den vergangenen Jahrzehnten errungen wurde und unser Leben ausmacht.

Genau diese Verantwortung kam in den vergangenen Jahren angesichts der Wirtschaftskrisen und des Flüchtlingsstroms aus dem Nahen Osten, Afrika und Asien unter Druck.

Die Inaugurationsrede von Donald Trump am vergangenen Freitag, die weltweit für Staunen und Verwunderung sorgte, sollte Europa wachrütteln. Da droht Ungemach aus Übersee, das den Druck auf die Union und das gemeinsame Europa bis zum Brechen erhöhen kann, der über Jahrzehnte aufgebaute Strukturen zerstören kann, die unser Sicherheit garantierten und unseren Wohlstand.

Europa muss darauf eine Antwort finden und seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnen, will es nicht zerrieben werden. Es könnte dabei durchaus auch Anleihen beim neuen US-Präsidenten nehmen. Etwa, sich der eigenen Stärken zu besinnen. Denn die Antwort liegt auf der Hand, ist aber eine große Hausforderung: "Make Europe great again". Das freilich auf die eigene Art.

Denn sonst machen es andere auf die Trump-Art.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 26. Jänner 2017

Samstag, 21. Januar 2017

Unbarmherzige Bürokratie ärgert die Landwirte



Unverhältnismäßig harte Strafen für kleine Vergehen.

Berlin. Die Vorschriften und Auflagen, die Österreichs Bauern einhalten müssen, füllen inzwischen dicke Broschüren. Die Dokumentation der Arbeit ist meist ungeheuer zeitaufwendig. Und wenn dennoch Fehler passieren, setzt es oft sehr strenge Sanktionen. Schuldhaftes Verhalten spielt dabei, wie sonst in Verwaltungsverfahren üblich, kaum eine Rolle. Auch Fristsetzungen für Nachbesserungen sind oft nicht vorgesehen.

Derzeit müssten Prüfer wegen der Gesetzeslage selbst bei kleinen Vergehen wie fehlenden Ohrmarken bei Tieren, irrtümlichen Tierbestandsmeldungen oder abweichenden Flächenangaben oft unverhältnismäßig harte Strafen verhängen, beklagte Bauernbundpräsident Jakob Auer Freitag bei der „Grünen Woche“ in Berlin.

Um Druck in Sachen Bürokratieabbau und Verhältnismäßigkeit der Strafen zu machen, kündigte er eine Petition an die EU-Kommission an. „Die jetzigen Regeln machen oft aus einer Mücke einen Elefanten.“ Im Visier hat er nicht nur die EU. „Auch in Österreich selbst ist einiges nachzubessern.“ gm

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 21. Jänner 2017

Freitag, 20. Januar 2017

Red Bull verleiht der Agrarbilanz Flügel



Jahr für Jahr feiert die Landwirtschaft Exportrekorde. So richtig Flügel verleihen der Agrarhandelsbilanz freilich Limonaden und Energydrinks wie Red Bull. Denn sie, und nicht etwa Milch und Fleisch, sind die wichtigsten Agrarexportprodukte.

Hans Gmeiner

Berlin. Es hat bereits Tradition. Jahr für Jahr lädt die AMA-Marketing einen Tag vor Beginn der „Grünen Woche“, der weltgrößten Agrarmesse, in ein Berliner Hotel, um einen neuen Exportrekord der heimischen Landwirtschaft zu verkünden. Gestern, Donnerstag, war es nicht anders. Laut aktuellen Schätzungen erhöhten sich die Exporte von heimischen Lebensmitteln und Getränken im Vorjahr gegenüber 2015 um 3,2 Prozent auf 10,383 Mrd. Euro, so viel wie nie zuvor. „Mit Stolz können wir sagen, dass die Exporte nunmehr stabil jenseits der Zehn-Milliarden-Euro-Marke liegen“, freute sich Österreichs oberster Agrarvermarkter Michael Blass, der Chef der AMA-Marketing. In den vergangenen mehr als 20 Jahren seit dem EU-Beitritt Österreichs hätten sich die Exporte der heimischen Landwirtschaft mehr als versechsfacht, ihr Anteil an den österreichischen Gesamtexporten sei von sechs auf acht Prozent gestiegen und die Exportquote der Landwirtschaft habe sich von 16 auf 60 Prozent erhöht, betonte Blass. Das zeige, dass die Landwirtschaft in den vergangenen Jahren zur Gesamtwirtschaft aufgeschlossen habe und die Agrarexporte eine wichtige Stütze der heimischen Exportwirtschaft geworden seien.

Heuer hat man sogar noch besonderen Grund zur Freude. Nach langer Zeit gelang es, den Wertschöpfungsgrad der heimischen Exportprodukte wieder zu erhöhen. Im Schnitt wurden für ein Kilogramm, das im Ausland verkauft wurde, 1,14 Euro erlöst, weil der Anteil von verarbeiteten Produkten kontinuierlich wächst, für sie erzielt man bessere Preise. Im Vorjahr waren es noch 1,08 Euro, in den Jahren davor erreichte man kaum je die Ein-Euro-Marke.

Mit Abstand wichtigstes Abnehmerland war auch im Vorjahr wieder Deutschland, dorthin gingen im Vorjahr fast 35 Prozent der Agrarexporte. Dahinter folgt mit einem Anteil von 11,7 Prozent (1,21 Mrd. Euro) Italien, wo man allerdings zu spüren bekam, dass die Konsumenten in der Krise sparen.

Der neuerliche Exportrekord ermöglichte es auch, das Agrarhandelsdefizit etwas zu verringern. Weil die Einfuhren mit plus 2,4 Prozent auf 11,387 Mrd. Euro deutlich geringer wuchsen als die Ausfuhren, verkleinerte sich das Defizit auf rund eine Milliarde Euro.

So beeindruckend die Ergebnisse der Entwicklung der Agrarhandelsstatistik sind: Dass der Bilanz erst Limonaden und Energydrinks wie Red Bull so richtig Flügel verleihen, geht in der Statistik zumeist unter. Auf Energydrinks – die wegen ihres hohen Zuckeranteils zur Agrarbilanz zählen – entfällt ein Großteil der dem Zollkapitel 22.02 zugeordneten Position „Alkoholfreie Getränke“. Das bestätigte sich auch in der Bilanz 2016. Vom Gesamtexportzuwachs von 323 Mill. Euro ist rund ein Drittel auf den 23-prozentigen Zuwachs der Agrarexporte in die USA zurückzuführen. Und der ist, weiß man in der Branche, praktisch ausschließlich Red Bull zuzurechnen. Mittlerweile entfallen auf den Energydrink fast neunzig Prozent der gesamten Agrarexporte Österreichs in die USA.

An den Agrarexporten insgesamt beträgt der Anteil von Red Bull, aber auch anderen Energydrinks wie Power Horse des oberösterreichischen Herstellers Spitz rund 17 Prozent. Tendenz steigend. Zum Vergleich: Der Anteil von Käse beträgt fünf Prozent, jener von Schweinefleisch 3,4 Prozent und der von Wein 1,4 Prozent. Im Klartext: Ohne die Energydrinks und Limonaden betrüge das Defizit in der Agrarhandelsbilanz nicht eine Milliarde, sondern rund 2,5 Milliarden Euro.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 20. Jänner 2017

Donnerstag, 19. Januar 2017

Die Sache mit den dümmsten Kälbern



Am kommenden Freitag beginnt mit der Angelobung von Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten wohl eine neue Zeitrechnung. Und das nicht alleine, weil da offenbar einer per 140 Twitter-Zeichen die Welt regieren will. Erst zu Beginn dieser Woche sorgte der Milliardär mit dem ersten großen Interview für eine deutsche Zeitung für Kopfschütteln. Die Nato sei "obsolet" ließ er wissen, den deutschen Autobauern stellte er Strafzölle in Aussicht und zum Brexit meinte er, dass der sich "letztendlich als großartige Sache" herausstellen werde. Dass er die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Merkel als katastrophalen Fehler bezeichnete, war da noch die einzige Aussage, die noch am ehesten ins gewohnte Politsprech-Spektrum passte

Seit Wochen erschreckt der künftige Präsident mit solchen und ähnlichen Äußerungen die Welt. Und das nicht nur die Welt der Politik. Auch in der Wirtschaft haben längst viele Fracksausen und in der Kultur. Ungeniert und scheinbar ohne alle Rücksichten trägt er seine Einschätzungen zur Schau, kanzelt Politiker, Wirtschaftskapitäne, Journalisten und Schauspieler ab und installiert ein Kabinett von milliardenschweren Günstlingen, inklusive seinem Schwiegersohn als Chefberater.

Unglaubliches geschieht vor den Augen der Welt - und alle müssen hilflos und staunend zuschauen, wie sich da ein Mann einen ganzen Staat unter den Nagel und möglicherweise die ganze Nachkriegsordnung in den Abgrund reißt. Dabei Trump ist auf demokratischem Weg ins Amt gekommen, ohne Staatsstreich, ohne Gesetze zu brechen, auf dem Weg, wie die Verfassung der USA das vorsieht. Da kann man ihm nichts vorwerfen.

Genau darüber freilich sollte man dringend reden. Denn bei all den Diskussionen und in all den Erklärungen ist eine der Ursachen dafür, dass jemand wie Trump ans Ruder einer Weltmacht kommt, unterbelichtet. Warum kann eine Verfassung, wie jene der Vereinigten Staaten, warum kann das Wahlsystem, das dort angewendet wird, nicht davor schützen? Sind es zu nachlässige und zu blauäugige Vorschriften, die selbst Leuten mit kruden Weltbild  und ohne jede Qualifikation den Zugang zu einem der verantwortungsvollsten Ämter der Welt ermöglichen? Die das System im Nu auf den Kopf stellen und die Weltordnung gefährden können, ohne auch nur irgendein Gesetz gebrochen zu haben? Darf eine Demokratie so leichtsinnig konstruiert sein?

Und weil in diesen Tagen hierzulande so viel über eine Reform des Wahlrechts geredet wird - auch das Wahlrecht in den USA trug ganz wesentlich dazu bei, dass Donald Trump und nicht Hillary Clinton ins Amt kommt. Denn ein Mehrheitswahlsystem war es, das Trump den Sieg verschaffte, obwohl Clinton mehr Stimmen auf sich vereinigen konnte.

Und es sei daran erinnert, dass das, was jetzt an der von Trump in Anspruch genommenen Machtfülle so irritiert, auch in Österreich im Kampf um das Bundespräsidentenamt für Bauchweh sorgte. "Sie werden noch staunen, was alles möglich ist", sagte der FP-Kandidat Norbert Hofer und legte die Schwächen der österreichischen Verfassung bloß. Staunend musste man erkennen, was selbst einem österreichischen Bundespräsidenten alles möglich ist in diesem Land, wenn er sich zwar an den Buchstaben des Gesetzes hält, nicht aber an die Konventionen und Gepflogenheiten, die mit diesem Amt verbunden sind.

Nach Trump ist eine Diskussion darüber fällig und über die Qualität der Demokratie und darüber, ob sie nicht allzu großzügig angelegt ist und sich damit leichtfertig selbst gefährdet. Das ist fraglos ein heikles und gefährliches Terrain. Aber es ist an der Zeit, darüber zu reden.

Nur die dümmsten Kälber suchen sich ihre Schlächter selber, heißt ein Sprichwort. Es drängt sich bei den Vorgängen in den USA und anderswo unwillkürlich auf. Man sollte darüber zumindest nachdenken. Und man sollte auch nachjustieren. Ehe noch mehr passiert.

Derzeit kann man nur hoffen, dass die Demokratie stark genug ist, auch mit einem wie Trump fertig zu werden.
 
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Jänner 2017

Montag, 16. Januar 2017

Die Bauern suchen ihren Platz auf dem Markt



Die Landwirtschaft sieht sich existenziell bedroht. Die Preise sind trotz leichter Anstiege in den vergangenen Monaten unter Druck.

Hans Gmeiner

Salzburg. Die österreichische Abgeordnete Elisabeth Köstinger fuhr dieser Tage bei der Debatte im Agrarausschuss des EU-Parlaments über die Vorschläge der Taskforce Agrarmärkte zur Stärkung der Position der Bauern auf den Märkten schwere Geschütze auf. Sie kritisierte die „ungerechte Marktaufteilung“, warf Handelsketten vor, keine Gelegenheit auszulassen, „Druck auf die Landwirtschaft auszuüben“, und malte für die Bauern ein düsteres Zukunftsbild. „Die Schieflage geht an die bäuerlichen Existenzen.“

Ins gleiche Horn stieß Josef Plank, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich, der als Experte geladen war. „Die Struktur der Landwirtschaft ist nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa massiv gefährdet“, sagte er. Auf der einen Seite stehe man beim Zukauf von Betriebsmitteln wie Saatgut, Dünger oder Landtechnik wenigen großen Konzernen gegenüber, auf der anderen Seite einer geballten Handelsmacht. „Es geht darum, Regeln zu schaffen, damit Bauern auf Augenhöhe mit Lebensmittelherstellern und Händlern verhandeln können“, sagt Plank.

Der Druck auf die Bauern ist nach wie vor groß. Die Preise für Milch, Fleisch und Getreide sind zwar in den vergangenen Monaten nicht mehr weiter gesunken, von einer Wende auf den Märkten ist aber keine Rede. Die Preiserhöhungen bewegen sich bei Milch im Cent-Bereich und sind nach wie vor weit von den 40 Cent pro Kilogramm entfernt, die die Bauern anpeilen. Bei Schweinefleisch gab es nach einer Erholung im Herbst seit Weihnachten Rückschläge und die Preise für Ackerfrüchte stecken nach wie vor in einem hartnäckigen Tief.

Weil die milliardenschweren EU-Hilfspakete der vergangenen Jahre den Bauern kaum halfen, versucht man neue Wege zu gehen, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Es gehe darum „mit strukturellen Verbesserungen die Widerstandsfähigkeit des landwirtschaftlichen Sektors zu stärken“, sagt EU-Agrarkommissar Phil Hogan.

Im Zentrum stehen die Forderung nach mehr Markttransparenz und Stärkung der Position im Wettbewerb sowie der Kampf gegen unfaire Handelspraktiken und die Konzentration im Handel. „Es ist fast Erpressung, wie die mit einem umgehen“, sagt der deutsche Europa-Abgeordnete Albert Deß (CSU), der die Usancen im Handel als Landwirt und Chef der Bayernland-Molkerei kennt. Für ihn und viele andere könnten die Vorschläge noch weiter gehen. Da ist der Ruf nach einem Agrarmarktregulator genauso zu hören wie der nach Zerschlagung von marktbeherrschenden Unternehmen und der Wunsch nach vereinfachten Auflagen für regionale Produkte.

Was von den Vorschlägen Wirklichkeit wird, ist freilich noch völlig ungewiss. „Wenn in der aktuellen Periode bis 2020 etwas geschehen soll, müsste es heuer konkrete Beschlüsse geben“, sagt Deß. Offen ist auch, ob die Bauern davon in Form besserer Preise profitieren oder eher die Verarbeiter, wie die Molkereien oder Fleischbetriebe, die als direkte Partner des Handels das Geld als Erste in der Hand haben.

Die Taskforce-Vorschläge sind nur ein Mosaikstein im Ringen um Verbesserungen für die Bauern. Wie man die Märkte und das große Angebot – Hauptursache für den Preisdruck – in den Griff bekommen könnte, wird nur inoffiziell diskutiert. Da Kontingentierungen nicht infrage kommen, denkt man über vorübergehende Produktionsrücknahmen nach, wie jüngst bei der Milch. Oder wie bei Getreide und Ölsaaten über das vorübergehende Umleiten von der Nahrungsmittel- in die Energieerzeugung.

Vor diesem Hintergrund laufen die Vorbereitungen auf die nächste siebenjährige Budgetperiode und die Agrarpolitik für die Zeit ab 2020 an. Im Februar startet die EU-Kommission mit einem Onlinefragebogen für Interessierte und einem öffentlichen Hearing den Prozess. Im Herbst ist eine erste Mitteilung über die künftige Gestaltung geplant. Die Gemeinsame Agrarpolitik müsse den Landwirten auch künftig als Sicherheitsnetz zur Verfügung stehen, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Dezember.

Was das konkret heißt, ist offen. In Brüssel erwartet man, dass Brexit und eine mögliche EU-weite Finanzierung der Flüchtlingsversorgung das Agrarbudget stark unter Druck bringen werden. Köstinger schwant nichts Gutes: „Was da auf uns zukommt, geht ans Eingemachte.“

Donnerstag, 12. Januar 2017

Das Wollen kann man nicht



Die Börsen boomen seit Wochen, die Konjunkturaussichten sind gut und die Arbeitsmarktaussichten auch. Wie aus dem Nichts macht sich allerorten Optimismus breit. Ohne freilich, dass man wirklich genau wüsste warum, haben sich doch die Rahmenbedingungen kaum verändert. Verschließen will sich der mit einem Mal sprießenden Zuversicht niemand. Redete das IMAS-Institut noch im November vom Megatrend Pessimums, der Herr und Frau Österreicher befallen habe, so vermeldete das gleiche Institut zum Jahreswechsel, dass der Optimismus zunehme und deutlich mehr Österreicherinnen und Österreicher zuversichtlicher ins neue Jahr blickten, als das zwölf Monate zuvor der Fall war.

Das fügte sich auch ins Stimmungsbild, das die Damen und Herren Politiker rund um den Jahreswechsel zu verbreiten versuchten. "Ich sehe eigentlich einen positiven Ausblick für 2017", sagte flugs etwa Vizekanzler Mitterlehner. Und der Bundeskanzler trompetete via Twitter gleich ganz so, als ob alleine die optimistischen Prognosen schon der politische Erfolg wären: "EU prognostiziert 2017 215.000 neue Jobs (im 10x so großen) Deutschland u 46.000 für Österreich. Für beide Länder Rekordbeschäftigung. Stimmung in Wirtschaft auf 8-Jahreshoch, Wachstum wieder auf EU-Schnitt, Industrieprod besser als D."

So viel Optimismus macht misstrauisch. Man kennt das doch. Viele Versprechen, viele Überschriften, getragene Sätze auch und Analysen. Daran hat es noch nie gehapert. Dass Kern in dieser Woche seine Pläne verkündet und Mitterlehner etwa eine Senkung der Körperschaftssteuer, eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten und eine Lösung der leidlichen kalten Steuerprogression in Aussicht stellt und beide geloben, wieder an einem Strang zu ziehen, ist nur zu begrüßen. Wirtschaftsstandort und Sozialsystem sollen nachhaltig gesichert werden, die Bildung reformiert und die Verwaltung auch. Schlanker, effizienter, billiger. Gut so. Und richtig auch.

Bloß, und da ist der Haken, neu ist das nicht. Weder in Form noch im Inhalt.

Es fehlt ja nicht an guten Vorschlägen und Ideen in diesem Land. Weder was die Qualität betrifft, noch was die Quantität betrifft. Die gibt es im Dutzend und seit Jahren. Nicht nur von den großen Parteien, sondern auch von außen, wie etwa von Wissenschaftern wie jüngst der Finanzrechtlerin Sabine Kirchmayr von der Uni Wien, von den Wirtschaftsforschungsinstituten oder vom Rechnungshof. Es liegt ja alles auf dem Tisch. Und es wissen alle, was notwendig ist, um diesem Land und seinen Staatbürgerinnen und Staatsbürgern eine Zukunft zu geben.

Daran fehlt es nicht. Das Problem ist, das man es nicht schafft, das auch auf die Reihe zu kriegen. Auf Augenhöhe, effizient, rasch und ohne alles zu zerreden und sich an den Kragen zu gehen.

Das Wollen ist das, woran es fehlt. Das kann man nicht.

Statt endlich zu handeln, redet man nur davon. Das ist es, was den Menschen in diesem Land die Politik so verleidet. Sie wollen Lösungen. Man wünscht sich, dass die Dinge diskutiert werden und möglichst rasch zu Ergebnissen zusammengeführt werden, mit der alle Beteiligten leben können. Auf Augenhöhe, ohne Haxelbeißerei, sachlich und zielorientiert. Kurzum, man würde sich nichts lieber wünschen, als dass die Politik endlich das tut, was man von ihr erwartet, und dass den Scharfmachern und den Betonierern weniger Raum gegeben wird.

Wenn nur ein Bruchteil von dem, was in diesen Tagen in die Diskussion geworfen wird, Wirklichkeit werden würde, wäre in diesem Land schon viel geschehen.

Alleine die Erfahrung der vergangenen Jahre, in der dieselben Parteien in denselben Konstellationen und zum Großteil auch mit demselben Personal in diesem Land das Ruder in der Hand hatten, macht skeptisch.

Die Skepsis ist wohl genährt. Nicht nur, weil die Leistungsbilanz der Regierung trotz all der Zeit, die man hatte, die Dinge zum Besseren zu wenden, eher dürftig ist. Auch weil immer wieder Diskussionen, wie aktuell jene um die Zukunft des Vizekanzlers in seiner Partei, von manchen Leuten mit wesentlich mehr Elan betrieben werden wie das eigentliche politische Geschäft.

Das macht es schwierig, sich dem Optimismus anzuschließen, den die heimischen Politiker verbreiten möchten. Und auch dem Optimismus, von dem das IMAS-Institut redet.

Auch wenn man das gerne täte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 12. Jänner 2017

Mittwoch, 4. Januar 2017

2,8 Milliarden und nichts als Verdruss



"Im Rahmen der Möglichkeiten können wir auf eine Jahresgesamtleistung in Summe von 2,8 Mrd. Euro stolz sein", ließ der Bauernbund wissen, als nach etlichen Rumplern der Rabatt bei der Bauernsozialversicherung doch irgendwie unter Dach und Fach gebracht werden konnte.

Eine beachtliche Summe fürwahr, die im vergangenen Jahr als Ausgleichzahlungen, Sonderhilfen und unter vielen anderen Titeln in die Landwirtschaft floss. Und dennoch mag in der Bauernschaft niemand recht Beifall klatschen.

Das mag für viele, zumal jene, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben, nicht verständlich sein und auch nicht für die Agrarpolitiker, die dafür so gerne gelobt werden würden. Es ist aber aus bäuerliche Sicht leicht nachvollziehbar. Denn den Bauern geht es trotz all des Geldes nicht gut.

Auf den Höfen erkennt man, dass diese Agrarpolitik mit der großen Kassa zu wenig ist. Die Bauern wissen, dass von all den zig Millionen, die in den Medien publicity-trächtig angekündigt werden, in ihren Brieftaschen, allenfalls ein paar hundert, und nur ganz selten tausend Euro und mehr ankommen, weil sie auf 140.000 Bauern aufgeteilt werden müssen.

Die Bauern spüren, dass in den vergangenen Jahren die Dinge ins Rutschen gekommen sind. Dass viele Konzepte, die sie sich für ihre Betriebe zurechtzimmerten, nicht mehr recht halten. Die konventionellen Bauern stehen am Pranger, allein gelassen vom Minister. Die Erzeugung von Rohstoffen für Bioenergie erweist sich als Sackgasse und ist nach Anfeindungen von allen Seiten am Zusammenbrechen. Von neuen Perspektiven, wie etwa der Bioökonomie, gibt es trotz dicker Schlagzeilen vor ein paar Jahren, immer noch nicht viel mehr, als eine dünne Absichtserklärung, jetzt mit der Ausarbeitung eines Umsetzungsplanes zu beginnen. Vieles kommt und verschwindet. Vieles wird angekündigt und nie verwirklicht. Vieles nützt weniger den Bauern, als Unternehmen und Organisationen, die damit Geschäfte machen. Es sind kaum Schwerpunkte zu erkennen, kaum Visionen und kaum Ziele.

2,8 Milliarden Euro pro Jahr und dennoch gibt es so viel Unzufriedenheit, dennoch sehen immer mehr Bauern für ihre Höfe keine Zukunft, dennoch machen viele Hof- und Stalltür für immer zu, dennoch sind auf einmal sogar Insolvenzen von landwirtschaftlichen Betrieben Thema und dennoch gibt es allerorten Verunsicherung und Unzufriedenheit.

Das sollte den politisch Verantwortlichen zu denken geben. Und nicht, dass die Bauern angesichts der 2,8 Milliarden nicht in Jubel verfallen wollen. Die Bauern sind die Ankündigungen der Agrarpolitik leid, denen, wie bei der Milch, viel zu oft viel zu lange keine sichtbaren Taten folgen. Sie sind die vielen Versprechen leid und das mitunter so aufdringliche wie unverständliche Heischen der Agrarpolitik um Verständnis und Beifall gar.

Die Bauern wollen für dort, wo es sie zwickt, Antworten und Lösungen - und keine langatmigen Erklärungen und Verweise auf irgendwelche Schuldigen in irgendwelchen fernen Institutionen. Sie ärgern sich über die Bürokratie und über unverständliche Regelungen. Sie ärgern sich über einen oft selbstgefälligen Apparat und darüber, dass sie oft lange auf die Einlösung von Versprechungen warten müssen.

Und sie ärgern sich ganz besonders dann, wenn solche Dinge hausgemacht sind. Hausgemacht in Österreich.

Das war früher oft Schutz und Versicherung für die Bauern. Nun ist es aber immer öfter Bedrohung. Trotz 2,8 Milliarden Euro.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land Jänner 2017
 
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