Dienstag, 30. Januar 2018

"Der Landwirtschaft fehlt es an Offenheit"



Europa darf sich nicht von internationalen Agrarmärkten verabschieden.

Hans Gmeiner

Wien. Rund um die anlaufenden Verhandlungen über die nächste EU-Agrarreform rücken die Produktionsmethoden der Landwirtschaft, ihre Aufgaben und auch die Kosten, die sie verursacht, wieder verstärkt in den Mittelpunkt. Während immer größere Teile der Gesellschaft einer Extensivierung der Produktion das Wort reden, fühlen sich die Bauern zunehmend in ihren Möglichkeiten eingeschränkt.

Der deutsche Agrarwissenschafter Martin Banse vom Thünen-Institut in Braunschweig hält beide Positionen für überzogen. „Die Welt braucht in Zukunft deutlich mehr Nahrungsmittel“, sagte er Montag am Rande der Agrar-Wintertagung des Ökosozialen Forums in Wien im Gespräch mit den SN. „Angesichts der weltweit knappen Ressourcen müssen wir uns daher auch in Europa fragen, welchen Beitrag wir zum weltweit steigenden Nahrungsmittelverbrauch leisten können.“

Für ihn ist keine Frage, dass sich Europa nicht von den Agrarmärkten verabschieden darf. Und er fordert auch eine offene Diskussion über Themen wie Gentechnik oder „Genschere“. Es sei schon sehr viel Know-how weggebrochen. Die Diskussionsverweigerung darüber arbeite vor allem den so heftig kritisierten Multis in die Hände und befördere die Verengung des Angebots. Er sieht angesichts der kritischen Öffentlichkeit eine „geduckte Haltung, was Diskussionskultur und Forschung angeht“ und fordert Mut zur Diskussion ein.

Banse redet aber nicht blinder Produktionssteigerung das Wort, sondern fordert auch verstärkte Berücksichtigung von Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Biodiversität in der Produktion, die freilich finanziell abgegolten werden sollten. „Es gibt genügend Spielraum dafür, ohne Versorgungssicherheit und Bauern zu gefährden.“ Aber großen EU-Agrarländern wie Frankreich, Deutschland und Polen gehe es darum, die gegenwärtige Politik zu verteidigen.

Der deutsche Wissenschafter sieht vor allem die Politik in der Pflicht. Themen wie etwa die Verbesserung von Tierwohl sollten nicht privatwirtschaftlichen Initiativen überlassen bleiben, sondern vom Staat geregelt werden. Die Gesellschaft habe Verständnis für den Geldbedarf der Landwirtschaft. Dafür bedürfe es einer offenen Diskussion. Die vermisst er: „Es fehlt an Offenheit und Ehrlichkeit, es ist ein Herumdoktern ohne Strategie.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Jänner 2018

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