Donnerstag, 8. Februar 2018

Bohren in harten Brettern



Nein, diese unsägliche Zeilen in diesem unsäglichen Liederbuch sollen hier nicht schon wieder zitiert werden. Sie sind durch nichts erklärbar und durch nichts entschuldbar. Sie haben das Land entblößt. Wieder einmal. Warum gibt es solche Texte immer noch und solche Bücher? Und warum muss da überhaupt noch diskutiert werden, wo doch die Dinge so klar liegen? Diese Leute, in deren Umfeld solche Liedtexte gehortet und wohl auch gesungen werden, sind doch ansonsten schnell mit Forderungen nach Verbieten, Abschieben, Einsperren und Ähnlichem bei der Hand. Bei Themen, die sie selbst betreffen, ist das freilich anders. Da sind sie um keine Erklärung verlegen und haben immer wieder die Stirn, Verständnis und Rücksicht einzufordern, statt endlich einen klaren Strich zu ziehen, wo es nur einen klaren Strich geben kann. Und, das wohl typisch Österreichische ist, dass sie dieses Verständnis und diese Rücksicht auch von immer noch viel zu vielen Österreicherinnen und Österreichern bekommen. Nicht immer zwar vor Mikrofonen oder sonstwo in der Öffentlichkeit, wo einem das zum Schaden gereichen könnte, sehr wohl aber immer noch in den Hinterzimmern der Öffentlichkeit, an Stammtischen und wohl auch an nicht wenigen Wohnzimmmertischen, an die man sich Freunde eingeladen hat.

Immer noch bestimmt viel zu oft dieses gewisse Augenzwinkern die Dialoge, das signalisiert, dass man für solche Meinungen und Forderungen, Rücksicht zu nehmen, durchaus Verständnis hat. Da kommen aus allen Ecken Erklärungen, die mit "ja, aber" anfangen und es gibt jede Menge beiläufiges Nicken, wenn sich einmal jemand alteriert, dass "die in der Zeitung Blödsinn schreiben".

Es sind freilich nicht nur Freiheitliche, denen das vorzuwerfen ist. Stille Sympathisanten dieser Unkultur sind in allen Parteien und in allen Gesellschaftskreisen zu finden. Die unseligen Nazigeschichten sind ja nicht das einzige Thema, bei dem sich die Tiefen der österreichischen Seele und der österreichischen Unkultur zeigen, mit heiklen Themen umzugehen. Denn auch in vielen anderen Bereichen wird Rücksicht eingefordert und Rücksicht genommen, wo bei Licht betrachtet keine Rücksicht zu nehmen ist, sondern wo klare Linien gefragt sind. Dazu gehören auch Themen, wie sie im Gefolge der #MeToo-Debatte hochgekommen sind, Erziehungsfragen, Bildungsfragen, der Umgang mit Ausländern und Migranten auch und viele andere.

Diese Leute, die mit Achselzucken, "ja, aber"-Erklärungen, vielsagenden Blicken oder schlichtem Schweigen Zustimmung und Verständnis signalisieren, wo keine Zustimmung und kein Verständnis angebracht sein sollten, bestimmen in vielen Bereichen das Meinungsklima. Tief durchwirken sie den gesellschaftlichen Alltag, die Arbeitswelt und die Familien und erhalten damit überkommene Strukturen, Ansichten und Einstellungen.

Sie haben diese Wirkung freilich auch, weil es eine viel zu große schweigende Mehrheit gibt, die sich duckt und alles schluckt. Viel zu oft. Auch bei noch so fragwürdigem Verhalten und noch so kruden Einstellungen. Und sie haben diese Wirkung freilich auch, weil die, die sie im Visier haben, immer noch - aus Angst oder aus anderen Gründen -viel zu oft gute Miene zum bösen Spiel machen und Ungeheuerlichkeiten schlucken, die man ihnen zumutet. Dass man damit viel zu oft gerade den Umständen und Einstellungen, unter denen man leidet, Tür und Tor öffnet und Tyrannen, Polit-Machos und Ewiggestrigen und ihren Ansichten und Methoden die Bahn frei macht, mag man ihnen freilich nicht vorwerfen.

Die österreichische Gesellschaft ist feig, wo klare Linien nötig wären. Viel zu oft lässt man die falschen Leute gewähren und gibt ihnen damit Raum und Macht, mit der sie oft nichts anderes tun, als die Umgebung und oft sogar das ganze Land zu beschädigen.

Freilich gilt es das richtige Maß zu finden. Das gilt aber für beide Seiten. Und nicht nur für jene, wie es derzeit meist den Anschein hat, die sich gegen altgewohnte Vorgangs-und Verhaltensweisen auflehnen und sie ändern wollen, sondern vor allem für jene, die glauben, die Zeit aufhalten zu müssen.

Es ist wohl das, was man Bohren in harten Brettern nennt. Aber es führt wohl kein Weg darum herum. Schon jetzt trägt das Land schwer genug daran, dass es sich immer noch mit vielem herumschlagen muss, das längst aus der Zeit gefallen ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. Februar 2018

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