Montag, 19. Februar 2018

Österreichs schlaue Bauern



Von wegen rückständig – auf Österreichs Bauernhöfen lebt mehr Erfinder- und Pioniergeist, als man gemeinhin annimmt. In Sachen Innovation hängt die Landwirtschaft andere Branchen ab.

Hans Gmeiner
Salzburg. Weil sie mit dem Geld, das sie für ihre Milch bekamen, keine rechte Zukunft mehr sahen, begannen vor gut zehn Jahren Salzburger Bauern die Fütterung umzustellen. Statt mit vergorener Silage fütterten sie ihre Kühe mit natürlichem Heu, wie es direkt von ihren Wiesen kam. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach möglichst naturnahen Produkten versprachen sie sich davon bessere Preise. Das Kalkül ging auf. Die Marke „Heumilch“ ist heute eine der großen Erfolgsgeschichten der österreichischen Landwirtschaft.

Knapp 500 Mill. Kilogramm werden inzwischen im In- und Ausland als Heumilch vermarktet. Für die Landwirte gibt es einen eigenen Heumilch-Zuschlag von fünf Cent pro Kilogramm. „Für unsere Bauern haben wir damit im Vorjahr einen Mehrwert von 24 Mill. Euro geschaffen“, sagt Karl Neuhofer, Obmann der Arge Heumilch, stolz.

Für Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) ist das Heumilch-Projekt typisch für das Innovationsverhalten in der heimischen Agrarszene. „Die Leute, auch in der Wissenschaft, glauben immer noch, dass die Bauern nicht innovativ sind, sondern arme Hascherln, denen man helfen muss“, sagt der Wifo-Experte. „Sie kaufen, so die landläufige Meinung, nur über Maschinen, Saatgut und Pflanzenschutzmittel Innovationen zu, die in anderen Bereichen entstanden sind, und wenden sie an.“

Die Realität sei aber eine ganz andere. Auf den Höfen gebe es permanent Anpassungen und Veränderungen, die von den Bauern selbst mit viel Ausdauer, Know-how und Geld entwickelt werden, um mit ihrer Situation zurechtzukommen.

„Innovation in der Landwirtschaft ist etwas anderes als sonst in der Wirtschaft“, sagt Sinabell. Es gehe weniger um das Entwickeln von Patenten und auch nicht um Gewinnmaximierung. „Meist geht es darum, die eigene Lage und die Lage der Landwirtschaft insgesamt zu verbessern und den Hof langfristig abzusichern. Und nicht darum, dass ein einziger Bauer so die ganzen Gewinne macht“, sagt Sinabell. „Damit festigt die Landwirtschaft ihre Position in der Gesellschaft und auf den Märkten und verringert ihre Abhängigkeit.“

In einer eigenen Innovationserhebung fand das Wirtschaftsforschungsinstitut heraus, dass im Zeitraum zwischen 2011 und 2015 auf fast 80 Prozent der heimischen Höfe entweder Neuerungen bei Produkten oder Dienstleistungen, in produktionsbezogenen Prozessen oder in der Organisation eingeführt wurden. Damit liegen die Bauern, was die Innovationsfreude anlangt, um gut 20 Prozentpunkte über dem Durchschnitt.

Wichtigste Triebfeder für Innovationen in der Landwirtschaft ist das schwierige wirtschaftliche Umfeld. „Die einen gehen in die Produktdifferenzierung und versuchen sich vom Angebot abzuheben, andere verfolgen die Strategie, alles darauf auszurichten, um im Preiswettbewerb mithalten zu können.“

Heumilch ist nicht das einzige Beispiel für die Innovationsfreude der heimischen Bauern. Ständig wird auf den Feldern und in den Ställen an Verbesserungen getüfttelt, werden neue Produkte ausprobiert, neue Früchte, neue Produktionsverfahren und neue Vermarktungskanäle.

Inzwischen wird selbst in Oberösterreich Kürbis angebaut, setzen Ackerbauern auf Walnüsse als neuen Betriebszweig. Es gibt sogar heimische Melonen im Angebot, und man hat sich mit einst fremden Früchten wie Soja ein neues Standbein aufgebaut. Viele Bauern spezialisieren sich auf Produktionszweige oder stellen auf biologische Wirtschaftsweise um.

Zu den Innovationen gehört auch die Entwicklung neuer Geräte wie ein spezieller Häufelpflug, der im Biolandbau ein Renner ist.

Direkte Innovationsförderung in der Landwirtschaft ist in Österreich hingegen eher mager dotiert. Die Kosten und das Risiko für die Innovationen tragen die Bauern daher meist selbst. Nur neidvoll können sie auf das Ausland schauen. Der Anteil der Forschungsausgaben für die Landwirtschaft aus öffentlichen Budgets liegt in Österreich bei einem schmalen Prozent der agrarischen Bruttowertschöpfung. „Das sind rund 27 Mill. Euro“, sagt Sinabell. Damit liege man in Europa im hinteren Drittel. „Die Niederlande haben eine vier Mal höhere Wertschöpfung und geben zwei Mal soviel aus, das ist insgesamt also acht Mal mehr als Österreich.“

Nicht zuletzt deshalb spielt die dortige Landwirtschaft international in einer anderen Liga. „Wenn man einmal an der Universität in Wageningen war, dem Zentrum der Agrarforschung in Holland, dann wird klar, dass viel Geld auch viel hilft“, sagt Sinabell.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 19. Februar 2018

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