Donnerstag, 29. März 2018

Eiserne Faust mit sanftem Lächeln



Sie ist auf Facebook daheim, auf Twitter und auf Instagram. Sie tritt in den Medien routiniert auf und baut konsequent an ihrem Image. Nichts scheint bei Elisabeth Köstinger ohne Kalkül. „Bäuerliche Familienbetriebe sind das Herzstück des ländlichen Raumes“ postuliert sie oft, was Bauernohren gerne hören. „Dieses Bekenntnis erwarte ich auch von Europa.“ Sie redet davon, dass Österreich den Wettbewerbsvorteil bei Bio erhalten müsse und sagt auch, dass ihr wichtig sei, die konventionellen Betriebe stärken, die „zum Teil höhere Qualitätsauflagen als Bio-Betriebe in anderen Ländern“ hätten.  Sie blafft in Richtung  der großen Handelsketten und gibt sich unbeeindruckt von der Diskussion um eine Kürzung des EU-Agrarbudgets. „Das kommt für mich nicht in Frage.“. Den Zeitungs-Boulevard bedient sie mit einer Absage an das Mercosur-Abkommen und wird dort dafür hofiert mit Sätzen wie „Draußen ist’s noch winterlich, doch Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger trägt ganz offensichtlich schon den Frühling im Herzen!“. Dass sie ihr erstes Kind erwartet, fügt sich da schier perfekt darein.

Bisher macht die ehemalige EU-Parlamentarierin Elisabeth Köstinger als Landwirtschaftsministerin einen passablen Job und gibt mit Erfolg das freundliche und moderne Gesicht der Landwirtschaft. Im heimischen Agrar-Apparat schätzt man ihre Handschlagqualität und ihre Kompetenz. Dass sie als enge Vertraute von Kanzler Sebastian Kurz ein politisches Schwergewicht im Land ist, ist zu ihrem Schaden nicht.

Während sich ihr Vorgänger nach den ersten drei Monaten im Amt mit eigentümlichen Äußerungen und befremdlichem Auftreten längst um Ansehen und Vorschusslorbeeren gebracht hatte, ist Köstinger dabei, schon die ersten Erfolge einzufahren. Dass es für die Bauern keine Kürzungen im Doppelbudget gab und für Großküchen in Zukunft bei Bestellungen von Lebensmitteln das Best- und nicht mehr das Billigstbieterprinzip gelten wird, darf sie sich bereits auf ihre Fahnen heften.

Mit zum Teil harten Personalentscheidungen in ihrem Einflussbereich, wie etwa bei den Bundesforsten, hat sich hat sich Respekt verschafft. Bei Entscheidungen groß Rücksichten zu nehmen, ist ihre Sache offenbar nicht. Da zeigt sie statt einem freundlichen Lächeln die eiserne Faust und Machtbewusstsein, das man ihr nicht zutrauen würde.  

Noch muss sich freilich weisen, ob das alles trägt, was Köstinger erwarten lässt. Die Latte hat sie sich mit ihrem bisherigen Auftreten und mit ihren bisherigen Aussagen jedenfalls sehr hoch gelegt. Bisher gelang ihr vor allem gute Stimmung und Vertrauen zu erzeugen. Ernsthafte Probleme hatte sie noch nicht zu lösen. Und auch ein großes Konzept, das den Bauern Orientierung und Zuversicht geben könnten, sind bisher nicht bekannt.

Gelegenheit zu zeigen, was sie wirklich kann, gab es bisher nicht. Die wird es aber reichlich und bald geben. Bei den GAP-Verhandlungen muss sie Erfolge erst einmal heimbringen, bei Mercosur auch, beim Handel und bei den Einsparungen in der Verwaltung – bei ihren Ankündigungen bleibt ihr gar nichts anderes übrig.

Gmeiner meint - Blick ins Land, April 2018, 29. März 2018

Donnerstag, 22. März 2018

Asylthema braucht intelligente Lösungen



Es wird inzwischen überall nur mehr „Ausländer-Sparpaket“ genannt und die Regierung ist wohl  mächtig stolz drauf. Dass künftighin im Budget mehrere hundert Millionen Euro bei den Flüchtlingen eingespart werden sollen, fügt sich in die immer restriktivere Einwanderungspolitik. Asylsuchenden will man in Österreich den Aufenthalt möglichst schwer machen. Damit handelt man wohl im Sinn vieler Österreicherinnen und Österreicher.

Bei vielen aber wächst inzwischen der Unmut. Denn für immer mehr ist nicht nachvollziehbar, dass man die Integrationsbemühungen wie Deutschkurse und ähnliches zurückdrängt, die Flüchtlinge abgeschottet in eigenen Lagern zusammenfassen und ihnen die Gelder kürzen will. In der Bevölkerung schwindet das Verständnis dafür, dass unbescholtene und seit Jahren bestens integrierte Familien, die schon gezeigt haben, was sie können, mit aller Härte abgeschoben werden, während, wie sich kürzlich der bei dem Mordfall in Wien zeigte, einschlägig bekannte Kriminelle weiter in Österreich sind. Selbst Kardinal Schönborn appellierte jüngst das humanitäre Bleiberecht „großherziger“ anzuwenden.

Auch in der Wirtschaft wächst der Ärger. In den vergangenen Wochen waren die Zeitungen voll mit Geschichten von Asylwerbern, die sich als Lehrlinge in heimischen Betrieben bewährten und die dennoch von einer Stunde auf die andere abgeschoben werden sollten, obwohl Branchen wie die Gastronomie dringend nach Arbeitskräften suchen.

Sogar so honorige Einrichtungen wie die Österreichische Hoteliervereinigung machen sich inzwischen für eine Änderung der Politik stark. Über Facebook wandte man sich jüngst an die Mitglieder „Bitte melden sie sich, wenn auch Ihr Lehrling von Abschiebung bedroht ist“. Im oberösterreichischen Innviertel forderten 180 Unternehmen dieser Tage von Bundeskanzler Kurz in einem offenen Brief „Hausverstand und Augenmaß von den Entscheidungsgremien“. Asylwerber seien „begehrte Lehrlinge“, mit denen man viele positive Erfahrungen gemacht habe. Doch derzeit nähmen „aktuelle gesetzliche Regularien und Verordnungen scheinbar keine Rücksicht darauf“. Und in Salzburg macht sich inzwischen sogar die Wirtschaftskammer offiziell stark für eine Lösung, die Asylwerbern ein Bleiben in der Lehre ermöglichen soll. Denn neben der Gastronomie wollen auch viele Betriebe aus Industrie und Handwerk nicht auf potenzielle künftige Arbeitskräfte verzichten.

„Wir brauchen zum Thema Ausländer und Asylwerber eine entspannte, unpolitische und objektive Diskussionskultur“, schreiben die Innviertler Unternehmen in ihren Brief an den Bundeskanzler. Ihnen ist nur beizupflichten. Es ist hoch an der Zeit für einen pragmatischen Umgang mit dem Thema. Ohne Emotionen, ohne Scheuklappen und ohne Schaum vor dem Mund. Es geht darum, mit dem Thema intelligent umzugehen.

Aufgabe der Politik ist es nicht, Österreich möglichst Asylwerber-frei zu machen und zu halten, sondern das Potenzial, das sich dadurch bietet, für die Gesellschaft und die Wirtschaft zu nutzen. Ganz abgesehen von den Gründen, die die Menschlichkeit gebietet.  Aber, so wie man vor drei Jahren, als die Flüchtlingswelle über Europa schwappte, vielleicht allzu blauäugig war, scheint man jetzt allzu verbohrt zu sein, sich alle Asylsuchenden möglichst schnell vom Leib zu schaffen.

Dass es intelligente Möglichkeiten gibt, zeigt der Hinweis von Kardinal Schönborn auf das humanitäre Bleiberecht. Das zeigt aber auch Deutschland, wo man sich zumindest darauf verständigt hat, dass Asylwerber ihre Lehre beenden und dann noch zwei Jahre im Land bleiben dürfen, um sich zu beweisen.

Bemühungen in solche Richtungen sind im derzeitigen politischen Klima und in der derzeitigen Regierungskonstellation bei uns freilich sehr überschaubar. Einzig Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl fiel in der politischen Öffentlichkeit Österreichs bisher mit Vorschlägen und Forderungen auf. „Ich plädiere für menschliche Lösungen in Einzelfällen“, sagt er in Interviews immer wieder. „Die Asylwerber aus der Lehre heraus abzuschieben bedeutet, die Integrationswilligen zu Illegalen zu erklären und damit zu bestrafen, während zugleich viele andere, die keine Integrationsbereitschaft zeigen, bleiben können“, wird er zitiert.

Da wäre zumindest ein Anfang. Denn ist es ist hoch an der Zeit, neue Wege zu finden, die sich nicht sklavisch an Paragraphen klammern, sondern die den Bedürfnissen und Möglichkeiten, die sich bieten, möglichst gerecht werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. März 2018

Donnerstag, 15. März 2018

Keinen Deut anders



In der vergangenen Woche ließen sich Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache nach dem Ministerrat für den Verzicht auf die automatische Anpassung, sprich Erhöhung, der Parteienförderung feiern und hatte keine Scheu, das als „sparen“ zu verkaufen. „Wir wollen im System sparen und dazu sollen auch die Parteien einen Beitrag leisten“, sagten sie einträchtig.

Der gemeine Staatsbürger, respektive die gemeine Staatsbürgerin, weiß – alles ist relativ. Schon gar wenn man den Verzicht auf eine automatische Erhöhung, die man seinerzeit ins System einbaute, wohl um Diskussionen aus dem Weg zu gehen, als „sparen“ verkauft. Denn als „sparen“ versteht man gemeinhin, wenn man künftighin mit weniger Geld auskommen muss, als zuvor. Nur die Regierung scheint darunter auch zu verstehen, wenn man auf etwas, das man bekommen könnte, verzichtet.

Wie in den vergangenen Jahren ist dieser Budgetposten auch in Zukunft mit 29,4 Mill. Euro dotiert und nicht mit 31,1 Millionen. Für die Parteien hätte es also 1,7 Millionen Euro mehr geben können. Sparen, das wird der guten Schlagzeilen wegen einfach unterschlagen, müssen sie deswegen keinen einzigen Euro. 

Ganz abgesehen davon, dass diese Erhöhung auf die man jetzt so schlagzeilenträchtig verzichtet nicht viel mehr sind, als ein paar Brösel auf dem reich gedeckten Parteientisch. Denn zählt man alles zusammen, macht die Parteienförderung in Österreich schon jetzt nicht weniger als 209 Mill. Euro aus. Gut 142 Millionen davon sind der klassischen Parteienförderung zuzuzählen, knapp 50 Millionen der Förderung von Parlaments- und Landtagsclubs und 12,5 Millionen für die politischen Akademien der Partien. Und als ob das nicht genug wäre, fließen auch auf Ebene der Gemeinden noch zusätzlich Gelder.

Aber dennoch werden Politiker beklatscht dafür, dass sie diese Summe nicht noch weiter erhöhen. Gar nicht zu reden davon, dass vom richtigen sparen keine Rede ist, schon gar nicht von echten Einschnitten in der Parteienförderung. Von den Politikern der Regierungsparteien sowieso nicht, bis auf die Neos auch nicht von denen der Opposition, aber auch sonst von niemandem. Kommentarlos nahm man die Verkündung der heimischen Regierungsspitze hin und rapportierte sie brav und unkommentiert in den Medien - selbst so nonchalant-dreiste Äußerungen, wie die des Vizekanzlers, der meinte, „wir verfügen jetzt schon über eine der höchsten Parteiförderungen in Europa, daher ist es angebracht, das wir hier mit gutem Beispiel vorangehen und diese fünfprozentige Erhöhung einsparen“.

Es ist nur ein Beispiel dafür, wie alt die Politik der neuen Regierung , die angetreten ist, das Land zu erneuern und Altes aufzubrechen, in vielen Teilen dennoch ist. Und es ist nur ein Beispiel dafür, wie leicht sich die Menschen, selbst wenn sie sich zu Gute halten, kritisch und aufmerksam zu sein, blenden lassen und dabei den Fokus auf die eigentlichen Themen verlieren. Und wie festgefahren Verhaltensweisen und Denkmuster nicht nur in der Politik, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern sind.

Es gibt auch andere Beispiele, die einen Staunen lassen. Die Umfärbung des ÖBB-Aufsichtsrates durch den blauen Verkehrsminister Hofer ist so eines. Ohne sachliche Not wurde fast der gesamten Aufsichtsrat ausgetauscht und mit eigenen Parteigängern besetzt. Kaum Proteste, keine Aufregung. Als österreichischer Politbrauch wurde es hingenommen, um Notwendigkeit und gar um die Qualifikation der Neuen ging es kaum. Schier überall nur verständnisvolles Abnicken eines an sich unerhörten Vorgangs, in einem Land, das seit Jahrzehnten fest in der Hand von Parteien ist. Selbst, dass sich ausgerechnet die SPÖ echauffierte und dass sie dabei auch noch von bestimmten Kreisen unterstützt wurde, passte in dieses Bild. Eine grundsätzliche Diskussion, wie und nach welchen Kriterien Aufsichtsräte in öffentlichen Unternehmen zu besetzen seien, kam freilich auch da nicht zustande. Nicht anders wie bei der Parteienfinanzierung.

Man staunt nicht nur in diesen Fällen, wie selbst größte Ungeheuerlichkeiten hingenommen werden, wenn es den Menschen ins Konzept passt. Man staunt, wieviel Honig sie sich ums Maul schmieren lassen, wenn es nur die ihrer Ansicht nach Richtigen tun.

Nicht staunt man freilich sonderlich darüber, dass die, die angetreten sind, das Land zu erneuern, wohl auch um keinen Deut anders sind, als ihre Vorgänger. Sie machen es offenbar nur besser.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 15. März 2018 

Donnerstag, 8. März 2018

Wenn Verantwortung so groß wie Versuchung ist



Als das lange diskutierte "Überwachungspaket" der Bundesregierung vor zwei Wochen den Ministerrat passierte, war die Aufregung groß im Land. Man sei dabei, den "perfekten Überwachungsstaat" einzurichten -mit Handyortung, Videoüberwachung und Bundestrojaner. Die Sorgen sind durchaus verständlich und nachvollziehbar. Wer will schon, dass hinter ihm hergeschnüffelt und jeder Schritt verfolgt wird. Ohne die Pläne der türkis-blauen Regierung verteidigen oder verharmlosen zu wollen, gegen das, was in China läuft, sind das alles Kinkerlitzchen. In den vergangenen Wochen häuften sich die Berichte von europäischen Korrespondenten in Peking, die einen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen lassen. Am liebsten würde man gleich den Computer abstecken, sich ein Offline-leben einrichten und nur mehr Tarnkappe tragen.

Da wird davon berichtet, dass die chinesischen Sicherheitsbehörden seit Anfang Februar mit Polizeibeamten digitale Brillen testen, die Gesichter erkennen können. Basis dafür sind die biometrischen Daten aller 1,3 Milliarden Chinesen. "Die Reisenden bekommen es gar nicht mit, dass die Polizisten ihre Gesichter scannen", heißt es erstaunt. "Über Kopfhörer werden die Polizisten vor Ort informiert, ob die betroffene Person verdächtig ist". Gleich in den ersten Tagen wurde das dutzenden kleineren und größeren Schlawinern zum Verhängnis. Gesichtserkennungs-Software ist aber auch auf Drohnen installiert, die über Märkten kreisen oder auf kleinen Robotern, die auf Bahnhöfen auf-und abfahren.
Im größten Land der Erde sind auch ganz offiziell die Computer der Banken, Grenzbehörden und Flug-und Bahndienste vernetzt. 9,2 Millionen Menschen sollen inzwischen auf solcherart erstellten schwarzen Listen stehen. "Da sie nicht kreditwürdig sind, dürfen sie weder das Land verlassen noch Flugzeuge oder teure Hochgeschwindigkeitsbahnen nutzen."

Bis 2020 will Peking dem Vernehmen nach noch einen entscheidenden Schritt weitergehen. Die neuen Systeme der Überwachung sollen dann auch für die Erziehung und Bewertung der Bevölkerung eingesetzt werden. Seit drei Jahren laufen in verschiedenen Städten bereits Programme, bei denen das Sozialverhalten der Bürger, ihre Kreditwürdigkeit und ihr staatsbürgerliches Verhalten benotet werden. "Es geht darum, Wohlverhalten zu belohnen und Regelabweichungen zu bestrafen", schreibt ein Korrespondent. Festgehalten wird alles -ob man bei der Arbeit fleißig oder ob man beim Schwarzfahren erwischt worden ist. Alles wird zu einer Punktzahl addiert, die einem dann das Leben erleichtern und etwa bei der Wohnungssuche eine bevorzugte Behandlung bringen kann -oder die eben das genau Gegenteil davon bewirkt.


Auch wenn man sich nichts zuschulden hat kommen lassen, kann man als Bürger das nicht wollen. Dass die Besorgnis wächst, die manche schon jetzt umtreibt, wird da greifbar. Das Verständnis für die, die den Computer am liebsten nicht mehr angreifen würden, nimmt zu. Helfen wird ihnen das freilich wenig, jedenfalls nicht in dem von ihnen gewünschten Maß. Denn den technischen Fortschritt wird man nicht aufhalten können. Schon jetzt sind auch bei uns hinter vorgehaltener Hand Erzählungen von ungeheuren Datenansammlungen bei den verschiedensten Behörden und Organisationen in Österreich zu hören, die einen erschaudern lassen. Und da geht es nicht nur um die Daten, die wir über unser Internet-Surfverhalten nolens volens der Wirtschaft und insbesondere dem Handel preisgeben. Und es geht auch nicht um die Daten, die wir über Kundenkarten freiwillig zur Verfügung stellen. Da geht es um ganze Bewegungs-und Verhaltensprofile, die einen nicht nur für die Wirtschaft zum Freiwild machen, sondern auch für Behörden.

Weil man als Nutzer völlig ausgeliefert ist, ist ein sorgsamer Umgang mit den technischen Möglichkeiten vor allem von der Politik einzufordern. Sie muss sichere Rahmenbedingungen schaffen und trägt die Verantwortung dafür, dass kein Missbrauch getrieben wird. Auch nicht in dem Umfeld, für das man unmittelbar verantwortlich ist, in den Ämtern und Behörden. Auch wenn die Versuchung angesichts der Möglichkeiten, die sich bieten, noch so groß sein mag. Und auch wenn sich Erklärungen und Rechtfertigungen noch so leicht und vielleicht auch vordergründig-schlüssig anbieten mögen.

Daran ist auch unsere jetzige Regierung zu messen. Auch wenn es angesichts verschiedener Äußerungen schwerfallen mag.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. März 2018

Donnerstag, 1. März 2018

Gut gebrüllt mit kleinem Format



Agrarpolitik ist ein schwieriges Geschäft. Es verlangt viel Wissen, viel Durchsetzungsvermögen, einen breiten Rücken und vor allem gute Ideen. Es gibt nur wenige, die die Anforderungen erfüllen in Österreich. Auch wenn viele das von sich meinen. Vor allem, weil sie mit der Materie und den Zusammenhängen in der sie steht zu wenig auseinandersetzen und nicht über den Tellerrand schauen wollen. Viele hierzulande, die sich in der Agrarpolitik engagieren, missverstehen die schier ausschließlich als Formulieren von Forderungen und als möglichst eindrückliches Beklagen der Lage der Bauern. Viele geben Macht und Einfluss vor, die sie nicht haben und wenn es aber um Verantwortung geht, suchen sie gerne bei anderen die Schuld.
Gute Agrarpolitik messen sie meist vor allem daran, oft in der Zeitung vorzukommen. Groß und möglichst mit Bild.
Dass sie damit den Bauern nicht wirklich Gutes tun, wollen sie nicht verstehen. Und dass sie die Sache der Landwirtschaft damit nicht weiterbringen, auch nicht. Mit ihren schillernden Klagen lenken sie oft nichts denn vom eigenen Unvermögen ab, etwas voranzubringen. Oft macht die Unkultur des Klagens die Dinge nur schlimmer. Nicht nur, weil sie den Bauern nichts bringt, sondern auch, weil sie die Glaubwürdigkeit der Landwirtschaft untergräbt. 
Aber diese Art von Politik ist halt einfacher, da braucht es nicht viel Wissen und nicht viel Können, da braucht es vor allem keine Ideen. Man muss nur laut genug sein. Agrarpolitiker, die diesem Stil anhängen, gibt es in allen Parteien und auf allen Ebenen.
Jüngst erst in der Steiermark rief der Agrarlandesrat höchstselbst die Gefahr einer Hungersnot aus, „wenn ein Konzern einen Schalter umlegt“. In Österreichs größtem Kleinformat wetterte der gute Mann frei von Fakten aber mit viel Emotionen, wie sonst nur Vertreter von NGO und andere, die der Bauernarbeit nicht unbedingt wohl gesonnen sind, gegen Saatgut, Düngemittel  Pflanzenschutz und führte Klage darüber, dass sich „Großkonzerne“ zusammengeschlossen hätten um die „Gesetze mitzuformen“. Er stellte Schweinezucht, Hybridhühner und Hybridmais in ein schlechtes Licht und streute gekonnt Parolen ein, wie „die Vielfalt lassen wir uns nicht nehmen“.
„Gut gebrüllt“ ist da wohl das einzige, was man ihm konzedieren mag. „Gut gebrüllt“ freilich nur in seinem Sinn. Im Sinn der Bauern, zumal der steirischen Bauern, die von und mit dem Mais, den Schweinen und den Hühnern leben, die er da vollmundig anpatzte, ist das vermutlich nicht. Da wirken diese Aussagen wohl eher als Brandbeschleuniger in einer ohnehin hitzigen Diskussion mit der Gesellschaft. Da können sich die Bauern nur mehr ducken. Wundern dürfen sie sich jedenfalls nicht, wenn ihnen die Gesellschaft das Leben immer noch ein Stückerl schwerer macht.
Ganz abgesehen davon, dass zu fragen ist, wo der gute Mann in alle den Jahren war, in denen er den Bauernvertreter gibt, und was er wirklich für die Bauern zusammengebracht hat.
Denn außer Parolen, war in den Interview nichts zu vernehmen, was die Landwirtschaft voranbringen könnte.
Nicht von ihm, und wie andernorts so oft auch von vielen seiner Kolleginnen und Kollegen. Nicht nur in der Steiermark.
 Gmeiner meint - Blick ins Land, 1. März 2018

"Schlicht und einfach nur ein Skandal"



Sepp Schellhorn ist ein gebranntes Kind. 23 Mal wurden die Betriebe des Salzburger Gastronomen vom Arbeitsinspektorat, von der Lebensmittelaufsicht, der Gebietskrankenkasse, der AUVA, der Finanz und vielen anderen Stellen kontrolliert, seit er vor viereinhalb Jahren für die NEOS in den Nationalrat einzog. Selbstredend, dass es für ihn ein gefundenes Fressen war, als die Wiener Stadtzeitung "Der Falter" vorige Woche aufdeckte, dass es für die Arbeitsinspektorate ganz offenbar Zielvorgaben bei den Betriebskontrollen gibt. Mindestens 38 Prozent der Kontrollen müssen, so verlangt es ein Erlass, auch zu Beanstandungen führen. "Dass es offensichtlich eine Order gibt, dass Beanstandungen gemacht werden müssen, ist sehr bedenklich", schimpfte Schellhorn auf Facebook. "Schließlich sind es gerade die klein-und mittelständischen Unternehmen, die Arbeitsplätze in Österreich schaffen." Selbst der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer wollte da im aufdräuenden Salzburger Landtagswahlkampf nicht nachstehen und sagte, dieser Erlass sei "schlicht und einfach nur ein Skandal".

Auch wenn die neue Sozialministerin Hartinger-Klein diesen Erlass umgehend entschärfte und ihrem Vorgänger Alois Stöger in die Schuhe schob, glaubt man sofort, dass nach solchen Vorgaben gearbeitet wird. Zu viel war in den vergangenen Jahren von Klagen über Beanstandungen zu hören, denen der Geruch von Schikane anhaftet, zu viele fühlen sich zu oft nichts denn gequält.

"Die Inspektoren suchen oft lange, bis sie etwas finden, sagen die Unternehmer" - stand dieser Tage in einer Zeitung zu lesen. Und da geht es um weit mehr als die Vorschriften, die von den mehr als 400 Arbeitsinspektoren im ganzen Land kontrolliert werden. Ganze Bibliotheken könnten wohl inzwischen mit Geschichten gefüllt werden, mit dem, was nicht nur die Unternehmer, sondern viele andere auch, nicht nur mit den Arbeitsinspektoren, sondern auch mit vielen anderen Behörden mitmachen. Zu zerrüttet ist längst das Vertrauen, als dass man viel Verständnis aufbringen mag für die Erklärungen und Rechtfertigungen, die angeboten werden. Es sind die Bevormundung, die Entmündigung und das Einmischen in alle Bereiche, die als Zumutung und Belastung empfunden werden, die oft viel zu weit über die ursprünglichen Ziele hinausschießen und Verbitterung, Frust und Wut erzeugen.

Viel zu viel ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten passiert, als dass man all die Geschichten, die kolportiert werden, nicht glauben würde. Und es sind bei Gott nicht nur die Wirte, die darunter zu leiden hatten und haben. Es trifft praktisch alle, die ein Unternehmen führen. Man leidet unter der Kontrollbürokratie, man stöhnt unter dem, was einem abverlangt und auferlegt wird, wenn Tag für Tag Beamte und Kontrolleure ausrücken, um alles nachzumessen und nachzurechnen und zu prüfen, ob auch wirklich alles den tausenden von Vorschriften, die sich in den vergangenen Jahrzehnten angesammelt haben, auf Millimeter, Cent, Punkt und Beistrich entspricht. Da geht es um die Finanzprüfungen genauso wie um die Kontrollen der Krankenkassen, um Hygienevorschriften und zahllose andere mehr bis hin zu solchen, die immer noch in der Gewerbeordnung fortleben.

Und nicht nur Sepp Schellhorn fragt sich jetzt, ob es nicht in all diesen anderen Sparten und auch in ganz anderen Lebensbereichen wie bei Verkehrskontrollen nicht auch ähnliche Zielvorgaben gibt wie für die Arbeitsinspektoren. Der Verdacht liegt jedenfalls nahe und dass er gehegt wird, ist wohl keinem übel zu nehmen.

Die Bürokratie ist eine der ganz großen Geißeln des Landes. Sie hemmt die Wirtschaft, sie nervt die Betroffenen, sie kostet Kraft und sorgt viel zu oft nur für Ärger und Verdruss. Das Klima scheint nachhaltig vergiftet, nicht so sehr, weil es immer wieder ungeeignete und anmaßende Kontrolleure geben mag (unangenehme Zeitgenossen gibt es auch auf der Seite der Kontrollierten), sondern viel mehr wegen der schier unendlichen Zahl der Vorschriften, die einzuhalten sind.

Die neue Regierung hat sich den Kampf gegen diese Monster groß auf die Fahnen geschrieben. Es ist noch zu früh, darüber zu urteilen. Der Erlass, der dieser Tage für so große Aufregung sorgte, zeigte aber nachdrücklich, wie groß der Bedarf ist den Kampf aufzunehmen. Wieder einmal.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 1. März 2018
 
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