Montag, 11. Juni 2018

Die Genschere macht Hoffnung



Eine neue Technologie soll die Pflanzenzucht revolutionieren: Genome Editing gilt als Antwort auf die Gentechnik. Europa zögert.

Hans Gmeiner  

Linz. Genome Editing revolutioniert die Pflanzenzucht. Anders als bei der Gentechnik werden bei diesem neuen Verfahren Gene gleicher Art nur ausgetauscht, stillgelegt oder allenfalls wieder eingesetzt, um verloren gegangene Eigenschaften nutzen zu können. Während in der Gentechnik das Material so verändert wird, wie es die Natur selbst nicht zustande brächte, bleibt man im in der Pflanzenzucht gewohnten System. Es werden in der Regel keine Fremdgene eingesetzt, und es wird auch kein transgenes Material übertragen.

Genome-Editing-Verfahren wie die Gen-Schere CRISPR-Cas (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) verkürzen die oft langwierigen Züchtungsverfahren und sind auch deutlich einfacher und wesentlich günstiger als die Verfahren der klassischen Gentechnik.

Die Fachwelt ist begeistert. Nicht nur in der Pflanzenzucht. Auch in der Medizin sieht man große Möglichkeiten. „Das ist eine ganz unglaubliche Technologie, ein ganz, ganz großer Durchbruch“, sagt etwa der Humangenetiker Markus Hengstschläger. Er sieht vor allem die Möglichkeit, heimtückische Krankheiten auszuschalten, denen bisher nicht beizukommen war.

„Für Pflanzenzüchter ist es nichts anderes als ein weiteres Werkzeug“, sagt Eva Stöger, Professorin für Molekulare Pflanzenphysiologie an der Wiener Universität für Bodenkultur, nüchtern. Die gebürtige Salzburgerin sieht die Technologie als große Chance, die Saatzucht international wieder auf eine breitere Basis zu stellen. „Diese Technologie kann auch von kleineren und mittleren Betrieben sehr gut genutzt werden.“ Das wäre laut Stöger auch „durchaus wünschenswert“, weil damit ein Gegengewicht zu den wenigen großen Konzernen entstehen könnte, die international das milliardenschwere Saatzuchtgeschäft in der Hand haben. „Damit könnte auf regionale Notwendigkeiten besser Rücksicht genommen werden.“

„Genome-Editing-Verfahren ermöglichen, ganz gezielt gewünschte Mutationen in die Pflanzen einzubringen“, sagt Stöger. Das Ergebnis sei nicht von einer auf natürlichem Weg zustande gekommenen Mutation unterscheidbar. Bisher konnten solche Veränderungen nur per Zufall und durch komplizierte Selektion in der Züchtung erreicht werden. Weil es sich nur um eine neue Methode eines seit Jahrzehnten gebräuchlichen Verfahrens handelt, ist für Stöger klar, dass die für die Gentechnik gültigen Regularien nicht auf die neuen Verfahren angewandt werden sollten. „Dieses Verfahren passt selbst für die Bio-Landwirtschaft“, sagt die Expertin.

Das Einsatzfeld für die neue Technologie ist breit gefächert. Damit können unerwünschte Eigenschaften rascher aus Pflanzen weggezüchtet werden und gewünschte Eigenschaften in die Pflanzen eingebracht werden. Wofür man bisher Jahre brauchte, scheint nun in einer deutlich kürzeren Zeit und auch zu wesentlich niedrigeren Kosten möglich. So könne damit etwa das Weizen-Gen, das für Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) verantwortlich ist, ausgeschaltet und der Weg zu einem mehltauresistenten Weizen abgekürzt werden, sagt Stöger als Beispiel.

Vor allem in den USA und in Asien hat man sich laut Stöger längst auf die neue Technologie gestürzt. In Europa hingegen weiß man immer noch nicht, wie man mit den Genome-Editing-Verfahren umgehen und ob man sie den rigiden Gentechnik-Regularien unterwerfen soll oder ob die Vorschriften für die Erzeugung von Pflanzenmutationen ausreichen. Statt wie ursprünglich Ende April geplant, wird die EuGH-Entscheidung nun noch vor dem Sommer erwartet.

Es gibt auch Skepsis. „Es ist eine neue Technologie, von der noch nicht bekannt ist, welche Folgen sie für Konsumenten und Ökosystem hat“, heißt es etwa von Biobauern zurückhaltend.

Die heimische Saatzuchtwirtschaft hofft dennoch, dass auch Österreich keine Steine in den Weg legt. „Das wäre für uns die Chance, an der internationalen Entwicklung teilzuhaben und den Großen Paroli zu bieten“, sagen Josef Frauendorfer und Karl Fischer von der Saatbau Linz, Österreichs größtem Saatzüchter. „Es wäre inakzeptabel, wenn wir diese Möglichkeit nicht bekämen, aber gleichzeitig Produkte, die noch dazu mit einer in Europa entwickelten Technologie erzeugt werden, importiert würden.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 11. Juni 2018

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1