Montag, 18. Juni 2018

Er kämpft für die Bauern



Josef Moosbrugger, neuer Präsident der Landwirtschaftskammer, sieht die EU gefordert, sich zu entscheiden, welchen Weg sie in der Agrarpolitik gehen will.

Hans Gmeiner 

Wien. „In der Landwirtschaft gibt es keine Subventionen, das sind Leistungsabgeltungen. Da lege ich Wert drauf.“ Wenn es um Geld für die Landwirtschaft geht, dann lässt der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich über Begriffe nicht mit sich reden. Für Josef Moosbrugger, Bauer aus Dornbirn und seit gut einem Monat Österreichs oberster Bauernvertreter, ist klar: „Der Landwirt erbringt Leistungen, wie die Einhaltung hoher Produktionsstandards, die Gentechnik-freie Produktion, die Pflege des ländlichen Raumes, den Nutzen, den der Tourismus davon hat, und vieles andere mehr, dafür kriegt er Geld.“

Und so soll es auch bleiben. Darum hat Moosbrugger auch kein Verständnis dafür, dass die EU die Gelder für die Bauern kürzen will. „Gleiche Leistung für weniger Geld wird es mit der Landwirtschaft nicht geben. Das sind ja keine Almosen und wir sind keine Bittsteller.“ Da hat er auch keine Scheu, selbst den Bundeskanzler persönlich in die Pflicht zu nehmen, der trotz des Wegfalls von Großbritannien mit der Devise „Kein zusätzlicher Cent aus Österreich für Brüssel“ in die Verhandlungen um das EU-Budget 2020 bis 2028 gehen will, was für die Landwirtschaft die Position nicht gerade einfacher macht. „In den bevorstehenden Verhandlungen sind jetzt der Bundeskanzler gefordert und der Finanzminister“, sagt Moosbrugger. „Da gibt es die klare Erwartung, alles daran zu setzen, die Bauernfamilien in Österreich nicht zu enttäuschen.“

Wenn das nicht klappt, ist für Moosbrugger klar, woher der Ausgleich kommen muss. „Dann sind der Bund und die Bundesländer gefordert.“ Der neue Bauernpräsident will dabei die Diskussion um das EU-Budget nicht allein auf die Landwirtschaft beschränkt sehen. „Es steht schließlich viel auf dem Spiel für die Lebensqualität in Österreich und letztendlich auch für den ländlichen Raum.“

Mit den Vorschlägen, die für die künftige EU-Agrarpolitik auf dem Tisch liegen, ist Moosbrugger alles andere als zufrieden. „Ich erkenne darin keine Ziele“, sagt er. Da seien allenfalls zusätzliche Themen dazugekommen wie Klima- und Energieziele, ohne dass man dafür aber zusätzliches Geld zu Verfügung stellen wolle. „Mehr Leistungen mit weniger Geld“ ist für Moosbrugger allerdings keine Option.

Dass die EU-Kommission bei den Bauern sparen will, ist für ihn unverständlich. Wenn schon gespart werden müsse, dann müsse überall gespart werden. „Auch in der Verwaltung der EU“, fügt er hinzu. „Es ist doch komisch, dass die Verwaltung in Zukunft mehr kosten soll, obwohl ein Mitgliedsstaat wegfällt.“ Moosbrugger vermisst überfällige strategische Entscheidungen für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft und eine deutlichere Differenzierung. Ihm gefällt nicht, dass die Betriebe immer größer werden müssen, um noch eine Chance zu haben. „Wir kommen dadurch an die Grenzen dessen, was bäuerliche Familienbetriebe leisten können. Das wird den Familien zu viel und vergällt den Jungen die Zukunft“, sagt Moosbrugger. „Niemand will nur arbeiten und im Stall stehen und nichts verdienen.“

Für ihn liegt daher auf der Hand, dass sich die europäische Agrarpolitik mit der Frage beschäftigen muss, welche Ziele sie in Zukunft verfolgen wolle. „Will sie einfach eine agrarindustrielle Produktion, die dazu führt, möglichst viel Masse zu erzeugen, damit der Markt billig versorgt wird, oder will sie eine qualitativ hochwertigere, weiter entwickelte Landwirtschaft?“ Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Voraussetzungen und die Kosten, zu denen die Bauern produzieren können, in den EU-Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich sind. Der Kommissionsvorschlag geht ihm zu wenig weit. „Ich würde den regionalen Spielraum für eine Differenzierung erhöhen, um den einzelnen Mitgliedsstaaten mehr Möglichkeiten zu geben, ganz konkrete Strategien und Zielsetzungen zu verfolgen“, sagt Moosbrugger.

Im Hinblick auf Veränderungen in Österreich selbst zeigt er sich zurückhaltender. Da geht es ihm darum, die bisherige Politik auch inhaltlich fortzuführen und weiter zu entwickeln. „Jedes System hat Vor- und Nachteile“, sagt er. „Ich glaube, die Verteilung der Mittel innerhalb Österreichs ist nicht ganz schlecht gelungen.“ Er wünscht sich freilich Signale für extreme Bergregionen oder andere schwierige Produktionsgebiete, allein um eine flächendeckende Landwirtschaft auch in Zukunft sicherzustellen. „Wir müssen schauen, dass es auch in Zukunft eine vernünftige Ausgewogenheit gibt.“ Dabei dürfe kein Produktionsbereich bevorzugt werden. „Es muss eine Kombination sein aus kluger Weiterentwicklung des Marktpotenzials und dem Nutzen von Nischen.“

Wenig Verständnis hat Neo-Präsident Moosbrugger für die da und dort aufkeimende Kritik an den Produktionsmethoden und Forderungen nach immer neuen Auflagen. Er verwehrt sich vor allem dagegen, wenn es allein zulasten der Bauern gehe. „Wenn in Österreich etwas verboten wird, aber weiterhin Produkte importiert werden, die nicht so hergestellt werden, wie man es von den österreichischen Bauern verlangt, dann ist das nichts als eine Wettbewerbsverzerrung. Das darf man nicht durchgehen lassen.“

Bei allen Forderungen an die Politik und Öffentlichkeit nimmt Moosbrugger aber auch die eigene Berufsgruppe in die Pflicht. Mehr Marktbewusstsein steht dabei an vorderster Stelle. „Ich kann nicht den Milchstall verdoppeln und nicht vorher fragen, ob die Molkerei die Milch braucht oder nicht.“ Damit nicht genug. Im gefällt nicht, dass die Bauern kaum mehr Lebensmittelmarken in der Hand haben und dass sie vom Preis, den der Konsument zahlt, „nur das bekommen, was übrig bleibt“. „Am stärksten profitiert der Handel, die Verarbeiter holen sich, was sie brauchen, und der Rest bleibt dem Landwirt.“

Das ist Moosbrugger zu wenig. Dass es schwierig ist, das zu ändern, musste er am eigenen Leib erfahren. Mit dem Plan, in der Milchwirtschaft einen Branchenverband einzurichten, um damit mehr Gewicht gegenüber dem Handel zu haben, ist er bisher gescheitert. „Der wird blockiert", sagt er. „Auch wenn die Milchwirtschaft großteils in bäuerlicher Hand ist und auch wenn bäuerliche Funktionäre mitreden, heißt das noch lange nicht, dass es eine gemeinsame Strategie geben kann.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 18. Juni 2018

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