Mittwoch, 22. August 2018

Viel Bemühen, aber wenig Lohn



Mehr Platz für Tiere, kein gentechnisch verändertes Futter und Ställe mit viel Licht und Luft – Österreichs Geflügelhalter setzen auf hohe Standards. Doch im Preiskampf haben sie oft das Nachsehen.

Hans Gmeiner  


Salzburg. Österreichs Mäster von Hühnern und Puten kämpfen mit Vorurteilen und mit der Konkurrenz. Dass sie in Europa neben ihren Schweizer Kollegen zu den Musterschülern in Sachen Geflügelhaltung zählen, werde auf dem Markt zu wenig honoriert, hört man in der Branche. Sie müssten nicht nur gegen die mitunter extremen Dumpingpreise der Konkurrenz aus Polen, Ungarn, Italien und auch Deutschland ankämpfen. Sie hätten auch darunter zu leiden, dass sie immer wieder mit den industriellen Methoden der Massentierhaltung der Geflügelhalter in diesen Ländern in einen Topf geworfen werden. „Ständig erhobene Vorwürfe, dass Geflügel bei künstlichem Licht gehalten wird und die Tiere den Großteil ihres Lebens nur Medizinalfutter bekommen, stimmen bei uns längst nicht mehr“, sagt Robert Wieser, Präsident der ZAG, der Dachorganisation der heimischen Geflügelwirtschaft. „In Wahrheit sind wir das beste Geflügelland der Welt, wenn es um Tierhaltung und Tierschutz, um Lebensmittelsicherheit und um Rückverfolgbarkeit geht“, versucht er in die Offensive zu kommen.

Schon vor Jahren unterwarfen sich die rund 700 heimischen Hühner-und 150 Putenmäster, die nach einer starken Strukturbereinigung in den 1990er-Jahren übrig geblieben sind, deutlich strengeren Auflagen, als sie im Rest Europas nach wie vor üblich sind. „Dazu gehören die ausschließliche Verwendung von gentechnisch nicht verändertem Soja, spezielle Stallbauvorschriften oder der eigene Tiergesundheitsdienst samt Datenbank, der die Rückverfolgbarkeit des Backhendls auf dem Teller bis zurück zum Kükenlieferanten ermöglicht“, zählt Wieser auf. Zudem werden praktisch 100 Prozent der Masthühner nach den Vorschriften des AMA-Gütesiegels erzeugt. Bei den Puten liegt der Anteil nur deswegen bei zwei Drittel, weil einer der drei österreichischen Schlachtbetriebe in Deutschland schlachtet und damit die Kriterien („geboren, aufgezogen und geschlachtet in Österreich“) nicht erfüllt werden.

Besonders deutlich ist der Unterschied zur ausländischen Konkurrenz im Tierbesatz. In den heimischen Ställen stehen pro Quadratmeter um 40 Prozent weniger Hühner und sogar um bis zu 70 Prozent weniger Puten als in den großen Produktionsländern Europas. „In Deutschland müssen sich um 50 Prozent mehr Tiere den gleichen Platz teilen und in Italien sind es fast doppelt so viele“, sagt Wieser. Zudem konnte der Antibiotika-Einsatz nicht zuletzt deswegen um mehr als die Hälfte reduziert werden. „Wir machen sehr viel mit Kräutermischungen.“

Das alles erhöht zwar die Produktionskosten deutlich, wird aber auf dem Markt kaum honoriert. Bei Puten ist der Selbstversorgungsgrad in den vergangenen zehn Jahren von bescheidenen 60 auf mittlerweile weniger als 40 Prozent gesunken, weil die Mäster bei den Preisen nicht mithalten konnten. Bei Masthühnern liegt der Eigenversorgungsanteil bei auch nicht berauschenden 75 Prozent. Dabei ist Geflügel die einzige Sparte bei Fleisch, in der der Verbrauch stetig steigt.

„Unser Ziel ist es, die Anteile anzuheben“, gibt Wieser die Richtung an. Derzeit werden jeweils 45 Prozent des Geflügels über den Handel und die Gastronomie und Großküchen vertrieben. Die restlichen zehn Prozent entfallen auf den öffentlichen Bereich wie Krankenhäuser und Seniorenheime. „Wir werden von den momentanen Billigangeboten nur wegkommen, wenn sich alle zur heimischen Produktion bekennen und der gesamte Handel mitzieht“, sagt Wieser. Schließlich habe man mit höheren und teureren Produktionsstandards auch den Wünschen des Handels entsprochen. „Da erwarte ich mir, dass sie dann auch dazu stehen.“

Während im Handel der Anteil des heimischen Geflügels immerhin bei 85 Prozent liegt, sieht Wieser in den anderen Bereichen noch mehr Luft nach oben. „Zumindest in der öffentlichen Beschaffung, wo unser Anteil bei weniger als zehn Prozent liegt, geht nach der Einführung des Bestbieterprinzips vieles in die richtige Richtung“, sagt Wieser. Niederösterreich habe sich bereits verpflichtet, für seine Einrichtungen nur mehr österreichische Ware zu kaufen. Oberösterreich folge in den nächsten Monaten. Auch in Wien gebe es Überlegungen.

Ein harter Boden ist hingegen die heimische Gastronomie. „Die Wirtschaftskammer wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine Herkunftskennzeichnung, die uns helfen würde. Dabei wissen wir aus der Schweiz, dass das relativ einfach umzusetzen wäre“, sagt Wieser.

Aufgeben will der Branchensprecher nicht. „Ich bin davon überzeugt, dass es in diese Richtung gehen wird.“ Nachsatz: „Wie lange es noch dauert, weiß ich aber nicht.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 22. August 2018

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