Donnerstag, 16. August 2018

Wissen zurück auf den Thron



Es hat sie immer schon gegeben diese Alles- und Besserwisser. Aber - sie werden immer mehr. Und sie haben immer weniger Respekt. Und Zurückhaltung schon gar nicht. Heute glaubt schier jeder mitreden zu können. Bei allem. Beim Fußball sowieso und in der Politik, aber auch vor wirtschaftlichen Fragen kennt man kein Halten, nicht vor Umweltthemen und schon gar nicht, wenn es um soziale Fragen geht. Immer hat man schnell eine Lösung parat und man hat keine Scheu mehr, das auch hinauszuposaunen. 

Fragen? Aber wo! Was die anderen glauben zu wissen, weiß man selbst auch. Und das viel besser, ist man doch geborener „Experte für eh alles“, wie der Kabarettist Gunkl das einmal nannte. Man meint überall mitreden zu können und nimmt sich ohne langes Wenn und Aber auch das Recht dazu heraus. Jetzt, mit Facebook und Twitter und mit den zahllosen Internetforen, hat man ja die Möglichkeiten. Das stärkt das Selbstbewusstein, da ist man doch wer. Ich bin, daher kann ich mir auch das Recht heraus nehmen, zu allem und jedem etwas zu sagen. Wissen hält man da nicht für erforderlich, respektvollen Umgang damit schon gar nicht. Ein paar Wortfetzen, die man irgendwo aufgeschnappt hat, ein paar Zahlen dazu, das reicht ja dann doch wohl. Was da nicht in den Kram passt, ist halt dann Fake-News. Ist doch klar.

In einem deutschen Politikmagazin stand einmal der Satz „Nichts gelernt und auch noch stolz drauf“. Es trifft die Kultur, die sich in den vergangenen Jahren breit gemacht hat und die mittlerweile längst mehr weh tut, als dass man die neue Meinungsfreiheit, die da in Anspruch genommen wird und das neue Selbstbewusstsein, das viele Menschen aus den neuen Medien beziehen, als Fortschritt schätzen würde.

Das Gegenteil ist der Fall. Bildung zählt allenfalls noch formal als Qualifikation. Wissen aber, richtiges Wissen, zählt wenig. Vor allem scheint das Wissen ums Wissen in den vergangenen Jahren vollends unter die Räder gekommen zu sein. Für Wissen wird heute in der Gesellschaft, die auf Mulitple Choice-Fragen konditioniert ist, gehalten, wenn man das Kreuz möglichst oft an der richtigen Stelle macht und man ein paar gut klingende Zahlen und Zitathappen unter die Leute werfen kann. Man kennt nichts mehr anderes. Und es zählt auch nichts mehr anderes, will man zu Anerkennung und Erfolg kommen. Alles anderes ist zu kompliziert und zu langsam. Und hat damit kaum mehr eine Chance.

Es gibt diese Kultur auch dort, wo sie wirklich gefährlich wird und haarsträubend, und wo sie längst dabei ist,  die Grundfesten des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu zerfressen. In der Politik ist diese Haltung weit verbreitet wie nie, in den Medien auch und oft auch in der Kunst, respektive dem, was sich dafür hält. In Bereichen also, die eigentlich eine ganz besondere Verantwortung hätten. Aber auch dort, und gerade dort, zählt Wissen, zumal fundiertes Wissen und der Respekt davor, immer weniger.

Ergo ist auch zuzuhören heute keine Kategorie mehr. Man hat es verlernt, es geht nur mehr darum, seinen Standpunkt durchzusetzen, als gäbe es keine andere Seite, schon gar eine, auf die man Rücksicht nehmen sollte. 

Diese Kultur, die sich in den vergangenen Jahren, beschleunigt von den neuen Medien und befeuert von populistischen Poltikern und Marketing-Gurus aus der Wirtschaft breit gemacht hat, macht uns alle zu Spielbällen, mit denen man schier tun und lassen kann, was man will. Die Politik nutzt das, die Wirtschaft auch und viele andere. Und niemand sagt „Stopp“. 

Dabei ist immer öfter erkennbar, wie verheerend die Folgen sein können, wenn statt auf Wissen und Verstand auf Halbwissen und Emotionen gesetzt wird. Dann werden Amateure und Blender wie ein Donald Trumpo ins US-Präsidentenamt gespült und bestimmen Krakeler jedweder Couleur die gesellschaftliche Diskussion und geben die politische Richtung vor und werden Entscheidungen getroffen, die verheerend sein können. 

Für die Gesellschaft wird es zur Überlebensfrage, dem Wissen und dem Respekt davor wieder zum Durchbruch zu verhelfen und ihm den Platz einzuräumen, den es auch verdient. Sich zurückzuziehen und das Feld den Schreiern zu überlassen, ist die falsche Strategie. 

Und auch falsch ist, Häme über die auszuschütten, denen Wissen nichts gilt. Hochnäsigkeit ist kein guter Ratgeber. Viel wichtiger ist es, den richtigen Umgang mit dieser Kultur und mit den Leuten, die sie leben und für richtig halten, zu finden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. August 2018

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