Donnerstag, 27. September 2018

Es war einmal ein Bauernbund



Agrarlandesrat Stephan Pernkopf wird Bauernbundobmann in Niederösterreich. Ein guter Mann zweifelsohne und eine der kompetentesten und wichtigsten Figuren in der heimischen Agrarpolitik. Seit vielen Jahren. Und dennoch sehen das, allen noch so einleuchtend klingenden Erklärungen zum Trotz, nicht Wenige kritisch. Pernkopf hat keinen Hof, ist also kein Bauer. Auch wenn er noch so denken und fühlen mag, wie ein Bauer und auch, wenn er noch so tief in der Landwirtschaft verwurzelt ist. 

Da fällt es schwer sich die Frage zu verkneifen, ob es denn in ganz Niederösterreich keinen Bauern gibt, dem dieses Amt zuzutrauen wäre und der bereit ist, die Aufgabe zu übernehmen. 

In Oberösterreich war das seinerzeit anders, als es die Idee gab, den damaligen Agrarlandesrat Stockinger zum Bauernbundobmann zu machen. Und es war auch anders, als man der Versuchung widerstand Elisabeth Köstinger zur Nachfolgerin von Jakob Auer zu machen. Da bestand man auf einen Bauern und setzte sich damit durch.


Aber die Zeiten ändern sich wohl. Auch für den Bauernbund. Die Pernkopf-Kür sind symptomatisch dafür. Der Bauernbund ist nicht mehr das, was er einmal war. Er ist angeschlagen und hat nicht nur immer öfter Probleme mit der Rekrutierung des Personals. Da ist nur mehr wenig von der einstigen Macht und Bedeutung. Verschwunden sind die Schlagzeilen vom allmächtigen Bauernbund, der die Volkspartei und zuweilen das ganze Land dirigierte und die Schlagzeilen vom allmächtigen Bauernbund in der Agrarpolitik.


Die Teilorganisation scheint nur mehr ein Schatten ihrer selbst. „Die Brucknerstraße“ in Wien, Sitz der Österreich-Zentrale und einst Dreh- und Angelpunkt mit Leuten wie Molterer, Pröll oder zuletzt Auer an den Schalthebeln, hat kaum mehr politisches Gewicht. Wo früher mehr als ein dutzend Mitarbeiter die Fäden Händen hielten und an Konzepten arbeiteten, halten heute gerade einmal eine Handvoll den Betrieb aufrecht. Gäbe es die Bauernzeitung nicht, würden viele Bauern vom Bauernbund kaum mehr etwas merken.

In den Ländern läuft es kaum anders. Vielerorts kämpft man mit Mitgliederschwund und Verlust an Einfluss. Finanziell und personell auf Schmalkost, versucht man zwar wacker für die Bauerninteressen zu kämpfen und ist doch neben Ministerium und Kammern längst das dritte Rad am Wagen - wenn man denn nicht schon überhaupt nur mehr als Kurz-Wahlverein betrachtet wird.

Impulse kommen nicht mehr viel. Von nirgends. 2006, als in Österreich zuletzt ein informeller Rat der Agrarminister stattfand, mischte noch eine gewisse Elisabeth Köstinger aus Kärnten als Obfrau der Landjugend bei den Diskussionen mit und gab zusammen mit Jungbauern-Vertretern den Medien Interviews. Diesmal war von all dem nichts. Möglicherweise freilich auch, weil sich die Elisabeth Köstinger „ihren“ Agrarrat nicht verpatzen wollte. 

Auch wenn sich manche über die Entwicklung  des Bauernbundes freuen mögen, sie ist alles andere als gut für Österreichs Landwirtschaft. Darum ist der Organisation nur zu wünschen, dass sie bald wieder festen Boden unter die Füße kriegt.

Und auch, dass sie es wieder schafft, ihre Obmänner und Obfrauen aus ihren eigenen Reihen zu rekrutieren. 

Gmeiner meint - Blick ins Land 10/18, 27. September 2018

Die stille schwarze Opposition



Wenn ein Land ohne Regierung dasteht, gilt das gemeinhin als schlimm. Aber was ist, wenn ein Land ohne Opposition dasteht? Ist das auch schlimm? Nein, werden wohl die sagen, die auf Seite der Regierung stehen. Vielleicht freuen sie sich sogar noch feixend darüber, dass sich die politischen Gegner in Qualen winden und kaum zu einer politischen Arbeit fähig sind, schon gar nicht dazu, die Regierung in Schwierigkeiten zu bringen. Jetzt hält sie niemand mehr auf und niemand redet ihnen mehr rein. Man mag es ihnen gar nicht verdenken, fühlten sich doch viele von denen oft missverstanden und wenig respektiert, die nun alle Hände voll zu tun haben, um mit sich selbst zurechtzukommen. Genau das macht die Situation in Österreich nach all den Querelen der kleinen Parteien und nun nach der Krise und dem Parteichef-Wechsel in der SPÖ so delikat. Es gibt derzeit niemand mehr, der Kurz und Strache, samt Leuten wie Kickl oder Hartinger-Klein, bremsen könnte, der ihnen Paroli bieten und der es mit ihnen auf Augenhöhe aufnehmen könnte.

Nicht wenigen in diesem Land macht das Sorge. Und das sind nicht nur irgendwelche versprengten Linken und Grünen. Viele von ihnen sind klassische ÖVP-Parteigänger. Sie beobachten mit Skepsis, was Kurz und die seinen aus ihrer Partei gemacht haben. Die Umfärbung von schwarz auf türkis missfällt ihnen zutiefst. Die neue, nicht nur farblich durchgestylte Parteikultur auch, die fehlenden Diskussionen und dass sie Macht und Mitspracherecht abgeben mussten wie Jacken in einer Garderobe. Viele vermissen die christliche Komponente in der türkisen Politik und machen sich Sorgen um die internationale Positionierung. Und viele wollen sich einfach nicht mit den Freiheitlichen, ihren Umtrieben und ihrer Politikkultur abfinden, die mit einem Mal salonfähig sein soll und deren Politik ihrem Geschmack nach zu oft kritiklos mitgetragen wird.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme der Oppositionsparteien kommt gerade dieser Gruppe, nennen wir sie die "alten Schwarzen", eine besondere Bedeutung zu. Denn in der derzeitigen Situation wären sie das einzige Korrektiv, das einfordern kann, wozu die anderen derzeit nicht fähig sind. Die schwarze Opposition in der türkisen Volkspartei sozusagen.

Sie dürften nicht mehr länger darüber klagen, dass die "Türkisen" ihre Partei gekapert haben, sondern sie müssten dafür sorgen, dass auch die andere Seite gesehen und gehört wird und das Land nicht an falsche Partner gerät, sondern bei allem Reformeifer und bei aller Reformnotwendigkeit die Linie hält.

Vielen sind diese Gedanken nicht fremd, ist aus Gesprächen herauszuhören. Viele warten darauf, dass die "Schwarzen" in der Volkspartei mehr tun, als sich zu weigern, in ihren Ländern alles auf türkis umzufärben.

Bisher mochte man sich aber nicht aufraffen. Davon, dass die "Schwarzen" aktiv werden, ist wenig zu sehen und noch weniger zu spüren. Im Sommer sah es ein paar Tage danach aus, als hätten sie genug von den türkisen Umtrieben. Manche Landeshauptleute im Westen Österreichs wagten im Zusammenhang mit der Sozialversicherungsreform erstmals gegen ihren Parteichef Kanzler Kurz aufzutreten. Prompt wurde über eine "Meuterei in der Volkspartei?" spekuliert. Rund um die Reform des Arbeitszeitgesetzes wagten es einige ÖAAB-Granden aus den Ländern aufzumucken. In der Diskussion um die neuen Kinderbetreuungspläne beklagte sich Oberösterreichs Landeshauptmann darüber -"Politik auf Augenhöhe schaut anders aus". Aber damit hatte es sich schon. Viel mehr war

bisher nicht. Selbst dann nicht, als es um dringliche Anliegen der eigenen Klientel ging. Bei der Abschiebung von Asylwerbern mit Lehrstellen wurden alle Wünsche und Vorschläge eiskalt abserviert. Noch ist man offenbar zu schwach und zu unentschlossen und lässt sich lieber vorführen als aufzutreten. Die Kluft aber ist unübersehbar. Das macht es spannend.

Kurz scheint das Problem zu erkennen. "Kanzler Kurz segelt auf einem korrigierten Kurs in Richtung der politischen Mitte", heißt es neuerdings. Ob das reicht, auch die Kluft zwischen "Schwarz" und "Türkis" zu schließen, wird sich zeigen - oder ob sich die "Schwarzen" nicht doch endlich ein Herz nehmen müssen, um im oppositionslosen Österreich die Dinge nicht in eine Richtung überschießen zu lassen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. September 2018

Mittwoch, 26. September 2018

TV-Köchin tischt schwere Kost auf



Appell für vielfältige Landwirtschaft überzeugt EU-Agrarkommissar nicht.


Hans Gmeiner 


Schlosshof. Über dem Schloss Hof im äußersten Osten Österreichs kreiste stundenlang ein Polizeihubschrauber. Auf den Dächern wachten Scharfschützen und rund ums Schloss sorgte eine gute Hundertschaft an Polizisten für Sicherheit. Draußen vor dem Schloss redeten Demonstranten von Kleinbauerngruppen und NGOs in den bitterkalten Wind. Und in der zum Tagungssaal umfunktionierten ehemaligen Reithalle nahm sich schon in aller Früh Fernsehköchin und Aktivistin Sarah Wiener vor den EU-Agrarministern kein Blatt vor den Mund. Die Landwirtschaft folge nicht mehr „unserer Ethik, unserer Moral und unseren Wurzeln“. Man müsse erkennen, dass man den falschen Weg gegangen sei. „Sie haben die moralische Aufgabe, die Vielfalt unserer Landwirtschaft zu schützen“, appellierte sie an die Teilnehmer des informellen Agrarministerrats. Elisabeth Köstinger, die Wiener eingeladen hatte, fand das gut. „Es war wichtig, Meinungen aus der Öffentlichkeit eine Stimme zu geben.“

Dagegen konnte Agrarkommissar Phil Hogan mit Wieners Appell wenig anfangen. „Wir müssen bald zehn Milliarden Menschen ernähren, das geht nicht allein mit regionaler Produktion.“ Dennoch könnte es künftig ein wenig in die Richtung gehen, die Wiener einmahnte. Köstinger ortet bei ihren Amtskollegen wachsendes Verständnis für ihre Bemühungen um mehr Produktqualität und Unterstützung der bäuerlichen Landwirtschaft. Ihr ist es ein Dorn im Auge, dass der Vorschlag Hogans eine Kürzung just der Mittel für die ländliche Entwicklung vorsieht, die genau diese Anliegen fördern soll. „Viele Regionen in Europa sind dann nicht mehr konkurrenzfähig“, warnt Köstinger.

Davon, dass Österreich als Nettozahler von der EU einen straffen Sparkurs fordert, lässt sie sich nach wie vor nicht beeindrucken. „Wir haben zunächst über Programme zu diskutieren.“ Daran, dass man sich noch vor den EU-Wahlen auf die Agrarreform einigen kann, hat offenbar auch Köstinger Zweifel. „Wir werden unser Bestes geben“, sagt die aktuelle Ratsvorsitzende. Hogan ist hingegen „zuversichtlich, dass wir es noch schaffen“.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 26. September 2017

Dienstag, 25. September 2018

Bauern wollen für ihre Arbeit Geld



Die EU-Agrarminister diskutieren in Österreich die Agrarreform. Die Positionen sind höchst unterschiedlich, eine Einigung ist in weiter Ferne.

Hans Gmeiner  


Franz Reisecker ist Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich und als Vizepräsident des europäischen Bauernverbands Copa Österreichs höchstrangiger Bauernvertreter in Brüssel. Er sitzt bei vielen Gesprächen mit der Kommission mit am Tisch und beobachtet die Verhandlungen zur EU-Agrarreform mit großer Skepsis.

Die Landwirtschaft ist nicht nur in Österreich unzufrieden mit dem, was zur Agrarreform bisher bekannt ist. Was darf man da von einem informellen Agrarrat erwarten? 


Franz Reisecker: Es ist ein informeller Rat, bei dem es keine Beschlüsse gibt. Es ist einfach wichtig, unterschiedliche Positionen der einzelnen Länder intensiv zu diskutieren. Und vielleicht ist man am Ende des Tages ein Stück vorangekommen.

Wie ist die Stimmung in der Copa um die Agrarreform? 


Die meisten Mitgliedsverbände sind enttäuscht, dass in der Ländlichen Entwicklung, neben den Direktzahlungen die zweite Säule der Agrarpolitik, so starke Kürzungen vorgeschlagen worden sind. Besonders betroffen davon sind Länder wie Finnland, Holland, aber auch Österreich. Dort sind Gelder aus dieser zweiten Säule wichtiger Bestandteil der Agrarpolitik und werden vor allem für Umweltprogramme in der Landwirtschaft oder benachteiligte Sparten wie bei uns die Bergbauern verwendet.

Die Agrarreform muss ja sehr unterschiedliche Interessen und Ansätze zur Agrarpolitik unter einen Hut bringen. Wer steht wo? 

Die Visegrád-Staaten Polen, Ungarn und Tschechien, aber auch Rumänien haben die Direktzahlungen der ersten Säule, ohne irgendwelche Auflagen, im Fokus. Die südlichen EU-Länder haben sich an die mittel- und westeuropäischen Ländern angenähert, bei denen Frankreich und Deutschland eine Achse bilden. Bei ihnen spielt die zweite Säule eine sehr wichtige Rolle. Und dann gibt es noch die sehr liberal Denkenden. Nach dem Brexit bleiben da nur mehr Schweden und in einigen Bereichen Dänemark übrig.

Wo ist da Österreich? 


Wir haben im Prinzip dieselbe Position wie Deutschland – bis auf den Punkt, wo es um das Capping, um eine Höchstgrenze für die Ausgleichszahlungen, geht.

Im EU-Budget dürfte es in Zukunft weniger Geld geben. Auch weil Länder wie Österreich den Verlust, der durch den Brexit entsteht, nicht ausgleichen wollen. Zudem soll der Anteil der Landwirtschaft am Budget sinken. Sie fordern die Regierung auf, ihren Widerstand gegen höhere EU-Beiträge aufzugeben. Ein frommer Wunsch? 


Das ist aus meiner Sicht kein frommer Wunsch. Ich bin zuversichtlich, dass es einen Weg geben wird. Große Mitgliedsländer sind ja bereit, mehr einzuzahlen. Unser Problem ist, dass der Anteil der Landwirtschaft am EU-Budget von knapp 37 auf 30 Prozent fallen soll. Das ist für uns nicht akzeptabel. Wir verlangen denselben Budgetansatz, den wir bisher hatten. Das ist aus unserer Sicht berechtigt, weil die Anforderungen und Wünsche der Konsumenten höher werden.

Wenn es wirklich weniger Geld aus Brüssel gibt, wie begründen Sie dann die Forderung, dass der Verlust national ausgeglichen werden muss? 


Das Problem ist die zweite Säule. Angesichts des Geldbedarfs für die Bergbauernförderung und die Unterstützung der Biobauern bliebe für Umweltprogramme und Investitionsförderung kein Geld mehr. Es soll daher ermöglicht werden, dass Bund und Länder den Kofinanzierungsanteil von derzeit 50 auf zum Beispiel 60 Prozent erhöhen.

Hält überhaupt der Zeitplan? 


Ich bin da sehr skeptisch, weil immer deutlicher wird, dass vor den EU-Wahlen im Mai 2019 kein Budgetbeschluss zustande kommt. Das bedeutet für die Landwirtschaft ein extrem hohes Risiko, weil derzeit alle an der Spitze der EU, von Juncker über Tusk bis hin zu Macron und Merkel, wollen, dass die Mittel für die Landwirtschaft nicht gekürzt werden. Mit neuen Personen könnte das kommen, was die Kommission vorgelegt hat, oder es könnte sogar noch schlechter werden.

Die Öffentlichkeit steht den Förderungen für die Bauern skeptisch gegenüber. 

Grundsätzlich sind die Gelder für die Landwirtschaft. Ausgleichszahlungen, es sind keine Förderungen.

Ein Ausgleich wofür? 


Dafür, dass wir in Europa eine Landwirtschaft betreiben, in der es Düngerobergrenzen, Beschränkungen in der Tierhaltung, Umweltauflagen und vieles andere mehr gibt, was es in anderen Weltregionen kaum gibt. Das kostet Geld und wird den Bauern über die Gemeinsame Agrarpolitik ausgeglichen. Das ist kein Sozialgeld, sondern dient dem Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen. Bauern sind ja keine Sozialhilfeempfänger.

Es zeigen sich auch Risse in der Geschlossenheit der Bauern. Hörndl- gegen Körndlbauern, Ost gegen West, bio gegen konventionell, Große gegen Kleine. Ein Problem? 


Der Neid in der Landwirtschaft hat zugenommen. Jeder sieht vor allem seinen Betrieb. Das kann auch die neue Gemeinsame Agrarpolitik nicht zufriedenstellend lösen, es ist auch nicht ihre Aufgabe. Sie hat dafür zu sorgen, dass die Landwirte in Europa wettbewerbsmäßig relativ einheitliche Bedingungen haben und durch den Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen auch in Österreich die Chance haben, wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Weite Teile der Gesellschaft scheinen eine andere Landwirtschaft zu wollen. Viele fordern eine neue Agrarpolitik. Was sagen Sie denen? 

Die Gesellschaft erwartet sich eine Landwirtschaft, die aus meiner Sicht absolut nicht zukunftsfähig und auch nicht realistisch ist. Wenn der Landwirt als Wirtschaftstreibender Zukunft haben soll, braucht er entsprechende Umsätze und Einkommen. Und das geht nicht mit Methoden, die sich die Gesellschaft in vielen Bereichen wünscht.

Worauf sollen sich Österreichs Bauern einstellen? 

Ich gehe davon aus, dass die Agrarreform nicht mehr vor den EU-Wahlen im nächsten Jahr zustande kommt. Es wird dann mindestens ein oder zwei Übergangsjahre geben. Und was dann im Jahr 2020 oder 2021 sein wird, traue ich mir im Jahr 2018 nicht zu sagen. Da kann es – je nachdem, welche Kommission dann am Werk ist – auch große Veränderungen geben.

Franz Reisecker (60) ist Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich und Vizepräsident der Copa, des größten Bauernverbands in Europa.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 25. September 2018

Donnerstag, 20. September 2018

"Merde alors", warum lässt man sich alles kaputtmachen?



Die EU zu Besuch bei uns. In dieser Woche sind die Regierungschefs und die EU-Chefs in Salzburg beim EU-Rat. Große und bekannte Namen sind da dabei. Angela Merkel, Emanuel Macron, Theresa May, Alexis Tsipras, Victor Orbán, Donald Tusk. Und Jean Claude Juncker natürlich. EU zum Angreifen quasi. Die Gefühle sind durchaus ambivalent. Gerade in diesen Tagen. Es gibt so viele dringliche Probleme, so viele Spannungsfelder, die einer Lösung bedürfen und in denen man nicht und nicht voranzukommen vermag. Die Migration ist da zu nennen, der Brexit, die Spannungen mit den großen Machtblöcken der Welt und die Turbulenzen im internationalen Handel, die Besteuerung der internationalen Konzerne und der Geldtransaktionen, der Arbeitsmarkt und vieles andere mehr. Die Liste der Herausforderungen ist lang, bei denen man sich Bewegung wünschen würde, Durchschlagskraft und Weichenstellungen. Die Erwartungen wären so hoch, die Wünsche so viele. Aber es kommt so wenig zustande. Und wenn, dann allenfalls bei marginalen Themen und oft sind die nichts denn ärgerlich und lächerlich. Die Abschaffung der Zeitumstellung ist so etwas. Und auch das Verbot von Plastiktrinkhalmen, für das man sich als Helden im Kampf gegen den Plastikmüll und als Retter der Umwelt feiern lässt. Ansonsten scheint man vor allem mit sich selbst beschäftigt zu sein und damit, alle irgendwie auf Linie zu bekommen und Animositäten auszutarieren.

Auf der politischen, zumal auf der weltpolitischen Bühne aber hat man wenig zu bieten. Dort dominieren Trump, Putin und China. Die großen wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen laufen an Europa vorbei, die Umweltbelastung wird um kein Jota geringer. Man scheint den Zug der Zeit zu versäumen und hat keine Antworten auf die Anforderungen. Man ist nicht einmal in der Lage, Alternativen anzubieten und ist gefangen in den eigenen Problemen.

Die Bilder vom Schwächeanfall Jean Claude Junckers im vergangenen Juli sind vor diesem Hintergrund durchaus als Sinnbild des Zustandes der Europäischen Union zu sehen.

Hilflos muss man zuschauen, wie auf der Idee Europa herumgetrampelt wird. Auf dem, was immer noch das größte Friedensprojekt aller Zeiten ist, das uns einen nie gekannten Wohlstand bescherte, ungekannte Freiheiten auch und das uns die Möglichkeit gibt, durch einen starken Zusammenschluss vieler relativ kleiner Länder den großen Machtblöcken wie den USA, Russland und China Paroli bieten zu können.

Hilflos muss man zuschauen, wie verantwortungslose Politiker vor allem vom ganz rechten Rand, Leute vom Zuschnitt eines Matteo Salvini, eines Viktor Orbán oder auch eines Harald Vilimsky, die Europäische Union von innen, von den Gremien aus, denen sie angehören, aufarbeiten und wie ihnen immer noch viele dabei zuschauen. Hilflos, bequem und ohne Esprit, sondern allenfalls auf ihre eigenen Vorteile bedacht.

Dass Victor Orbán nun an die Kandare genommen wurde vom Europäischen Parlament ist nicht mehr als ein kleiner Lichtblick. Viel mehr trifft, was der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn seinen italienischen Kollegen vorige Woche in Wien wutentbrannt entgegenschleuderte, als sich dieser wieder einmal über die EU lustig machte. "Merde alors", was frei übersetzt "Verdammt nocheinmal" heißt, fuhr ihn Asselborn an, als ihm die Provokation allzu viel wurde und er ihm erklärte, was die EU gerade für sein Land leistet.

Ja "Merde alors", warum lässt man sich von Leuten wie Salvini alles kaputtmachen?

Dabei würden wir gerade jetzt ein starkes und einiges Europa brauchen. Ein Europa das ernstgenommen wird auf dem internationalen Parkett, das Entwicklungen anstößt, Linien vorgibt und Standards. Aber davon ist nichts zu erkennen. Dass sich Juncker bei seinem Besuch in Washington Trump gegenüber passabel geschlagen hat, war in jüngster Zeit ziemlich der einzige herzeigbare Erfolg auf der Weltbühne.

Der Europäischen Union fehlt eine starke Hand, Geschlossenheit und eine Führung mit Weitblick. Angela Merkel und die Deutschen sind das nicht mehr. Und Emmanuel Macron, auf dem so viele Hoffnungen ruhten, ist es nie geworden.

Es scheint längst zu viel Zeit verronnen, als dass die Dinge rasch wieder ins Lot kommen könnten. Auch weil von den vielen Gipfeln der Regierungschefs nicht viel mehr als schöne Bilder und hehre Erklärungen bleiben.

Es steht zu befürchten, dass vom Gipfel in Salzburg nichts anders bleiben wird.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. September 2018

Freitag, 14. September 2018

Dürre hilft Milchmarkt auf Sprünge




Höhere Preise für Bauern, aber auch für Konsumenten sind in Sicht

Hans Gmeiner 

Haslach/Mühl. Im ersten Halbjahr steigerten die heimischen Milchbauern ihre Produktion gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum noch um mehr als fünf Prozent und machten sich so selbst Druck auf Märkte und Preise. Damit dürfte es nun vorbei sein. „Im August drehte sich bei uns die Anlieferung erstmals ins Minus“, sagt Josef Braunshofer, Chef der Berglandmilch, des größten heimischen Milchverarbeiters. „Die wahren Auswirkungen der Dürre in den Sommermonaten werden wir aber erst in den kommenden Wintermonaten sehen, weil ja erst dann das Futter fehlen wird.“ Heuer konnten in vielen Regionen die Wiesen nur zwei Mal gemäht werden. In guten Jahren sind bis zu fünf „Schnitte“, wie das die Bauern nennen, üblich. Seit Wochen häufen sich die Berichte, dass Bauern einen Teil ihrer Kühe verkaufen, um mit den beschränkten Futtervorräten über den Winter zu kommen „Wir werden die Milchmengen wohl nicht erreichen, mit denen wir für das heurige Jahr planten“, ist für den Chef der Berglandmilch (Schärdinger, Tirol Milch, Stainzer Molkerei) schon jetzt klar.

Ebenso klar ist für ihn und seinen Kollegen Helmut Petschar, Chef der Kärntnermilch und Sprecher der heimischen Milchverarbeiter, dass die Dürre deutliche Auswirkungen auf den Milchmarkt haben wird. Auch wenn man sich in der Einschätzung der Lage bei der Jahrestagung des Molkereiverbandes in Haslach/Mühl sehr zurückhaltend gab, ist davon auszugehen, dass die Bauern mit höheren Preisen rechnen dürfen, dass aber die Konsumenten bald wieder tiefer ins Börsel greifen müssen. Schon in den vergangenen Wochen haben einige Molkereien die Erzeugerpreise für Milch, die noch im ersten Halbjahr im Österreich-Schnitt um 4,5 Prozent geringer waren als im Jahr zuvor, angehoben. Nun hoffen die Milchverarbeiter, dass sie diese Erhöhungen auch beim Handel durchbringen. Was freilich wirklich kommt, ist unklar.

Die Zeiten der Milchschwemme und des Überangebots als Folge der Freigabe des Milchmarkts vor drei Jahren dürften damit fürs Erste vorbei sein und damit der Druck aus den Märkten genommen werden. Denn nicht nur im Norden Österreichs zwang die Trockenheit die Bauern in den vergangenen Wochen zur Einschränkung der Produktion und zu Kuhverkäufen. Noch bedeutender für die Marktentwicklung ist, dass mit Deutschland, Holland, Dänemark, Skandinavien und Irland auch die wichtigsten europäischen Milchproduktionsregionen von der Dürre betroffen waren. Auch dort gibt es Rückgänge in der Produktion. Einziger Unsicherheitsfaktor auf den internationalen Märkten ist derzeit Neuseeland, das mit aller Kraft die entstehenden Lücken füllen will.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 14. September 2018

Donnerstag, 13. September 2018

Die Frage aller Fragen



"Wie unmoralisch sind T-Shirts für drei Euro?" wurde dieser Tage der Chef einer Billig-Textilkette gefragt, als er in Berlin ankündigte, ein Geschäft zu eröffnen. Der smarte Manager parierte gekonnt und wie erwartet, denn mit solchen Fragen lässt er sich nicht ins Bockshorn jagen. Für solche Fälle hat er Antworten jedweder Art in seinem Argumentationsbauchladen. "Wir haben viele Kunden, die sind drauf angewiesen und können es sich nicht leisten ein T-Shirt einfach wegzuwerfen", ist eine davon. Und "Unsere T-Shirts um drei Euro sind so gut wie Marken T-Shirts um 30 Euro".

Er weiß, das wirkt. Und er liegt nicht falsch damit. Wie oft lassen wir uns schnell abspeisen mit ein paar raschen Antworten, allein um eines ruhigen Gewissens willen? Wenn wir uns denn überhaupt noch aufraffen, zu fragen, woher etwas kommt, wie es gemacht wird und welche Folgen das alles haben kann -zumal dann, wenn wir meinen nicht darauf verzichten zu können.

Nicht zu fragen ist dann ja doch zumeist allemal einfacher. Es ist zuweilen, als hätten wir verlernt zu fragen, schon gar überlegte Fragen zu stellen, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Man fragt nicht nach den Arbeitsbedingungen, nicht nach den Löhnen, die gezahlt wurden, auch nicht danach, ob das gute Stück, das man erstanden hat, vielleicht gar aus Kinderhand stammt.

Und schon gar nicht fragen wir nach den Folgen unseres Handelns. Es ist dem Vernehmen nach üblich geworden im Versandhandel Jacken, Mäntel, Hosen, Schuhe und vieles andere gleich in drei Größen zu bestellen, um dann nur die passenden Stücke zu behalten und den Rest zurückzuschicken. Oder man lässt sich verschiedene Modelle von Gerätschaften jedweder Art ins Haus kommen, um zu vergleichen. Es kostet ja nichts. Niemand aber denkt daran, dass allein das auf diese Weise entstehende Verkehrsaufkommen zu einem Riesenproblem geworden ist. Nicht anders ist es bei den Unmengen an Nahrungsmitteln, die aller Aufklärungskampagnen zum Trotz immer noch tagtäglich weggeworfen werden, bei den vielen unnützen Autofahrten oder beim Energieverbrauch.

Auch wenn man da und dort Interesse und Verständnis signalisiert, am liebsten will man eigentlich gar nichts wissen von all den vielen Dingen, die einem die Freude vermasseln könnten.

Hauptsache billig ist zur Kultur unserer Zeit geworden. Und Hauptsache schnell. Auch wenn es durchaus immer wieder mahnende Stimmen gibt, und sogar politische Parteien davon leben, ist nicht zu übersehen, dass wir am liebsten immer noch ausblenden, was wir mit unserer Bequemlichkeit und unserer Gier anrichten. Immer haben wir, ganz so wie der Chef der Textilkette in Berlin, allerhand Ausreden parat, mit denen wir uns allzu gerne über kniffelige oder gar unangenehme Fragen hinwegschwindeln.

Der Bogen spannt sich vom Einkaufen bis hin zur Meinung zu gesellschaftlichen und politischen Themen. Weil man sich die Mühsal des Fragens und des Nachfragens immer seltener antun mag, gibt man sich immer öfter und immer schneller mit einfachen Erklärungen zufrieden und lässt sich mit schnellen, einfachen Antworten abspeisen.

Das hat Folgen. Nicht nur für alle möglichen Wirtschaftsbereiche oder für die Umwelt, sondern auch für das gesellschaftliche Zusammenleben. Gerade auch dafür. Auch dort ist man dabei, immer weniger zu fragen. Auch dort haben Gier und Bequemlichkeit ihr unseliges Wirken entfaltet und uns zu einer Gesellschaft von Egoisten gemacht. Das gesellschaftliche Handeln von Politikerinnen und Politikern, aber auch das der gemeinen Staatsbürgerin und des gemeinen Staatsbürgers orientiert sich heute daran. Bei Entscheidungen und Forderungen fragt kaum jemand noch mehr nach der Bedeutung für das Gegenüber, für den anderen. Oder nach Folgen für die Gesellschaft oder die Umwelt. Den meisten scheint es alleine darum zu gehen, nicht zu kurz zu kommen. "Was hab' ich davon?" ist, so scheint es viel zu oft, zur Frage aller Fragen geworden.

Genau damit spielt die Politik. Und genau damit spielt die Wirtschaft. Und genau damit machen wir es ihnen leicht, weil wir uns viel zu oft viel zu schnell mit dem zufrieden geben, was uns aufgetischt wird. So als gäbe es nur die Wahl zwischen schwarz und weiß. So als gäbe es keine Zwischentöne. Nur Off und On.

Das ist offenbar die Krux unserer Zeit. Eine Krux freilich, die wir uns selbst zuzuschreiben haben.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. September 2018
 
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