Dienstag, 25. September 2018

Bauern wollen für ihre Arbeit Geld



Die EU-Agrarminister diskutieren in Österreich die Agrarreform. Die Positionen sind höchst unterschiedlich, eine Einigung ist in weiter Ferne.

Hans Gmeiner  


Franz Reisecker ist Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich und als Vizepräsident des europäischen Bauernverbands Copa Österreichs höchstrangiger Bauernvertreter in Brüssel. Er sitzt bei vielen Gesprächen mit der Kommission mit am Tisch und beobachtet die Verhandlungen zur EU-Agrarreform mit großer Skepsis.

Die Landwirtschaft ist nicht nur in Österreich unzufrieden mit dem, was zur Agrarreform bisher bekannt ist. Was darf man da von einem informellen Agrarrat erwarten? 


Franz Reisecker: Es ist ein informeller Rat, bei dem es keine Beschlüsse gibt. Es ist einfach wichtig, unterschiedliche Positionen der einzelnen Länder intensiv zu diskutieren. Und vielleicht ist man am Ende des Tages ein Stück vorangekommen.

Wie ist die Stimmung in der Copa um die Agrarreform? 


Die meisten Mitgliedsverbände sind enttäuscht, dass in der Ländlichen Entwicklung, neben den Direktzahlungen die zweite Säule der Agrarpolitik, so starke Kürzungen vorgeschlagen worden sind. Besonders betroffen davon sind Länder wie Finnland, Holland, aber auch Österreich. Dort sind Gelder aus dieser zweiten Säule wichtiger Bestandteil der Agrarpolitik und werden vor allem für Umweltprogramme in der Landwirtschaft oder benachteiligte Sparten wie bei uns die Bergbauern verwendet.

Die Agrarreform muss ja sehr unterschiedliche Interessen und Ansätze zur Agrarpolitik unter einen Hut bringen. Wer steht wo? 

Die Visegrád-Staaten Polen, Ungarn und Tschechien, aber auch Rumänien haben die Direktzahlungen der ersten Säule, ohne irgendwelche Auflagen, im Fokus. Die südlichen EU-Länder haben sich an die mittel- und westeuropäischen Ländern angenähert, bei denen Frankreich und Deutschland eine Achse bilden. Bei ihnen spielt die zweite Säule eine sehr wichtige Rolle. Und dann gibt es noch die sehr liberal Denkenden. Nach dem Brexit bleiben da nur mehr Schweden und in einigen Bereichen Dänemark übrig.

Wo ist da Österreich? 


Wir haben im Prinzip dieselbe Position wie Deutschland – bis auf den Punkt, wo es um das Capping, um eine Höchstgrenze für die Ausgleichszahlungen, geht.

Im EU-Budget dürfte es in Zukunft weniger Geld geben. Auch weil Länder wie Österreich den Verlust, der durch den Brexit entsteht, nicht ausgleichen wollen. Zudem soll der Anteil der Landwirtschaft am Budget sinken. Sie fordern die Regierung auf, ihren Widerstand gegen höhere EU-Beiträge aufzugeben. Ein frommer Wunsch? 


Das ist aus meiner Sicht kein frommer Wunsch. Ich bin zuversichtlich, dass es einen Weg geben wird. Große Mitgliedsländer sind ja bereit, mehr einzuzahlen. Unser Problem ist, dass der Anteil der Landwirtschaft am EU-Budget von knapp 37 auf 30 Prozent fallen soll. Das ist für uns nicht akzeptabel. Wir verlangen denselben Budgetansatz, den wir bisher hatten. Das ist aus unserer Sicht berechtigt, weil die Anforderungen und Wünsche der Konsumenten höher werden.

Wenn es wirklich weniger Geld aus Brüssel gibt, wie begründen Sie dann die Forderung, dass der Verlust national ausgeglichen werden muss? 


Das Problem ist die zweite Säule. Angesichts des Geldbedarfs für die Bergbauernförderung und die Unterstützung der Biobauern bliebe für Umweltprogramme und Investitionsförderung kein Geld mehr. Es soll daher ermöglicht werden, dass Bund und Länder den Kofinanzierungsanteil von derzeit 50 auf zum Beispiel 60 Prozent erhöhen.

Hält überhaupt der Zeitplan? 


Ich bin da sehr skeptisch, weil immer deutlicher wird, dass vor den EU-Wahlen im Mai 2019 kein Budgetbeschluss zustande kommt. Das bedeutet für die Landwirtschaft ein extrem hohes Risiko, weil derzeit alle an der Spitze der EU, von Juncker über Tusk bis hin zu Macron und Merkel, wollen, dass die Mittel für die Landwirtschaft nicht gekürzt werden. Mit neuen Personen könnte das kommen, was die Kommission vorgelegt hat, oder es könnte sogar noch schlechter werden.

Die Öffentlichkeit steht den Förderungen für die Bauern skeptisch gegenüber. 

Grundsätzlich sind die Gelder für die Landwirtschaft. Ausgleichszahlungen, es sind keine Förderungen.

Ein Ausgleich wofür? 


Dafür, dass wir in Europa eine Landwirtschaft betreiben, in der es Düngerobergrenzen, Beschränkungen in der Tierhaltung, Umweltauflagen und vieles andere mehr gibt, was es in anderen Weltregionen kaum gibt. Das kostet Geld und wird den Bauern über die Gemeinsame Agrarpolitik ausgeglichen. Das ist kein Sozialgeld, sondern dient dem Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen. Bauern sind ja keine Sozialhilfeempfänger.

Es zeigen sich auch Risse in der Geschlossenheit der Bauern. Hörndl- gegen Körndlbauern, Ost gegen West, bio gegen konventionell, Große gegen Kleine. Ein Problem? 


Der Neid in der Landwirtschaft hat zugenommen. Jeder sieht vor allem seinen Betrieb. Das kann auch die neue Gemeinsame Agrarpolitik nicht zufriedenstellend lösen, es ist auch nicht ihre Aufgabe. Sie hat dafür zu sorgen, dass die Landwirte in Europa wettbewerbsmäßig relativ einheitliche Bedingungen haben und durch den Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen auch in Österreich die Chance haben, wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Weite Teile der Gesellschaft scheinen eine andere Landwirtschaft zu wollen. Viele fordern eine neue Agrarpolitik. Was sagen Sie denen? 

Die Gesellschaft erwartet sich eine Landwirtschaft, die aus meiner Sicht absolut nicht zukunftsfähig und auch nicht realistisch ist. Wenn der Landwirt als Wirtschaftstreibender Zukunft haben soll, braucht er entsprechende Umsätze und Einkommen. Und das geht nicht mit Methoden, die sich die Gesellschaft in vielen Bereichen wünscht.

Worauf sollen sich Österreichs Bauern einstellen? 

Ich gehe davon aus, dass die Agrarreform nicht mehr vor den EU-Wahlen im nächsten Jahr zustande kommt. Es wird dann mindestens ein oder zwei Übergangsjahre geben. Und was dann im Jahr 2020 oder 2021 sein wird, traue ich mir im Jahr 2018 nicht zu sagen. Da kann es – je nachdem, welche Kommission dann am Werk ist – auch große Veränderungen geben.

Franz Reisecker (60) ist Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich und Vizepräsident der Copa, des größten Bauernverbands in Europa.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 25. September 2018

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