Montag, 10. Dezember 2018

Bauern bläst Wind ins Gesicht



Die Debatte um die Reform der EU-Agrarpolitik nimmt Fahrt auf. Die Landwirtschaft trifft auf geänderte Vorstellungen der Gesellschaft.


Hans Gmeiner

Linz. „Höhere Anforderungen mit weniger Geld – das kann nicht funktionieren“, sagt Franz Reisecker, Landwirtschaftskammerpräsident in Oberösterreich und Vize des europäischen Bauernverbands. Beim EU-Agrarbudget gehe es in der derzeitigen Diskussionsphase daher zuerst ums Geld, „und erst dann um die Inhalte“.

Bei der Reform von Europas Agrarpolitik scheinen die Bauern mit der Forderung nach mehr Geld alle Vorurteile zu bestätigen. Aber es ist es diesmal anders. Die Bauern erkennen den Handlungsbedarf sehr wohl und spüren den Gegenwind, der ihnen angesichts der knappen Kassen entgegenbläst. Und auch, dass die Landwirtschaft nicht mehr die Sonderstellung hat, die sie noch vor nicht allzu langer Zeit genoss.

In manchen Ländern werde die Landwirtschaft nur mehr als Industriesektor wahrgenommen, sagt der Tiroler Georg Häusler, früher Kabinettschef des damaligen EU-Agrarkommissars Dacian Cioloș und seit vier Jahren Direktor in der Generaldirektion Landwirtschaft in Brüssel. „Das Umfeld in Brüssel ist sehr viel feindlicher, als man es von Österreich aus glaubt.“

Auch in Österreich wandelt sich das Verhältnis zur Landwirtschaft. „Die Gesellschaft hat bisher gut mit der EU-Agrarpolitik gelebt“, sagt Josef Plank, Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium. Es gebe ausreichend Lebensmittel in bester Qualität und man zahle wenig dafür. Angesichts der guten Lage verschieben sich laut Plank aber die Relationen. „Man denkt sich: Genug haben wir, jetzt schauen wir uns auch genauer an, wie es produziert wird.“ Die Landwirtschaft stehe vor „einem dynamischen Veränderungsprozess“, so Plank. Er versucht daher, die Bauern, die schon jetzt über Produktionsauflagen und Bürokratie klagen, auf das vorzubereiten, was auf sie zukommen wird. Das Geld stellt er dabei nicht in den Mittelpunkt.

„Mit EU-Geldern, die einfach auf die Höfe überwiesen werden, wird man die Einkommen nicht steigern können.“ Vielmehr gehe es darum, daraus „mehr zu machen, damit mehr Einkommen zu erzielen“, skizziert Plank die Linie der österreichischen Agrarpolitik bei den Verhandlungen in Brüssel. Im Zentrum stehe: „Wie können wir uns auf den Märkten besser positionieren und uns besser organisieren, kurzum, wie können wir mehr erlösen.“

Das könnte für manche Bauern unliebsame Überraschungen bringen, denkt man doch laut darüber nach, trotz gekürzter Mittel Verarbeitung und Vermarktung stärker zu fördern. Das könnte bedeuten, dass Direktzahlungen an die Bauern noch stärker beschnitten werden, als es ohnehin zu erwarten ist.

Konkreter wird Plank nicht. Und auch sonst ist rund um die Neugestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vieles ungewiss. Vom Budget über den Zeitplan, den Brexit und seine Folgen bis hin zur detaillierten Ausgestaltung der Pläne.

Bisher gibt es nicht viel mehr als den Vorschlag des Agrarkommissars mit ein paar Eckpunkten. Als größte Veränderung zeichnet sich eine Neuordnung der Umweltvorschriften ab. „Das Greening-Modell hat sich nicht bewährt“, sagt Häusler. Brüssel will künftig nur mehr Ziele vorgeben, die Umsetzung will man jedoch den Mitgliedsstaaten überlassen. Den Bauern wird damit, wie schon so oft, auch eine Verwaltungsvereinfachung in Aussicht gestellt. „Die Idee ist, von detaillierten Vorschriften wegzugehen“, sagt Häusler. Ansonsten setzt man auf Kontinuität, das Zwei-Säulen-Modell soll bleiben, auch die Direktzahlungen und die Fördermodelle.

Deutlich konkreter sind die Einsparpläne. Setzt sich der EU-Budgetkommissar durch, erhalten Österreichs Bauern in der nächsten Budgetperiode von 2020 bis 2027 jährlich 110 Mill. Euro weniger aus Brüssel, ein Minus von neun Prozent. Während die Direktzahlungen um vier Prozent sinken sollen, würden die Mittel für die ländliche Entwicklung um 15 Prozent gekürzt. Das würde Österreich besonders stark schmerzen, weil kaum ein anderes Land so stark auf diesen Bereich setzt. Denn daraus werden nicht nur die Ausgleichszahlungen für die Umweltprogramme und die Biobauern bestritten, sondern auch die Förderungen für die Bergbauern. Wie es damit weitergeht, ist ungewiss.

Die Bauern können damit noch wenig anfangen und sehen ihre Felle davonschwimmen. „Was sollen wir tun?“, lautet die Standardfrage zur künftigen EU-Agrarpolitik. Für die Politiker ist das nicht leicht zu beantworten. Zum einen müssen sie den Anforderungen und Wünschen der Gesellschaft, der Märkte und der Budgets gerecht werden. Aber zum anderen geht es darum, die Landwirtschaft als Berufsfeld auch für junge Menschen auf den Höfen attraktiv zu halten und ihnen Zukunftsperspektiven zu bieten. Auf Österreichs Agrarpolitiker wartet noch sehr viel Arbeit.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 10. Dezember 2018

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