Donnerstag, 21. März 2019

Feuer auf den Kammer-Dächern



Die Arbeiterkämmerer haben es auch schon einmal lustiger gehabt. Zuerst werden sie immer wieder mit dem Karfreitagschaos in Zusammenhang gebracht, weil sie dem Kläger, der alles ins Rollen brachte, Unterstützung angedeihen ließen. Dann zeigten die Mitglieder in den Ländern, in denen heuer die AK-Wahlen bereits stattfanden, wenig Lust auf die Kammerwahlen. Man kam in die Schlagzeilen, weil in Oberösterreich bei den Wahlunterlagen für 7.800 Wahlberechtigte, die verschickt wurden, die Stimmzettel fehlten, was für Aufregung und Häme sorgte. Und schließlich geriet man in die Medien, weil der Sturm in der Vorwoche sichtbar machte, dass sich, wie das Nachrichtenmagazin profil schrieb, "die Grenzen zwischen der Arbeiterkammer als überparteilicher Interessenvertretung und den SPÖ-Gewerkschaftern als wahlwerbender Gruppe, weitgehend auflösten". Der Wind, der Plakate verwehte, entblößte, dass die FSG ihre Kandidaten im Land ob der Enns auf Plakatständern der Arbeiterkammer affichierte.

Richtig Feuer am Dach war aber erst, als August Wöginger, ÖAAB-Obmann und als Klubobmann im Parlament rechte Hand von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Öl ins Feuer goss und die Zusammenfassung der je nach Bundesland sehr unterschiedlichen Wahltermine auf einen einzigen Wahlsonntag vorschlug. Damit könne seiner Meinung nach eine höhere Wahlbeteiligung erzielt werden. Er kritisierte, dass die Arbeitnehmer die Wahlunterlagen inklusive Stimmzettel in ihren Betrieb oder an die Wohnadresse zugeschickt bekommen. "Das landet oft im Altpapier, viele Wahlberechtigte wissen gar nicht, dass AK-Wahlen stattfinden", sagte er in den "Salzburger Nachrichten". So wie das jetzt laufe, "ist die Zusammensetzung der Arbeiterkammer nicht mehr repräsentativ", meinte er. Die Zahlen zur Wahlbeteiligung sind tatsächlich beschämend und besorgniserregend. 37 Prozent in Vorarlberg, weniger als 34 Prozent in Tirol und Salzburg und gerade einmal 38,5 Prozent in Kärnten. 

Der Beifall der Seinen war dem Innviertler gewiss, bediente er doch damit perfekt und nachgerade lustvoll die Vorurteile gegen die "roten" Arbeiterkammern. Aufgeblasene Apparate, die mitunter Selbstbedienungsläden gleichen, sich in Schlampereien verstricken, die aber längst nicht mehr die breite Masse der Mitglieder vertreten -a lles schwang da mit.

Man mag das so sehen. Wenn man richtig findet, was Wöginger sagt, dann sei aber empfohlen, auch ein Auge auf die "schwarzen" Kammern zu werfen, insbesondere auf die Wahlbeteiligungs-Zahlen, auf die man dort die Macht gründet. Denn da ist keinerlei Unterschied auszumachen. Bei den Landwirtschaftskammerwahlen sind Wahlbeteiligungsquoten über 50 Prozent längst die Ausnahme. Oberösterreich brachte es 2015 auf 53,6 Prozent, Niederösterreich auf gerade einmal 59,03 Prozent. Sehr viel eher sind bei den Bauern inzwischen Quoten weit darunter die Regel. Im Burgenland lag die Wahlbeteiligung im Vorjahr gerade einmal bei 37,9 Prozent und zwei Jahre zuvor waren es in Kärnten auch nicht mehr als 39,15 Prozent. Und auch bei den Wirtschaftskammern ist man längst auf dem Niveau der Arbeiterkammern angelangt. Weniger als 30 Prozent waren es zuletzt in Wien und in ganz Österreich auch nicht mehr als 38,9 Prozent.

Vor diesem Hintergrund klingt Wögingers Vorwurf, dass die Zusammensetzung der Arbeiterkammer "nicht mehr repräsentativ" ist, gleich ganz anders. Zum einen müssen angesichts der bekannt reservierten Haltung der Kurz/Strache-Regierung den Sozialpartnern gegenüber die Alarmglocken schrillen. Denn längst hat die Regierung den über Jahrzehnte geübten Kurs der Konsenssuche mit den Sozialpartnern verlassen und geht gerne eigene Wege, ohne lange zu fragen. Die Vorgangsweise bei der Einführung des 12-Stunden-Tages sei nur als ein Beispiel genannt.

Zum anderen sollte nicht nur die Arbeiterkammer, sondern auch alle andere Kammern, die sich immer noch viel zu oft in Sattheit und Selbstzufriedenheit wiegen, Wögingers Aussagen als Weckruf sehen, alles daran zu setzen, das Vertrauen ihrer Mitglieder wieder zurückzugewinnen. Was man bisher machte, war allem Anschein nach zu wenig.

Wenn sich das nicht ändert, wird das wohl nicht anders werden. Und man wird wohl Wöginger recht geben müssen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. März 2019

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