Donnerstag, 2. Mai 2019

Steuern und Staunen



Eine Steuerreform, wie sie in diesen Tagen für Schlagzeilen sorgt, gilt als Hochamt der Innenpolitik. Nicht nur, weil das Steuersystem das finanzielle Rückgrat eines Staatswesens ist, sondern auch, weil für die Politik viel am Spiel steht, zumal der gemeine Steuerzahler und Wähler in der Regel zu Steuern ein nachgerade neurotisches Verhältnis pflegt, schlagen doch in deren Brust zwei Seelen. Den meisten sind die Steuern immer zu hoch und viele finden sie als Zumutung. Und auf der anderen Seite kann niemand genug davon bekommen, wenn die Mittel verteilt werden und viele fühlen sich dabei benachteiligt und ungerecht behandelt.

Das alles ist freilich vor allem in Österreich nur zu verständlich, ist doch das Steuersystem bei uns über die Jahrzehnte völlig aus dem Ruder gelaufen, ein in die Jahre gekommenes Flickwerk, bei dem kaum mehr ein System zu erkennen ist. Klarheit und Transparenz haben sich über die Jahre und nach hunderten Nachbesserungen und Ausnahmeregelungen längst so verwaschen, dass es sich mitunter selbst ad absurdum führt. Vieles ist undurchschaubar geworden und oft nicht mehr nach-vollziehbar. Und gerechter ist das System über die Jahre auch ganz sicher nicht geworden, was eine wachsende Unzufriedenheit zur Folge hat.

Faktum ist, dass Österreich ein Hochsteuerland ist, in dem die Abgabenlast insgesamt so hoch, wie kaum sonst irgendwo ist. Bei der Besteuerung der Arbeit etwa liegt Österreich im Spitzenfeld und längst sogar auch deutlich vor Ländern wie Schweden und Dänemark, die hierzulande über Jahrzehnte als die sozialistisch geführten Steuerhöllen schlechthin an den Pranger gestellt wurden. Die Steuerhölle aber, das ist inzwischen Österreich selbst. Oft kommt man aus dem Staunen nicht heraus. "Bereits bei einem durchschnittlichen Angestellten kassiert der Staat genauso viel wie der Arbeitnehmer", rechnet Agenda Austria vor. "Der Maler streicht an, der Staat streicht ein", bringt man eines der zentralen Themen des heimischen Steuersystems auf den Punkt. Will eine Durchschnittsverdienerin für 600 Euro ausmalen lassen, muss sie demnach knapp 1.087 Euro erwirtschaften, um nach Abzug aller Steuern die Rechnung zahlen zu können. Dem Maler seinerseits aber bleiben von den 600 Euro nur 261 Euro, während bei der ganzen Transaktion 826 Euro über Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an die staatlichen Kassen gehen.

Dass die Relationen derart aus dem Ruder sind, hat -unter vielem anderen -auch mit der ungleichen Verteilung der Steuerlast zu tun. Rund 2,5 Millionen der fast neun Millionen Österreicherinnen und Österreicher zahlen überhaupt keine Steuern. Und 70 Prozent der Haushalte bekommen mehr an Geld in Form von Sozialleistungen, Zuschüssen und Ausgleichszahlungen zurück, als sie in das System hineinzahlen.

Es hat aber auch damit zu tun, dass der Staat hierzulande über all die vergangenen Jahrzehnte zu einem zwar oft gescholtenen, aber doch allseits geschätzten Versorgungsinstrument geworden ist, das weidlich genutzt wird. Und dabei geht es bei Gott nicht alleine um das großzügig ausgestattete Pensions-und Gesundheitssystem, um Ansprüche im Sozialbereich oder den aufgeblähten Verwaltungsapparat. Da geht es unter anderem auch um den großen Bereich der Förderungen, die von der Industrie und Großunternehmen oder Häuslbauern genauso lukriert werden wie von der Landwirtschaft und vielen anderen. Dass der Staat unter die Arme greift, wird für selbstverständlich gehalten. Mehr als 50.000 Förderprogramme gibt es in Österreich, an die 30 Milliarden Euro werden Jahr für Jahr direkt und indirekt von Bund, Ländern und Gemeinden verteilt. Diese Kultur blockiert seit Jahrzehnten Veränderungen, deren Notwendigkeit zwar erkannt wird, die durchzuführen aber niemand wagt, weil es das politische Leben kosten könnte.

Bei der aktuellen Steuerreform ist das nicht anders. Sie wird, nach dem was bisher bekannt ist, nicht als der große Wurf gewertet, aber als durchaus passabel. Sie ist aber nicht mehr als ein kleiner Schritt. Schon jetzt aber heißt es da und dort "aber da muss noch mehr kommen".

Um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden, braucht es wohl einen grundlegenden Umbau der Staatseinahmen, wie es dieser Tage im Leitartikel einer großen österreichischen Tageszeitung hieß. Und der muss mehr sein, als der Ruf nach Öko-oder Reichensteuern. Dazu gehört wohl auch, wovon kaum jemand hören will - das Sparen auf der Ausgabenseite.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Mai 2019

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