Donnerstag, 9. Mai 2019

Und was ist dann?



Es gibt viele in diesem Land, die würden die Regierungskoalition liebend gerne auseinanderfliegen sehen. Die Spekulationen darüber werden mehr, die Forderungen lauter. In der SPÖ, aber auch in anderen, der linken Reichshälfte zuzuzählenden Kreisen gehören sie mittlerweile zum Standard. Nicht allein, weil man der Macht nachtrauert, sondern wohl auch, weil man sich ernsthaft Sorgen um das Zusammenleben im Land macht, um die Demokratie und darum, wie sich noch alles entwickeln kann.

Das muss man nicht verstehen, aber das kann man verstehen. Die Kost, die Kurz und Strache auftischen, ist mitunter selbst für Parteigänger der Türkisen schwer verdaulich. Ganz abgesehen davon, dass es, so wie die Dinge derzeit liegen, wohl für Kurz keine Möglichkeit gibt und wohl auch keinen Sinn macht, die Koalition aufzukündigen, ist wohl auch zu fragen, was es wirklich bringen würde. Vor allem, wo all die Leute hinkommen, die von der aktuellen Politik so begeistert sind, die glauben, sich kein Blatt mehr vor den Mund nehmen zu müssen, wenn endlich die "Nichtstuer", für die sie sie halten, die "Sozialschmarotzer" und erst recht die "Asylanten" an die Kandare genommen, wenn Journalisten angegriffen werden und wenn manche aus der heimischen Politik heftig mit Leuten wie Orban und Salvini und der Feindseligkeit gegenüber der Europäischen Union flirten.

Man soll sich nichts vormachen, es gibt nicht wenige Menschen in diesem Land, die an so Ungustiösem, wie dem Rattengedicht, nichts finden, oder daran, dass es Menschen gibt, die gemeinsam davon singen, dass man "die siebente Million" noch schaffen werde. Und gar nicht zu reden von all den Menschen, die voller Hass und ohne Zurückhaltung in den Sozialen Medien posten, den Stammtisch-Helden und all den Grantlern, die schon in aller Früh über den "amerikanischen Jud'" schimpfen und über die "Ausländer, die die Bahnhöfe gefährlich machen".

Aber, wird da irgendetwas anders, wenn die Koalition zerplatzen würde? Wo sind dann diese Leute? Wo kommen sie hin, was werden sie tun? Und  - sind sie andere Menschen, wenn sie statt zuletzt FP in Zukunft wieder die Sozialdemokraten wählen? Oder die Volkspartei oder die Grünen? Ist dann auf einmal alles gut? Wohl kaum. Sie werden wieder mehr aufpassen, wo sie was sagen, sie werden sich zurückziehen - aber sie werden sich kaum ändern. Und verschwinden werden sie schon gar nicht. Sie tauchen wohl nur unter und ziehen sich zurück. Sie werden keine anderen Menschen und bleiben, auch wenn sie wieder anders wählen sollten, wohl weiterhin ansprechbar für all das, was viele in diesem Land als rechts oder gar totalitär fürchten. 

Wenn der Anteil der FP-Stimmen wieder zurückgehen sollte, hat das also wenig damit zu tun, dass es in Österreich dann weniger gibt, die dem was man als rechtes Gedankengut geißelt, anhängen. Sie bleiben. Und sie kommen wieder. Der Niedergang unter Haider und die Wiedererstarkung unter Strache zeigten das. Dagegen hilft kein Bruch der Koalition, kein Koalitionswechsel und auch kein politischer Umsturz. Zu viele Menschen in diesem Land sind von vielen dieser Haltungen, derentwegen man sich vielerorts Sorgen macht, zutiefst überzeugt. Und das sind nicht nur Strache-Wähler und FP-Parteigänger. Diese Denkmuster reichen weit in die Sozialdemokratische Partei hinein, in die Volkspartei auch und selbst bis weit hinein in die Welt der Grünen, zumal jene der bürgerlichen Grünen. Das ist so, auch weil die Parteien gerade in dieser Hinsicht versagt haben und die Wirklichkeit oft nicht zur Kenntnis nehmen wollten und nie wirksame Antworten darauf entwickelten. Da soll sich niemand etwas vormachen.

Wie zur Bestätigung lieferten die Sozialdemokraten selbst jüngst besorgniserregende Beispiele, die vor Augen führen, welcher Geist auch dort herrscht und dass das Hasspotenzial in diesem Land, die niedrigen Instinkte, die Unflätigkeiten, die man gerade dort so gerne ausschließlich im rechten politischen Spektrum verortet, vor den eigenen Parteigrenzen nicht halt machen.

Welcher Ungeist auch dort herrscht, zeigt etwa eine SPÖ Langenzersdorf, die gegen die Chefredakteurin des Kurier wütete und sie, just zur gleichen Zeit, als die Parteioberen die Pressefreiheit zum Thema machten, als "eine vom Basti installierte türkise Laufmasche" verunglimpfte. Oder der Chef der Volkshilfe, der bei seiner 1. Mai-Rede in Steyr gegen die "Oarschmenschen" in der Regierung vom Leder zog, oder der Steyrer Bürgermeister, der bei ebendieser Veranstaltung vom Bundeskanzler als "Tintifax mit den großen Ohren" sprach.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Mai 2019

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