Donnerstag, 3. September 2020

Agrarreform ohne Bauern



Die Diskussion rund um die EU-Agrarreform läuft. Aber sie läuft nicht rund. Und vor allem scheint sie an der Landwirtschaft und ihren Bedürfnissen vorbeizulaufen. Das vor allem. Da ist viel – und zuweilen drängt sich gar der Eindruck auf vor allem - von Umwelt und Klima die Rede. Man will den Düngereinsatz um 20 Prozent reduzieren und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gar um 50 Prozent. Da geht es um den Schutz von Vögel und Insekten und um die Biodiversität.
Das mag ja alles gut und schön sein, aber um die Landwirtschaft und schon gar um die Bauern scheint es hingegen kaum zu gehen. Um das, was sie umtreibt, um das, was sie brauchen und schon gar nicht um das, was sie wollen. Nicht um so zentrale wirtschaftliche Themen wie Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit, um eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit, um die Produktion und die Produkte, um die Qualität und um deren Sicherung. Und schon gar nicht um so wichtige Themen wie Forschung und Innovation. Und es geht offenbar nicht einmal um die Versorgungssicherheit, auch wenn man sich darum zumindest in den zahllosen Sonntagsreden viele Sorgen macht.
In all den Papieren, die rund um die Reform der EU-Agrarpolitik präsentiert und diskutiert werden, geht es bemerkenswert wenig darum, wie die Bauern damit zurechtkommen sollen. Da ist viel von den Erwartungen und Wünschen der Gesellschaft die Rede, aber wenig von jenen der Bauern. Und wenn von ihnen und ihren Bedürfnissen geredet wird, dann sind die zumeist alleine aufs Geld reduziert. Auf die Preise für die Produkte allenfalls, vor allem aber auf die Fördermittel, die ihnen die öffentlichen Haushalte der EU- und der EU-Mitgliedsstaaten bereitstellen. Aber damit hat es sich auch schon.
Die Landwirtschaft mag darunter leiden, sie muss ich aber auch vorhalten lassen, dafür zumindest mitverantwortlich zu sein. Zu sehr hat man in den vergangenen Jahrezehnten auf das Geld geschaut und die Erhaltung der Förderungen als zentrales Mittel der Agrarpolitik begriffen. Zu sehr hat sie sich auf die Rolle als Subventionsnehmer am Tropf der öffentlichen Kassen reduzieren lassen. Darüber hat man vergessen, über das eigene Tun zu reflektieren, darüber, was man besser machen könnte und was anders. Statt sich weiterzuentwickeln stand in vielen Bereichen vor allem im Mittelpunkt, das Bestehende zu erhalten.
Nun scheint ganz Europa dabei zu sein, sich in der internationalen Landwirtschaft aus dem Spiel zu nehmen. Man will reduzieren, man will schrumpfen, man will das Rad zurückdrehen. Man will die Landwirtschaft, drängt sich der Eindruck auf, am liebsten anderen überlassen. Den Chinesen, den Südamerikanern, den US-Amis. Und die europäische Landwirtschaft hat dem nichts entgegenzusetzen, weil sie keine Linie und keine Idee und schon gar kein Konzept hat.
Aufgabe der österreichischen Agrarpolitik ist es, dafür zu sorgen, dass die heimische Landwirtschaft nicht von diesem Strömungen mitgerissen wird und zumindest ihren bisherigen Weg, der bei allen Schwächen in Europa doch zu den innovativsten zählt, verteidigen und weitergehen kann.
Von Verbesserungen ist ohnehin keine Rede. Schon gar nicht von Verbesserungen für die Bauern.
Gmeiner meint - Blick ins Land, 4. September 2020


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