Donnerstag, 10. September 2020

Wer hilft der Hilfe?

 

Viel ist in diesen Tagen die Rede vom Flüchtlingsstrom, der vor fünf Jahren über Europa hereinbrach. An die "Zerreißprobe" wird erinnert, die das damals gewesen sei. Man fragt, ob der Kontinent die Flüchtlingskrise inzwischen gemeistert hat und was die damaligen Ereignisse mit dem Land und den Leuten gemacht haben. Es wird diskutiert über "Pulleffekte", über Rechtsstaatlichkeit und vieles andere mehr. Über Hilfe, über das Helfen an sich und über seine Bedeutung hingegen - darüber wird nicht mehr geredet.


Hilfe und Helfen haben ein schlechtes Image. Helfen ist etwas, worüber man heute kaum mehr spricht. Über Hilfe wird nur mehr wenig diskutiert. Nicht, ob sie irgendwo notwendig ist, und schon gar nicht, wie man helfen könnte. Sei es, weil man wirklich nichts davon hält, weil man es sich einfach macht und auch angesichts der gesellschaftlichen Stimmung einfach machen kann. Oder sei es, weil man sich Diskussionen ersparen will. Hilfe ist kaum mehr ein Thema.

Das ist wohl auch eine Folge der Ereignisse vor fünf Jahren. Zu helfen gilt ganz augenscheinlich nicht mehr viel. Vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Und schon gar nicht, wenn es um Flüchtende und Geflüchtete geht. Da hat man es sich längst bequem gemacht hinter Sätzen wie "Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir in der jetzigen Wirtschaftskrise noch viele weitere Menschen aus andere Kulturen mit hohem Betreuungsaufwand aufnehmen können." Oder wie es einer wie der burgenländische Landeshauptmann gerne formuliert: "Natürlich ist Humanität wichtig, aber genauso wichtig ist der Faktor Rechtsstaatlichkeit." Selbst wenn es um andere Themen geht, wo Hilfe gefragt wäre, müssen Sätze herhalten wie "Was kann humanitäre Hilfe angesichts der enormen Zahl an unterernährten Menschen schon ausrichten?", oder "Was können wir als Einzelne schon tun, wenn korrupte Regierungen in Entwicklungsländern alle Hilfen kassieren?".

Nicht zu helfen ist, so scheint es, zur Grundhaltung geworden. Jedenfalls dann, wenn es um Nicht-Österreicher geht und erst recht, wenn es gar um Menschen aus anderen Kulturen und mit anderen Religionen geht. Erst recht jetzt in der Coronakrise, wo man sich mit Ampeln und Maskenpflicht beschäftigt genug fühlt. Da geht sich gerade noch eine Aktion namens "Österreich hilft Österreich" aus. Mehr aber kaum.

Man sieht kaum mehr etwas von Hilfsengagements. Nicht, wenn es um Geflüchtete geht und auch nicht, wenn es um andere Menschen geht, die Hilfe brauchen. Wer hilft in diesem Land, tut es inzwischen eher im Stillen. Man will sich nicht Anwürfen aussetzen, man will sich nicht ständig rechtfertigen müssen. Zuweilen drängt sich der Eindruck auf, dass alle nur mehr auf sich schauen. Und wenn sich dann doch offen Engagement in Sachen Hilfe zeigt, stehen oft politische und -seltener -auch wirtschaftliche Interessen dahinter.

Dass es so gekommen ist, mag durchaus verständlich sein und auch nachvollziehbar. Es ist wohl zu viel schiefgelaufen. Auf allen Ebenen. Und dennoch sollte man über Hilfe, über das Helfen, wieder reden und auch über Solidarität in der Gesellschaft und der Gesellschaften untereinander. Wo sind wir hingeraten? Was hat uns so überfordert? Was ist das für eine Gesellschaft, in der das Fernsehen und all die anderen Medien voll sind mit Reportagen, die sich Sorgen machen über das Wohlergehen respektive die Bedrohung von allerlei Tieren und Pflanzen, wo aber Reportagen über die Nöte von Menschen in Notlagen, am sozialen Rand oder in anderen Erdteilen kaum mehr vorkommen?

Es ist wohl keine Zeit für Solidarität und Hilfe, wiewohl sie dringender wäre wie selten zuvor. "Wir alle tragen für unsere Welt gemeinsam Verantwortung", schrieb kürzlich der oberösterreichische Caritas-Direktor. Das Klima zu helfen und Solidarität zu zeigen, scheint vergiftet.

Noch schlimmer ist freilich, dass das, wie es scheint, überall akzeptiert wird. Selbst in Parteien, die gerne ihren christlich-sozialen Hintergrund herauskehren, wenn es als zweckdienlich für den Ruf erscheint und selbst in den Kirchen, in denen sich die Gläubigen immer öfter davor drücken, gerade bei diesen Themen die Führerschaft zu übernehmen, und das gesellschaftlich-politische Klima wieder zu ändern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. September 2020

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