Über „klassische
Klientelpolitik“ wurde geschimpft und darüber, dass eine große Chance
„fahrlässig verspielt“ wurde. „Desaster für Klima- und Artenschutz“ hieß es da
und „Schwarzer Tag für Europa“. Es war davon zu lesen, dass die „Agrarlobby“
gewonnen habe. Und Greta Thunberg erregte sich darüber, dass dadurch die
„ökologische Zerstörung“ beschleunigt werde.
Wenn es nach den
oft sehr kritischen und zuweilen nachgerade bösartigen Kommentaren zur EU-Agrarreform
geht, die in den vergangenen Tagen zu hören und zu lesen waren, kann das, was
die Agrarminister und das EU-Parlament beschlossen haben, für die Bauern nicht
so schlecht sein. Auch wenn man nicht mit allem zufrieden sein muss, gilt doch
wohl was die EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer so formulierte: „Die starke
Stimme der Realität hat gesiegt“.
So ist es wohl.
Österreichs Agrarpolitik feiert vor allem, dass es gemeinsam mit der Allianz
mit sieben kleineren EU-Ländern gelungen ist die Anrechenbarkeit bestehender
Umweltprogramme durchzusetzen. „Das große Ziel, das österreichische Agrarmodell
abzusichern und weiterentwickeln zu können wurde erreicht“ loben sich die
Verhandler.
Was aber konkret
auf Österreichs Bauern zukommt und wie das österreichische Agrarmodell, auf das
man so stolz ist, wirklich weiterentwickelt werden soll, ist nach wie vor
offen. Fix ist nur, dass damit auch die Träume von gleichen Flächenprämien für
Alm- und für Talböden Träume bleiben.
Bei der konkreten
Ausgestaltung einer Agrarreform in Österreich gab es jedenfalls noch selten so
große Spannungen. Die Stellungen sind längst bezogen und wurden nach
Bekanntwerden der der EU-Einigung prompt in den ersten Stellungnahmen
bekräftigt. „Jetzt gilt es auf nationaler Ebene das Beste für unsere
kleinstrukturierten Betriebe herauszuholen“, ließ etwa Tirols Kammerpräsident
Josef Hechenberger wissen. „Wir werden uns in Wien in besonderer Weise für die
Almwirtschaft aber auch die Grünlandbewirtschaftung im Berggebiet einsetzen.“
Gerade diese Betriebe müssten sich auf eine Kontinuität bei den Zahlungen
verlassen können. Und aus Oberösterreich, wo man befürchtet, dass viele Bauern
aus den Umweltprogrammen aussteigen könnten, wenn sie schlechter gestellt
werden, meldete sich Präsidentin Michaela Langer-Weninger umgehend und
forderte „nun konkrete Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen so zu gestalten, dass
deren Umsetzung auch für intensiver geführte Tierhaltungsbetriebe und Gebiete
mit höheren Ernteerträgen wirtschaftlich attraktiv ist“.
Nicht nur zwischen
den Bauern dieser beiden Länder stehen die Interessen oft diametral
gegeneinander. „Die Herausforderungen bleiben groß“, weiß Josef
Moosbrugger, der aus Vorarlberg stammende Präsident der Landwirtschaftskammer
Österreich. Die Herausforderung besteht wohl auch darin, dass man nun auch in
Österreich ein Modell für die Umsetzung der Agrarreform zusammenbringt in dem
sich auch die „starke Stimme der Realität“ durchsetzt.
Das
verlangt viel Fingerspitzengefühl und Verständnis. Von den Interessenvertretern,
von den Bauern und vor allem auch von den NGO die diesmal in Österreich so viel
mitzureden haben wie noch nie. Auch wenn nun der Kampf eröffnet ist.
Gmeiner meint - Blick ins Land, 29. Oktober 2020