Donnerstag, 23. Dezember 2021

Bauern haben die Bescherung

Die Agrarreform steht. Österreichs Bauern bringt das deutlich weniger Förderungen. Auch die Teilnahme an Umweltprogrammen kann das meist nicht ausgleichen.

Hans Gmeiner

Ende November hatte das Europäische Parlament die EU-Agrarreform abgesegnet. Am Mittwoch wurde nun auch vorgestellt, wie man die gemeinsame Agrarpolitik ab 2023 in Österreich umsetzen will. Das Paket bringt viel von dem, was oft schon seit Jahren gefordert wurde. Dazu gehören die Einführung einer Förderobergrenze bei 100.000 Euro, die Förderung für Kleinbetriebe, eine Stärkung der Biolandwirtschaft und der Almwirtschaft, Geld für Tierwohl und eine Verlagerung der Fördermittel hin zu Umweltmaßnahmen. „Das Programm kann sich sehen lassen“, betonte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).

Ob das freilich auch die Bauern so sehen, muss sich erst weisen. Derweilen sind sie skeptisch. Nicht nur, dass die Förderung in Richtung Extensivierung weist, sondern die allermeisten von ihnen müssen in den kommenden Jahren auch mit zum Teil deutlich weniger Förderungen auskommen. Die Kürzungen treffen praktisch alle Betriebskategorien, gleich ob groß oder klein, ob Körndl- oder Hörndlbauer, ob bio oder konventionell oder ob Bergbauer in Salzburg oder Ackerbauer im Weinviertel.

Der Hauptgrund dafür: Statt wie bisher knapp 300 Euro pro Hektar, die aus den Brüsseler Kassen an die Bauernhöfe gingen, gibt es in Zukunft für alle einheitlich nur mehr 215 Euro, fast ein Drittel weniger als bisher. Selbst für Betriebe mit durchschnittlichen Betriebsgrößen zwischen 40 und 60 Hektar kommen da schnell Einbußen in der Größenordnung von 4000 Euro und mehr zusammen.

Für Bauern verwunderlich ist, dass sowohl Köstinger als auch die grüne Agrarsprecherin Olga Voglauer bei der Präsentation der Pläne, die noch der EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden müssen, die Umverteilung von Mittel- zu Kleinbetrieben als Erfolg darstellten. Für die ersten 20 Hektar gibt es einen Zuschlag von 46 Euro pro Hektar, für 20 bis 40 Hektar beträgt der Zuschlag 23 Euro pro Hektar – täuschen sollte man sich davon freilich nicht lassen. Denn selbst diese Betriebe müssen in Zukunft mit deutlich geringeren Förderungen pro Hektar auskommen. Statt der bisher knapp 300 Euro gibt es etwa für Betriebe bis 20 Hektar in Zukunft nur 215 Euro pro Hektar. Mit dem Zuschlag von 46 Euro macht das also in Summe 261 Euro pro Hektar – um knapp 40 Euro weniger als bisher. Bei einem Vierzig-Hektar-Betrieb beträgt die Einbuße sogar knapp 50 Euro pro Hektar.

Auf dem Papier sollen die Verluste, so das Konzept der Agrarreform, durch eine verstärkte Teilnahme an den geförderten Maßnahmen im Umweltprogramm ausgeglichen werden – die Bauern sollen sich also die bei den Direktzahlungen verlorenen Fördergelder über die Verpflichtung zu Umweltmaßnahmen holen. Ob das in der Praxis funktionieren wird, wird in bäuerlichen Kreisen bezweifelt. Berechnungen anhand von konkreten Betriebsbeispielen zeigen, dass die Einbußen bei den Direktzahlungen kaum ausgeglichen werden können. Weder beim Ackerbauern mit 40 noch bei jenem mit 70 Hektar, auch nicht beim durchschnittlichen Schweinemäster mit 200 Mastplätzen, beim Milchviehbetrieb mit 40 Kühen noch beim Bio-Mutterkuhhalter mit 19 Stück Vieh und auch nicht beim 13 Hektar kleinen Acker-Grünlandbetrieb, der extensiv geführt wird. Überall bleibt ein Minus, auch wenn die Bauern eifrig die Angebote des Umweltprogramms nutzen. Es kann zwei Prozent betragen, aber auch 18 und mehr.

Ein Plus hingegen gibt es allenfalls bei jenen Bauern, die neu in eines der Programme einsteigen. Gewinner werden aus heutiger Sicht Bauern sein, die sich etwa neu auf Grundwasserschutz im Acker verpflichten. Das Gebiet dafür wurde vor allem in Oberösterreich und im Weinviertel stark erweitert. Zu Gewinnern werden diesen Berechnungen zufolge auch Biomilcherzeuger zählen, die sich für Tierwohlmaßnahmen entscheiden, und Bioschweineerzeuger.

Die Skepsis der Bauern macht nicht nur der Standesvertretung, sondern auch den Verarbeitern agrarischer Produkte schon jetzt Sorgen. Die Standesvertreter befürchten, dass vor allem Bauern in den Hauptproduktionsgebieten in Oberösterreich, Niederösterreich und der Steiermark aus den Umweltprogrammen aussteigen, weil sie sich zu sehr eingeschränkt sehen. Die derzeit guten Preise auf den Agrarmärkten könnten viele dazu verführen, stattdessen die Produktion zu intensivieren. Das beobachten auch Fleisch- und Milchverarbeiter mit Sorge. Sie fürchten dann Schwierigkeiten auf dem für Österreich extrem wichtigen deutschen Markt, wo im Handel Themen wie Tierhaltung immer bedeutender werden. „Viele Bauern wollen das nicht hören“, sagen schon jetzt Berater. „Wir müssen ihnen klarmachen, dass die Teilnahme an Umweltprogrammen eine Investition in die Zukunft ist, auch wenn sie bei einem Ausstieg kurzfristig mehr sehen.“

Das ist wohl auch als ein Zeichen dafür zu sehen, dass man auf vielen heimischen Bauernhöfen und in der Agrarpolitik an einer Wegkreuzung angelangt ist. Knapp 1,8 Mrd. Euro fließen von 2023 bis 2027 jährlich in die heimische Landwirtschaft. Auf dem Papier kann man seit Jahren eine Verringerung der Mittel vermeiden. Das kann freilich zu falschen Schlüssen führen. Denn real zu Preisen des Jahres 2000 entspricht das nicht viel mehr als 1,1 Mrd. Euro, mit denen die Bauern mehr als 20 Jahre später das Auslangen finden müssen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 23. Dezember 2021

Und wieder eskaliert Weihnachten

Spät, aber doch, ist heuer der Weihnachtstrubel noch auf Touren gekommen. Nur an einem statt an vier Wochenenden. Aber immerhin. Da war die Sehnsucht nach Normalität zu spüren, nach der Normalität von früher. Nach Shoppen, nach Treffen mit Freunden, nach Gesellschaft. Trotz Corona und Lockdown. Zuweilen wirkte alles wie weggeblasen, zur Seite geschoben, ausgeblendet. Eingeschränkt zwar lief der Weihnachtsfuror dennoch auf Hochtouren. Nicht auf den Straßen und in den Geschäften vielleicht. Aber in den Köpfen, im Internet, in den eigenen vier Wänden. Da war wenig von der Zeit der Stille zu spüren. Und auch nicht davon, dass man sich im vorigen Jahr vorgenommen hatte, sich einzubremsen und all den Wahnsinn nicht mehr mitzumachen. Der Besinnlichkeit wegen, der eigenen Brieftasche wegen, aber oft auch der Umwelt wegen -"das nächste Mal" nahm man sich damals vor.

Das nächste Mal wäre in den vergangenen Wochen gewesen. Aber man war wieder schwach geworden. Da war wenig zu merken davon, dass man sich einschränkte. Wohl auch, weil man versuchte sich zu trösten und sich nicht unterkriegen zu lassen. Man bestellte Paket um Paket, man trug heim, was man trotz Lockdown kriegen konnte, man versuchte, es sich schön zu machen mit allem, was zu finden war.

Da nimmt nicht wunder, dass da auch wieder die Rekordmeldungen der Post und der Paketdienste kamen. Mehr als eine Million Pakete habe man jeden Tag zuzustellen in den Wochen vor Weihnachten, ließ die Post wissen. Insgesamt 185 Millionen Pakete werde man heuer ausliefern, "nur" 127 Millionen seien es noch vor zwei Jahren gewesen. Dabei war da noch gar nicht die Rede von den zahllosen Klein-Lkw von Versandhändlern wie amazon oder der privaten Paketdienste, die seit Wochen schier Tag und Nacht durch Land und durch die Städte rasen und die auch heuer wieder neue Rekordzahlen liefern.

Weihnachten eskalierte auch heuer wieder. Wie jedes Jahr. Was gibt es nicht alles an Versprechungen, Forderungen und Absichtserklärungen, es beim nächsten Mal besser zu machen? Dann aber? Nichts. Der Paketwahnsinn gehört dazu und die Online-Bestellungen, aber auch Themen wie die Mode, die immer mehr zur Wegwerfmode wird, der Müll, den wir nach dem Weihnachtsfest hinterlassen oder die Verschwendung von Lebensmitteln.

Die ökologischen Folgen dieses Konsumrausches, für die man gerne und mit einem Anflug von Betroffenheit Problembewusstsein zeigt, werden dann schnell vergessen, wenn es um das eigene Paket geht und um die eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Nicht anders ist es bei all dem, was man den regionalen Erzeugern und Händlern in Aussicht stellte. Da will man dann nichts hören vom "Riesen-Fußabdruck", den die Verramschung und Vernichtung vor allem zurückgeschickter Pakete und von Retourware hinterlassen. Nichts davon, dass Kleidung heute nur mehr halb so lange getragen wird wie noch vor 15 Jahren, weil allen Beteuerungen zum Trotz selbst Textilriesen in Österreich "Billigmode am laufenden Band", wie Greenpeace beklagt, produzieren lassen. "Wegwerfmode" ist der Begriff dafür. In den heimischen Mülltonnen landet nach den Weihnachtsfeiertagen um 20 Prozent mehr Abfall als im Jahresschnitt. Darunter viel zu oft auch Lebensmittel. Umgerechnet landen Lebensmittel von gut 70.000 Lkw jährlich auf der Deponie.

Alle Appelle scheinen ohne Wirkung und nichts denn Makulatur zu sein. Viel mehr, als dass man die Probleme erkannt hat, scheint in den vergangenen Jahren nicht geschehen zu sein. Fortschritte im Kampf gegen Paketflut, Wegwerfmode, Müll oder Essen-Verschwendung sind mit freiem Auge kaum erkennbar. Nicht zu Weihnachten. Und schon gar nicht in der Statistik. Alle Initiativen scheinen wirkungslos zu verpuffen. Sie werden überrollt von der täglichen Realität, der Rücksichtslosigkeit nicht nur von großen Konzernen, auf die man gerne die Verantwortung abschiebt, sondern von der, die bei uns allen um sich greift. Da wie dort hat man immer Erklärungen und Entschuldigungen dafür, weiter am Rad zu drehen.

Man könnte, zumal in dieser Zeit des Jahres, zumindest sagen, es gibt ja ein neues Jahr und nächstes Jahr wieder Weihnachten und da werde man es besser machen.

Aber das hat man vor einem Jahr auch schon gesagt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Dezember 2021

Donnerstag, 16. Dezember 2021

Es kann einem Angst werden im Land

Es kann einem Angst werden in diesen Tagen. Von den Meldungen in den Zeitungen und im Fernsehen. Von den Bildern von Demonstrationen. Und vor dem allem, was einige völlig entrückt von sich geben. "Lügenpresse" ist noch das geringste, was selbst völlig unscheinbare Zeitgenossen, denen man diese Wut nie zugetraut hätte, hinausschreien. "Massenmörder" wird skandiert, bei Demonstrationen sind Galgen zu sehen und "wenn es wirklich sein muss, müssen wir auch mit Fäusten sprechen, friedlich geht es leider nicht mehr".

Corona radikalisiert. Österreich im Advent 2021 ist nicht mehr das Österreich, das wir über Jahrzehnte kannten. Das Land brodelt. Krankenhäuser, Fernsehanstalten und Medienhäuser müssen ihre Sicherheitsmaßnahmen verstärken, weil die Bedrohungen immer heftiger werden. Ärztinnen und Ärzte müssen geschützt werden. Drohungen überall, Attacken auch und Tumulte selbst vor und in Krankenhäusern.

Wie konnte es kommen, dass sich gleich so viele Menschen so hartnäckig verrennen, regelrecht aus der Spur geraten und sie der Wissenschaft, anerkannten Experten und Ärzten nichts mehr glauben wollen? Dass sie lieber irgendwelchen Meldungen vertrauen, deren Quellen sie oft gar nicht benennen können? Zeitungsverlagen mit moldawischer Adresse, die sich aber als österreichische Medien ausgeben? Experten, die ihren Namen nicht nennen, unter Pseudonymen auftreten oder auf abenteuerliche Diplome verweisen? Warum sind just da bei all diesen Leuten, die auf den Straßen ihren Unmut hinaustragen oder mit geballten Fäusten daheim sitzen, alle Vorsichts-, Unsicherheits-und Zweifelmechanismen ausgeschaltet, auf die sie sonst oft so stolz sind?

Woher kommt all dieser Hass, der sich um die Coronapolitik und die Impfung entlädt? Diese Wut und die Verachtung auch für alles, was vom Staat kommt, von der Medizin und von der Wissenschaft? Die Gründe dafür sind wohl vielfältig. Und viele sind nachvollziehbar. Die Enttäuschung von der Politik, die vielen Enttäuschungen über leere Ankündigungen gehören dazu. Auch mit enttäuschten Lebenserwartungen und gescheiterten Lebensentwürfen hat das wohl zu tun, für die man die Verantwortung überall, nur nicht bei sich selbst sehen mag. Eine große Portion haben wohl auch populistische Politiker, die Stimmungen anheizen, von denen sie hoffen, dass sie nach oben -oder im Fall des FP-Obmannes -wieder nach oben getragen werden. Und ein gerüttelt Maß tragen wohl auch viele Medien dazu bei, dass die Stimmung im Land so geworden ist, weil sie sich oft keine Schlagzeile verkneifen konnten oder weil sie gar, wie Servus-TV, die Provokation unter dem Mantel der Aufklärung zur redaktionellen Linie erhoben haben.

Überall mag etwas dran sein, und dennoch geht es viel zu wenig tief. Was wir jetzt erleben, ist schon länger angelegt, weit vor Corona und wohl über Jahrzehnte. Diese wachsende Beliebigkeit, die Entwurzelung von festgefügten Strukturen, die zunehmende Gewalt und ihre Verherrlichung gar, dieser Egoismus und diese Verantwortungslosigkeit, die sich breit machten. Es ist, als gebe es eine direkte Linie von dort zum oft völlig entgleisten Umgangston auf Twitter, zu gesellschaftlichen Themen wie zunehmenden Problemen mit häuslicher Gewalt und der nachgerade explodierenden Zahl der Frauenmorde bis hin zu dem Hass, der nun überall und immer offener zu spüren ist.

Und jetzt auch noch die Impfpflicht. Da kann einem bange werden. Denn der 1. Februar hat, wie kürzlich ein Kommentator warnte, in der Tat gesellschaftspolitisch ein "unglaublich kritisches Potenzial für die gesamte Stimmung im Land". Die Sorge wächst, dass all das, was bisher zu sehen war, nichts gegen das ist, was da kommen kann, zumal angesichts von Omikron die Zweifel an der Sinnhaftigkeit auch in Fachkreisen und nicht nur bei den Impfgegnern immer größer werden. Manche nehmen bereits gar das Wort Bürgerkrieg in den Mund, manche befürchten, dass Verwaltung und Gerichte blockiert werden, weil sie mit den möglicherweise zigtausenden Verfahren nicht zu Rande kommen, wenn Impfgegner bei ihrer Haltung bleiben und sich abstrafen lassen.

Es braucht kluge Strategien in den nächsten Wochen. Wirklich erkennbar sind die freilich noch nicht. Schuldzuweisungen der Art, dass jemand Blut an den Händen habe, werden der Herausforderung jedenfalls nicht gerecht - nicht angesichts der Spannungen im Land und auch nicht angesichts dessen, was auf uns zukommen kann.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Dezember 2021

Montag, 13. Dezember 2021

Bauern stöhnen unter Explosion der Kosten

Stark gestiegene Preise für Futtermittel, Dünger, Energie und Baustoffe werfen die Kalkulationen der Bauern durcheinander.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Österreichs Ackerbauern stecken in diesen Wochen in einem Dilemma. In den vergangenen Jahren kauften sie im Herbst in der Regel den Mineraldünger für das folgende Jahr. Heuer ist alles anders. Dünger ist derzeit vier Mal so teuer wie vor einem Jahr und die Bauern wissen nicht, was sie tun sollen. Trotzdem kaufen oder zuwarten? Das Risiko ist groß. Denn davon, dass derzeit die Preise für Feldfrüchte wie Getreide und Mais auf Rekordniveau notieren, haben sie nichts, und es macht ihnen die Entscheidung nicht leichter. „Es kann passieren, dass man die hohen Düngerkosten hat und die Getreidepreise im Sommer wieder zurückgehen“, sagt Helmut Feitzlmayr von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. „Dann würde man massive Verluste haben.“

Auf dem Düngermarkt herrscht derzeit Chaos. Wegen der hohen Erdgaspreise haben viele Düngemittelhersteller rund um den Globus die Produktion zurückgefahren. Auch der Agrarhandel hält sich bei Einkäufen zurück, um im Frühjahr nicht auf dem falschen Dampfer zu sitzen. „Derzeit hat der heimische Handel nur 40 Prozent der Menge eingelagert, die wir im Frühjahr brauchen“, sagt Feitzlmayr. „Normalerweise sind es um diese Zeit immer 80 Prozent gewesen.“ Er sieht sogar die Gefahr, dass es zur Frühjahrssaison zu wenig Dünger geben könnte, um die benötigten Mengen zu erzeugen. Bei den Bauern jedenfalls lautet derzeit die Devise: Sparen, wo es geht. Das werde Folgen haben, heißt es in Fachkreisen. „Wenn die Düngerpreise so bleiben, wird es im kommenden Jahr bei den Erntemengen einen Rumpler nach unten geben.“

Sorgen, nicht die notwendigen Mengen erzeugen zu können, macht man sich nicht allein im Ackerbau. Viele Schweinebauern verkauften in den vergangenen Monaten lieber das Getreide um gutes Geld, als es zu verfüttern, weil mit Schweinen seit Monaten nichts zu verdienen ist. „Wir haben derzeit das drittschlechteste Preisniveau seit zehn Jahren, gleichzeitig müssen die Bauern mit 20 bis 30 Prozent höheren Preisen für Betriebsmittel zurechtkommen“, sagt Hans Schlederer von der Schweinebörse. „Das zusammen sorgt dafür, dass wir derzeit eine der schlimmsten Phasen seit dem EU-Betritt durchmachen, da wird richtig viel Geld verloren.“ Für viele Bauern geht es ans Eingemachte. Schlederer: „Wir hoffen, dass wir die Erzeuger bei Laune halten können, damit die Eigenversorgung mit Schweinefleisch in Österreich gehalten werden kann.“

Auch in anderen Produktionssparten kämpfen Bauern mit den großen Kostensprüngen. Nach Berechnungen der Landwirtschaftskammer in Oberösterreich haben sich allein durch höhere Futtermittelpreise die Produktionskosten für einen Liter Milch für Bauern, die Futter zukaufen müssen, um mindestens zwei Cent erhöht. „Das macht pro Kuh und Jahr rund 130 Euro, bei einem 40-Kühe-Betrieb macht das jährlich gut 5000 Euro“, rechnet man vor. Auch in der Geflügelmast gibt es Probleme und in der Haltung von Legehennen machen die Mehrkosten für das Futter rund drei Cent je Ei aus.

Es geht aber nicht nur um die stark gestiegenen Futterkosten. Hohe Strom- und Treibstoffpreise machen die Kalkulationen der Bauern zusätzlich enger. Und auch Investitionen müssen neu durchgerechnet werden. Die Covid-Investitionsprämie, die von den Bauern so stark genutzt wurde wie von keiner anderen Berufsgruppe, wurde in vielen Fällen von Preissteigerungen sowohl bei Maschinen als auch beim Baumaterial aufgefressen.

„Die Kosten pro Stallplatz bei Milchkühen haben sich von rund 10.000 auf 15.000 Euro erhöht“, heißt es in der „Bauernzeitung“. „Investitionen in Neubauten sind aufgrund der massiven Preissteigerungen bei Holz, Stahl und Beton kaum noch finanzierbar“, beklagt man im ÖVP-Bauernbund. „Die Auswirkungen sind in den Betriebszweigen unterschiedlich stark ausgeprägt“, sagt Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Für ihn ist aber jetzt schon klar: „Dort, wo man Preise nicht weitergeben kann, wird es wohl eng werden.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 13. Dezember 2021

Donnerstag, 2. Dezember 2021

Die Gesellschaft ist blind geworden



Landwirtschaft muss sich zuweilen viel gefallen lassen. Oft zu Recht, sehr oft freilich zu Unrecht. Die Diskussionen scheinen meist nur eine Richtung zu kennen - die Landwirtschaft ist an allem schuld. Am Bienensterben sowieso, am Vogelsterben auch und am Artensterben überhaupt. An der Wasserverschmutzung, an der CO2-Belastung und am Klimawandel generell. Immer wieder die gleichen Argumente, immer wieder die gleichen Vorwürfe. Wirklich hinschauen, so der Eindruck des Beobachters, tut schon lange kaum mehr jemand.

Ab und an und viel zu selten tauchen aber dann doch Zahlen und Grafiken auf, die vieles von dem was die Landwirtschaft, respektive die Bauern an öffentlicher Kritik aushalten müssen, in ein neues Licht stellen. Das lässt den Verdacht keimen, dass in der Diskussion, wie sie über die Landwirtschaft seit Jahren geführt wird, vielleicht doch einiges schiefläuft. Ja mehr sogar – dass sie vielleicht gar in eine völlig falsche Richtung führt und von wirksamen Lösungen für Probleme wie Artensterben, Luft- und Wasserverschmutzung oder auch Erderwärmung ablenkt und sie regelrecht verhindert.

Viele Bauern haben diesen Verdacht längst, wenn ihnen all das vorgehalten wird, woran sie schuld sein sollen. Es dürfen so viele Mittel im Pflanzenschutz nicht mehr verwendet werden, es wurde auch weniger gezielt gedüngt und da war nichts, denken sie sich und da hat es trotzdem von all dem was jetzt zu wenig sein soll in Fülle gegeben – Insekten-verpickter Windschutzscheiben inklusive.

Nur ganz selten finden sie für ihren Verdacht auch Bestätigung wie jüngst bei einer Veranstaltung zum Thema Green Deal. Dort präsentierte Johann Kohl von der Ages Daten, die manche Dinge in ein anderes Licht rücken. Etwa, dass in Österreich auf nicht mehr als 13 Prozent der Landesfläche überhaupt konventionelle Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen, im großen Rest aber allenfalls, wenn überhaupt, nur biologische. Oder dass in der konventionellen Landwirtschaft die Menge chemisch-synthetischer Wirkstoffe in den vergangenen zehn Jahren um 22,1 Prozent zurückging, obwohl die Fläche nur um 10,9 Prozent kleiner wurde, während die Menge der im Biolandbau zulässigen Wirkstoffe aber im gleichen Zeitraum aber um 55,7 Prozent zunahm, obwohl die Fläche nur um 49,7 Prozent gewachsen ist. Oder, dass die mechanische Bodenbearbeitung in Sachen Unkrautbekämpfung und Artenschutz durchaus kritisch zu sehen ist.

Über all das lässt sich wohl vortrefflich streiten. Darum soll es hier nicht gehen. Gehen muss es darum, dass all das und vieles andere mehr auch in die gesellschaftliche Diskussion kommt. Um Fakten und Sachlichkeit, um Probleme wirklich zu lösen und Herausforderungen effizient zu bewältigen.

Das Land hat dabei durchaus großen Aufholbedarf ist man doch bisweilen blind geworden, in all der Selbstgerechtigkeit, mit der die Diskussionen über die Landwirtschaft geführt werden. Aber auch die Landwirtschaft und Institutionen wie die Ages oder die Universität für Bodenkultur haben großen Aufholbedarf sich mit ihrem Wissen und mit ihrer Expertise mitzureden – und sich nicht nur hinter all dem Wissen und den Datenbergen, die man hortet, zu verstecken.

Gmeiner meint - Blick ins Land 2. Dezember 2021

Das goldene Herz und die Mördergrube

Manchmal kann selbst gut gemeinte Unterstützung für Hilfsaktionen richtig verunglücken. Ein Sturm der Entrüstung ging in der vergangenen Woche durchs Land, weil Licht ins Dunkel, die große Hilfsaktion des ORF, wie jedes Jahr die Spendensaison mit einer großen Fernsehgala eröffnete. Nur fand sie diesmal mitten im Lockdown statt. Und das stieß vielen Bürgerinnen und Bürgern sauer auf. Während im ganzen Land Zusammenkünfte von mehreren Personen und Veranstaltungen verboten sind, flimmerten Bilder vom swingenden Bundespräsidenten und tanzenden Ministerinnen über den Bildschirm, von denen sich nicht wenige verhöhnt fühlten.

Der Hilfsbereitschaft wird das hoffentlich nichts antun. Denn die Vorweihnachtszeit ist in Österreich die Zeit, in der sich die Brieftaschen für Spenden öffnen. Bettelbriefe flattern in diesen Tagen wieder ins Haus - von der Caritas, den Ärzten ohne Grenzen bis hin zur Hilfe für die Opfer von Landminen. Österreich macht in diesen Tagen und Wochen vor Weihnachten gerne auf gut. Zumindest was das Spenden betrifft. Auch wenn man mit den Organisationen, die sich dafür einsetzen, und auch mit den Schicksalen, denen man Hilfe angedeihen lässt, oft kaum etwas anzufangen weiß. Man gefällt sich zu helfen. Das hat wohl mit Tradition zu tun und auch damit, sein Gewissen zu beruhigen und sich auf diese Weise Gutes zu tun - Balsam für die Seele und das Gewissen sozusagen.

Damit hat es sich aber auch schon meistens. In den vergangenen Jahren, namentlich nach der Flüchtlingskrise 2015, hat sich in den Köpfen und Herzen der Österreicherinnen und Österreicher viel verändert. Viel vom Verständnis und von der Hilfsbereitschaft für Notleidende, Bedürftige und für soziale Randgruppen ging verloren. Und gar nicht zu reden von den Geflüchteten. Da ist nur mehr wenig vom goldenen Herz, auf das man einst so stolz war. Zuweilen scheint es dort inzwischen oft eher wie in der sprichwörtlichen Mördergrube auszusehen, wenn die Rede auf solche Gruppen kommt.

Wenn man denn überhaupt noch von ihnen redet. Bedürftige, Randgruppen, soziale Themen sorgen heute kaum mehr für Schlagzeilen. Wenn im Ärmelkanal, wie in der Vorwoche, Dutzende ertrinken, ist das nicht einmal mehr ein Achselzucken wert. Und schon gar nicht, wenn im europäischen Osten hunderte Menschen in die Machtmühlen zweier Staaten geraten.

Man kann das durchaus verstehen. Zu viel hat man wohl in den vergangenen Jahren von den Menschen abverlangt, zu wenig Verständnis hat man für ihre Anliegen aufgebracht. Und jetzt beschäftigt auch noch seit fast schon zwei Jahren Corona die Menschen und die Politik, zerrt am gesellschaftlichen Zusammenhalt und macht den Menschen Sorgen.

Diese Entwicklung hat natürlich auch mit der Politik der vergangenen Jahre zu tun, in der sich ein Populismus breitmachte, der viel zu oft allein den Egoismus von Menschen und gesellschaftlichen Gruppen anheizte und beförderte, die oft sehr viel mehr auf Spaltung angelegt ist, denn auf die Verantwortung füreinander. Und schon gar nicht für die, die Hilfe brauchen.

Soziale Themen sind unterbelichtet in Zeiten wie diesen - die in Österreich selbst und erst die im Ausland. Berichte von Armut im Land, Schicksale sozialer Randgruppen, selbst die Gewalt gegen Frauen oder gar Flüchtlingsdramen jucken hierzulande keinen mehr. Sie alle sind Routine geworden, die in der täglichen Informationslawine durch die Wohnzimmer rauschen und am nächsten Tag Schnee von gestern und vergessen sind, ohne viel zu bewirken.

Hilfsorganisationen, die gegen diesen Trend ankämpfen, tun sich schwer. Längst haben sie alle Hände voll zu tun, nicht in den politischen Strudel hineingezogen, vereinnahmt oder punziert zu werden.

Und dennoch entlässt all das den Einzelnen und die Gesellschaft nicht aus der Verpflichtung und der Verantwortung für sozial schwache Menschen, für Randgruppen und die, die sich schwer tun im Leben -ob in Österreich oder anderswo. "Seit Corona hat die Armut ein neues Gesicht" schreibt die Caritas. "Jenes von Einzelunternehmern", nennt sie als Beispiel, Gastronomen und Kulturschaffende, Leiharbeiter auch und "jungen Menschen, die von Einkommensverlusten und Arbeitslosigkeit betroffen waren und sind". Das alles seien Menschen, die zuvor keine existenziellen Nöte gekannt haben.

Das sollte nicht vergessen werden. Als Mahnung davor, was jedem passieren kann.

Auch im heutigen gesellschaftlichen Klima.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Dezember 2021
 
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