Samstag, 30. April 2022

Biogetreide bald billiger als normales Getreide

Die Agrarmärkte treiben immer neue Blüten. Die Preisdifferenz zwischen Konventionell und Bio wird immer kleiner.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Die Agrarmärkte spielen nach wie vor verrückt wie kaum je zuvor. Die Preise für Weizen, Gerste, Mais und Soja haben sich seit dem Herbst zuweilen mehr als verdoppelt. Jetzt sind die Preise von konventionell erzeugten Feldfrüchten sogar dabei, die Preise für biologisch erzeugte Ware zu überholen, weil dort die Preise nicht ganz so stark anzogen haben. „Biogetreide jetzt billiger als normales Getreide“, meldete dieser Tage die deutsche Fachzeitschrift „agrarheute“. Konventionell erzeugter Roggen und Hafer seien bereits teurer als Bioware. In Normalzeiten beträgt die Preisdifferenz bis zu 100 Prozent. Und auch die Preise für konventionell erzeugte Milch könnten die langsamer steigenden Biomilchpreise bald einholen und möglicherweise überholen, heißt es.

In Österreich ist die Entwicklung nicht ganz so dramatisch. „Bei uns ist Bio noch nicht billiger, aber der Preisabstand zu konventionell erzeugter Ware ist in den vergangenen Wochen deutlich geringer geworden“, sagt Christian Gessl, Marktexperte der AMA. „Der Preisabstand bei Getreide hat sich um gut zwei Drittel verringert.“ Bei Milch besteht hierzulande die Gefahr gar nicht. Für Biomilch erhalten die Bauern seit jeher einen fixen Aufschlag auf den Preis für konventionelle Milch. Auf dem deutschen Markt freilich dürfen sich die heimischen Molkereien über zusätzliches Körberlgeld für Biomilch freuen.

Hermann Mittermayr, bei Bio Austria für die Vermarktung zuständig, bestätigt die Entwicklung, differenziert aber. „In der Coronakrise haben die Preise für Bioprodukte viel früher angezogen, jetzt haben die Preise für konventionelle Ware nachgezogen und der Abstand hat sich zum Teil wieder halbiert“, erklärt der Chefvermarkter von Bio Austria. Die Preisabstände seien in den vergangenen Jahren immer wieder sehr gering gewesen.

Die Ursache dafür war freilich eine gegenteilige Entwicklung zur derzeitigen. Nicht die Preise für konventionelle Produkte kletterten in Richtung Biopreise, sondern die Biopreise rutschten hinunter. Zuletzt war das 2019/20 der Fall. Damals verringerte sich die Differenz bei Weizen um gut 90 Prozent oder 127 Euro auf 27 Euro. Grund dafür war damals das große Angebot wegen vieler Neueinsteiger in die Biolandwirtschaft. Bei Mais und Soja war die Entwicklung ähnlich.

„Die Entwicklung der Abstände glich immer wieder einer Ziehharmonika“, sagt Mittermayr. „Mal waren die Abstände größer, mal kleiner.“ Tagespreise spielen bei den Biobauern in Österreich keine Rolle. Sie setzen lieber auf Kundenbindung und eine kontinuierliche Preisbildung. Anders als in Deutschland, wo sehr viel international zugekauft wird, ist der Markt in Österreich fein austariert. „Das österreichische Modell ist auf regionale Versorgung ausgelegt, die Ware ist herkunftsgesichert und der Grundpreis wird bereits vor der Ernte festgelegt“, sagt Mittermayr. So sei die vorjährige Ernte im Wesentlichen bereits verkauft. Auch für die heurige Ernte gebe es bereits Mindestpreise rund um 400 Euro je Tonne. Werden nach der Ernte darüberliegende Preise erzielt, bekommen auch die Bauern mehr.

Wie es weitergehen wird und ob der Umstieg auf Bio trotz der geringeren Preisunterschiede für die Bauern interessant bleibt oder gar ein Vorteil für die Biolandwirtschaft entstehen könnte, wenn der Preisunterschied weg ist, das ist einstweilen ungewiss. „Das kann man jetzt nicht sagen“, sagt AMA-Experte Gessl.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. April 2022

Donnerstag, 28. April 2022

Wenn die beste Zeit Geschichte wird

Zuerst die Pandemie, die die Welt durcheinanderbrachte. Dann der Überfall auf die Ukraine, gleichsam direkt vor unserer Haustür. Die Unbeschwertheit schwindet rasch, die Sorgen wachsen noch rascher und die Unsicherheit auch. Wir zittern ums Gas und auch um Treibstoffe. Lieferketten funktionieren nicht mehr, wir müssen lernen mit langen Lieferzeiten zu leben. Und wir leiden zunehmend unter der Inflation, wie uns jüngst eine Umfrage bescheinigte. Preissteigerungen, wie wir sie in den vergangenen Monaten erlebten, gab es mehr als 40 Jahre nicht mehr. In den Supermärkten sind nicht mehr alle Regale immer voll. Und wir müssen damit umgehen, dass nicht nur dort nicht mehr alles zu jeder Zeit sofort und im Überfluss verfügbar ist.

Langsam dämmert uns, dass wir wohl die beste Zeit hinter uns haben. Dass die Zeiten nun wohl andere werden. Dass wir vor Herausforderungen stehen, die wir nie für möglich gehalten hätten. Wir, die Generation zumindest in Westeuropa und in den westlichen Industriestaaten, die am längsten in Frieden gelebt hat.

Wir erlebten ein "Goldenes Zeitalter", keine wirklichen existenzbedrohenden Wirtschaftskrisen, keine Kampfhandlungen, nicht bei uns. Es war immer alles da. Geld war billig und die Preise waren alles in allem stabil. Und wenn es einmal Probleme gab, dann war das immer nur für relativ kurze Zeit. Wir sind auch die Generation mit dem meisten Geld, mit dem besten Sozialsystem, der besten Gesundheitsversorgung und den besten Ausbildungsmöglichkeiten. Mehrere Urlaubstrips pro Jahr wurden vielen zur Gewohnheit. Schnell auf einen Kaffee nach Paris, übers Wochenende an einen Strand in Spanien oder Italien, shoppen wie es gefällt und alle paar Jahre ein neues Auto -wir lebten in den vergangenen Jahrzehnten -alles in allem -in einem Luxus, den es bis dahin in der Geschichte nicht gegeben hat.

Vieles wurde zur Selbstverständlichkeit und wir glaubten, dass das die Normalität ist. Und dass es sich auf ewige Zeiten nicht mehr verändert. Alles schien zu gehen. Und alles schien gut zu gehen.

Jetzt aber scheint das Geschichte zu sein. Jetzt könnte sein, dass mit einem Mal nichts mehr geht. Worüber wir uns stritten, nimmt sich mit einem Mal banal aus, all die politischen Auseinandersetzungen und die Themen, um die sie kreisten. Und wir müssen uns fragen, wie wir dieses "Goldene Zeitalter" hätten anders nutzen können und müssen.

Nun schwindet diese Unbeschwertheit. Die Welt wird seit Monaten völlig neu aufgestellt. Nicht nur politisch. Auch wirtschaftlich. Und nicht für ein paar Jahre, sondern wohl für Jahrzehnte und Generationen.

Jetzt sind es die hohen Spritpreise, die Gasgebühren, die steigenden Preise im Supermarkt und das da und dort fehlende Sonnenblumenöl, die uns Sorgen machen, oder dass man auf das neue Auto mehr als ein Jahr warten muss. Bald könnte es um sehr viel mehr gehen. Und es wird bald um mehr gehen. Die Wirtschaftsprognosen werden immer pessimistischer.

Wir werden uns wohl umstellen und wohl auch umlernen müssen. Wir werden lernen müssen zu sparen und sorgsamer mit den Ressourcen umzugehen. Wir werden nun in vielen Bereichen auf dem harten Weg lernen müssen, was wir schon seit langem vor uns hergeschoben haben. In der Klimapolitik etwa, weil wir jetzt sehr viel schneller aus Gas und Öl raus müssen, weil wir uns die Abhängigkeit nicht leisten können. Wir müssen lernen mit einem neuen Preisgefüge zu leben und mit höheren Preisen auch. Und auch mit neuen Wertigkeiten.

Es wird wohl bald auch gefragt werden, was wir uns als Staat noch leisten können. Mit allen möglichen Folgen. Und die Antworten werden andere sein als bisher. Auch weil die Gegebenheiten andere sind.

Die Politik ist gefordert wie lange nicht. Dass sie just jetzt schwach und schlecht ist, wie schon lange nicht, könnte für Österreich schnell zu einem Mühlstein werden. Jetzt sollte es um Weichenstellungen und klare Richtlinien gehen, um Verlässlichkeit und Orientierung. Von all dem ist aber wenig zu erkennen. Es gibt, scheint es, weder Führung noch Kompetenz. Jedenfalls nicht in dem Maß, in dem sie nun nötig wäre. Immer noch ergeht man sich in Schönwetter-PR-Politik, leeren Floskeln und vorgeblich schönen Bildern, so, als wäre das, was wir jetzt erleben, so rasch vorbei, wie manche Krise in den vergangenen Jahrzehnten vorbei gewesen ist.

Das freilich ist kaum anzunehmen, eher anzunehmen ist, dass alles erst richtig anfängt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. April 2022

Samstag, 16. April 2022

Wir essen eine Million Schweine weniger

Der Fleischverbrauch sinkt seit dem Jahr 2000. Fleischersatzprodukte machen es den Schweinebauern zusätzlich schwer.

Hans Gmeiner

Salzburg. Der menschliche Verzehr von Fleisch, so der statistische Begriff, sinkt in Österreich seit der Jahrtausendwende beständig. Statt wie damals 68,4 Kilogramm pro Kopf und Jahr essen wir heute nur mehr 60,6 Kilogramm. Laut einer Umfrage des Unternehmensberaters Kearney konsumieren die Österreicherinnen und Österreicher nur mehr ein Mal pro Woche oder sogar noch seltener Fleisch. Acht Prozent leben mittlerweile bereits als Vegetarier und fünf Prozent als Veganer. Während die Verbrauchszahlen pro Kopf bei Rind- und Kalbfleisch und bei Geflügelfleisch einigermaßen stabil geblieben sind, gab es in den vergangenen Jahren vor allem beim Verbrauch von Schweinefleisch markante Rückgänge. Für die Landwirtschaft wird das zum Thema.

Dass der Pro-Kopf-Verzehr von Schweinefleisch seit dem Jahr 2000 um fast 20 Prozent und seit dem Jahr 2010 um rund 10 Prozent auf mittlerweile nur mehr knapp 35 Kilogramm gesunken ist, bedeutet nichts anderes, als dass heute in Österreich um rund 500.000 Schweine weniger gebraucht werden als noch vor zwölf Jahren. Die Eigenerzeugung schrumpfte in diesem Zeitraum von 5,2 Mill. auf 4,7 Mill. Schweine. Nimmt man das Jahr 2000 als Maßstab, ist der heimische Markt gar um eine gute Million Mastschweine kleiner geworden. Geht man davon aus, dass ein durchschnittlicher heimischer Mäster jährlich 1000 Mastschweine liefert, ist durch die Änderung des Ernährungsverhaltens in Österreich für rund 500 landwirtschaftliche Betriebe allein in den vergangenen zehn Jahren die Produktionsgrundlage abhandengekommen.

Johann Schlederer, Chef der Schweinebörse, die einen Großteil der heimischen Mastschweine vermarktet, will die Entwicklung nicht überbewerten. Die tatsächliche Produktion ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben, weil es gelang, im Ausland neue Absatzmärkte zu finden. „Die geänderten Ernährungsgewohnheiten und Fleischersatzprodukte sind nicht die Bedrohung für Österreichs Schweinebauern“, sagt er. „Was die Bauern schmerzt, ist die Politik und das Bestreben von Kreisen wie den NGOs, die zielgerichtete Nutztierhaltung am liebsten verbieten möchten.“

Auch wenn Schlederer davon überzeugt ist, dass es „der Mensch nicht schafft, Fleisch so günstig und so gesund wie die Natur zu erzeugen“, werden auch die Fleischersatzprodukte zunehmend zur Konkurrenz. Laut Kearney greift bereits jeder Vierte in Österreich, der Schweiz und in Deutschland zu Fleischersatzprodukten. „Moralischer und nachhaltiger Konsum", wie viele das nennen, "scheint nicht mehr nur für eine kleine Nischengruppe relevant zu sein“, heißt es auch in einer Studie des internationalen Wirtschaftsprüfers KPMG.

Zahlen des Marktforschers Nielsen zeigen, dass das Geschäft mit Fleischersatz dabei ist, abzuheben. Während zuvor der Absatz eher dahinplätscherte, schnellten die Verkäufe von Würsten, Schnitzel, Gulasch und Burger-Patties zwischen Ende 2019 und Ende 2020 mengenmäßig um 47 Prozent und umsatzmäßig gar um 58 Prozent in die Höhe. Auch wenn jüngere Zahlen nicht vorliegen, gehen Marktkenner wie Karl Fischer von Fischer Agrifood davon aus, dass die Absatzzahlen inzwischen weiter deutlich nach oben gegangen sind.

Der Anteil am Gesamtmarkt ist freilich noch verschwindend gering. „Das wird sich aber rasch ändern“, glaubt Fischer, der als Berater und Obmann des Vereins Soja aus Österreich eng in die Entwicklung von Fleischersatzprodukten auf Sojabasis eingebunden ist.

Als Knackpunkt sieht nicht nur er die Preise für Fleischersatzprodukte. Da freilich sind dem endgültigen Durchbruch noch Grenzen gesetzt. Auch wenn die KPMG die Kommerzialisierung von Laborfleisch in Europa bereits sieht, ist der Fleischersatz aus der Petrischale preislich gegenüber herkömmlichem Fleisch noch nicht wirklich konkurrenzfähig. Bei Ersatzprodukten auf pflanzlicher Basis ist das anders. Die Hersteller haben inzwischen Produkte in der Pipeline, die preislich mit herkömmlichen Produkten mithalten können. Im Kommen sind zudem Produkte, die Ersatzfleisch auf Pflanzenbasis mit echtem Fleisch kombinieren.

Fischer sieht auf dem Markt große Chancen für die heimische Landwirtschaft und auch für Unternehmen. „Wir müssen jedenfalls als österreichische Anbieter von Pflanzeneiweiß regionaler, kleiner und besser sein als die Konzerne“, sagt er. Dass das nicht leicht ist, musste der oberösterreichische „Sag nicht Leberkäse“-Produzent Neuburger wie berichtet erfahren. Anfang März musste er seine Linie „Hermann fleischlos“, die auf Basis von Pilzen Fleischersatzprodukte erzeugte, einstellen. „Vorübergehend“, zumindest wie die Firma mitteilte.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. April 2022

Donnerstag, 14. April 2022

"Narrenfreiheit" mitten unter uns

"Ich muss das mit euch teilen, weil es mich fassungslos macht, so einer lebt mitten unter uns und hat auch noch reichlich Publikum", beginnt die WhatsApp-Nachricht samt Link auf eine Facebook-Seite an einen kleinen Freundeskreis. "Ich weiß nicht, ob Menschen in Butscha von russischen Soldaten barbarisch ermordet wurden oder ob die Geschichte über hingemetzelte Zivilisten ein eiskalter Propagandaschwindel ist. Und ja -ich traue das beiden Seiten zu", steht da zu lesen. "Ich kenne viele Menschen, die jetzt Angst haben davor, dass der amerikanisch/europäische Mainstream Europa in einen Weltkrieg hetzt". Von der "geballten Macht der Sorosmedien" ist die Rede und von einem "angeblichen" Massaker an der Zivilbevölkerung von Butscha, das gerade zum "Sarajevo 2.0 hochgepusht" werde von den "Redaktionen der Tastaturnutten".

Die erste Antwort kam prompt. "Hat schon auch Vorteile, wenn man den Facebook-Schei nicht hat."

Es wird wohl viele solcher Dialoge unter Freunden und unter Bekannten geben in diesen Wochen. So wie in den Monaten zuvor, als es um Corona ging, um die Impfung und die Impfpflicht.

Man schaut nicht mehr hin, man blockt ab, man will von den Ungeheuerlichkeiten, den Dummheiten, den Anmaßungen nichts mehr hören. Man hat genug davon. Wir haben uns daran gewöhnt, dass ein Riss durch die Gesellschaft geht und dass man nicht mehr miteinander reden kann. Längst vorbei sind die Versuche es zu tun, längst hat jeder seine eigenen Methoden entwickelt, mit nahestehenden Menschen und mit langjährigen Freunden doch irgendwie zurechtzukommen. Meist ist es, das Thema möglichst gar nicht zu streifen. Zuerst nicht Corona und Impfung, jetzt ist es der Ukraine-Krieg. Es ist wohl kein Zufall, dass es sehr oft dieselben Leute sind.

Die Lage ist so verstörend wie beunruhigend. Längst ist diese Spaltung der öffentlichen Meinung, sind diese Risse von gesellschaftlicher und politischer Relevanz. Die Frage ist, ob man es sich leisten kann, die Dinge einfach laufen zu lassen, sich damit abzufinden, dass ganze Teile unserer Gesellschaft einfach nicht miteinander reden können, dass sie oft gar kein Verständnis haben füreinander und oft sogar nichts als Verachtung. Kann man mit diesem Thema wirklich so umgehen, wie wir damit umgehen, und können wir es uns leisten, es einfach auf die lange Bank zu schieben und drauf zu hoffen, dass sich das nach Ende der Pandemie oder nach Ende des Ukraine-Krieges wieder von selbst beruhigt?

Kann es sein, dass diese Gruppe von Schwurblern, in der sich viel Neid und Hass aufgebaut hat, in der Verschwörungstheorien verbreitet werden, die mit dem Staat nichts mehr anfangen können und sich nirgendwo vertreten und immer missverstanden fühlen, wirklich niemand kümmert? Dass man sie unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit gewähren lässt, bloß weil man sie nicht mehr erreicht und ansprechen kann? Dass eine Gruppe unserer Gesellschaft so etwas wie "Narrenfreiheit" hat, und dass sich niemand mehr kümmern mag darum, was man in dieser Blase denkt, redet und plant?

Fragen über Fragen, die nach Antworten verlangen. Abzuwarten und nur zu hoffen ist zu wenig. Dazu ist die gesellschaftliche Relevanz bereits zu groß und die politische Relevanz ist dabei, zu groß zu werden. Die MFG ist die Partei gewordene Schwurblerpartie und erzielt, wo immer sie antritt, beachtliche Erfolge. Die etablierten Parteien stehen ihr hilflos gegenüber. Bis auf eine -die FPÖ. Die ist nicht bereit, Platz an die Neuen herzugeben. Mit allen Folgen für das politische Klima und die politische Kultur im Land, aber ganz sicher nicht für irgendetwas, was man als Verbesserung empfinden könnte.

Wir sind dabei, an diesen Entwicklungen und an den Problemen, die sie mit sich bringen, zu scheitern. Die Politik voran, aber auch all die Legionen von Kommunikationswissenschaftlern, PR-Gurus, Psychologen und all die anderen, die sich eigentlich auf das Miteinander-Reden, das Überzeugen mit Argumenten, das Beeinflussen von Meinungen verstehen sollten. Sie bringen nichts zusammen. Gar nichts.

Genauso wenig wie wir selbst, wenn uns der Freund, der Schwurbler, oder die Freundin, die Schwurblerin, gegenüberstehen und von Bill Gates, Chipping und Weltherrschaft schwadronieren und vom "großen amerikanischen Plan", die ganze Welt in der Ukraine in einen Krieg zu treiben.

Das alles kann nicht sein. Schon gar nicht kann sein, dass man das offenbar akzeptiert hat.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. April 2022

Donnerstag, 7. April 2022

Vollkasko ist keine Zukunftsstrategie

Die Österreicher halten sich für ein humorvolles Volk. Zumindest laut dem "Humor-Report" des Marktagent-Instituts. Knapp 68 Prozent, also mehr als zwei Drittel, halten sich für "eher" und "sehr" humorvoll, was in politischen Maßstäben bedeutet, dass hierzulande der Humor sozusagen verfassungsmäßig verankert ist.

Aber just genau wenn es um Politik geht, ist den Österreicherinnen und Österreichern offenbar inzwischen jeder Humor vergangen. Das Misstrauen in die Politik, auch das ergab eine Umfrage, ist derzeit so tief wie noch nie.

Die Gründe dafür sind so vielfältig wie widersprüchlich. Während die einen mit dem, was sie nur mehr Pandemie-Chaos nennen, hadern, sich vor Teuerungen und wirtschaftlichen Rückschlägen fürchten, und wo immer es geht nach Ausgleich und Unterstützung rufen, wird den anderen bang, weil Geld ihrer Ansicht nach ziellos, leichtfertig und schier ohne jede Hemmungen beim Fenster hinausgeworfen wird.

Die Lage ist aus dem Ruder geraten, spiegelt aber wohl die Verhältnisse in einer Gesellschaft wider, der in den vergangenen Jahren zuweilen jedes Gefühl dafür verlorengegangen ist, mit schwierigen Situationen umzugehen. Dass just jetzt auch die Politik schwach ist und keine Linie hat, tut das Seinige dazu.

Wir seien zu einer Vollkasko-Gesellschaft geworden, heißt es, einer Gesellschaft, die keine Verantwortung mehr übernehmen mag für das eigene Handeln und Leben, sondern sich am liebsten von der Wiege bis zur Bahre alimentieren lässt. Da ist ohne Frage etwas dran. Da stehen nicht mehr nur Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter mit Forderungen nach Ausgleich und Absicherung an. Heute zählen längst auch Unternehmer genauso dazu wie Bauern, Künstler und Kunsteinrichtungen und all die anderen, die immer groß das Wort von den Selbständigkeit und Unabhängigkeit auf ihren Fahnen tragen.

Die Politik und damit der Staat sind nicht ohne Verantwortung für diese Entwicklung. Sukzessive wurden all die Bremsen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelockert, in der Meinung, damit die Wähler bei Laune zu halten, oder einfach, weil man sich scheute, notwendige und vielleicht unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder jetzt der Überfall auf die Ukraine ließen die letzten Hemmungen fallen. Das Land und seine Leute werden mittlerweile zum Teil regelrecht zugeschüttet mit Geld. 42 Milliarden Euro sind es bisher, die für die Bewältigung der Folgen von Corona aufgewendet wurden, 3,7 Milliarden sind es nun bereits, die die Regierung für den Teuerungsausgleich ausschüttet.

Dreierlei ist, was dabei auffällt. Zum einen wurde bei all den Hilfen kaum auf den tatsächlichen Bedarf respektive die Bedürftigkeit Rücksicht genommen. Stattdessen konnte die Gießkanne, aus der die Förderung wahllos über alle, vom kleinen Hilfsarbeiter und bis zum Generaldirektor, von kleinen Geschäften bis zu großen Konzernen, verteilt wurde, gar nicht groß genug sein.

Zum Zweiten fällt auf, dass nie über notwendige Alternativen geredet wurde. Zwei Zitate von den Schellhorn-Brüdern, Chef der Agenda Austria der eine, ehemaliger Neos-Politiker und Gastronom der andere, stehen stellvertretend dafür: "Statt die Inflations-Mehreinnahmen zu nehmen und die Steuern auf Arbeit kräftig zu senken, wird wieder einmal in typisch österreichischer Manier Geld verteilt -ein Trauerspiel", sagt Franz Schellhorn von Agenda Austria.

Und sein Bruder Sepp Schellhorn, der Ex-Politiker und Gastronom, fragt: "Gibt es eigentlich schon Überlegungen seitens der Regierung, wie man im Staat spart, damit man die Bürger entlasten kann?"

Das führt direkt zur dritten Auffälligkeit. Es wurde bisher kaum über andere Möglichkeiten und schon gar nicht vom Sparen geredet. Weder im Staat, noch sonstwo. Nie von Möglichkeiten, wie man weniger brauchen könnte, und schon gar nicht davon, dass das nun nötig ist, weil die Zeiten das erfordern. Stattdessen wurde und wird unverdrossen Geld dafür aufgewendet, um den luxuriösen und oft in jeder Hinsicht verschwenderischen Lebensstil der vergangenen Jahrzehnte aufrechtzuerhalten.

In der Bevölkerung indes scheint man schon weiter zu sein als in der Politik. Viele Leute sparen schon jetzt, weil sie wissen, dass es nicht anders geht. Die Politik aber ist noch zu feig dazu.

Dabei hätte sie, siehe oben, nichts mehr zu verlieren.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. April 2022

Dienstag, 5. April 2022

Das Blatt ist dabei sich zu wenden

Die Bauern erleben spannende und herausfordernde Zeiten wie nie seit dem zweiten Weltkrieg. Niemand weiß wie wirklich mit der spannungsgeladenen und nur schwer einzuschätzenden Situation voller Unsicherheiten umzugehen ist. Allerorten macht man sich Sorgen, wie es weitergehen wird. Mit den Dieselpreisen, mit den Düngerpreisen, mit den Futterpreisen, mit den Lieferzeiten und mit den Arbeitskräften. Ob es in ein paar Monaten überhaupt nur um die Preise gehen wird oder nicht auch darum, ob überhaupt noch Betriebsmittel zu kriegen sind und Maschinen. Branchen wie die Eierproduzenten stehen schon jetzt mit dem Rücken zur Wand. Und sie sind nicht die einzigen.

Das ist die eine Seite.

Die andere ist vielversprechender. Noch ziert sich der Handel zwar die Preise zu erhöhen, aber der Druck Tag für Tag größer. Und viele halten es für absehbar, dass man diesem Druck nicht mehr lange standhalten kann. In den Vorstandsetagen der Handelskonzerne muss man erkennen, dass die Allmacht, die man in den vergangenen Jahren ohne viel Rücksicht und oft sehr herablassend und zynisch ausspielte, ihre Grenzen hat. Das Blatt ist in diesen Wochen dabei sich zu wenden.

Die Zeit der Preisdiktate scheint fürs erste vorbei zu sein. Aus dem Käufermarkt wird ein Verkäufermarkt. Es geht nicht mehr in erste Linie um Preise und darum sie zu drücken, sondern um die Verfügbarkeit, um sichere Mengen und um verlässliche Lieferungen.

Die Landwirtschaft und die Verarbeiter sind damit dem Handel nicht mehr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ihre Position in den Verhandlungen ist dabei eine ganz andere zu werden als sie bisher war. Nicht mehr sie sind die Bittsteller, sondern sie sind es die die Ware haben, die der Handel will und auf die er angewiesen ist, weil sie knapp ist. Die Landwirtschaft und die Verarbeiter aber haben Alternativen, die sie nicht mehr kannten. Auf den freien Märkten etwa ist derzeit mit den Rohstoffen oft bereits deutlich mehr zu verdienen als mit den verarbeiteten Produkten für den Handel.

Damit müssen die Hersteller wie Molkereien oder Fleischverarbeiter nicht mehr zu jedem Angebot ja sagen, das ihnen von Spar, Rewe und Konsorten geboten wird. Das stärkt die Position der Verarbeiter und der Landwirtschaft. Und es könnte die Wende sein, auf die die Bauern schon so lange warten.

In Deutschland ist diese Wende bereits in Gang. Konzerne wie Rewe kündigten dort Anfang April an, dass sie bei einzelnen Warengruppen und Artikeln die Verkaufspreise erhöhen werden.

Man darf gespannt sein wie sich die Dinge wirklich entwickeln, was die Bauern davon haben werden und ob die da und dort gehegten Hoffnungen sich tatsächlich als richtig erweisen. 

Dennoch ist auch die Agrarpolitik gefordert. Was sie bisher lieferte ist mager. Dass man sich für die Freigabe der Bracheflächen für die Produktion einsetzte, ist nichts als eine populistische und in jeder Hinsicht wirkungslose Posse, die vor allem den Bauern kaum etwas bringt. Und sonst hat man bisher nichts zusammengebracht. Weder eine Senkung der Besteuerung des Agrardiesel noch eine Absicherung der Versorgung mit Betriebsmitteln wie Düngern. Dabei ist die unabdingbar um auf den Höfen die Produktion aufrecht zu erhalten.

Gmeiner meint - Blick ins Land 5. April 2022

Montag, 4. April 2022

China sitzt auf einem Getreideschatz

China ist eine schlafende Weltmacht auf den Getreidemärkten. In den Speichern des Landes lagert mehr als die Hälfte der weltweiten Getreidevorräte. Das könnte politisch genutzt werden.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine beherrschen die Sorgen um die Versorgung mit Getreide und die Sicherung der Ernährung die Schlagzeilen. Beide Länder gehören zu den wichtigsten Lieferanten von Getreide und Ölsaaten auf den internationalen Märkten. Mit einem Mal interessierte sich die breite Öffentlichkeit für Ernteeinschätzungen und Getreidevorräte.

Auch wenn in Europa rasch die Devise ausgegeben wurde, man müsse sich keine allzu großen Sorgen machen, dass Weizen, Futtergetreide und Mais knapp werden könnten, war schnell klar, dass man auf Krisenfälle wie diese rund um den Globus kaum vorbereitet ist. Die Lager sind so wenig gefüllt wie seit Jahren nicht. Nach Angaben des International Grains Council (IGC) werden die Reserven der großen Exporteure Russland, USA, Kanada, Ukraine, Argentinien, Australien, Kasachstan und Europäische Union in der aktuellen Erntesaison 2021/22 auf ein Neun-Jahre-Tief von 57 Mill. Tonnen fallen. Das reiche gerade einmal aus, den weltweiten Bedarf für 27 Tage zu decken. Rechne man die russischen und die ukrainischen Lagerbestände heraus, sinke dieser Zeitraum gar auf weniger als drei Wochen.

Die Zahlen sind in der Tat frappierend. So bleibt der EU, dem mit knapp 137 Mill. Tonnen weltgrößten Weizenproduzenten, 
laut Schätzungen des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) nur ein Lagerbestand von 9,5 Mill. Tonnen als Reserve. Bei Futtergetreide sind es bei einer Ernte von 154 Mill. Tonnen gerade einmal 14,1 Mill. Tonnen und bei Mais bei 69,80 Mill. Tonnen Erntemenge nur 7,7 Mill. Tonnen. Bei den anderen großen Getreide- und Maisproduzenten sind die Relationen kaum anders, unabhängig davon, ob es sich um die USA, Russland oder die Ukraine handelt – am Ende eines Erntejahrs bleibt für Krisenfälle überall wenig übrig.

Ein Land, das bei den aktuellen Diskussionen über die Zukunft der Welt-Getreidemärkte bisher keine Rolle spielt, überrascht allerdings mit Zahlen, die man international kaum auf dem Radar hat – die Volksrepublik China. Das Land ist sowohl bei Weizen und Futtergetreide als auch bei Mais und Reis Nettoimporteur, verbraucht also mehr, als es erzeugt, verfügt aber bei all diesen Fruchtarten über die mit Abstand größten Reserven.

Bei Weizen etwa haben die Chinesen laut USDA-Schätzungen mit 142 Mill. Tonnen mehr als eine gesamte Jahresernte als Sicherheitsreserve in den Lagern. Das ist gut die Hälfte der weltweiten Reserven. Bei Futtergetreide sind es mit 211 Mill. Tonnen gut drei Viertel einer Jahresernte und zwei Drittel der weltweiten Reserven. Und bei Mais hat man mit 210 Mill. Tonnen knapp 80 Prozent einer ganzen Jahresernte auf Lager und verfügt ebenfalls über zwei Drittel der weltweiten Reserven des international wichtigsten Nahrungs- und Futtermittels. Da verwundert nicht, dass in China auch die Reisspeicher bis unters Dach mit 75 Prozent einer Jahresernte gefüllt sind, das sind 60 Prozent der weltweiten Reserven.

Über die Hintergründe der chinesischen Vorsorgepolitik weiß man wenig. Schon 2005/2006 wurden Mindestabnahmepreise eingeführt, um die Bauern zum Weizenanbau zu motivieren. Aufgefallen ist auch, dass China zu Beginn der Coronapandemie auf den internationalen Märkten große Mengen an Getreide und Soja aufkaufte.

Dass Autarkie eines der großen Wirtschaftsziele des Landes ist, weiß man, aber mittlerweile vermuten Beobachter mehr dahinter. Ökonomen wie Hendrik Mahlkow vom Kiel Institut für Weltwirtschaft denken, dass China in Notfällen ärmeren Ländern vor allem in Afrika, die an den Lieferausfällen aus Russland und der Ukraine vor allem zu leiden haben, Hilfe anbieten und so den eigenen Einfluss stärken könnte. Als möglicher Abnehmer gilt unter anderem Ägypten, auch wegen seiner besonderen strategischen Bedeutung. Aber es gibt auch andere, die für China ansprechbar wären, sind es doch weltweit an die 50 Länder, die zumindest 30 Prozent ihres Bedarfs an Weizen bisher aus der Ukraine und aus Russland deckten.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 4. April 2022

China sitzt auf der Hälfte der Getreidevorräte

Wien, Brüssel, Peking. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine geht die Sorge um, dass Getreide auf der Welt knapp werden könnte, gehören doch beide Länder zu den größten Lieferanten weltweit. Das dürfte vor allem die ärmeren Regionen der Welt hart treffen. 50 Länder rund um den Globus deckten bisher ihren Bedarf an Weizen zumindest bis zu 30 Prozent mit Lieferungen aus Russland und der Ukraine.

Der Westen als alternativer Lieferant, um die entstehende Lücke zu schließen, fällt aus und muss vermutlich China das Feld überlassen. Denn während die Reserven der neben Russland und der Ukraine größten Exporteure der Welt – zu denen zählen, angeführt von der Europäischen Union, auch die USA, Kanada, Argentinien und Australien – auf ein Neun-Jahre-Tief gefallen sind, hat China in aller Stille seine Lager gefüllt. Das Reich der Mitte ist zwar sowohl bei Weizen und Futtergetreide als auch bei Mais und Reis Nettoimporteur, sitzt aber auf vollen Speichern. Laut Schätzung des US-Landwirtschaftsministeriums lagern in China 142 Millionen Tonnen Weizen, mehr als eine Jahresernte und die Hälfte der weltweiten Reserven.

Bei Futtergetreide lagern mit 211 Millionen Tonnen drei Viertel einer Jahresernte und zwei Drittel der global verfügbaren Reserven in Chinas Speichern. Bei Mais sind es 210 Millionen Tonnen oder 80 Prozent der jährlichen Erntemenge und ebenfalls zwei Drittel der weltweiten Reserven. Auch bei den Reisvorräten ist China die klare Nummer eins.

Seit Beginn der Pandemie kauft China Getreide und Soja in großen Mengen ein. Die Volksrepublik will sich mit den prall gefüllten Speichern nicht nur unabhängig machen, sie verfolgt laut Experten auch andere Ziele. Dafür scheint jetzt die Zeit gekommen zu sein. Wenn in Krisen andere Lieferanten ausfallen, kann China einspringen und in vielen Ländern, etwa in Afrika, seinen wirtschaftlichen Einfluss ausbauen.

Westliche Exporteure können höchstens mit zusätzlichen Mitteln für Ernährungsprogramme helfen, sind aber ansonsten nur Zuschauer. Denn die Reserven von 57 Millionen Tonnen Weizen in der Erntesaison 2021/22 reichen gerade aus, um die Welt 27 Tage lang mit Getreide zu versorgen. Ohne die Lagerbestände in Russland und der Ukraine sind es weniger als drei Wochen.

Salzburger Nachrichten, 4. April 2020 - Seite 1

Freitag, 1. April 2022

Eierbauern unter Druck

Ohne 30 Prozent Preiserhöhung könne man die Versorgung nach Ostern nicht mehr sichern, so die Bauern. Der Handel müsse die Preise erhöhen.

Hans Gmeiner 

Wien. Österreichs Eierproduzenten stehen mit dem Rücken zur Wand. Die Versorgung mit Ostereiern aus den heimischen Hühnerställen sei zwar gesichert, was danach komme, sei aber ungewiss, betont man. Denn die Kostensteigerungen der vergangenen Wochen und Monate seien erdrückend. „Die gleiche Futterlieferung, für die ich vor eineinhalb Jahren noch 3000 Euro zahlte, kostet heute 5500 Euro“, sagt Franz Kirchweger, Legehennenhalter in Aschbach (NÖ) und Sprecher der Eierbauern. Verrechnet würden mittlerweile Tagespreise, Preiserhöhungen von zehn und mehr Prozent würden oft kurzfristig angekündigt. Die Bauern stellt das vor enorme Herausforderungen, machen doch allein die Futterkosten 60 Prozent der Gesamtkosten aus.

Der Eierpreis sei über Jahre sehr stabil gewesen, „aber jetzt geht es nicht mehr“, sagt Kirchweger. „Wir brauchen eine Preiserhöhung um 30 Prozent“, fordert er vom Groß- und Einzelhandel. Das seien nicht mehr als 5 Cent pro Ei oder beim jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 236 Eiern in Österreich weniger als 12 Euro pro Jahr. Gelinge es nicht, eine solche Preiserhöhung durchzubringen, sei die Versorgung nach Ostern fraglich.

Auch Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, sieht den Handel in der Pflicht und fordert mehr Beweglichkeit. „Wir brauchen schnellere Reaktionen auf die Veränderungen bei den Kosten“, fordert er und kritisiert, dass den Bauern von den Futterlieferanten Tagespreise verrechnet würden, der Handel als Abnehmer der Eier aber immer noch von Quartalspreisen rede. „Mich macht grantig, dass der Handel von Rekordergebnissen berichtet, aber die Produzenten verhungern lässt.“

Ungeduldig machen den Kammerpräsidenten auch die Verzögerungen beim Krisenpaket für die Landwirtschaft. Obwohl etwa die Senkung der Mineralölsteuer bei Agrardiesel auf das durchschnittliche EU-Niveau im Energie-Entlastungspaket der Regierung vereinbart sei, habe er das Gefühl, dass die Grünen sehr stark auf der Bremse stünden. Dafür habe er kein Verständnis. „Die Bauern fahren ja nicht leichtfertig auf ihren Feldern herum.“ Es brauche die Unterstützung für Bauern, damit sie produzieren können, warnt Moosbrugger. „Sonst stehen wir am Ende des Tages vor der Situation, dass wir die Versorgung mit Lebensmitteln nicht aufrechterhalten können.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 1. April 2022
 
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