Dienstag, 31. Mai 2022

Pflege auf dem Hof ist gefragt

 

Green-Care-Bauernhöfe wurden in zehn Jahren als Sozialdienstleister zu einem Faktor in der regionalen Wirtschaft. Mit etablierten Sozialinstitutionen hat man es aber nicht immer einfach.

Hans Gmeiner  

Wien. Vor zehn Jahren begann Green Care mit Betreuungsangeboten für Kinder, Menschen mit Behinderung und ältere Personen. Längst hat sich die Organisation, die soziale Angebote auf Bauernhöfen organisiert und anbietet, etabliert.

Auf 109 bäuerlichen Betrieben in Österreich gibt es insgesamt 186 Angebote – von Auszeithöfen über Tiererlebnis am Bauernhof, Wohnen und Begleitung am Hof, Gesundheit und Prävention bis hin zu Reittherapie und Kinderbetreuung.

Nicht nur die Nachfrage nach sozialen und gesundheitlichen Dienstleistungen auf den Höfen ist groß. Auch das Interesse der Bauern wächst. „Alleine von 2020 auf 2021 haben sich die Anfragen von Interessierten und in der Folge konkrete Beratungen auf 120 verdoppelt“, sagt Nicole Prop, Geschäftsführerin von Green-Care-Österreich.

Längst ist Green Care nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt und für die regionale Wirtschaft ein wichtiger Faktor geworden. „Die regionalwirtschaftlichen Effekte von Green Care sind beachtlich“ bestätigt Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), das im Vorjahr 39 Höfe in Niederösterreich analysierte. Allein auf diesen Höfen sind 282 Menschen beschäftigt. 78 sind laut Wifo externe Dienstleister. Zudem fanden auf acht Höfen insgesamt 106 Personen mit Behinderungen eine Beschäftigung auf dem sogenannten zweiten Arbeitsmarkt. Rechnet man diese Zahlen auf ganz Österreich hoch, kommt man auf 600 bis 700 Menschen, denen die Green-Care-Höfe Arbeit und Einkommen bieten.

„Für viele bäuerliche Betriebe ist Green Care eine gute Option, in dieses Geschäftsfeld einzusteigen“, sagt Sinabell. Die Studie habe aber auch gezeigt, dass auf den Höfen oft erhebliche Investitionen erforderlich seien. „Damit sich das betriebswirtschaftlich rechnet, ist es wichtig, genau zu kalkulieren und sich von Green Care beraten zu lassen.“

Das Potenzial für Green-Care-Angebote auf Bauernhöfen ist groß. „Laut einer Umfrage in Niederösterreich würden rund 14 Prozent der Menschen am liebsten auf einem Bauernhof alt werden“, sagt Prop. Das wären nur im Bundesland rund 50.000 Personen. „Gerade für Ältere, oft von Einsamkeit Betroffene ist das Angebot von Green-Care-Höfen eine Bereicherung“, sagt Green-Care-Vereinsobmann Robert Fitzthum. „Unsere Angebote ergänzen die institutionellen Angebote im Sozial-und Pflegebereich und können Lücken füllen“, sagt Vorstandskollegin Senta Bleikolm-Kargl.

Dabei hakt es freilich mitunter. „Zuweilen ist im institutionellen Bereich noch Aufklärungsarbeit nötig darüber, dass der Bauernhof nicht nur als Lebensmittelerzeuger, sondern auch als sozialer Dienstleister zur Verfügung steht“, sagt Prop. Das sei in jedem Bundesland anders und hänge stark von den jeweiligen Akteuren ab. „In den Niederlanden etwa ist es ganz klar, dass die Green-Care-Angebote eins zu eins anerkannt werden, wie alle anderen Angebote auch“, sagt Prop. „Diesen Weg haben wir in Österreich noch vor uns.“

Für die jüngste Erweiterung des Green-Care-Angebots sollte das kein Hindernis sein. Unter dem Titel „Hofzeit“ will Green Care ab Herbst neben den bereits etablierten Angeboten für ältere Menschen eine niederschwellige, stundenweise Betreuung in kleinen Gruppen anbieten. „Wir wollen damit dazu beitragen, dass ältere Menschen in der Nähe ihres Wohnorts aktiv bleiben und ihre Tage sinnvoll verbringen können“, sagt Bleikolm-Kargl, die für das Projekt verantwortlich ist. Derzeit absolvieren zwölf Bäuerinnen eine eigens dafür konzipierte Ausbildung, die im Juni abgeschlossen sein wird.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 31. Mai 2022

Mittwoch, 25. Mai 2022

Traum-Land Österreich

Die spitzen Edelfedern des Landes sind in diesen Tagen spitz wie schon lange nicht mehr. "Will Österreich ernsthaft seine Neutralitätspolitik fortführen, sollte es endlich ernsthafte Neutralitätspolitik betreiben", ätzt Andreas Koller in den "Salzburger Nachrichten". In der "Presse" meint Josef Urschitz nicht weniger spitz: "Wir brauchen jetzt Krisenmanager und nicht hilflose Wohlfühlpolitiker". Und im jüngsten "profil" fragt Eva Linsinger: "Wo ist denn die große Vision, wie Österreich mit der Ukraine-Zeitenwende umzugehen gedenkt?" oder "Hat unser politisches Spitzenpersonal womöglich ein ernsthaftes Qualitätsproblem?" Der ehemalige Journalist und nunmehrige Chef der Agenda Austria, Franz Schellhorn, steht dem in nichts nach. "Österreich reagiert auf die vielen Herausforderungen unserer Zeit mit einem bekannten Muster: Ausblenden und verharmlosen." Das werde nicht gut gehen, ist er überzeugt.

Auch in der Wirtschaft wird der Unmut immer größer. Dort vermisst man vor allen einen Plan der Politik und fühlt sich bei der Versorgung mit Energie allein gelassen. Offenbar habe die Regierung keinen Plan, und wenn sie einen habe, rede sie mit den Betroffenen nicht darüber, schimpft Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer. Und der interimistische Chef des IHS, Klaus Neusser, sagt unverhohlen, er hoffe, dass es jetzt mit Martin Kocher, seinem Vorgänger im IHS, "als Wirtschaftsminister mehr Wirtschaftskompetenz in der Regierung gibt".

Die nach wie vor fehlende Energiestrategie und die Diskussion darüber, wie man es mit der Neutralität Österreichs halten soll, legen zunehmend die Nerven blank und die Defizite in diesem Land offen. Große Themen und große Entscheidungen legt man -man weiß es seit Jahren und Jahrzehnten -am liebsten zur Seite und rührt sie nicht an. Weil man sich nicht traut, weil man zu bequem ist, oder weil man schlicht einem holzschnittartigen Populismus anhängt, der nur ein Ja oder ein Nein und nichts dazwischen zulässt. Schon gar keine Diskussionen. Weil man sie gar nicht kann.

Wie der Kanzler die Diskussion um die Neutralität ausgedämpft hat, ist typisch für vieles. Leisten können wir uns das nicht mehr. Zumal in einer Zeit, die Entscheidungen und Weichenstellungen verlangt, die das Land durch eine schwierige Zeit bringen können.

Der Vorwurf trifft nicht nur die Politik. Er trifft die gesamte Gesellschaft in diesem Land, die es sich bequem gemacht hat und bequem geworden ist im wirtschaftlichen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte und längst die große Richtung aus den Augen verloren zu haben scheint. Die sich in kleinen Scharmützeln ergeht, die sich tagelang echauffieren kann darüber, ob die Frau des neuen Wiener ÖVP-Obmanns Kuchen bäckt oder nicht, die sich lieber immer noch am ehemaligen Kanzler Kurz abarbeitet oder den neuen Landwirtschaftsminister, kaum im Amt, am liebsten gleich durch den Spaltenboden im Schweinestall treten möchte. Und da ist noch gar nicht die Rede davon, dass man immer noch gerne Strache aus der Versenkung holt und ihm, wohl wegen der Quote, nicht nur wieder einmal eine Reise ermöglicht, sondern auch beste Sendezeit gibt.

Es ist nachgerade so, als ob Twitter, Brutstätte und Hort all solcher Hacheleien, Querschüsse, Gehässigkeiten und Banalitäten, längst überall wäre.

Man tut ganz einfach so, als ob nichts wäre. Man will sich nicht stören lassen. Große Probleme werden auf kleinliche politische Attacken heruntergebrochen. Die Politik feiert sich, wie die Umweltministerin für neue Regeln für die Radfahrer, und bleibt seit Wochen eine klare Linie und Auskünfte in Sachen Gasversorgung schuldig. Das Problem dabei -das eine ist in der Öffentlichkeit ein viel zu großes Thema, das andere ein viel zu kleines, und kaum jemand hat Interesse daran, das umgehend zu ändern.

Es fehlt an Sachlichkeit und an klaren Schwerpunkten. Es geht viel zu viel Energie in Themen, die fraglos wichtig sind, die aber in der Bedeutung all den Fragen, die die Ukrainekrise auch für uns in Österreich aufwirft, klar nachstehen.

Es ist hoch an der Zeit, diese Krise, die Folgen dieses Krieges, den Russland angezettelt hat, ernst zu nehmen und endlich Prioritäten zu setzen. Es kann ohnehin noch schlimm genug werden.

Ohne Konzept und Maßnahmen kann es aber noch viel schlimmer werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Mai 2022

Dienstag, 24. Mai 2022

Preise werden länger hoch bleiben

Den Bioanteil in der Landwirtschaft zu steigern und nach höheren Ernten zu rufen vertrage sich nicht, sagt Agrarexperte Fritz Gattermayer.

Hans Gmeiner 

SN: Weizen ist teuer wie noch nie in der Geschichte. Zu den Folgen des Überfalls Russlands auf die Ukraine kommt die Trockenheit in Indien und anderen Ländern. Die Warnungen vor Hungersnöten und Aufständen in Ländern Afrikas werden immer lauter. Worauf müssen wir uns einstellen? 

Gattermayer: Die Preise für agrarische Rohstoffe werden so teuer bleiben, wie sie jetzt sind, eher wird es noch einen Auftrieb geben aufgrund der aktuell ungünstigen Witterungsbedingungen in Frankreich, Spanien, USA, Brasilien und dem indischen Subkontinent. Wir können nicht davon ausgehen, dass wir schnell auf das alte Niveau zurückkommen. In Österreich werden die Auswirkungen im Vergleich relativ bescheiden bleiben, weil bei uns die Einkommen hoch sind. Ein gravierendes Problem kann die Entwicklung freilich für jene fünf Prozent der Menschen werden, die über besonders wenig Geld verfügen. Im Energiebereich werden die Auswirkungen jedenfalls stärker sein. 

Und global? 

Gattermayer: Da schaut es freilich ganz anders aus. Es gibt jetzt schon eine Milliarde Menschen, die nicht ausreichend ernährt sind, diese Zahl wird sich eventuell verdoppeln. Wenn man weniger als zwei Dollar am Tag zur Verfügung hat, ist jede Preiserhöhung eine Bedrohung, gefährdet Leben und erhöht die Kindersterblichkeit. Im Libanon, in Nordafrika und in anderen Regionen drohen nicht nur Hungersnöte und soziale und politische Unruhen, sondern auch verstärkte Migration.

Worauf muss sich die Landwirtschaft einstellen, die Bauern? 

Gattermayer: Für die Bauern bedeutet die Entwicklung auf den Märkten – das Auf und Ab sowohl bei den Preisen für ihre Produkte, aber auch für Betriebsmittel wie Dünger, Futter und Diesel – mehr Unsicherheit. Gerade jetzt zeigt sich ihre schwache Position auf den Märkten und die Abhängigkeit sowohl auf der Einkaufs- als auch auf der Verkaufsseite. Sie sind mehr denn je Passagiere der Entwicklung und haben keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, weil sie keine Marktmacht haben. Die Abhängigkeit etwa von Verarbeitungsbetrieben könnte noch zu einem großen Problem werden. Wenn die Molkereien nicht über ausreichend Energie wie Gas verfügen, ist das sowohl für die Milchwirtschaft als auch für die Bauern ein Riesenthema.

Hohe Preise für ihre Produkte bedeuten also keine goldenen Zeiten für die Bauern? 

Gattermayer: In solchen Situationen verdienen die Dünger- und Pflanzenschutzmittelerzeuger und die Lebensmittelindustrie. Deren Ergebnisse werden signifikant steigen. Sie verdienen immer mehr als die Bauern. Einige Landwirte werden heuer gut verdienen können, vor allem jene, die im Herbst noch nichts verkauft und im Vorjahr noch günstigen Dünger und Treibstoff für die heurige Ernte eingekauft haben. Die Margen werden aber schnell wieder sinken. Die Düngerpreise werden hoch bleiben. Russland, wichtigster Lieferant auf dem Weltmarkt, macht klar erkennbar Politik damit und will die Preise hoch halten.

Die Landwirtschaft soll mehr produzieren, um die Ausfälle der Lieferungen aus der Ukraine auszugleichen und die Versorgung des Weltmarkts zu sichern. Vor diesem Hintergrund ist eine mitunter heftige Diskussion um politische Weichenstellungen in Richtung Ökologisierung und Biolandbau entstanden. 

Gattermayer: Man muss sich das ehrlich und genau anschauen. Wenn es Ziel der EU ist, die Bioflächen auf 25 Prozent auszuweiten, muss auch klar sein, dass diese Flächen weniger Getreide liefern und die Ernte sinkt statt steigt. Diese Mengen fehlen natürlich für die Versorgung auf den internationalen Märkten, denn die EU ist dort einer der größten Lieferanten. Dann wird Getreide in den Importregionen wie Nordafrika oder im Nahen Osten noch teurer. Ich glaube daher, dass das Ziel 25 Prozent Biolandbau in Europa im Hinblick auf die globale Verantwortung derzeit unzulässig ist, solange der Ukraine-Konflikt andauert. Vor allem in Gunstlagen muss Europa die Produktion erhöhen. Wenn dennoch wer sagt, man will das 25-Prozent-Ziel beibehalten, soll er auch beantworten, wie die Ernährungssituation global, aber auch in Europa, wo es immer mehr nicht ausreichend Ernährte gibt, gelöst wird.

Gibt es auch andere Möglichkeiten? Die Beimischung von Biotreibstoffen wird heftig diskutiert, NGOs fordern auch eine Einschränkung des Fleischverbrauchs. 

Gattermayer: Wenn ich politischer Entscheidungsträger wäre, würde ich aus globaler Sicht die Verwendung von Getreide und Mais für die Erzeugung von Biotreibstoffen für eine bestimmte Zeit aussetzen, um die Situation bei Agrarrohstoffen zu beruhigen. In den USA geht ein Drittel der Maisernte in Bioethanol. Wenn das nicht so wäre, würde der Maispreis massiv zurückgehen. Andererseits freilich leisten die Biotreibstoffe einen sehr wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen.

Und wie sieht es beim Fleischkonsum aus? 

Gattermayer: Eine Reduktion des Fleischverbrauchs senkt natürlich den Getreideverbrauch und würde den Markt entlasten. Aber man muss auch die andere Seite sehen. Was bedeutet das an Einkommensverlust für die Landwirtschaft weltweit, für die Bauern, die Fleischverarbeiter, die ganzen Handelsketten, die da drinnen sind. Und wie wird das Grünland dann genutzt? Es würde dann wohl viel weniger Betriebe geben und viele Gegenden würden verwalden, weil es keine Bauern und keine Produktion mehr gibt.

Muss die Gesellschaft ihr Bild von der Landwirtschaft nachschärfen? 

Gattermayer: Die Gesellschaft hat ein Bild von der Landwirtschaft, das oft nicht der Realität entspricht. Es ist stark beeinflusst von Personen und Organisationen, die weder ausreichende Erfahrung noch Wissen haben, und trotzdem Meinung machen. Situationen, wie wir sie in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion erleben, aber auch bei der Energieversorgung, kann man nicht mit Emotionen lösen, sondern nur auf der Basis von technischem Wissen.

Fritz Gattermayer (*1957) ist Agrarökonom und Lektor für Agrarmärkte und Welternährungswirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien.

Donnerstag, 19. Mai 2022

Zukunft bitte warten

Strom aus Photovoltaik-Anlagen, Glasfaser auch weit draußen am Land, leistungsfähige Mobilfunknetze überall vom Bodensee bis zum Neusiedler See. An anspruchsvollen Zielen und vollmundigen Versprechungen fehlt es seit Jahren nicht. Die Wirklichkeit kann freilich damit nur selten mithalten. Die Mühen der Ebene sind zuweilen sehr viel mühsamer, als man das in der Euphorie, mit der all diese neuen Technologien daherkommen, wahrhaben will. Der "Anschluss an die Zukunft", der so gerne beschworen wird, fällt schwer. Viel schwerer als man je glauben wollte. Und so groß der Wirbel, der darum oft gemacht wird, so mager sind oft die Erfolge.

Die Realität ist meist eine ganz andere, als sie bei Pressekonferenzen, Spatenstichen und Auftritten vornehmlich von Politikerinnen und Politikern, die damit ihre Macherqualitäten zeigen wollen, in Aussicht gestellt wird. Der Unmut in den Teilen der Bevölkerung, denen der "Anschluss an die Zukunft" ein Herzensanliegen ist, die ihn brauchen und die ihn schlicht vorantreiben wollen, weil sie davon überzeugt sind, ist nachvollziehbar. Die potenziellen Anwender bleiben oft über, schlecht informiert, allein gelassen und auf sich allein gestellt. Denn vieles scheint unkoordiniert und wenig akkordiert, wenn es um den Anschluss an die Zukunft geht.

"Auf Grund der enormen Nachfrage sind wir derzeit sehr schwer erreichbar. Wir bitten um Verständnis!", schreiben in diesen Wochen nicht wenige Anbieter von Photovoltaikanlagen auf ihren Homepages und unter ihre E-Mails. Nicht erst seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine schwappt über sie eine Welle an Anfragen und Wünschen hinweg, die sie kaum mehr bewältigen können. Binnen 45 Minuten wurden bei der jüngsten Förderungsrunde 30.000 Anträge gestellt. "Wer Photovoltaik will, braucht Nerven aus Stahl", schrieb dieser Tage eine Kommentatorin in den Oberösterreichischen Nachrichten. Dass die Energieunternehmen und die Netzbetreiber kein gesteigertes Interesse am von der Politik so gepushten Solarstrom haben, macht die Sache nicht einfacher. Vor allem nicht für die, die möglichst rasch umstellen wollen und die das Ziel von der Umstellung auf Ökostrom bis 2030 und das Reden vom "Eine-Million-Dächer-Programm" ernstgenommen haben. Da passt ins Bild, dass es immer noch schwierig ist, ohne genaue Ladestations-Planung mit einem E-Auto durchs Land zu fahren, und gar nicht zu reden vom Tarifdschungel, in dem man sich dabei zurechtfinden muss.

Das Muster ist in diesem Land freilich kein Unbekanntes. Man kennt es auch aus deren Bereichen, wo sich politische Versprechen mit der Wirklichkeit spießen. So ist der Ausbau der Glasfasernetze in ganz Österreich nirgendwo die Erfolgsgeschichte geworden, die er hätte sein können und sollen. Bürgermeister kümmerten sich oft zu wenig darum, Netzbetreiber gruben oft ohne ersichtliche Konzepte einfach drauf los. So kam es, dass abgelegene Almhütten früher zum Glasfaseranschluss kamen als Unternehmen in den zentralen Wirtschafträumen dieses Landes. Vielerorts und viel zu oft bedeutet dort "www" immer noch "warten, warten, warten", wie etwa Betroffene in der Böhmerwaldregion im oberen Mühlviertel medienwirksam ätzten, bis ihnen zumindest in Aussicht gestellt wurde, dass heuer noch um Förderung angesucht wird.

Nicht viel erbaulicher ist, was den p.t. Nutzern von den Mobilfunkanbietern geboten wird. Auch dort hält die laute Werbung mit den meist großspurigen Versprechen nur selten mit. 5G, 3G und LTE gehen durcheinander und sorgen oft für nichts denn für Verwirrung und Verärgerung. Da kommt gar nicht selten vor, dass das Mobilfunkgerät mitten im Wald völlig überraschend die Verbindung mit einem 5G-Hochleistungsnetz anzeigt, während man mitten in Städten viel zu oft immer noch lediglich mit einem Anschluss an das lahme LTE-Netz auskommen muss. Dabei ist das Datenvolumen dabei zu explodieren, das über die Mobil-Netze transportiert wird. Allein in den vergangenen fünf Jahren ist es um 40 Prozent gewachsen. Ein Ende ist nicht absehbar, weil SIM-Karten inzwischen in immer mehr Maschinen und Geräten zu finden sind, um Daten auszutauschen -vom Auto bis hin zu Landmaschinen.

Was bleibt, ist die Frage, die sich angesichts der großen Töne von Anbeginn aufdrängte -hat man sich übernommen oder war man schlicht nicht gut genug? Es wird wohl an beidem etwas dran sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 19. Mai 2022

Montag, 16. Mai 2022

Damit Rinder weniger rülpsen

Die Verbesserung der Klimabilanz in der Rinderhaltung ist dabei, ein gutes Geschäft zu werden. Nicht nur für die Hersteller von Futterzusätzen – auch für die Bauern.

Hans Gmeiner

Salzburg. Methan ist eines der gefährlichsten Treibhausgase. Gut ein Drittel der jährlichen Emissionen wird der Landwirtschaft zugeschrieben. Das Rülpsen der Rinder gilt dabei als das zentrale Problem. Und es passt so gar nicht zu den Bemühungen der Bauern, der Verarbeiter und des Handels, ihre Produkte möglichst klimaneutral zu erzeugen. Seit Jahren laufen intensive Forschungen, den Methanausstoß von Rindern und anderen Wiederkäuern wie Schafen zu verringern. Internationale Konzerne wie Nestlé oder Starbucks treiben mit hohen Investitionen die Entwicklung voran. Mittlerweile ist die Verbesserung der Klimabilanz in der Rinderhaltung dabei, für viele Unternehmen ein lukrativer Geschäftszweig zu werden. Auch für die Bauern tun sich dabei neue Möglichkeiten auf.

„Für die Lebensmittelerzeuger ist Milch ein großes Problem, wenn man klimaneutrale Produkte herstellen will“, sagt Branchenkenner Christoph Henöckl, bis vor einem Jahr Chef von Garant, Österreichs größtem Hersteller von Futtermitteln. „Die Abnehmer in der Industrie wie auch der Handel fragen immer öfter: Was macht ihr, um die Klimaneutralität zu erreichen?“

Als eine der vielversprechendsten Antworten darauf gelten Zusätze zu Futtermitteln, die den Methanausstoß bei Rindern reduzieren. Das Potenzial ist beachtlich. „Wir können die Methanproduktion im Magen von Milchkühen um rund 15 Prozent reduzieren“, sagt etwa die Schweizerin Beatrice Zweifel von der Firma Agolin, die in jahrelanger akribischer Arbeit ein Produkt auf rein pflanzlicher Basis entwickelte. Anders als die Produkte anderer Hersteller, die meist auf Chemie setzen, besteht die Mischung von Agolin aus ätherischen Ölen, die direkt im Pansen der Wiederkäuer ihre Entwicklung entfalten. Weil sich dadurch auch die Milchleistung um gut vier Prozent erhöht, die Futterverwertung um knapp zehn Prozent verbessert und auch die Fruchtbarkeit deutlich zunimmt, spricht Zweifel von einer Win-win-Situation für die Bauern.

Das Potenzial von Futterzusatzstoffen wie Agolin, den Methanausstoß zu verringern, ist beachtlich. Allein in Österreich könnte man laut Berechnungen von Henöckl und Zweifel durch die Beimischung von Agolin mehr als 300.000 Tonnen CO2-Äquivalent einsparen. Dennoch ist man einstweilen zurückhaltend. Futterzusätze werden in erster Linie zur Verbesserung der Tierleistung und der Fruchtbarkeit eingesetzt, aber kaum zur Reduktion des Ausstoßes von Methan. Die Bauern und ihre Vertreter zeigen sich reserviert. Man hat Sorge vor neuen Belastungen. Und auch Verarbeiter und Handel zögern noch.

In anderen Ländern ist man bereits weiter und bietet den Landwirten Modelle an, von denen sie auch finanziell profitieren können. In der Schweiz mischt der größte Futtermittelhersteller den Zusatzstoff von Agolin kostenlos bei. Als Gegenleistung verlangt man die Überlassung der Rechte an den Einsparungen von CO2 die mit der Verwendung des Mittels erreicht werden. Die werden in CO2-Zertifikate umgewandelt und so zu Geld gemacht. Es gibt aber auch Modelle, bei denen Bauern für die CO2-Zertifikate direkt Geld bekommen. Henöckl: „So hat der Landwirt mehr Leistung und auch noch mehr Geld.“

Ungewöhnlich ist, dass weder Henöckl noch Agolin-Vertreterin Beatrice Zweifel verlangen, dass die Politik aktiv wird. „Wenn sich Molkereien, Futterfirmen und Bauern auf ein Modell verständigen, braucht es keine Politik“, sagen beide. „Was es freilich braucht, ist zumindest ein großes Unternehmen, das den Eisbrecher macht.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. Mai 2022

Donnerstag, 12. Mai 2022

Ein Volk begehrt gegen sich selbst auf

Korruption ist nicht allein ein politisches Phänomen und auch nicht ein wirtschaftliches, es ist ein gesellschaftliches."

Am Montag dieser Woche endete die Eintragungsfrist für das Anti-Korruptionsvolksbegehren. Es ist ein veritabler Erfolg geworden. Rund um dieses Volksbegehren wurde sehr viel und sehr viel Gescheites und Richtiges geschrieben und gesagt zu dem Thema, über das ganze Generationen über Jahrzehnte so generös hinwegschauten. "Korruption? Doch nicht bei uns. Wir sind doch keine Bananenrepublik!", war zu lang die einzige Antwort, die dazu einfiel.

Bis man erkennen musste, dass man sich auf den internationalen Rankings doch nicht ganz vorne befand und zuletzt sogar auch noch ein paar weitere Plätze zurückrutschte. Auf Rang 15 mit 76 von 100 möglichen Punkten. Eigentlich beschämend für einen Staat, der sich gerne und überall zu den besten und saubersten zählt. Zu den Engerln quasi.

Dabei poppten und poppen über die Jahrzehnte immer wieder Skandale, wie erst jüngst die Vorgänge in Vorarlberg und vorher zahlloses anderes Skandalträchtiges auf, und da muss man nicht gleich die Anschaffung der Eurofighter ins Treffen führen. Und gar nicht mag man daran denken, was alles gelaufen sein mag dafür, dass wir vor allem bei Gas in eine derart große Abhängigkeit von Russland gekommen sind.

Korruption ist aber nicht allein ein politisches Phänomen und auch nicht alleine ein wirtschaftliches. Es ist, auch wenn die sogenannte Alltagskorruption, also die Korruption des kleinen Mannes respektive der kleinen Frau sozusagen, in den vergangenen Jahren zurückgegangen sein mag, ein gesellschaftliches Phänomen. Ganz oben wie ganz unten und dazwischen erst recht.

Da gibt es die ältere Dame, die, sobald sie wieder einmal ins Spital eingeliefert wird, gleich nach der Ankunft damit beginnt, Geldscheine ans Personal zu verteilen, um gute Stimmung für sich zu machen und bevorzugt behandelt zu werden. Trinkgeld erst beim Verlassen des Krankenhauses liegen zu lassen, hält sie dieser Logik zufolge klarerweise für Verschwendung. Oder da ist der, der in diesem Land später ein hohes politisches Amt bekleiden sollte, der schon in jungen Jahren Talent für spätere Schandtaten bewies, und als Erstes, als er einmal in ein Ordensspital eingeliefert wurde, die Kirchenzeitung verlangte. "Das macht auf die Schwestern einen besseren Eindruck als die Kronen Zeitung". Da gibt es die zahllosen Mütter, die an den Zeugnistagen ihre Kinder mit Kuchen, Bonbonnieren und vielem anderen für Lehrerinnen und Lehrer in die Schule schicken. Wohl nicht immer allein um sich bei denen zu bedanken. Und "Wer schmiert, der fährt" geben in diesem Land viele Väter ihren Söhnen gerne als Leitsatz mit, wenn sie ihnen plausibel machen, dass Trinkgeld in der Werkstatt dazugehört, weil es der dortigen Arbeit eine zweite Bedeutung gibt, die Wunder wirken kann -mit dem Augenzwinkern, das den Umgang mit dem Phänomen Korruption bei uns wohl am besten beschreibt und signalisiert: "Ist ja nicht so schlimm -noch dazu wenn's hilft".

"Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft", heißt es. Und oft nicht nur das. Oft ist halt auch ein Hintergedanke dabei. So ist Österreich eben. Ein bisserl Augenzwinkern, immer ein doppelter Boden. Es geht immer was. Und oft hat der das Nachsehen, der glaubt, es geht schon längst nichts mehr, weil sich das aufgehört hat. Weil niemand mehr etwas annimmt, sich niemand mehr von irgendetwas beeinflussen lässt, weil wir alle brav und korrekt geworden sind, vom Scheitel bis zur Sohle.

Das stimmt wohl nicht. Oft ist man nur einfallsreicher und noch subtiler geworden. Gut, die ganz platten Dinge, mit Geldscheinen zwischen den Fahrzeugpapieren bei einer Verkehrskontrolle und Ähnliches, gehen wohl wirklich nicht mehr. Auch weil die Vorschriften strenger geworden sind und die Kultur vor allem in den Ämtern oft eine andere. Aber das Spielfeld ist wohl immer noch sehr groß.

All das im Hintergrund, und erst recht die Vorgänge in der Politik, nimmt sich die hohe Teilnahmezahl am Antikorruptions-Volksbegehren als Begehren des Volkes gegen sich selbst aus.

Österreich und seine Bewohnerinnen und Bewohner hätten einen "folkloristischen Zugang zum Korruptionsproblem", sagte einer der Initiatoren des Volksbegehrens in einem Interview. Damit hat er wohl recht. Nach dem Ergebnis des Volksbegehrens ist nun freilich zu hoffen, dass diese Art des Zugangs doch endlich ihre Grundlage verliert.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. Mai 2022

Donnerstag, 5. Mai 2022

Politik darf ohne Erfolg sein, aber nicht schlecht

In Vorarlberg, so die wichtigste politische Entscheidung der vergangenen Tage in diesem Land, der ein veritabler Streit vorausging, müssen die Landesräte den Kaffee jetzt wieder selbst bezahlen. Kurz kommt nicht an die Spitze der ÖVP zurück. Und "Die neue Volkspartei" lässt das "neue" verschwinden und wird nicht schwarz-gelb, sondern bleibt türkis.

Wenigstens etwas, das konkret war in den vergangenen Tagen.

Denn so Konkretes ist sonst rar in diesen Tagen. Die Chefin der SPÖ meine am 1. Mai, es müsse sich "etwas ändern" in unserem Land, Österreich brauche eine "neue Richtung" und lässt sich offenbar nicht weiter stören, um im "Schlafwagen in die Regierung" zu kommen, wie dieser Tage der Presse-Chefredakteur formulierte. Der Bundeskanzler antwortete nach zwei Monaten Ukraine-Krieg auf die Frage, ob Österreich einen Plan habe, wenn das Erdgas ausgehe, schlicht: "Wir versuchen neue Gas-Quantitäten aufzutreiben und Pipeline-Kapazitäten zu sichern." Und die Umweltministerin seines Kabinetts, zuständig für die Versorgung mit Gas, scheint auch keine übertriebene Eile zu haben, sondern denkt immer noch in Jahren, obwohl die Lage sehr schnell sehr brenzlig werden könnte.

"Müss ma, wird ma, schau ma", schimpfte Beate Meinl-Reisinger wie ein Rohrspatz. Man muss die Neos-Chefin nicht mögen, aber wo sie recht hat, hat sie recht. Man versteht, wenn jemand der Kragen platzt ob der Drögheit der heimischen Politik, die der Devise zu folgen scheint: "Es ist Krise, aber wir schauen nicht hin." Noch dazu, wo wir ja so viele andere Themen zu behandeln haben -siehe oben.

Die Zeiten sind schwierig wie seit Jahrzehnten nicht, die Herausforderungen enorm. Das aber darf keine Erklärung sein dafür, dass die Politik so schlecht ist, wie wir sie erleben. Schlechte Politik war schon in der Pandemie ein Luxus, den man sich eigentlich nicht leisten hätte dürfen.

Politik darf ohne Erfolg sein, aber nicht schlecht. Und sie muss gemacht werden, wenn sie gemacht werden muss. Wenn es darum geht, die Inflation abzufedern und die Energieversorgung, den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft abzusichern. Da sollte dann kein Platz mehr sein für PR-Spielchen und Parteizank. Da wünscht man sich als Bürger, dass man zusammenrückt und zusammenhält und gemeinsam in eine Richtung geht.

Das alles ist in Österreich nicht zu spüren. Schon seit Jahren nicht mehr. Da geht es, so der Eindruck, der sich festgesetzt hat, nicht mehr ums Land und um sein Fortkommen, sondern um Einzelinteressen und billige Parteipolitik, die mittlerweile aus schier jedem Winkel als Show daherkommt.

Die Politik hat sich damit nicht nur bei den heimischen Wählern in Misskredit gebracht, auch auf internationaler Ebene sind wir, wie es scheint, völlig abgemeldet. Da kann unser Kanzler noch so oft nach Moskau oder Kiew fahren. Auch in Brüssel hat Österreich nachgerade dramatisch an Gewicht verloren. Nicht nur Johannes Hahn fragt sich, was in das Land gefahren ist, wenn ihm entfährt, dass er auch nicht wisse "was mit dem Schalli in letzter Zeit los ist".

Politik ist, das zeigt sich gerade jetzt am Krieg Russland gegen die Ukraine -freilich just jetzt nicht nur in Österreich -, in der Krise. Deutschland plagt sich mit einem zurückhaltenden Kanzler, die EU ist zwar geschlossen wie kaum je zuvor, tut sich aber dennoch schwer mit der Absicherung der eigenen Mitgliedstaaten und mit Initiativen auf dem internationalen Parkett der Politik und der Diplomatie. Die Machtlosigkeit der UNO zeigten die Bilder aus dem Kreml so eindrücklich, wie man sie gar nicht sehen wollte, als dort Putin den UNO-Chef am anderen Ende seines Monstertisches eher wie einen Schulbuben aussehen ließ, aber keinesfalls wie einen Partner, den er auch nur irgendwie ernst nimmt.

Wie es scheint, geht ohne die USA nichts und auch nicht ohne Großbritannien. Diese beiden Großmächte erfüllen noch am ehesten, was man von ihnen erwartet. Sie machen Politik und das sehr konkret. Konkreter jedenfalls als alle anderen. Immer deutlicher wird, dass sie die Führung übernehmen. Wieder einmal. Dankenswerterweise möchte man hinzufügen. Wohlwissend, dass das von vielen im Rest der Welt wohl nicht wirklich goutiert wird.

Alternativen freilich hat man nicht zu bieten - nicht zuletzt, weil man sich nicht nur bei uns, sondern in vielen anderen Ländern auch, viel zu viel mit Kaffeekassen beschäftigt und woher das Geld dafür kommt.

Es geht nicht mehr ums Land und um sein Fortkommen, sondern um Einzelinteressen und billige Parteipolitik."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Mai 2022

Mittwoch, 4. Mai 2022

Warum die Bauern mitunter mit ihren Vertretern hadern

Österreichs Bauern hadern gerne mit ihren Vertretern. Zuweilen fühlt man sich schlecht vertreten, zuweilen fühlt man sich zu kurz gekommen und benachteiligt, oft schimpft man sich auch nur den Frust von der Seele und braucht jemand, wo man all den Gram abladen kann.

Funktionäre haben es nicht leicht, zumal Bauern, salopp gesagt, mitunter schon eine sehr spezielle Kundschaft sind. Anspruchsvoll, fordernd und oft wenig rücksichtsvoll und verständig. „Mir san mir“ zählt allenthalben mehr als alles andere. Dass es sich bei ihren Vertreterinnen und Vertretern um Kollegen handelt, die auch wie sie im Stall stehen und auf den Feldern oder im Wald zugange sind, spielt da kaum eine Rolle. Vor diesem Hintergrund ist nicht hoch genug einzuschätzen, dass sich nach wie vor viele Bäuerinnen und Bauern bereit erklären in der Bauernvertretung mitzumachen. Gerade für die Bauern ist das besonders wichtig, um gesellschaftlich und politisch gehört zu werden.

Das darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht alles eitel Wonne ist. Als Beobachter staunt man oft über die Lücken in agrarpolitischen Fragen und wundert sich wie engstirnig manche Funktionärinnen und Funktionäre auf ihre Umgebung fixiert sind. Viele sind zwar sehr fix, wenn es darum geht, Vorwürfe gegen den Handel herunterzubeten, zu erklären, dass Regionalität das um und auf ist und dass der Green Deal überarbeitet gehört - wie man es eben von oben vorgebetet bekommt. Eigene Einschätzungen und Meinungen, eigenes Denken sind aber allzu oft nicht zu erkennen.

Mitunter staunt der Beobachter auch wie gering die Auseinandersetzung mit agrarpolitischen Fragen, Umweltfragen und gesellschaftlichen Themen ist. Zuweilen bis an die Grenzen der Peinlichkeit, zumal dann, wenn es bei Spitzenfunktionären zu Tage tritt. Wie etwa vor Ostern, als ein führender Funktionär eines Produzentenverbandes, der in einer Pressekonferenz wortreich eine 30-prozentige Anhebung der Preise für die Produkte seiner Bauern forderte, passen musste, als er gefragt wurde, was denn nun die Produkte im Supermarkt eigentlich kosten. Er wusste es schlicht und einfach nicht.

Sorgen um die Bauern, und von wem sie da vertreten werden, kann einem zuweilen auch machen, wenn man erlebt, wie etwa ein Landes-Obmann eines Bio-Verbandes locker flockig von vielen neuen Chancen daherredet, die es nur zu nutzen gelte, aber auf die konkrete Nachfrage, was denn solche Chancen seien, nur Aronia nennen konnte und hilflos Unterstützung beim Verbandssekretär suchte.

Da versteht man dann schon, dass die Bauern mit ihren Funktionären hadern und dass nicht wenige Zweifel an der Eignung und Qualität ihrer Vertreter haben.

Für die Verbände, die Interessenvertretungen und die Bauern-Organisationen der Parteien ist das eine Herausforderung. Denn unschuldig sind sie daran nicht. Allzu oft sind sie in den vergangenen Jahren den einfachen Weg gegangen und haben sich oft nicht die Mühe gemacht die wirklich guten Köpfe zu suchen und zu gewinnen. In keiner Organisation und in keiner Partei.

Wohl auch weil es ihnen lieber war brave Gefolgsleute zu haben, die weitertragen, was von oben kommt, als Leute mit Ideen und einem eigenen Kopf. 

Gmeiner meint - Blick ins Land, 4. Mai 2022


 
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