Montag, 29. August 2022

Bauern wollen fair behandelt werden

Trotz oft besserer Preise hadern auch die Bauern mit der Teuerung. Und mit immer höheren und kostspieligeren Standards, die verlangt werden. „Wer das will, muss es auch bezahlen“, sagt Bauernbundpräsident Georg Strasser.

Hans Gmeiner 

Die Politik greift den Bauern mit einem Hilfspaket unter die Arme. Der Bauernbundpräsident will Handel und Konsumenten dennoch nicht aus der Pflicht entlassen.

SN: Die Milchpreise sind hoch wie nie, ebenso die für Getreide, die Schweinepreise erholen sich. Geht es den Bauern gut? 

Georg Strasser: Bessere Preise allein machen das nicht aus. Auch die Landwirtschaft ist von einer massiven Teuerungswelle betroffen. Zur Abfederung der gestiegenen Betriebsmittelkosten werden vor Weihnachten im Durchschnitt 1000 Euro pro Betrieb ausgezahlt werden. Damit soll sich das Wirtschaften als Familienbetrieb rentieren und die Lebensmittelversorgung sichergestellt werden.

Die Bauern sind zufrieden? 

Dieses Paket ist das eine. Der zweite Teil ist, dass es in einigen Produktgruppen wie bei Putenfleisch Preisanpassungen geben muss, weil die Preise nicht kostendeckend sind. Da sind wir noch in Verhandlungen.

Dieses Anliegen richtet sich an den Handel? 

Das richtet sich an die Handelsketten und die Konsumenten, weil nicht nur in Normaljahren, sondern auch jetzt in der Krise Fairness entlang der Wertschöpfungskette notwendig ist. Aktuell spüren wir, dass Konsumenten lieber zum preiswerteren Lebensmittel greifen.

Gibt es weitere Wünsche? 

Im Herbst werden uns vor allem die Strompreise fordern. Die Merit-Order, die in den vergangenen 20 Jahren die Höhe des Strompreises bestimmte, läuft derzeit völlig aus dem Ruder. Es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo wir uns neue Modelle der Preisfindung überlegen müssen. Verschärft sich die Situation weiter, werden alle bisher beschlossenen Ausgleichszahlungen und Hilfen nicht reichen. Die EU ist gefordert.

Hat sich das Verständnis für die Landwirtschaft durch den Ukraine-Krieg und die Pandemie geändert? 

Bei den Menschen ist die Wertschätzung für die Land- und Forstwirtschaft gewachsen. Das hat in der Pandemie mit einer verstärkten Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln begonnen. Jetzt, wo gewisse Güter teurer werden, wird eine sichere Versorgung wichtiger.

In den vergangenen Wochen bestimmte dennoch über weite Strecken die Tierhaltung, respektive das Tierwohl, die öffentliche Diskussion. Haben die Bauern das Thema zu lang nicht ernst genommen? 

Es wurde eine Lösung für ein Aus der Anbindehaltung bei Milchkühen und auch für die Vollspaltenböden in der Schweinehaltung gefunden. Das ist das eine. In Zeiten wie diesen stellt sich jedoch die Frage, wie wir unseren Weg in der Qualitätsproduktion weitergehen werden. Große gesellschaftliche Forderungen nach einem möglichst hohen Tierwohlstandard sind zu wenig. Wer Tierwohl will, muss es auch bezahlen. Jetzt ist die Solidarität der Verarbeiter des Handels und der Konsumenten gefragt. Mit dem Handel laufen Gespräche darüber, wie wir die Qualitätsproduktion Österreich bei Pute und Schwein rentabel weiterentwickeln können. Dort ist der Druck besonders groß.

Hat die Bauernvertretung ein Glaubwürdigkeitsproblem? Die Bauern scheinen sich immer schwerer zu tun, in der Öffentlichkeit ihre Positionen zu erklären und durchzusetzen. 

Ich teile diesen Eindruck nicht. Genauso wie die der NGOs finden auch unsere Botschaften in der Öffentlichkeit Gehör, es gibt immer wieder eigene, nennen wir es: Aktivbotschaften. Ich sehe die Kommunikation von Marktmaßnahmen und die Weiterentwicklung des AMA-Gütesiegels als wichtigstes Zukunftsprojekt.

Oft aber kommt der Anstoß bei Agrarthemen wie Tierwohl nicht aus der Bauernschaft? 

Das sehe ich nicht so. Viele Themen kamen aus der Bauernschaft – etwa die Biobewegung, auch die Entwicklung des AMA-Gütesiegels. Bauernbund, Kammern und Verbände sind dabei oft federführend.

Das neue Agrar-Umweltprogramm ÖPUL sorgt bei den Bauern für Unruhe. Vor allem Acker- und Biobauern haben Probleme mit den Begrünungsauflagen

In diesen Tagen werden letzte Details mit der Kommission geklärt, da gehört dieses Thema dazu. Man arbeitet an einer Klarstellung. Unsere Ziele sind mehr Praxistauglichkeit und eine hohe Teilnahmequote am ÖPUL.

Das ÖPUL gilt als Bürokratiemonster, 1300 Seiten stark. Vor jeder Agrarreform wird eine Vereinfachung versprochen, dann werden die Vorschriften noch komplizierter

Wir leben leider in einer bürokratischen Welt. Über Programme erbringen wir Bauern unsere Leistungen und für diese Leistungen wollen wir auch finanzielle Abgeltung. Und wir wollen, dass dieses Geld möglichst direkt auf die Höfe kommt. Das gelingt sehr gut. Für Umweltleistungen gibt es nach der Agrarreform ab 2023 insgesamt mehr Geld als vorher. 

Die Freigabe von Brachflächen zur Produktion stößt auf Kritik. Und dass sich Bauern gegen den Green Deal wehren, wird außerhalb der Landwirtschaft oft schwer verstanden

Die Landwirtschaft steht zu den Klima- und Umweltzielen der EU. Das ist klar. Aber in Zeiten, in denen Rohstoffe und sogar oft Lebensmittel aus globaler Sicht knapp werden, muss diese EU-Strategie hinterfragt werden, weil mit dem Green Deal die Lebensmittelproduktion in Europa nachweislich sinken wird.

Die Landwirtschaft hat als einer der wenigen Wirtschaftszweige die CO2-Belastung gesenkt – seit Mitte der Neunzigerjahre um gut 16 Prozent. Seit Jahren gibt es kaum mehr einen Rückgang. Wieso? 

Die CO2-Emissionen im Verkehr sind im gleichen Zeitraum um 50 Prozent gewachsen. Im Vergleich kann sich der Rückgang der Emissionen aus der Landwirtschaft sehen lassen. Aber klar, wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Darum werden wir über unsere Programme der gemeinsamen Agrarpolitik weiter an der Kreislaufwirtschaft, am Humusaufbau und am Erosionsschutz arbeiten. Und nicht zu vergessen – wir setzen bei der Energie auf Projekte wie Holz- oder Biogas aus Reststoffen, um in der Landwirtschaft klimaneutral zu werden.

Die Energieproduktion war immer eine Perspektive für die Landwirtschaft. Ausgerechnet jetzt scheint man auf der Bremse zu stehen. Selbst der Nutzung von minderwertigen Flächen für Photovoltaik steht man ablehnend gegenüber. 

Photovoltaik ist ein wichtiges Thema. Wir haben einen klaren Stufenplan. Vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln und des Bodenverbrauchs gilt: Photovoltaik zuerst auf Dächern, dann auf versiegelten und minderwertigen Flächen. Erst danach soll unter Umständen in Kombination mit Tierhaltung oder auch pflanzlicher Produktion die sogenannte Agrarphotovoltaik erfolgen.

Und Biotreibstoffe?

Die sind ein wichtiger Faktor. Mit der Ethanolproduktion der Agrana in Pischelsdorf wird ein großer Beitrag geleistet. Potenzial birgt auch Biodiesel. Aber der Koalitionspartner ist da oft verhalten. Es braucht mutigere Schritte des Umweltministeriums, um diese Projekte weiter zu forcieren.

Georg Strasser (*1971): Der gebürtige Niederösterreicher und studierte Lebensmittelbiologe ist seit 2017 Präsident des ÖVP-Bauernbunds und sitzt seit 2013 im Nationalrat.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 29. August 2022

Donnerstag, 18. August 2022

Das Sommerloch hat einen Kern

"Barfuß, mit einer Chino und einem dunkelblauen T-Shirt bekleidet" habe er ihr die Tür zu seinem renovierten Winzerhaus am Rande des Wienerwaldes geöffnet, schreibt Krone Star-Interviewerin Conny Bischofberger, die den ehemaligen Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern für ein großes mehrseitiges Interview für die "Krone bunt" Anfang Juli vors Mikrophon bat. Deutlich schlanker sei er geworden, streut sie Komplimente. Mag sein, jedenfalls ist Christian Kern in den vergangenen Wochen und Monaten wieder sehr viel präsenter geworden in der Öffentlichkeit. So präsent, dass er ins Zentrum von politischen Spekulationen geriet in diesem Land, das mehr denn je Orientierung sucht und in dem die Partei Christian Kerns, die SPÖ, die zahllosen von der Regierung aufgelegten politischen Elfmeter nicht zu einem Treffer zu verwandeln mag.

Da verwundert nicht, dass das politische Sommerloch einen Kern hat. Denn für einen klassischen Polit-Muppet, der es nicht lassen kann, nach dem Karriere-Ende von der Tribüne gefragt oder ungefragt seine Kommentare abzugeben, ist Kern zu jung. Darum verwundert nicht, dass die Gerüchte von der Gründung einer neuen Partei bis zu einer tragenden Rolle in der SPÖ blühen, zumal ihnen Kern eher halbherzig entgegentritt. Seine Beteuerungen, nichts mehr mit der Politik zu tun haben und schon gar eine Funktion anstreben zu wollen, kommen einen Tick zu oft in einem koketten Unterton daher.

Bereitwillig wird er von manchen Medien hofiert, weiß man doch, dass er kaum einem Mikrofon aus dem Weg geht, breitet auf Twitter fast täglich seine Sorgen aus, die er sich um Politik und Land macht, und berät den burgenländischen Landeshauptmann Doskozil, den Gottseibeiuns der SPÖ.

An die 20 Prozent würde Kern mit einer eigenen Partei bei Wahlen schaffen, zeigte Anfang Juli eine Umfrage, als die Spekulationen einen ersten Höhepunkt erreichten. Vergessen scheinen die eher maue Performance und das zwielichtige Ende seiner nur eineinhalbjährigen Amtszeit. Und erst recht der holprige Abgang aus der Politik, der kein Abtritt in Würde und Anerkennung war, sondern vielen als tolpatschig galt.

Die politischen Nachrufe, die Kern, der einst als "Messias aus dem Musterknabenkatalog" für das Kanzleramt galt, damals hinterhergeschrieben wurden, waren jedenfalls durchwachsen. Von der "Prinzessin Kern" war da zu lesen, die gerne die Schuld bei anderen sucht, und eigene Fehler nicht zugeben wollte. Von "eitel" und "dünnhäutig" wurde geschrieben, wenn es um die Charakterisierung seiner Persönlichkeit geht, und von der Silberstein-Affäre, der Verpflichtung des israelischen Beraters Tal Silberstein und die damit verbundene Dirty-Campaigning-Affäre, die am Beginn des Endes seiner politischen Karriere stand.

Als Oppositionsführer galt er gegen Kurz als glücklos. "Manchmal trat Kern geradezu stümperhaft auf, vor allem in taktischen Fragen war er alles andere als sattelfest", hieß es damals in einer Analyse, wiewohl ihm sein Plan A, mit dem er Österreich in die Zukunft führen wollte, aber auch manch andere Ideen, wie die Beschränkung des freien Uni-Zugangs oder die Europapolitik, durchaus gute Zensuren bescherten.

Vergessen scheint im Kern-Hype der letzten Wochen auch, wie unzufrieden und unglücklich die SPÖ damals mit ihrem Chef war, wie er seine Nachfolgerin Rendi-Wagner und die Partei düpierte, als er sich nach dem Rücktritt in Österreich zum Spitzenkandidaten der europäischen Sozialdemokraten bei den damaligen Europawahlen machen wollte. "Seltsam unprofessionell", hieß es damals.

In neuem Licht steht inzwischen auch Kerns Verhältnis zu Russland. Auch wenn er sich sofort nach dem Angriff auf die Ukraine aus dem Aufsichtsrat der Russischen Staatsbahnen verabschiedete, haftet der Geruch an ihm, ein ehemaliger Putin-Freund zu sein, der sogar einmal beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg als, wie es in Wikipedia heißt, "Stargast von Präsident Wladimir Putin" gegen die internationalen Sanktionen gegen Russland, damals im Gefolge der Besetzung der Krim, aufgetreten sein soll. Aber auch heuer meinte er, noch unmittelbar vor dem Überfall auf die Ukraine, wenig von Sanktionen zu halten und fand, dass "nicht alles an der russischen Argumentation falsch" sei.

Und dennoch alles vergeben und vergessen? Die kommenden Wochen und Monate werden es zeigen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. August 2022

Dienstag, 16. August 2022

Lieber mit dem eigenen Gas

Berglandmilch geht seit Jahren eigene Wege in Sachen Nachhaltigkeit. Nur logisch, dass man jetzt auf Biogas und Hackschnitzel setzt.

Hans Gmeiner

Aschbach. Ende Juli lud Berglandmilch, Österreichs größter Milchverarbeiter, zur Präsentation der neuen Abwasserreinigungsanlage ins Werk im niederösterreichischen Aschbach, wo 15 Prozent der heimischen Milch verarbeitet werden. Es ist nur ein erster Schritt, dem schon bald der zweite folgen soll. Aus den bei der Wasserreinigung anfallenden Feststoffen soll schon bald in einer Biogasanlage Gas erzeugt werden, das die Molkerei unabhängig von Gasimporten machen soll. „Die Abwasseranlage läuft seit mehr als einem Monat“, sagt Berglandmilch-Chef Josef Braunshofer. „Noch im August wird mit der Befüllung des Fermenters der Biogasanlage gestartet, Mitte bis Ende September soll die Anlage das erste Gas liefern.“

Der nächste Schritt soll noch im Spätherbst folgen. „Die Aufträge für eine Hackschnitzelanlage sind bereits vergeben, im November wollen wir mit dem Bau beginnen, wenn mit den Behörden alles glattläuft“, sagt Braunshofer. „Man weiß ja nicht, was Russland noch alles einfällt.“

60 Prozent des Energiebedarfs entfielen bei Berglandmilch in Aschbach bisher auf Gas und 40 Prozent auf Öl. Sind alle Pläne umgesetzt, werden im größten Milchwerk Österreichs Biogas 30 Prozent und Hackschnitzel 60 Prozent des Energiebedarfs decken. Die restlichen zehn Prozent sollen weiterhin aus Gas kommen.

Wie kaum eine andere Branche waren die heimischen Milchverarbeiter bisher von importiertem Gas abhängig. „Gas heißt in unserer Branche Dampf, heißer Dampf“, sagt Braunshofer. Und davon braucht man in der Milchverarbeitung viel. Wegen der aktuellen Lage sind alle Milchverarbeiter bemüht, von Gas wegzukommen. Die meisten setzen auf Öl. Manche greifen aber zu allen Mitteln, erzählt man sich in der Branche. In Bayern setzt eine Molkerei dem Vernehmen nach inzwischen sogar Milchwagen zum Transport von Heizöl ein – in Firmenfarben und mit großen „Energy-Shuttle“-Aufklebern drauf.

„Berglandmilch geht einen anderen Weg als andere Molkereien“, sagt Braunshofer. Und das nicht erst seit der aktuellen Krise. Schon vor zehn Jahren wurde im Werk Wörgl der Tochtergesellschaft Tirolmilch ein Biomasse-Heizkraftwerk in Betrieb genommen. Wärmerückgewinnungsanlagen sind in allen Berglandmilch-Werken selbstverständlich, bei Landfrisch in Wels wird ein Teil des benötigten Stroms aus Biogas erzeugt und auf den Gebäuden des Unternehmens sind insgesamt 21.000 Quadratmeter Photovoltaikpaneele installiert. „Damit decken wir fünf Prozent unseres Strombedarfs“, sagt Braunshofer. Ein Zurück zu fossilen Alternativen, zu Erdgas soll es nicht geben. „Unsere großen Molkereistandorte werden daher binnen Jahresfrist auf Biomasse- und Biogasbetrieb umgestellt sein.“ Nach Aschbach das größte Projekt ist dabei ein Hackschnitzelwerk am Standort Feldkirchen bei Mattighofen. Wenn nichts dazwischenkommt, soll noch heuer mit der Errichtung begonnen werden.

Der Kurs, den Berglandmilch in der Energieversorgung steuert, fügt sich nahtlos in die Linie, die Braunshofer mit dem Unternehmen schon vor mehr als zehn Jahren eingeschlagen hat. „Wir möchten den Weg einer nachhaltigen Milchverarbeitung konsequent weitergehen“, sagt er. Und der deckt nach seinem Verständnis weit mehr ab als die Energieversorgung.

„Beim Kauf unserer Produkte sollen die Konsumentinnen und Konsumenten kein schlechtes Gewissen haben müssen“, ist für Braunshofer die oberste Maxime seiner Strategie. Die beginnt bei den Bauern, geht über eine möglichst geringe CO2-Belastung beim Energieeinsatz in der Verarbeitung und reicht bis hin zur Auslieferung von Milch und Joghurt in Mehrwegglasflaschen, bei denen Berglandmilch Pionier ist und mittlerweile drei Anlagen in Betrieb hat.

Berglandmilch war schon vor zehn Jahren dabei, als in der Milchproduktion auf gentechnikfreies Futter umgestellt wurde. „Dann gingen wir mit dem Verzicht auf Futtermittel aus Übersee voran, bei dem uns andere Molkereien folgten.“ Der Verzicht auf die Verwendung von Glyphosat auf den Feldern von Berglandmilch-Lieferanten gehört ebenso dazu wie der Verzicht auf Milchaustauscher in der Kälberaufzucht. „Jetzt gehen wir beim Ende der Anbindehaltung mit der AMA im Gleichschritt und zahlen unseren Bauern einen Tierwohlbonus, wenn sie einen Laufstall oder gar einen Laufstall mit Auslauf bauen“, sagt der Berglandmilch-Chef.

Schrittmacher ist Berglandmilch auch beim Senken des Methanausstoßes von Kühen, der als große Gefahr für die Umwelt gilt. „Wir empfehlen unseren Bauern wärmstens den Einsatz von Agolin, das den Methanausstoß um zehn bis fünfzehn Prozent reduzieren kann, aber auch die Leistung der Kühe erhöht.“

Einfach ist der Weg nicht, den Braunshofer mit seinem Unternehmen und den Bauern geht. „Oft ist es ein Bohren in harten Brettern, aber wir müssen von den Konsumenten her denken und können nicht sagen: Das müsst ihr jetzt essen und seid froh, dass ihr etwas habt.“ Diese Zeiten seien vorbei. „Aber unsere Linie wird belohnt und daher bleiben wir ihr treu.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 16. August 2022

Donnerstag, 4. August 2022

„Normal, oder mit Fleisch?“ – eine Zäsur

 

Die Plakattafeln und Inserate von „Burger King“, auf denen links und rechts je ein Burger zu sehen ist, sind breit und grün. Die Frage, die dazwischen gestellt wird, muss in der Landwirtschaft die Alarmsirenen auslösen. “Normal, oder mit Fleisch?“ heißt es da. Und: „Bei uns ist Fleisch keine Selbstverständlichkeit mehr“. Erstmals wird damit in der Werbung Fleisch als „nicht normal“ punziert. So weit ging bisher noch kein Anbieter. Es ist eine Zäsur.

Auch wenn angesichts einer solchen Werbung vielen Bauern die Zornesröte ins Gesichts steigen mag – sie ist die Speerspitze eines Trends, dem sich die Landwirtschaft nicht mehr länger verschließen darf. Fleisch ist in immer breiteren Kreisen „keine Selbstverständlichkeit mehr“. Die Forderung nach besserer Kennzeichnung oder sofortiger Einführung eines Bezeichnungsschutzes für Fleisch mögen verständlich sein, als Strategie mit diesem Megatrend zu Ersatzprodukten, der auch die Milchbauern empört, damit zurechtzukommen greifen sie wohl viel zu kurz.

Auch wenn es sich freilich in die Gewohnheit der Landwirtschaft fügt, sich in denen eigenen Sack zu lügen, so als könnte man auf diese Weise unangenehme Trends und Entwicklungen stoppen. Jüngst lieferte selbst neue Landwirtschaftsminister ein eindrückliches Beispiel. In gesetzten Worten redete er davon, dass es gelungen sei, den Agrarstrukturwandel einzudämmen. Statt um 20 Prozent wie zwischen 2000 und 2010 sei die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe im vergangenen Jahrzehnt nur mehr um 11 Prozent gesunken. Klingt fraglos gut. Dass sich aber bei den rein landwirtschaftlichen Betrieben, also bei denen, die man gemeinhin unter Bauern versteht, der Strukturwandel in diesem Zeitraum weiter auf mehr als 20 Prozent beschleunigt, sagte er nicht dazu.

Was in der Politik funktionieren mag, führt in der Wirtschaft direkt gegen die Wand. Wer leugnet, dass Fleisch ein Problem hat, betrügt sich selbst. In den vergangenen 20 Jahren ist der Fleischkonsum von auf gut 60 Kilogramm pro Kopf gesunken. In Österreich wird immer seltener Fleisch gegessen. Acht Prozent leben mittlerweile bereits als Vegetarier und fünf Prozent als Veganer.

Am meisten litt die Nachfrage nach Schweinefleisch. Seit 2010 hat sich der Pro-Kopf-Verzehr um fast zehn Prozent auf nur mehr knapp 35 Kilogramm verringert. Klingt nach nicht viel, bedeutet aber nichts anderes, als dass heute in Österreich um rund 500.000 Schweine weniger gebraucht werden als noch vor zwölf Jahren. Die Eigenerzeugung schrumpfte von 5,2 Mill. auf 4,7 Mill. Schweine. Geht man davon aus, dass ein durchschnittlicher heimischer Mäster jährlich 1000 Mastschweine liefert, ist durch die Änderung des Ernährungsverhaltens in Österreich für rund 500 landwirtschaftliche Betriebe allein in den vergangenen zehn Jahren die Produktionsgrundlage abhandengekommen.

Das ist nicht nichts und muss den Bauern, denen ohnehin vielerorts breite Ablehnung und Unverständnis entgegenschlägt, zu denken geben. Ehrlichkeit ist gefordert. Vor allem Ehrlichkeit zu sich selbst. Und eine Strategie wie man mit diesem Trend umgeht. Denn der läuft nicht für Fleisch, wie immer man dazu steht. Man steht an einer Wegscheide.

Gmeiner meint - Blick ins Land - August 2022 , 4. August 2022


Zerfetzte Träumereien

Die Züge sind überfüllt, wie man es nie kannte. Auf den internationalen Flughäfen herrscht Chaos, wie man es nie für möglich hielt. Und in diesen Wochen sind die Berichte und Warnungen der Verkehrsdienste von den überfüllten Autobahnen im Radio lang wie nie zuvor. In den Sozialen Medien ist der Ton gehässig wie eh und je, in der Politik ist es auch nicht anders. Wie es dem Nachbarn geht, ist den meisten Menschen egal, wie es immer war. In der Wirtschaft machen sich längst Rezessionsängste breit und Sorgen um die Zukunft. Atomkraft und Kohlekraftwerke feiern fröhliche Urständ. Und selbst die grünsten Grünen schicken heute wieder ohne Genierer "liegrü", wie man in diesen Kreisen "Liebe Grüße" abkürzt, aus Sardinen. Mit dem Fahrrad werden wohl auch sie nicht dorthin gekommen sein.

Zweieinhalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie ist nichts mehr übrig von der "neuen Welt", die nicht nur von notorischen Romantikern herbeigeträumt wurde, als sich Corona breitmachte und das öffentliche Leben zum Stillstand kam. Nichts von einer neuen Bescheidenheit, nichts von der Chance für die Umwelt, die es zu nützen gelte. Und nichts von einer großen Wende im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben, nichts von einer Besinnung auf Werte und eine Verlangsamung des zuweilen absurden Lebens-Tempos, die die Pandemie bringen sollte, wie vor zwei Jahren Zukunftsforscher wie Matthias Horx meinten. "Nach einer ersten Schockstarre fühlten sich viele sogar erleichtert, dass das viele Rennen, Reden, Kommunizieren auf Multikanälen plötzlich zu einem Halt kam", schrieb Horx damals in einem viel beachteten Manifest unter dem Eindruck der ersten Pandemiewochen, als am Himmel die Kondensstreifen und auf den Autobahnen die Autos verschwunden waren und die ersten Lockdowns und die Zeit, die man auf einmal hatte, eine neue Heimeligkeit in Aussicht stellten. "Die gesellschaftliche Höflichkeit, die wir vorher zunehmend vermissten, stieg an", schrieben Horx und Konsorten. "Wir werden uns wundern, wie weit die Ökonomie schrumpfen konnte, ohne dass so etwas wie 'Zusammenbruch' tatsächlich passiert", tönte Horx.

Freilich hätte der Welt und der Gesellschaft vieles von dem, was damals in die neue Situation hineininterpretiert wurde, gut getan. Geblieben ist nur wenig. Ganz wenig. Und selbst mit dem ist man -man denke nur an das Homeoffice - nur selten wirklich glücklich.

Das Leben ist anders. Und es kam ganz anders, als man damals meinen mochte. Man erinnere sich nur daran, wie der damalige Gesundheitsminister Rudi Anschober abmontiert wurde. Oder an den Ton, den die Corona-Leugner zunächst in der öffentlichen Diskussion und dann in den Demonstrationen im ganzen Land anschlugen. Da war nichts von einer "gesellschaftlichen Höflichkeit", die ansteigt, und schon gar nichts davon, dass "gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten" wichtiger sind als Vermögen, wie Horx meinte. Viel mehr legte die Pandemie Gräben offen, schürte Vorurteile und Ängste und trieb die Gesellschaft zuweilen an Grenzen, die man nie für möglich hielt. Und da muss man nicht erst auf den Suizid der Ärztin in Oberösterreich verweisen.

Dass seit einem halben Jahr der Krieg gegen die Ukraine die Folgen der Pandemie überlagert, tut das Seinige dazu. Leichter ist es dadurch nicht geworden. Ganz im Gegenteil. Der Druck wurde enorm erhöht, sich freizumachen von den Abhängigkeiten, in denen man es sich in den vergangenen Jahren bequem gemacht hatte. Und da ist noch gar nicht die Rede von der Abhängigkeit von russischem Gas und den Energiepreisen und auch nicht von der damit einhergehenden galoppierenden Inflation, die viele Pläne und Träume, wie die Welt und die Umwelt zu retten seien, wie Seifenblasen zerplatzen ließen.

Die Einschätzungen von damals, zu Beginn der Pandemie, nehmen sich vor diesem Hintergrund bitter aus. Längst ist das Pendel dabei, in die Gegenrichtung auszuschlagen. Auch, weil die Pandemie ganz anders wirkte, als manche zu Beginn erwartet haben. Und auch, weil wir in Europa Krieg haben. Die "neue Welt", von der die Rede war, scheint noch viel älter zu sein als die alte Welt, die man zu überwinden glaubte. Flug-und Verkehrswahnsinn, Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke und Krieg inklusive.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. August 2022
 
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