Donnerstag, 11. Dezember 2025

Von zwei Löwinnen, von einem Löwen - und von Bettvorlegern

Vorige Woche sorgte Salzburg für die innenpolitische Unterhaltung. Vorgeführt wurde, das Bild drängt sich auf, wie Politikerinnen und Politiker als Löwinnen respektive Löwen wegspringen und als Bettvorleger landen. In Salzburg haben sie Namen. Karoline Edtstadler, gerade ein paar Wochen erst Landeshauptfrau, die gerne ihren Ruf als Eiserne Lady sowohl bei Bedarf optisch, immer aber auch politisch, pflegt, mit ihrer Stellvertreterin Marlene Svazek an der Seite, die als Jungstar der Freiheitlichen gerne auf scharf macht. Und da ist Sepp Schellhorn, über die Landes-und Staatsgrenzen hinaus bekannter Gastronom und Flaggschiff der Neos, der nicht nur, aber wohl auch, dank seines Mundwerks in die Politik geriet und dort alles aufzumischen versprach.

Löwen respektive Löwinnen sind sie alle drei, die sich nun als Bettvorleger entpuppten. Entzaubert mit einem Mal, eine Enttäuschung für viele und Bestätigung dafür, dass vollmundiges Auftreten und ebensolche Ankündigungen das eine sind, und die Realität, die Umsetzung und Verwirklichung dessen, mit dem man sich die Wählerstimmen holte, etwas anderes sind.

Edtstadler und Svazek kündigten mit großer Lippe -Edtstadler: "Ich muss nicht geliebt werden" - als ihr erstes großes Projekt an, ausgerechnet dem Pflegepersonal den Bonus zu streichen. Ausgerechnet jener Gruppe, der zu Beginn der Corona-Zeit noch allerorten applaudiert und so viel versprochen wurde. Nach heftigen Protesten gaben die beiden Damen nach und schoben die Streichung auf. Das Feld, den Ruf als Macherinnen zu festigen, war wohl das Falsche. Jetzt haben sie den Schaden auf allen Seiten -bei den Protestierenden haben sie jedes Vertrauen verloren und bei denen, die ihre Maßnahme begrüßt haben, wohl ihr Renommee.

Von Letzterem hat wohl auch Sepp Schellhorn viel verloren. Nach großem Getöse präsentierte er sein "erstes" Entbürokratisierungspaket, eines, das er als Oppositionspolitiker wohl in der Luft zerrissen hätte. Auch er -nicht mehr der Löwe, auf den so viele setzten, sondern nunmehr ein Bettvorleger.

Aber so ist das in und mit der Politik. Das Rendezvous mit der Realität ist meist ein hartes. Ein sehr hartes. Da ist dann nichts so einfach wie man es in Interviews und an den Rednerpulten gefordert und vorgeschlagen hat. Da sind auf einmal Leute mit ganz anderen Interessen und mit ganz anderen Zielen. Da gibt es auf einmal Widerstände, die überwunden, und Menschen, die überzeugt werden wollen. Die Wirklichkeit ist vertrackter, verzwickter, vielschichtiger und sehr viel komplexer als man annehmen mag. Es sind die Mühen der Ebenen, bei denen es gilt sich zu beweisen und zu Erfolg zu kommen. Da sind legistische und bürokratische Erfordernisse und jede Menge andere Stolpersteine. Die Realität ist vielschichtig und kompliziert. Viele haben schon diese Erfahrung machen müssen. Fordern kann man schnell etwas, aber das umzusetzen ist etwas ganz anderes.

Das Schauspiel der Salzburger Politiker zeigt vieles. Nicht nur, dass Politikerinnen und Politikern immer anstünde, den Mund nicht zu voll zu nehmen und mit mehr Demut an ihr Amt heranzugehen. Es zeigt etwa auch, dass eine Steuerautonomie für Länder, wie sie so gerne gefordert wird, nicht wirklich eine so gute Idee ist, als die sie zuweilen dargestellt wird. Edtstadler und Svazek nutzten einen mehr oder weniger zufällig entstandenen neuen Budgetspielraum umgehend, um alle Sparabsichten sofort wieder zu begraben, ganz so als wollten sie etwaige Absichten konterkarieren.

Vielen Politikerinnen und Politikern geht es wie Edtstadler, Svazek und Schellhorn, die vorige Woche in der Auslage gestanden sind. Bundeskanzler Stocker geht es so, wenn von ihm Maßnahmen gefordert werden, seinem Vize Babler erst recht, trat er doch im Wahlkampf als Robin Hood auf. Und auch auf Beate Meinl-Reisinger wächst von ihren Wählerinnen und Wählern der Druck zu liefern.

Einer hat sich diesem Druck nicht ausgeliefert und, wie viele meinen, gekniffen und sich gedrückt, obwohl er es in der Hand gehabt hätte, das Land zu regieren. Herbert Kickl hat in den vergangenen Jahren die allergrößten Erwartungshaltungen aufgebaut. Dementsprechend ist für ihn die Verantwortung am größten und auch die Gefahr des Scheiterns. Noch versteht er es, davon abzulenken. Sowohl sich als auch seine Wählerinnen und Wähler. Vielleicht, weil er schon Erfahrung damit hat. Kaum je ist ein Innenminister so untergangen wie er.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Dezember 2025

Donnerstag, 4. Dezember 2025

Bauern weht ein rauer Wind entgegen

Mitarbeiterabbau in der Zuckerindustrie, Fusionen in der Milchbranche, strauchelnde Lagerhäuser – im bäuerlichen Umfeld bahnen sich massive Veränderungen an.

Hans Gmeiner

Salzburg. Ende November erst sorgte die Agrana für Schlagzeilen. „400 bis 500 Stellen“ müsse man in den nächsten zwei bis drei Jahren streichen, kündigte Generaldirektor Stephan Büttner an. Niedrige Preise für Zucker, Stärke und Ethanol und die immer höheren Kosten setzen dem Konzern stark zu. Vor allem bei Zucker schreibt man hohe Verluste, obwohl man im Vorjahr bereits zwei Zuckerfabriken – jene in Leopoldsdorf im Marchfeld sowie eine in Tschechien – geschlossen hat. Seither ist vor allem bei den Rübenbauern die Aufregung groß. Dass Büttner eigens sagte, die Zuckerfabrik in Tulln, inzwischen die einzige in Österreich, stehe nicht zur Disposition, und er davon ausgehe, „dass wir das schaffen“, lässt die Alarmsirenen schrillen und die Gerüchteküche erst recht brodeln.

Die Probleme der Agrana sind nur die Spitze eines Eisbergs. Längst steckt nicht nur die Landwirtschaft in Schwierigkeiten, sondern mit ihr auch immer öfter Unternehmen in ihrem Umfeld. Denn dieses Umfeld, in und mit dem die Bauern arbeiten und leben, wandelt sich immer rasanter. Alte Strukturen brechen auf, Geschäftsmodelle stehen unter Druck. Das hat Folgen. Längst geht es nicht mehr nur um die Bauern, sondern auch um den Handel und die Verarbeiter, um die Landtechnikerzeuger und die Wertschöpfung, die in diesen Unternehmungen erzielt wird, und um die Arbeitsplätze. Aber nicht nur darum – immer stärker rücken damit Themen wie Versorgungssicherheit und Krisenresilienz in den Vordergrund.

Lagerhaus-Genossenschaften leiden unter BayWa-Debakel

Just am gleichen Tag, als die Agrana für Aufregung sorgte, wurde auch bekannt, wie sehr die Lagerhausgenossenschaften, die in bäuerlichem Eigentum stehen, wirklich unter dem BayWa-Debakel der RWA (Raiffeisen Ware Austria) zu leiden haben, das die oft mühsam erzielten Gewinne auffrisst und in Nullkommanichts in satte Verluste verwandelt. So konnten etwa allein die neun Lagerhausgenossenschaften in Oberösterreich das Gesamtbetriebsergebnis im vergangenen Geschäftsjahr (30. Juni) um gut 40 Prozent auf 8,3 Millionen Euro steigern, weil aber die BayWa-Sanierung bei ihnen mit hohen Abschreibungen durchschlägt, weisen die Bilanzen vor Steuern laut „OÖ Nachrichten“ zusammen einen Verlust von 21 Mill. Euro aus. Ob damit das letzte Wort gesprochen ist, ist unklar. „Hoffen wir, dass das nicht noch mehr wird“, ist hinter vorgehaltener Hand zu hören. Und da ist noch gar nicht von den anderen Bundesländern, insbesondere von Niederösterreich und der Steiermark, die Rede, aus denen die Lagerhaus-Zahlen nicht bekannt sind.

Fusionen in der Milchbranche

Weniger dramatisch geht es zwar in anderen Sparten im agrarischen Umfeld zu, die Veränderungen sind aber auch dort oft sehr tiefgreifend für die Bauern. Beispielhaft dafür ist der geplante Zusammenschluss der Salzburg Milch mit der Pinzgau Milch, der in der Vorwoche bekanntgegeben wurde. auch dort geht es um Verringerung der Kosten und  Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und damit der Wettbewerbsfähigkeit und Absicherung für die Zukunft. Dabei sind auch unkonventionelle Modelle kein Tabu mehr. So übernahm die niederösterreichische NÖM, die ihr Einzugsgebiet bisher traditionell im Osten Österreichs hatte, im heurigen Frühjahr die angeschlagene Vorarlberg Milch aus dem äußersten Westen des Landes. Bereits 2022 wurde die Gmundner Milch, die drittgrößte Molkerei Österreichs, von der deutschen Privatmolkerei Jäger übernommen, die neue Schwerpunkte setzte. Erst heuer sorgte man mit der Ankündigung, keine Biomilch mehr verarbeiten zu wollen, bei den Bauern für Unruhe und Verunsicherung.

Unruhe bei den Biobauern

Deutsche sorgen seit geraumer Zeit auch bei den Biobauern für Unruhe. Der deutsche Bioverband Naturland, ein internationaler „Multi“ der Szene, wirbt nach Kräften um österreichische Biobauern als Mitglieder. Bio Austria, der größte heimische Verband, sieht dadurch die eingeführten und, wie man sagt, „bewährten“ Strukturen im Biolandbau gefährdet. „Wir sind ja kein Bio-Entwicklungsland, das auf die Deutschen gewartet hat“, sagte man schon damals in einer ersten Reaktion.

Im Fleischgeschäft mischen ausländische Konzerne mit

Auch im Fleischgeschäft blieb kaum etwas beim Alten. Das haben inzwischen wenige Großunternehmen in der Hand, Spar ist mit Tann der größte Fleischverarbeiter im Land. Auch ausländische Unternehmen mischen längst kräftig mit. Der US-Konzern OSI ist mit dem Salzburger Alpenrind der größte heimische Rindfleischverarbeiter. Und im Innviertler Pfaffstätt hat seit 2016 die Schweizer Bell Group bei Huber’s Landhendl, einem der größten Geflügelverarbeiter im Land, das Sagen.

Aus dem Spiel ist Österreich auch in der Produktion von Düngemitteln und Mitteln für den Pflanzenschutz. Bei Letzterem gibt es keine eigenständige Produktion mehr, sondern nur mehr Vertretungen von Herstellern.

Und bei Düngemitteln gibt es zwar noch kleinere Erzeuger von Spezialdüngern, die mit Abstand größte Produktion aber, die LAT in Linz, gehört einem großen ausländischen Konzern. Dessen Eigentümer ist kein Unbekannter – Andrej Babiš, bekannt auch als der möglicherweise nächste Regierungschef in Tschechien.

Salzburger Nachrichten, 4. Dezember 2025

Ein Mann sieht rot – und ein Land auch

Ein Mann sieht rot. Nicht immer, aber immer öfter. Und er ist nicht alleine in Österreich. „Ich stehe mit vier Leuten auf dem Feld und ich bin der Einzige, der etwas erzeugt, verkauft, davon auch lebt und davon seine Steuern zahlt“, schimpft er. „Die, die meinen Grund wollen, genauso wie die von der Finanzprokuratur, die denen beistehen, und auch die von der Landwirtschaftskammer, die auf meiner Seite sind“.

Die Stimmung ist kaputt, der Glauben an die Zukunft geschwächt, der Regierung fehlen Kraft und Vertrauen.“

Der Gute kommt gerade von einer Enteignungsverhandlung, der vierten oder fünften, und ist geladen. Es geht um ein großes öffentliches Bahn-Infrastrukturprojekt, bei dem die Kosten längst völlig aus dem Ruder gelaufen sind, weil man die partout nicht hören wollte, von denen man Grund brauchte. Man gängelte sie lieber über Jahre dahin, provozierte sie mit Geringschätzung, mit allerlei Tricks und billigen Gutachten. „Die haben nichts anderes zu tun als uns zu quälen“, sagt er. „Die klagen jetzt nicht das erste Mal gegen Gutachten, die sie selbst in Auftrag gegeben haben, natürlich auf Kosten der Staatsbürger“, schimpft er. „Dabei haben sie bis jetzt jedes Mal verloren.“ Und da redet er noch gar nicht davon, dass die Bauarbeiten trotzdem schon begonnen haben und dass man das Geld immer noch zurückhält.

Was er erlebt, ist „Austria in a Nutshell“, wie man so schön sagt. Es ist alles da in dieser kleinen Nussschale. Vorschriften und Gesetze zuhauf, Verwaltung und Bürokratie bis zum Abwinken, Fortschritte, die zuweilen nur unterm Mikroskop erkennbar sind, und explodierende Kosten. Das sowieso. Und ein frustrierter Bürger, der wiewohl guten Willens, das alles nicht mehr versteht und nicht mehr verstehen mag. Und der dafür auch nicht mehr bezahlen mag.

Schon gar nicht, nach dem, was er gerade kurz zuvor auch erlebte. „Jetzt hat mir ein Inkassobüro geschrieben wegen des Haushaltsbeitrags für den ORF, den meine Firma bezahlen soll, obwohl ich gar nicht wüsste, was wir dort mit einem Fernseher tun sollen. Und für das wenige ORF online zahlt wohl jeder einzelne Mitarbeiter schon in seinem Haushalt. Ich kann mich jedenfalls an so eine Vorschreibung nicht erinnern.“ So weit, so schlecht, so haben es auch andere schon erlebt. „Und als ich dann angerufen habe, hat man mir dann im Callcenter gesagt, dass sie nicht sagen können, ob sie mir die Vorschreibung überhaupt geschickt haben.“

„Austria in a Nutshell“ – auch das. Die linke Hand weiß oft nicht, was die rechte tut. Und das gar nicht selten.

Der gute Mann war damit aber noch nicht am Ende. „Und da denkt man an Steuererhöhungen und gar neue Steuern, und streicht vielleicht da und dort was“, greift er sich an den Kopf. „Das tut man doch alles nur, um das derzeitige System beibehalten zu können, um nichts umstrukturieren, um nichts neu ordnen zu müssen – genau das System, das so vieles blockiert, so vieles verhindert, so teuer und das oft so abstrus ist.“ Für ihn ist klar: „Das ist an Absurdität nicht zu toppen.“

Er setzt nun auf einen der größten Ökonomen, den das Land je hervorgebracht und der auch internationale Anerkennung erlangt hat, und hält für unausweichlich, dass nur mehr das Schumpeter’sche Gesetz das Land retten kann – das „Gesetz von der schöpferischen Kraft der Zerstörung“, die Neues hervorbringt.

Viele im Land sehen das wohl ähnlich. Und es werden immer mehr. Die Stimmung ist kaputt, der Glauben an die Zukunft geschwächt, der Regierung fehlen Kraft und Vertrauen. Die Umfragen bestätigen das. Die Volkspartei und die SPÖ haben zuletzt in Umfragen historische Tiefststände erreicht. Nicht einmal zusammen können sie mit mehr Wählerinnen und Wählern rechnen als die FPÖ, die immer höher fliegt. Alles schaut danach aus, als werde Kickl die „Kraft der Zerstörung“ und als werde er als solche von immer mehr gewünscht. Man will nicht noch mehr vom Alten, sondern ist zunehmend bereit, stattdessen lieber die Unsicherheit und den Systembruch in Kauf zu nehmen – oft in der Hoffnung, dass das nur eine Zeit des Durchtauchens werde, auf dass sich der Staat und das Gemeinwesen und auch die Politik danach wieder erfangen.

Es sind schon zu viele in diesem Land, die rot sehen. Und die nicht mehr bereit sind, bei all den Gängelungen mitzuspielen und gute Miene zu zeigen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Dezember 2025