Freitag, 30. Mai 2025

Schwerer Stand auf dem Feld und im Regal

In die Freude der Gemüsebauern über das gute Marktumfeld mischt sich Ärger über Lohnkostennachteile, Ungleichbehandlung beim Pflanzenschutz und die Preispolitik des Handels.

Hans Gmeiner

Linz. Auf den Gemüsefeldern des Landes herrscht seit Wochen Hochbetrieb. Nach dem sehr trockenen Winter seien die Anbaubedingungen für das Frischgemüse im heurigen Frühling optimal gewesen, sagen etwa die Gemüsebauern in Oberösterreich. Dort wurden heuer erstmals mehr als 2000 Hektar mit Salat, Zuckermais, Speisekürbis, Kraut, Einlegegurken und vielen anderen Gemüsearten bestellt. Darunter finden sich inzwischen auch solche Spezialitäten wie Melonen, Fenchel oder Pastinaken.

Dass die Anbaufläche insgesamt größer geworden ist, obwohl die Zahl der Gemüsebauern im Bundesland leicht auf 175 gesunken ist, hat allerdings nicht nur mit den guten Anbaubedingungen und dem für die Bauern erfreulichen Marktumfeld zu tun. Nach den Schäden durch Trockenheit, Überschwemmungen und Starkregen, aber auch Problemen im Pflanzenschutz im Vorjahr hätten die Bauern zur Absicherung der Liefermengen für den Handel die Anbauflächen ausgeweitet, heißt es von der Landwirtschaftskammer in Oberösterreich. Zudem sei heuer der Anbau von Gemüse und Kartoffeln auch für einige Zuckerrübenbauern eine Alternative. Wegen der Probleme auf dem Zuckermarkt wurden dort die Anbaukontingente deutlich gekürzt.

Gewachsen ist heuer aber nicht nur die Anbaufläche. Auch der Anteil von Biogemüse wird im Land ob der Enns heuer erstmals die historische Marke von 30 Prozent überspringen. Österreichweit beträgt der Anteil von Biofrischgemüse nur knapp 23 Prozent.

Trotz des guten Starts in das Jahr ist bei den Gemüsebauern die Stimmung nicht wirklich ungetrübt. Sorgen machen nach wie vor besonders in Oberösterreich die Lohnkostennachteile, vor allem gegenüber den Berufskollegen in Bayern. Dort können die Bauern einen um vier Euro höheren Stundenlohn bezahlen, weil sie von den Lohnnebenkosten befreit sind. Das sorgt vor allem für Probleme bei der Rekrutierung von Saisonarbeitskräften aus den östlichen Nachbarländern.

Für Ärger sorgen auch die unterschiedlichen Regelungen beim Pflanzenschutz. „Während heimische Betriebe unter strengeren Regeln wirtschaften müssen, gelangen über Importe weiterhin Produkte in die Regale, die mit in Österreich verbotenen Wirkstoffen behandelt wurden“, beklagt Franz Waldenberger, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Ein besonderer Dorn im Auge sind ihm die neuesten Usancen im Handel. Während man dort von den heimischen Produzenten verlange, bei Radieschen und Kohlrabi das Blattgrün zu entfernen, weil Fraßschäden als den Konsumenten unzumutbar scheinen, gelten in den Regalen daneben mit Chemie behandelte Tomaten an der Rispe oder Zitronen mit Blatt aus südlichen Ländern offenbar als besonders attraktiv und authentisch, sagt Waldenberger.

„Da stecken reine Marketingüberlegungen dahinter“, sagt der Kammerpräsident, dem nicht nur das sauer aufstößt. Angesichts des auch bei Gemüse steigenden Anteils von Aktionsverkäufen – er hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf mehr als 30 Prozent verdreifacht –, spricht Waldenberger von „eiskalter Preispolitik“. Sein Vorwurf: „Das untergräbt langfristig die Existenz vieler landwirtschaftlicher Betriebe und geht zulasten der heimischen Wertschöpfung.“

Hoffnung setzen die Gemüsebauern jetzt vor allem darauf, dass bei „geschnittenen“ Convenience-Produkten, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen, die Herkunft der Produkte ausgewiesen werden muss. „Damit können wir uns von Billiglohnländern wie Polen oder Ungarn abheben“, zeigen sich die Gemüsebauern zufrieden.

Österreichs Haushalte geben laut AMA-Marketing für Frischgemüse im Lebensmittelhandel rund 888 Millionen Euro im Jahr aus. Knapp zehn Prozent davon gehen auf bereits vorbereitetes Frischgemüse – gut ein Drittel mehr als noch vor fünf Jahren.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Mai 2025

Mittwoch, 28. Mai 2025

Hilflosigkeit auf der Dauerbaustelle

Es könnte auch anderswo sein. Vorige Woche wurde bekannt, dass die ÖBB prüfen wollen, ob sie nicht doch drei Lokalbahnen in Oberösterreich einstellen werden, weil die Passagierzahlen weit unter dem liegen, was als gerade noch wirtschaftlich gilt.

Auf einer dieser Bahnstrecken, der Mühlkreisbahn, die von Aigen-Schlägl hoch oben im oberen Mühlviertel hinunter nach Linz-Urfahr bis fast vor die Tore von Linz führt, zählt man im nördlichen Abschnitt nicht mehr als 375 Passagiere. 375 Passagiere nicht pro Strecke und für jede der gut 20 täglichen Verbindungen, sondern insgesamt.

Da zeigen selbst Bürgermeister aus Anrainer-Orten Verständnis. "Es wird aufgeräumt, was in den letzten Jahren konsequent verschlafen wurde", signalisiert einer davon Verständnis, sogar einer mit SP-Parteibuch. Denn das sei "weder ökologisch vertretbar noch wirtschaftlich tragbar".

Gerade das aktuelle Beispiel aus dem Oberösterreichischen führt wieder einmal vor, wie sehr der öffentliche Verkehr und seine Ausgestaltung im Argen liegen. Und es sind nicht immer nur die störrischen Bürgerinnen und Bürger, die für die leeren Öffis und verstopften Straßen verantwortlich sind.

Der öffentliche Verkehr ist und bleibt wohl eine der großen Dauerbaustellen der Alpenrepublik. Wo es nicht gelingt, das Angebot zu verbessern, bleiben die Züge und Busse leer. Und wo Verbesserungen tatsächlich gelingen, sind die Öffis meist so voll, dass einem die Lust drauf schnell wieder vergeht, es sei denn, man ist mit dem nötigen Phlegma und der zugehörigen Leidensfähigkeit ausgestattet, sich in Zügen mit Stehplätzen zufriedenzugeben, und kann damit leben, in Bim und U-Bahn einer Sardine in der Dose gleich von A nach B transportiert zu werden.

Dabei gibt es freilich immer wieder gelungene Beispiele, wie den Ausbau der Westbahnstrecke zwischen Linz und Wien, der es zumindest, was die Fahrzeit betrifft, für viele weitaus attraktiver macht, auf die Bahn umzusteigen als sich ins Auto zu setzen. Freilich nur, wenn man bereit ist, dann dort Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, die offenbar nicht in den Griff zu kriegen sind -von der notorischen Unpünktlichkeit und verpassten Anschlüssen, über überfüllte Züge, die einem die Fahrt verleiden, bis hin zu verschmutzten, wenn nicht überhaupt versperrten Toiletten. Und diese Bereitschaft ist auch bei Gutwilligen zuweilen rasch erschöpft. Denn man muss immer noch einiges in Kauf nehmen, um überhaupt öffentlich zu fahren.

Selbst in Zentralräumen ist es außerhalb der unmittelbaren Stadtgebiete selten anders. Selbst in so dicht besiedelten Gebieten wie der Region zwischen Linz und Wels etwa -und woanders ist es wohl kaum anders -bleibt an den Haltestellen der Orte dazwischen nur einmal pro Stunde ein Zug stehen, um Fahrgäste aufzunehmen. Und nicht selten muss man erleben, dass man als Regionalpassagier so etwas wie ein Passagier zweiter Klasse ist, für den die Bemühungen um Pünktlichkeit, mit denen sich die Bahn zuweilen rühmt, nicht gelten, weil die internationalen Verbindungen auf den Schienen offenbar Vorrang haben. Verspätungen, die weit über der eigentlichen Fahrzeit liegen, sind da nicht selten und stellen an die Vorsätze auch bestwilliger Passagiere hohe Anforderungen. Ganz abgesehen, dass sie oft zehn und mehr Kilometer bis zum nächsten Öffi-Anschluss ohnehin mit dem Auto fahren müssen.

Das alles hat nicht nur mit Themen wie Unterstützung und Förderung und Ähnlichem zu tun, wie sie immer öffentliche Diskussionen traditionell beherrschen. Das hat auch sehr viel mit der ÖBB zu tun und der Trägheit ihres Apparates. Auch dafür gibt es aus dem Oberösterreichischen ein bezeichnendes Beispiel. Dort dauert es nunmehr schon fast 30 Jahre, um den viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke zwischen Linz und Wels auf Schiene zu bringen. Auch wenn man inzwischen die Bauarbeiten in Angriff genommen hat, ist das Projekt wegen Rechtsstreitigkeiten noch nicht in trockenen Tüchern. Gar nicht zu reden davon, dass die tatsächlichen Projektkosten überhaupt nichts mehr mit den ursprünglich geplanten Kosten zu tun haben, weil die Kosten in diesen drei Jahrzehnen explodiert sind - so sehr, dass man dem Vernehmen nach inzwischen sogar Gutachten, die man selbst in Auftrag gegeben hat, beeinsprucht, mithin man als gegen sich selbst vor Gericht steht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. Mai 2025

Donnerstag, 22. Mai 2025

Der Förderdschungel verlangt nach grobem Werkzeug

Die Sportart ist zwar in manchen Kreisen auch bei uns sehr populär, aber hierzulande kein Nationalsport. Manches rund um ein internationales Golf-Turnier, das im Salzburgischen geplant ist, ist aber sehr österreichisch. "Fehlende Förderung schockt Golfturnier in Salzburg", vermeldete die lokale Tageszeitung. Zwei Wochen vor Beginn der mit insgesamt 2,4 Millionen Euro Preisgeld höchstdotierten heimischen Sportveranstaltung fehlten dort mit einem Mal 500.000 Euro, weil es nun, anders als mündlich von der alten Regierung zugesagt, keine Förderungen mehr gibt. "Es ist eine gemeinsame Kraftanstrengung notwendig, um die Staatsfinanzen zu sanieren, so auch im Bereich Sport", wird in der Zeitung aus einem Schreiben des neuen Sportministeriums unter Führung von SP-Chef Andreas Babler zitiert. Man darf annehmen, dass dort, denkt man nur an Bablers mitunter klassenkämpferische Töne, Golf in der Prioritätenliste nicht ganz oben steht. Das Österreichische daran ist leicht zu erahnen -das Turnier wird natürlich trotzdem stattfinden.

Dieses Beispiel aus Salzburg kann nachgerade als prototypisch für das Förderungswesen in Österreich gesehen werden. In dem Land, das gemeinhin als Förder-Weltmeister gilt und in dem kaum etwas in die Hand genommen wird, ohne dass nicht vorher Förderungen verlangt werden. Der Bogen reicht von Spitzensport-Events wie in Salzburg, über Holzheizungen und Photovoltaik-Anlagen, E-Autos bis hin zum Bau von Regenwasserzisternen, dem Ankauf von Hausnummern-Schildern oder dem Kauf von alten heimischen Tierrassen wie kürzlich im ORF-Report aufgezählt wurde. Die tatsächliche finanzielle Notwendigkeit hat man dabei oft längst genauso aus den Augen verloren wie den ursprünglichen Zweck, für den Förderungen eigentlich gedacht sind: als Anschubfinanzierung, um etwas auf den Weg zu bringen, etwa um Wettbewerbsnachteile auszugleichen, oder im Sozialbereich etwa, um soziale Benachteiligungen abzufedern.

Längst ist es in diesem Land Kultur, nicht nur für alles Mögliche und Unmögliche Förderungen zu fordern, sondern das Angebot auch nach Kräften zu nutzen. Da nimmt nicht wunder, dass Investitionen oft nicht von der Notwendigkeit oder von Chancen her gedacht werden, sondern von Förderungen. Viele denken gar nicht mehr daran, etwas zu investieren, wenn es keine Förde-rung gibt. Oder noch verrückter -viele investie-ren wegen Förderungen in die Dinge, die sie gar nicht brauchen. Gar nicht zu reden davon, dass viele Förderungen kassieren, auf die sie eigentlich gar nicht angewiesen wären.

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist da sehr viel aus dem Lot gekommen. Gegipfelt hat der Wahnsinn, wie es manche nennen, in den Corona-Förderungen, die als politische Lockmittel Löcher in den Staatshaushalt gerissen haben. Was "Koste es, was es wolle" wirklich heißt, wissen wir jetzt.

Mehr als 3.000 unterschiedliche Förderungen gibt es im Land, mehr als 800 davon werden von Ministerien vergeben. Manche Schätzungen gehen sogar weit darüber hinaus, was alleine schon als Beweis für die Unübersichtlichkeit des Förderwesens genommen werden darf. Rund 37 Milliarden Euro wurden in Österreich 2023 dafür ausgegeben, um fast 50 Prozent mehr als 2019. Das sind 6,2 Prozent des BIP und damit um 0,5 Prozentpunkte über dem europäischen Durch-schnitt. Freilich kann man darauf verweisen, dass in diesem Zeitraum die Förderungen für Klima, Umwelt und Mobilität um fast 170 Prozent in die Höhe schnellten und die Förder-Aufwendungen für Bildung, Wissenschaft und Forschung um gut 40 Prozent. Und natürlich kann man darauf verweisen, dass da ja auch noch die Corona-Krise war. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass alleine die krisenbereinigten Direkt-Förderungen um 30 Prozent auf mehr als 11 Mrd. Euro zulegten.

"Für den Förderdschungel, den wir haben, kann die Heckenschere gar nicht groß genug sein", ließ dieser Tage Staatssekretär Sepp Schellhorn vernehmen, der an der Einrichtung einer Förder-Taskforce bastelt. Er sollte über das Werkzeug nachdenken. Mit einer Heckenschere richtet man bekanntermaßen nicht viel aus. Zumal in einem dichten, über Jahre gewachsenen Gestrüpp, das nicht nur den nun für die Lichtung ebendieses Gestrüpps zuständigen Schellhorn an einen Dschungel gemahnt.

Da trifft es sich wohl gut, dass der Salzburger Schellhorn nun ein Beispiel aus seiner Heimat als Vorbild dafür nennen kann, dass es ohne Förderungen auch gehen kann.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Mai 2025

Donnerstag, 15. Mai 2025

Sparen? Am besten nach dem Floriani-Prinzip

Abschaffung der Bildungskarenz, Aussetzung der Valorisierung der Sozial-und Familienleistungen für zwei Jahre, Verschiebung von Infrastrukturprojekten, Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters, Redimensionierung der Klimaförderung, die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge für Pensionisten und vieles andere mehr -was da der Finanzminister am Dienstag dieser Woche als Sparpaket präsentierte, fällt vielen schwer zu akzeptieren. Die Reaktionen fielen schon im Vorfeld mitunter sehr heftig aus. "Die Pensionisten haben das nicht verursacht", hieß es schnell. Ein Aufschnüren des Gehaltsabschlusses der Beamten wäre genauso "fatal" wie die Aussetzung der Valorisierung der Familienleistungen. "Wir verstehen den Sparzwang, aber bei den Kindern zu sparen ist niemals zukunftsfitte Politik", hieß es oder "während bei Pensionisten gekürzt wird, gibt es Millionen für afrikanische Nuss-Bauern" und "Mit alten Technologien können wir keine digitale Zukunft gestalten, wenn Fördermittel ausbleiben, kommen Projekte zum Erliegen". Kurzum und zusammengefasst in der österreichischsten aller Fragen in solchen Fällen: "Seid's ihr komplett ang'rennt?", wie ein verärgerter Bürger schrieb.

Da ist nichts von einer gemeinsamen, gar nationalen Kraftanstrengung, für die man bereit ist, etwas beizusteuern. Nichts von Verständnis und schon gar nichts davon in der Not zusammenzuhalten, um gemeinsam aus der Patsche zu kommen. Das Große und Ganze gilt auch in einer Situation, in der wir uns jetzt befinden, nichts. Ganz im Gegenteil - das Floriani-Prinzip regiert. Zusammenhänge werden ignoriert und geleugnet. Man fragt vor allem, warum will man ausgerechnet bei mir sparen, warum soll es ausgerechnet mich treffen. Man wird umgetrieben von der Sorge benachteiligt zu werden und zu kurz zu kommen und jeder kennt jemanden, bei dem es gerechter wäre, dort zu sparen. Die Notwendigkeit wird von vielen, jedenfalls was sie selbst betrifft, geleugnet und gerne auf andere abgeschoben.

"Die Reform muss in den Köpfen stattfinden", hieß es in den vergangenen Wochen immer wieder. Und "wir müssen uns vom Vollkaskostaat verabschieden". Das Verständnis dafür blieb überschaubar. Da halfen auch keine meterlangen Abhandlungen darüber, dass der Staat heuer trotz Rekordeinnahmen um 22 Milliarden Euro, knapp 2500 Euro pro Kopf, mehr ausgibt, als er einnimmt. Auch der seitenweise mit Datenmaterial unterfütterte Verweis darauf, dass kein Staat der Erde mehr Geld für Sozialleistungen ausgibt als Österreich, verfängt nicht. Und schon gar nicht, dass der Staat mit all seinen Aufwendungen für öffentliche Verwaltung, Erziehung, Unterricht und Gesundheits-und Sozialwesen mit Gesamtaufwendungen von mehr als 80 Milliarden Euro sich längst zum "Wirtschaftsfaktor Nummer 1" gemausert hat, wie die Agenda Austria feststellt. Mittlerweile sogar sehr deutlich vor Bergbau und Herstellung von Waren, Handel, Grundstücksund Wohnungswesen, Dienstleistungen und Bau. "Seit dem Krisenjahr 2019 ist kein Sektor nominell so stark gewachsen wie der staatliche", hält Agenda Austria fest. Da nimmt nicht wunder, dass mancher Kommentator Österreich als zu einer Staatswirtschaft verkommen sieht.

"Anything goes" wurde in den vergangenen Jahren zur Haltung und machte sich breit. "Koste es, was es wolle" wurde verinnerlicht -von der Politik und von den Bürgern. Der Geist ist längst aus der Flasche. Und in einem politischen Klima, das sich in einem haltlosen Populismus zusehends aufheizte und auch radikalisierte, gibt es immer mehr Forderungen von allen Seiten und immer weniger Bereitschaft zu Lösungen beizutragen. Eine "gefährliche Vollkaskomentalität" habe da um sich gegriffen wird mitunter kritisiert, eine Mentalität, die Bürgerinnen und Bürger in allen schwierigen Lebenslagen und nicht nur in diesen nach Hilfe durch den Staat rufen lasse.

Nun geht es darum, den Teufelskreis zum Anhalten zu bringen. Das Sparpaket kann ein Anfang dazu sein. Es muss freilich von echten strukturellen Reformen begleitet werden, um die Wirkung nachhaltig abzusichern. Schließlich kann man sich der Realität nicht verweigern.

Deutschland zeigt es, auch wenn es einstweilen noch nicht mehr als Absicht ist, gerade vor. Dort reden jetzt alle davon, dass es darum geht, die Wirtschaft, der man in den vergangenen Jahren alles zumutete, wieder in die Gänge zu bringen. Sogar die SPD und die Grünen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Mai 2025

Donnerstag, 8. Mai 2025

Tugendwächter unter Druck

Die Aufregung, zumal unter den Bauern, war eine veritable, als zu Beginn dieses Jahres bekannt wurde, dass alleine im Jahr 2023 etwa 700.000 Euro von der EU-Kommission an NGOs geflossen sind, um, wie man vermutete, für "vermeintlich grüne Themen" Stimmung zu machen. "Es kann nicht sein, dass ideologisch voreingenommene Lobbygruppen mit öffentlichen Geldern subventioniert, Einfluss auf die politische Debatte nehmen und diese in eine Richtung lenken", ärgerte sich der Bauernbund-Abgeordnete im EU-Parlament. Und von daheim aus schimpfte der Präsident der VP-Teilorganisation und forderte, dass die NGOs ihre Geldflüsse transparent machen müssen.

Die Bauern sind seit jeher gebrannte Kinder, was die Arbeit von NGOs betrifft. Der Bogen reicht von Themen wie Tierschutz, über den Green Deal bis hin zur Entwaldungsverordnung, bei denen ihnen das Leben schwer gemacht wird von selbsternannten Tugendwächtern, die wenig Verständnis zeigen für persönliche und wirtschaftliche Nöte und auch nicht für Kompromisse. Neuerdings hadert aber auch die Wirtschaft immer öfter mit dem, was von ihnen gefordert wird. Das Lieferkettengesetz ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr auch dort die NGOs inzwischen an den Nerven zerren.

Vor diesem Hintergrund sind der wachsende Ärger verständlich und auch die Forderungen, den NGOs genauer auf die Finger zu schauen. Unterstützung kam erst kürzlich just von einem Bericht des EU-Rechnungshofes. "Die EU-Finanzierung für NGOs ist zu undurchsichtig und leidet unter einem Mangel an Transparenz" wird das verantwortliche Mitglied des Rechnungshofes in den Medien zitiert. Und dabei geht es um sehr viel mehr als die Summe, die von den heimischen Bauernbündlern ins Treffen geführt wurde. Zwischen 2021 und 2023, dem Zeitraum, der überprüft wurde, flossen insgesamt nicht weniger als 7,4 Mrd. Euro an Nicht-Regierungsorganisationen. Und nicht immer weiß man wirklich genau wohin und wofür. Es sei "praktisch unmöglich, zuverlässige Informationen über alle EU-Mittel, die an NGOs gezahlt wurden, zu erhalten".

Mangelnde Transparenz ist nicht das Einzige, was sich die NGOs zunehmend vorhalten lassen müssen. Die fehlende demokratische Legitimation ist ein anderer Schwachpunkt, auf den Kritiker immer wieder hinweisen. Und das nicht immer ganz zu Unrecht einhacken, zumal dann, wenn sich zeigt, welches demokratische Verständnis manche NGO um-und antreibt. Da kommt man schnell an den Punkt, wo man Gesetze nicht mehr anerkennt, weil man, wie eine Aktivistin in einem internen Schreiben einmal meinte, "alles sehr viel größer sehen und denken" müsse.

Kritisiert wird auch die Abhängigkeit von Spenden, zumal dadurch die Unabhängigkeit und die ursprünglichen Ziele schnell in Gefahr geraten können. Und viel Kritik gibt es auch immer wieder daran, dass sich NGOs von der Politik instrumentalisieren lassen. Und vor allem fragen sich viele, wer sich da aller die Freiheit nimmt, mitzureden -nicht nur mit welcher Legitimation, sondern auch mit welcher Qualifikation und mit welchem Interesse.

Gerade Letzteres ist nicht immer von der Lauterkeit getragen, mit der man es in der Öffentlichkeit darstellt. Dahinter stehen oft regelrechte Geschäftsmodelle, bei denen es sehr schnell weniger um die Sache als vielmehr ums Geld und die Erhaltung der Organisation und der Arbeitsplätze geht, die sie bietet. Und Geld ist oft nicht wenig im Spiel, auch wenn man davon am liebsten nicht reden würde. Aber oft verwundert dann doch die Schwerpunktsetzung und es fragt sich, welche Strategie dahinter steckt, wenn immer wieder neue Themen wie die sprichwörtliche Sau durchs Dorf gejagt werden, wie neuerdings die Ewigkeits-Chemikalien, die offenbar Glyphosat als ebendiese ersetzt haben.

Die NGO-Kritiker haben derzeit Oberwasser. Das kann man für gut halten. Korrekturen sind ohne Frage nötig und wünschenswert. Man sollte aber dabei nicht übersehen, was viele NGOs, und dazu zählen nicht nur Organisationen wie Greenpeace, WWF oder VGT, sondern auch die Caritas und das Rote Kreuz, für die Gesellschaft leisten und dass sie, die Politik ist ja, man weiß es, alles anders als unfehlbar und selten so gut, wie sie vorgibt, ein wichtiges Korrektiv sind.

Und alleine deshalb sollte man sie, bei aller Verärgerung und allem Ärger, den NGOs oft verursachen, als solches pflegen und ihnen Raum geben.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. Mai 2025

Freitag, 2. Mai 2025

Tierwohl hoch geschätzt, aber kaum bezahlt

Schweinefleisch aus Tierwohlprogrammen ist kein Renner. Der Absatz hinkt hinterher. Bauern pochen auf Lösungen für Spaltenböden.

Hans Gmeiner

Salzburg. Von den Bauern mehr Tierwohl zu verlangen, ist das eine, dafür auch mehr zu bezahlen, ist dann aber etwas ganz anderes. Wenn es darum geht, für Fleisch von Schweinen, die in Tierwohlprogrammen mit mehr Auslauf, Strohhaltung und vielen anderen Extras gehalten wurden, rund 30 Prozent mehr und für Fleisch von Bioschweinen gar das Doppelte auf den Tisch zu legen, ist schnell alles vergessen. Der Absatz von Schweinefleisch aus Tierwohl- und Biohaltung hat sich seit 2021 zwar von damals 70.000 bis zum Vorjahr auf 246.000 mehr als verdreifacht. Der Marktanteil ist mit 6,1 Prozent aber noch immer nicht wirklich von großer Bedeutung. Vom Ziel, bis 2030 rund eine Million Tierwohl-Schweine vermarkten zu können, ist man noch ein gutes Stück entfernt.

Die Zuwächse haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verlangsamt. Ein zahlenmäßiges Plus gab es im Vorjahr nur mehr in der höchsten Qualitätsstufe für konventionell gehaltene Schweine, die allerdings mit nur 67.000 Tieren gleichzeitig die kleinste ist. Bei Bioschweinen und in den anderen Haltungskategorien gab es hingegen Rückgänge.

„Aktuell ist keine weitere Steigerung in Aussicht“, sagt Michael Klaffenböck von der Schweinehaltung Österreich. Johann Schlederer, Chef der Schweinebörse, sieht vor allem die großen Handelsketten in der Pflicht. „Zurzeit ist Rewe mit Billa und Billa plus die Lokomotive auf dem Markt.“ Während man dort versucht, den Bauern mit Fünfjahresverträgen die nötige Sicherheit für Investitionen, aber auch im Absatz zu bieten, halten sich die anderen Ketten nach Schlederers Einschätzung zu sehr zurück. „Man macht zwar mit, aber nicht mit dem nötigen Engagement.“

Dabei wäre das Interesse vor allem junger Bauern, die Schweinehaltung auf tierfreundliche Systeme umzustellen, durchaus beachtlich. Sie landen aber nicht auf dem Markt, sondern lediglich auf Wartelisten, weil es für sie keine Verträge gibt. Angesichts der hohen Investitionskosten und des Mehraufwandes in der Produktion fordert Schlederer „alle anderen Handelsketten auf, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen, dass man bereitwillige Investoren nicht im Regen stehen lässt“. Jetzt wäre die Chance, in Sachen Tierwohl voranzukommen, zumal sich der Fleischverzehr stabilisiert habe und die Kaufkraft wieder wachse.

Bei allen Diskussionen und Forderungen rund um Tierwohlprogramme lassen die Schweinebauern aber keinen Zweifel daran, dass es vor allem im Hinblick auf die Versorgungssicherheit auch in Zukunft eine differenzierte Produktion braucht. Denn der Bedarf an Schweinen, die außerhalb von Qualitätsprogrammen nur dem gesetzlichen Mindeststandard entsprechend gehalten werden, wächst ganz entgegen der öffentlichen Diskussion stark. Im Vorjahr gab es ein Plus von 3,9 Prozent auf 2,167 Millionen Schlachtungen – rund die Hälfte aller Schlachtungen.

Die Bauern befürchten, dass vor allem ihre Position auf den Märkten durch überzogene Haltungsvorschriften geschwächt wird. Es müsse auch in Zukunft möglich sein, Schweine in unterschiedlicher Weise zu halten. Genau da freilich brennt der Hut. Bis Ende Mai muss es eine Lösung bei der Umstellungsfrist von Vollspaltenböden auf andere Bodensysteme geben. „Sonst wären 80 Prozent der Schweinehalter illegal unterwegs“, sagt Franz Rauscher, Obmann der österreichischen Schweinehalter.

„Die Zeit läuft uns davon“, sagt auch Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, der versucht, Druck auf die Politik und die für eine Lösung zuständige Sozialministerin Korinna Schumann (SP) zu machen. Bei einer Lösung müsse die Marktentwicklung mitberücksichtigt werden, betont der Kammerchef, „und diese zeigt eine Stagnation des Tierwohlsegments und eine verstärkte Preissensibilität“. Ständig die Standards gesetzlich weiter in die Höhe zu schrauben, den Verlust von Marktanteilen zuzulassen und stattdessen Importen schlechterer Qualität Tür und Tor zu öffnen, würde regionale Wertschöpfung vernichten, bäuerliche Existenzen gefährden und ganz Österreich schaden, ist Moosbrugger überzeugt.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 2. Mai 2025
 
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