Mittwoch, 30. April 2025

Ein Papst zeigte, wie es gehen sollte

Papst Franziskus habe die unveräußerliche Würde des Menschen über alles gestellt, sagte der Wiener Kardinal Christoph Schönborn über das Leben des Papstes. Andere sprachen davon, dass mit ihm die Welt eine "unermüdliche Stimme für soziale Gerechtigkeit, für die Armen und die Ausgegrenzten, für Geflüchtete und für den Schutz unserer Schöpfung" verliere. Als "am auffallendsten" wurde sein Engagement für die Armen, seine Bescheidenheit und seine Einfachheit bewertet. Und: Er sei für die Würde des Menschen gestanden.

All diese Eigenschaften und Themen haben eines gemeinsam - sie gelten in der Politik und in der Gesellschaft allesamt nicht mehr viel und sind allenfalls zu hohlen Phrasen verkommen. Es fehlen ihnen oft die Lobbys, um sie auf der Agenda zu halten. Sie sind gleichsam aus der Mode gekommen in Zeiten, in denen oft nur mehr Härte zu zählen scheint, Ab-und Ausgrenzung auch und in denen man sich sehr viel eher an Umfragen orientiert als an Grundsätzen und Bedürfnissen, die nicht die eigenen sind. 

Was in den vergangenen Tagen über den Papst geschrieben wurde, zeigte eindrücklich, wie selten, was in dieser Welt verloren gegangen und unter die Räder gekommen ist, wonach sich aber dennoch so viele sehnen und woran die Welt leidet -und was sie, geführt oft von selbstverliebten und selbstgefälligen Autokraten und ihrer ideologischen Verbohrtheit und Selbstherrlichkeit, vermissen lässt. Eine Welt, in der die Trumps und Putins herrschen und ein paar Multimilliardäre, in der populistische Parteien immer neue Worte und Methoden finden, um gegen Menschengruppen zu hetzen. In der es viel zu oft um Ideologien und Machtansprüche geht, die immer rücksichtsloser durchgesetzt werden und in der ohne Skrupel ausgehebelt wird, was die Gesellschaft über Jahrhunderte an Demokratie und an sozialen Verbesserungen errungen hat. Viel zu oft ist dabei der Umgang miteinander außer Kontrolle geraten und der Mensch aus dem Fokus gerückt. Überall stellt man die eigenen Bedürfnisse voran, ohne jede Rücksicht.

Papst Franziskus zeigte, dass es auch anders gehen kann. Er war einer der letzten großen Verantwortungsträger der Welt, die sich noch um Themen angenommen haben, die von der großen Politik längst verdrängt oder gar aufgegeben wurden, lästig auch und oft nur beschwerlich.

Franziskus versuchte allen Widerständen und Moden zum Trotz etwas vorzuleben, was im öffentlichen Leben längst verloren gegangen ist. Er verfolgte seine Ziele ohne Hintergedanken und wohl auch ohne sonderliche politische Rücksichten, ohne ideologische Verblendetheit, sondern von innen heraus. "Er lebte das Evangelium" wohl tatsächlich, wie dieser Tage immer wieder zu lesen war. Und er ließ sich diese Position bei aller Kritik nicht nehmen -etwas, was der Gesellschaft so oft fehlt inzwischen und auch etwas, was vor allem die Kirche und ihre Vertreter vermissen lassen. Er war eine moralische Instanz und er verstand sich wohl auch als solche.

Er orientierte sich nicht an Stimmungen, sondern er orientierte sich an Bedürfnissen. Unprätentiös, mit Hausverstand und oft ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Eitelkeit schien ihm fremd. Etwas, das heute oft so schmerzhaft fehlt und von dem man sich so viel mehr wünschen würde. Von der Politik, zumal der christlich-sozialen, sowieso, aber auch von der Kirche, die sehr oft nur mehr zurückgezogen, mit sich selbst beschäftigt, konfliktscheu und oft auch als eitel empfunden wird. Nicht wenige erwarten sich gerade in Zeiten des Umbruchs Orientierung und mehr Mut -vor allem von den Verantwortlichen und den Kirchenoberen.

Papst Franziskus war nicht ohne Fehler. Und er musste sich auch Kritik gefallen lassen. Vor allem sein wirtschaftliches Verständnis sorgte mitunter für Aufregung. "Der Papst der Armen hatte den falschen Plan gegen Armut" heißt es nun da und dort. Mag sein. Aber er machte zum Thema, was andere längst nicht mehr zum Thema machen. Was vielen einerlei geworden ist und was sie hinnehmen, ohne etwas dagegen zu tun, weil sie sehr viel mehr mit sich selbst und mit ihren Interessen beschäftigt sind.

Wie das Pontifikat des Franziskus zu bewerten ist, sei dahingestellt. Das wird die Geschichte zeigen. Ein Vorbild sollte seine unprätentiöse Einstellung bleiben, sein gerader und unverstellter Blick und sein Mut Stellung zu nehmen, wo andere das längst für unnötig oder gar für unstatthaft halten.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. April 2025

Donnerstag, 17. April 2025

Die Hoffnung lebt

Ostern gilt als Fest des Lebens und der Hoffnung. Und Hoffnung brauchen wir in Zeiten wie diesen alle. Vor allem braucht sie wohl die Jugend. Sie hat Träume, sie hat Pläne -und sie hat Hoffnungen. Sie hat das Leben vor sich. Seit langem hat keine Generation der 16-bis 25-Jährigen mit einem derart schwierigen Umfeld zurechtkommen müssen, mit so vielen Unwägbarkeiten und so viel Unsicherheit auch wie die derzeitige. Vor diesem Hintergrund können die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Ö3-Jugendstudie, an der 28.000 junge Menschen teilnahmen, nachgerade verblüffen -und Hoffnung geben. Immerhin gaben dabei 86 Prozent der Teilnehmer an, in Österreich trotz Krisen und zunehmender Unsicherheit mit ihrem Leben zufrieden zu sein.

Dieser Wert ist beachtlich, zumal vor dem Hintergrund einer zerbröselnden Welt, der bedrohten Umwelt, der politisch so stürmischen Zeiten und der fortschreitenden Entsolidarisierung der Gesellschaft. Da hätte man mehr Angst erwartet und weniger Zuversicht und Zufriedenheit. 
Aber nein - man ist zuversichtlich. Dennoch. Zumindest der Großteil der jungen Menschen. Da könnten sich viele Ältere ein gutes Stück abschneiden davon. Man sieht sich weniger auf sich alleine gestellt als früher, man verbringt gerne Zeit mit Freunden und der Familie, rund die Hälfte der 16-bis 25-Jährigen ist in Vereinen aktiv, man hält was auf einen sicheren Arbeitsplatz, auf eine sinnvolle Tätigkeit, und man legt Wert darauf, in einem Team auf Augenhöhe zu arbeiten.

Dinge hingegen, die man der jungen Generation gerne vorhält, spielen offenbar gar nicht die Rolle, die man vermutet. Die Work-Life-Balance steht nur bei sechs von zehn ganz oben, für drei von zehn ist Home-Office besonders wichtig und nur 25 Prozent halten eine Vier-Tage-Woche für unerlässlich.

Das ist alles in allem, bei aller Relativierung, die bei Umfragen dieser Art notwendig ist, ein gutes Zeichen für die künftige Entwicklung des Landes und der Gesellschaft. Und es passt so gar nicht zum Bild, das sich die Erwachsenenwelt von der Jugend macht, die meist von den Adjektiven faul, leistungsfeindlich und weltfremd geprägt ist. Aber das gilt in diesem Land für die junge Generation schon aus Tradition. Seit Jahrzehnten. Immer wohl. Alleine das gibt Zuversicht, dass auch die aktuelle junge Generation mit all den Anforderungen, vor denen sie steht, zurechtkommen wird. Zumindest so, wie es andere vor ihr auch schon geschafft haben.

Freilich ist vieles im Wandel und vieles ist anders geworden in den vergangenen Jahren. Ob man das für gut hält, hängt wohl vom Standpunkt ab. Dass etwa, wie nach den NR-Wahlen im Herbst erhoben wurde, bei den 16-bis 34-Jährigen die FPÖ uneingeschränkt die Nase vorne hat, während die Grünen zuletzt in dieser Altersgruppe stark an Bedeutung verloren haben, kann man wohl dazu zählen. Sorgen kann auch machen, dass Jugendliche politischen Institutionen immer weniger vertrauen und nur mehr 44 Prozent meinen, dass das politische System in unserem Land gut funktioniert. Dazu passt, dass sich nur mehr rund ein Drittel der 16-bis 26-Jährigen gut im Parlament vertreten fühlen, um die Hälfte weniger als noch vor sieben Jahren. Und als Zeichen der Zeit kann einen auch besorgt machen, dass in der Ö3-Umfrage Themen wie Umwelt und Soziales praktisch keine Rolle spielten.

Und es gibt Schattenseiten, die man nicht übersehen darf. Jede und jeder Vierte der Befragten berichtet von einer schlechten psychischen Verfassung. Jeder kennt aus seinem Bekanntenkreis Fälle, in denen junge Menschen Schwierigkeiten haben, mit dem Leben zurechtzukommen, die kämpfen müssen, die in Schule und Beruf Probleme haben oder die in einem schwierigen familiären Umfeld aufwachsen müssen. Es gibt überall die Warnungen und Mahnrufe.

Aber bleiben wir dennoch optimistisch und voller österlicher Hoffnung -wahrscheinlich macht man sich um die jungen Menschen mehr Sorgen als notwendig. Zumindest wenn man sich an die neue Ö3-Jugend Studie hält. Es wird auch mit der jungen Generation weitergehen und es hat wohl schon schlimmere Zeiten gegeben.

Das entbindet Gesellschaft und Politik freilich nicht von der Verantwortung. In deren Mittelpunkt muss stehen, Chancen offenzuhalten, Möglichkeiten nicht zu verbauen und eine Zukunft ohne Altlasten aus der Vergangenheit zu ermöglichen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. April 2025

Samstag, 12. April 2025

Wenn eine Farm 135.000 Kühe hat

Die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich muss sich gegen übermächtige Konkurrenz behaupten.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Auf den internationalen Agrarmärkten rumort es heftig, in Wien kämpft man um eine Übergangslösung für die Böden in den Schweineställen und in Brüssel gegen das Mercosur-Abkommen, die Entwaldungsverordnung und für die Vereinfachung von Auflagen und Kontrollen. Die Bauern und ihre Vertreter befinden sich seit Jahrzehnten in einer Art Dauerkampfmodus, denn ihre Welt hat wenig mit dem idyllischen Bild zu tun, das sich die nicht bäuerliche Öffentlichkeit gern von der Landwirtschaft macht. Ganz im Gegenteil.

Österreich zählt wie die Schweiz oder Griechenland zu den Ländern mit einer kleinstrukturierten Landwirtschaft. Eine Agrarindustrie gibt es hierzulande nicht. Der größte Ackerbaubetrieb, die im Burgenland ansässige Esterházy’sche Gutsverwaltung, bewirtschaftet rund 4000 Hektar. Die Betriebe mit mehr als 1000 Hektar Land kann man an den Fingern einer Hand abzählen. Der weitaus größte Teil der Betriebe bewirtschaftet wesentlich kleinere Flächen.

Mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 24 Hektar Land, 25 Kühen oder 130 Schweinen sind Österreichs Bauern im internationalen Vergleich Zwerge. Selbst in der EU rangiert man mit diesen Werten auf den hinteren Rängen. „Die österreichischen Bauern haben Nachteile wegen höherer Durchschnittskosten“, sagt Wirtschaftsforscher Franz Sinabell vom Wifo. „Daher ist Österreich in der Landwirtschaft nicht so wettbewerbsfähig wie andere Länder.“ Nicht zuletzt deshalb fühlt sich für die meisten Bauern in Österreich der Wettbewerb auf den internationalen Agrarmärkten wie ein permanenter Kampf David gegen Goliath an. Denn die Farmen und Konzerne, die die weltweiten Preise bestimmen, an denen sich auch die heimischen Bauern orientieren müssen, erzeugen Getreide, Milch und Fleisch nach ganz anderen Maßstäben und unter völlig anderen Voraussetzungen.

In den großen Agrarländern sind schon die durchschnittlichen Betriebe um ein Mehrfaches größer als die in Österreich. In den USA bewirtschaftet ein Farmer im Durchschnitt 179 Hektar, in Kanada 301 Hektar, in Argentinien 590 Hektar und in der Ukraine gar 1200 Hektar.

Für österreichische Verhältnisse kaum mehr vorstellbar sind die Dimensionen von Megafarmen, wie es sie in China, Australien, den USA, aber auch in Osteuropa gibt. Sie sind zwar auf den Märkten nur selten direkte Konkurrenten, zeigen aber dennoch auf, wo international der Ton auf den Märkten gemacht wird. So bewirtschaftet etwa die Mudanjiang City Megafarm in China, die als die größte Farm der Welt gilt, rund 9,1 Millionen Hektar Land. Das ist mehr als das Doppelte der Agrarfläche Österreichs. Die Farm ist nicht auf Ackerbau, sondern auf Milchproduktion spezialisiert. Dort werden rund 100.000 Milchkühe gehalten, das ist rund 50 Mal mehr als auf dem größten Milchviehbetrieb Europas. Nur die Hälfte der Fläche, aber dafür 135.000 Kühe, hat die Farm China Modern Dairy, auf der täglich 3,2 Millionen Liter Rohmilch gemolken werden. In Australien bewirtschaftet die Anna Creek Farm 2,4 Millionen Hektar und ist mit 17.000 Rindern der größte Fleischrinderproduzent der Welt. Vergleichsweise klein, aber für österreichische Verhältnisse noch immer riesig ist da die Farm der Familie Resnick, die mit rund 77.000 Hektar als die größte der USA gilt.

Die Familie Resnick rangiert in der „Forbes“-Liste der reichsten Landwirte der Welt auf Platz drei. An der Spitze rangieren zwei Chinesen, auf Rang sechs folgt hinter dem Saudi-Prinzen Al Kabeer und dem US-Farmer Harry Stine der erste Europäer. Es ist der ehemalige tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš mit seinem Unternehmen Agrofert, das mehr als 100.000 Hektar besitzt und jährlich 265 Millionen Eier und 840.000 Tonnen Futtermittel erzeugt. Babiš sorgte erst vor zwei Jahren in Österreich mit der Übernahme der Düngerproduktion von Borealis in Linz für Aufsehen.

Die Bauern sehen sich aber nicht nur in ihrer Branche einer übermächtigen Konkurrenz gegenüber. Nicht einfacher macht ihre Position, dass sich vier große Händler mehr als die Hälfte des Weltmarkts für agrarische Rohstoffe teilen. Die Handelsriesen Archer Daniel Midland (ADM), Bunge, Cargill und Dreyfus dominieren seit Jahren den weltweiten Handel mit Getreide, Ölsaaten und Eiweißfrüchten. Seit Kurzem mischt auch der chinesische Agrarhandelsriese Cofco kräftig mit.

Dass sich Österreichs Landwirte und die Landwirtschaft in diesem Umfeld relativ gut behaupten können, verwundert oft selbst den Wirtschaftsforscher. „Ich habe keine Antwort darauf, die man in einem Satz zusammenfassen könnte“, sagt Sinabell. Neben den Unterstützungen der öffentlichen Hand sei es wohl vor allem das Miteinander von landwirtschaftlichen Betrieben und dem Verarbeitungssektor. „Daher können die österreichischen Bauern zu einem etwas höheren Preis verkaufen und müssen nicht Ware über Hunderte Kilometer zum nächsten Abnehmer liefern.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 12. April 2025

Donnerstag, 10. April 2025

Pflänzchen der Hoffnung unter dem Bulldozer

Die Börsen crashten wie kaum je in der Geschichte. Billionen und Aberbillionen wurden in den vergangenen Tagen rund um den Erdball vernichtet. Hilflos scheint die Welt ausgesetzt einem Mann, der sich völlig losgelöst von Verantwortung, Konventionen und Regeln und ohne jede Rücksicht über alles hinwegsetzt, was in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Welt, die Wirtschaft und auch den Wohlstand -wie immer man dazu stehen mag und wie immer man es bewerten mag -irgendwie zusammengehalten hat. Längst ist von einer globalen Rezession die Rede, vor der man sich fürchten muss.

Trumps Bulldozer-Politik scheint in wenigen Tagen zu ruinieren, was rund um die Welt über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Und was es so bitter macht -sie hilft keinem. Überhaupt keinem. Sie hinterlässt nur Verlierer. Sie trifft jeden in irgendeiner Weise. Ohne Unterschied und ohne für irgendwen irgendetwas besser zu machen.

Das Einzige, woran man sich derzeit klammern kann, scheint, dass Trump und das, was wir seit Wochen erleben, doch zu so etwas wie einer Katharsis für die Politik und auch für die Gesellschaft wird. Zu einem Wendepunkt einer Entwicklung, die in den vergangenen Jahren ihre zerstörerische Wirkung auf allen Ebenen entfaltete, gegen die es kein Rezept zu geben und gegen die nichts zu greifen scheint. Denn vielleicht scheint just Trump der Anfang vom Ende des halt-und verantwortungslosen Populismus in der Politik zu werden und zum Ende der Entsolidarisierung der Gesellschaften und zum Ende der politischen Lethargie, vor allem in den westlichen Industriestaaten, zumal der europäischen, die in den vergangenen Jahren immer wieder beklagt wurde. Vielleicht beschleunigt Trumps erratische Politik, dass viele der Menschen, die die Dinge bisher treiben ließen, die Versprechungen einer populistischen Politik durchschauen.

Freilich muss man sehr optimistisch sein, um etwas zu erkennen, woran man seinen Glauben an einen Wendepunkt festmachen kann, und wo man in diesen Tagen so etwas wie Pflänzchen der Hoffnung zu erkennen vermag. Die Proteste in den USA, von denen am vergangenen Wochenende berichtet wurde, sind so etwas. Und auch, dass ausgerechnet Elon Musk eine Freihandelszone zwischen den USA und der EU vorgeschlagen hat.

Was all das wert ist, was es bewirkt und welches Gewicht es hat, ist schwer zu beurteilen. Aber die Proteste sind ein Zeichen dafür, dass die Amerikaner zunehmend erkennen, dass ihnen die Politik ihres Präsidenten auch schaden kann. Schließlich steht und fällt die Altersversorgung der Amerikaner mit den Aktienkursen an den Börsen und ist durch Trumps Politik schon jetzt schwer in Mitleidenschaft gezogen. "Dort sind in den vergangenen Tagen Billionen Dollar amerikanischer Ersparnisse verbrannt worden", heißt es in Zeitungskommentaren. Die Zeche wird dabei aber nicht Trumps Milliardärskaste bezahlen. "Die Rechnung wird an den Normalbürger gehen, die Familien und Geringverdiener, deren Arbeitsplätze oft gefährdet sind und die sich schon schwer unter Druck fühlen können."

Was mit Trump schon rund um die Ukraine begann, setzt sich nun fort. Die Europäische Union rückt wieder zusammen, in Deutschland ist die Vernunft dabei sich durchzusetzen und in Österreich auch. Ob das bereits der Wendepunkt ist, die Lethargie zu überwinden, ist freilich noch offen. Ergebnisse fehlen. Die EU rückt zwar zusammen, irrlichtert aber bisher nur von einem Gipfel zum nächsten. In Deutschland schafft Merz es nicht, die große Koalition in trockene Tücher zu bringen. Und auch bei uns in Österreich ist man sich zwar klar darüber, dass man sich viele der in den vergangenen Jahren liebgewonnenen Vorstellungen wohl abschminken kann und dass man sparen muss, mehr aber auch nicht.

Viele scheinen den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen zu haben und glauben, in alten Mustern verharren zu müssen. In Österreich lieferte mancher aus der Riege der Landeshauptleute in der Vorwoche den Beweis dafür, als man sich "Zurufe aus Wien" verbat und meinte, mit Äußerungen wie "die Republik ist keine Hotelküche" Regierungsmitglieder maßregeln zu können. "Geht's noch?", mussten sie sich dann selbst von besonnenen Kommentatoren fragen lassen. Zu Recht.

Allein das zeigt, dass es freilich wohl lange dauern wird, bis aus all dem, was die Hoffnung nähren kann, auch wirklich etwas wird.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. April 2025

Donnerstag, 3. April 2025

Showdown auf der Insel der Seligen

In den vergangenen Tagen haben wir wohl so etwas wie einen Showdown auf der Insel der Seligen erlebt. Zuerst die Meldung, dass das Budgetloch für das heurige Jahr wohl nicht sechs Milliarden Euro groß ist, sondern mindestes das doppelte Ausmaß erreichen wird. Dann veröffentlichen die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre neuesten Prognosen, die in der Aussage gipfelten, dass Österreich auf dem Weg zu einem "verlorenen Jahrzehnt" sei. Und seit Montag wissen wir, dass das Defizit 4,7 Prozent des BIP beträgt, so weit über der Maastricht-Grenze, dass ein EU-Defizitverfahren unvermeidlich ist. Ein Rekorddefizit trotz Rekordeinnahmen.

Zu dem, was Wirtschaftswissenschafter inzwischen vorschlagen, in ihren Strategien ventilieren oder fordern, gibt es wohl kaum mehr Alternativen. Und das wird wehtun. Jedem. Da ist nicht nur die Rede von einer Erhöhung des Pensionsalters auf 67 Jahre, auf Pensionserhöhungen unter der Inflationsrate, von Zurückhaltung bei Lohnabschlüssen und von "schmerzhaften" Einsparungen im Förderwesen sowieso. Sogar die Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger sind in dieser Diskussion kein Tabu mehr. Mit dem Klein-Klein sei es vorbei, heißt es nun.

Es wird Einschnitte, auch schmerzhafte, für alle geben müssen, sagt man nun allerorten. "Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung", ist die Devise, die nun offenbar gilt. Und es scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass ohne Reformen alles nur noch schlimmer wird.

Dort stehen wir jetzt. Und wenn jemand sagt, da sind wir schon öfter gestanden, dann hat man keine Argumente das zu bestreiten. Denn da sind wir in der Tat schon öfter gestanden - ohne das wirklich Nötige zu tun. Aber so tief drinnen in der Krise, von der schon so lange, und wie sich immer deutlicher zeigt, völlig zu Recht, geredet wird, sind wir noch nie gestanden. 

In Wahrheit ist die Lage schlimm wie noch nie. Da ist nichts mehr vom Vorzeige-Österreich, auf das wir auch schon einmal stolz waren. Beim Wirtschaftswachstum sind wir mit Abstand Schlusslicht in Europa, die Prognosen sind bitter, die Industrie und viele andere Wirtschaftszweige schrumpfen weiter, Arbeitsplätze gehen verloren, Negativmeldungen dominieren die Schlagzeilen und das Budgetdefizit explodiert just jetzt, wo überall Geld gebraucht würde.

Alles, was in den vergangenen Jahren bereits kritisiert wurde, wird jetzt schlagend. All die Befürchtungen und Warnungen. Jetzt wird es ernst und es wird wohl niemand davonkommen, ohne Beschränkungen zu spüren.

Man fragt sich im Nachhinein, wo die Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftsforschung und Wirtschaftsexperten waren, und ob sie ihre Sorgen nicht doch zu wenig deutlich artikuliert und, gleichsam im vorauseilenden Gehorsam, zu abgeschliffen und unverbindlich formuliert haben. Es ist erschreckend und unverständlich, dass man derzeit wöchentlich von immer größeren Defiziten "überrascht" wird. Wusste man wirklich so wenig? War das nicht absehbar? Man mag es nicht glauben.

Disqualifiziert hat sich freilich auch die Politik. Sie hat in den vergangenen Jahren mit ihrem Populismus, und ihrer Schwäche dafür, die Wahrheit verdrängt. Statt dessen hat man ein Klima voller Erwartungen, Hoffnungen und Einschätzungen erzeugt, das immer weniger mit der Realität zu tun hatte. Der Wahlkampf im vergangenen Jahr, als das Land schon in der Krise steckte, war so etwas wie der Kulminationspunkt in einer Entwicklung, die sich nun mit all ihren Folgen zeigt. Im Rückblick ist immer weniger verständlich von dem, was uns damals von allen Seiten aufgetischt und versprochen wurde. Und noch weniger verständlich ist, dass es - zuweilen mit Murren zwar und mit Häme  -auch akzeptiert oder zumindest stehengelassen wurde.

Zum Staunenswerten gehört auch, das sei hier auch gesagt, dass nun wieder genau jene Partei, die hauptverantwortlich ist für die Lage des Landes, die Geschicke des Landes lenkt - und das zu einem guten Teil mit demselben Personal. Das freilich wohl auch, weil die Alternativen noch schlechter waren.

Man kann nur hoffen, dass nun zumindest die richtigen Schlüsse aus den vergangenen Jahren gezogen und auch umgesetzt werden. Einer davon sollte sein: man sollte die Fachwelt und ihre Warnungen doch sehr viel ernster nehmen. Und man sollte nicht ideologisch verblendet die Lage im Land beurteilen, sondern sich an der Realität orientieren.

Dann wäre uns viel erspart geblieben. Und Österreich wäre nicht dort, wo es jetzt ist.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. April 2025
 
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