Donnerstag, 4. Dezember 2025

Bauern weht ein rauer Wind entgegen

Mitarbeiterabbau in der Zuckerindustrie, Fusionen in der Milchbranche, strauchelnde Lagerhäuser – im bäuerlichen Umfeld bahnen sich massive Veränderungen an.

Hans Gmeiner

Salzburg. Ende November erst sorgte die Agrana für Schlagzeilen. „400 bis 500 Stellen“ müsse man in den nächsten zwei bis drei Jahren streichen, kündigte Generaldirektor Stephan Büttner an. Niedrige Preise für Zucker, Stärke und Ethanol und die immer höheren Kosten setzen dem Konzern stark zu. Vor allem bei Zucker schreibt man hohe Verluste, obwohl man im Vorjahr bereits zwei Zuckerfabriken – jene in Leopoldsdorf im Marchfeld sowie eine in Tschechien – geschlossen hat. Seither ist vor allem bei den Rübenbauern die Aufregung groß. Dass Büttner eigens sagte, die Zuckerfabrik in Tulln, inzwischen die einzige in Österreich, stehe nicht zur Disposition, und er davon ausgehe, „dass wir das schaffen“, lässt die Alarmsirenen schrillen und die Gerüchteküche erst recht brodeln.

Die Probleme der Agrana sind nur die Spitze eines Eisbergs. Längst steckt nicht nur die Landwirtschaft in Schwierigkeiten, sondern mit ihr auch immer öfter Unternehmen in ihrem Umfeld. Denn dieses Umfeld, in und mit dem die Bauern arbeiten und leben, wandelt sich immer rasanter. Alte Strukturen brechen auf, Geschäftsmodelle stehen unter Druck. Das hat Folgen. Längst geht es nicht mehr nur um die Bauern, sondern auch um den Handel und die Verarbeiter, um die Landtechnikerzeuger und die Wertschöpfung, die in diesen Unternehmungen erzielt wird, und um die Arbeitsplätze. Aber nicht nur darum – immer stärker rücken damit Themen wie Versorgungssicherheit und Krisenresilienz in den Vordergrund.

Lagerhaus-Genossenschaften leiden unter BayWa-Debakel

Just am gleichen Tag, als die Agrana für Aufregung sorgte, wurde auch bekannt, wie sehr die Lagerhausgenossenschaften, die in bäuerlichem Eigentum stehen, wirklich unter dem BayWa-Debakel der RWA (Raiffeisen Ware Austria) zu leiden haben, das die oft mühsam erzielten Gewinne auffrisst und in Nullkommanichts in satte Verluste verwandelt. So konnten etwa allein die neun Lagerhausgenossenschaften in Oberösterreich das Gesamtbetriebsergebnis im vergangenen Geschäftsjahr (30. Juni) um gut 40 Prozent auf 8,3 Millionen Euro steigern, weil aber die BayWa-Sanierung bei ihnen mit hohen Abschreibungen durchschlägt, weisen die Bilanzen vor Steuern laut „OÖ Nachrichten“ zusammen einen Verlust von 21 Mill. Euro aus. Ob damit das letzte Wort gesprochen ist, ist unklar. „Hoffen wir, dass das nicht noch mehr wird“, ist hinter vorgehaltener Hand zu hören. Und da ist noch gar nicht von den anderen Bundesländern, insbesondere von Niederösterreich und der Steiermark, die Rede, aus denen die Lagerhaus-Zahlen nicht bekannt sind.

Fusionen in der Milchbranche

Weniger dramatisch geht es zwar in anderen Sparten im agrarischen Umfeld zu, die Veränderungen sind aber auch dort oft sehr tiefgreifend für die Bauern. Beispielhaft dafür ist der geplante Zusammenschluss der Salzburg Milch mit der Pinzgau Milch, der in der Vorwoche bekanntgegeben wurde. auch dort geht es um Verringerung der Kosten und  Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und damit der Wettbewerbsfähigkeit und Absicherung für die Zukunft. Dabei sind auch unkonventionelle Modelle kein Tabu mehr. So übernahm die niederösterreichische NÖM, die ihr Einzugsgebiet bisher traditionell im Osten Österreichs hatte, im heurigen Frühjahr die angeschlagene Vorarlberg Milch aus dem äußersten Westen des Landes. Bereits 2022 wurde die Gmundner Milch, die drittgrößte Molkerei Österreichs, von der deutschen Privatmolkerei Jäger übernommen, die neue Schwerpunkte setzte. Erst heuer sorgte man mit der Ankündigung, keine Biomilch mehr verarbeiten zu wollen, bei den Bauern für Unruhe und Verunsicherung.

Unruhe bei den Biobauern

Deutsche sorgen seit geraumer Zeit auch bei den Biobauern für Unruhe. Der deutsche Bioverband Naturland, ein internationaler „Multi“ der Szene, wirbt nach Kräften um österreichische Biobauern als Mitglieder. Bio Austria, der größte heimische Verband, sieht dadurch die eingeführten und, wie man sagt, „bewährten“ Strukturen im Biolandbau gefährdet. „Wir sind ja kein Bio-Entwicklungsland, das auf die Deutschen gewartet hat“, sagte man schon damals in einer ersten Reaktion.

Im Fleischgeschäft mischen ausländische Konzerne mit

Auch im Fleischgeschäft blieb kaum etwas beim Alten. Das haben inzwischen wenige Großunternehmen in der Hand, Spar ist mit Tann der größte Fleischverarbeiter im Land. Auch ausländische Unternehmen mischen längst kräftig mit. Der US-Konzern OSI ist mit dem Salzburger Alpenrind der größte heimische Rindfleischverarbeiter. Und im Innviertler Pfaffstätt hat seit 2016 die Schweizer Bell Group bei Huber’s Landhendl, einem der größten Geflügelverarbeiter im Land, das Sagen.

Aus dem Spiel ist Österreich auch in der Produktion von Düngemitteln und Mitteln für den Pflanzenschutz. Bei Letzterem gibt es keine eigenständige Produktion mehr, sondern nur mehr Vertretungen von Herstellern.

Und bei Düngemitteln gibt es zwar noch kleinere Erzeuger von Spezialdüngern, die mit Abstand größte Produktion aber, die LAT in Linz, gehört einem großen ausländischen Konzern. Dessen Eigentümer ist kein Unbekannter – Andrej Babiš, bekannt auch als der möglicherweise nächste Regierungschef in Tschechien.

Salzburger Nachrichten, 4. Dezember 2025

Ein Mann sieht rot – und ein Land auch

Ein Mann sieht rot. Nicht immer, aber immer öfter. Und er ist nicht alleine in Österreich. „Ich stehe mit vier Leuten auf dem Feld und ich bin der Einzige, der etwas erzeugt, verkauft, davon auch lebt und davon seine Steuern zahlt“, schimpft er. „Die, die meinen Grund wollen, genauso wie die von der Finanzprokuratur, die denen beistehen, und auch die von der Landwirtschaftskammer, die auf meiner Seite sind“.

Die Stimmung ist kaputt, der Glauben an die Zukunft geschwächt, der Regierung fehlen Kraft und Vertrauen.“

Der Gute kommt gerade von einer Enteignungsverhandlung, der vierten oder fünften, und ist geladen. Es geht um ein großes öffentliches Bahn-Infrastrukturprojekt, bei dem die Kosten längst völlig aus dem Ruder gelaufen sind, weil man die partout nicht hören wollte, von denen man Grund brauchte. Man gängelte sie lieber über Jahre dahin, provozierte sie mit Geringschätzung, mit allerlei Tricks und billigen Gutachten. „Die haben nichts anderes zu tun als uns zu quälen“, sagt er. „Die klagen jetzt nicht das erste Mal gegen Gutachten, die sie selbst in Auftrag gegeben haben, natürlich auf Kosten der Staatsbürger“, schimpft er. „Dabei haben sie bis jetzt jedes Mal verloren.“ Und da redet er noch gar nicht davon, dass die Bauarbeiten trotzdem schon begonnen haben und dass man das Geld immer noch zurückhält.

Was er erlebt, ist „Austria in a Nutshell“, wie man so schön sagt. Es ist alles da in dieser kleinen Nussschale. Vorschriften und Gesetze zuhauf, Verwaltung und Bürokratie bis zum Abwinken, Fortschritte, die zuweilen nur unterm Mikroskop erkennbar sind, und explodierende Kosten. Das sowieso. Und ein frustrierter Bürger, der wiewohl guten Willens, das alles nicht mehr versteht und nicht mehr verstehen mag. Und der dafür auch nicht mehr bezahlen mag.

Schon gar nicht, nach dem, was er gerade kurz zuvor auch erlebte. „Jetzt hat mir ein Inkassobüro geschrieben wegen des Haushaltsbeitrags für den ORF, den meine Firma bezahlen soll, obwohl ich gar nicht wüsste, was wir dort mit einem Fernseher tun sollen. Und für das wenige ORF online zahlt wohl jeder einzelne Mitarbeiter schon in seinem Haushalt. Ich kann mich jedenfalls an so eine Vorschreibung nicht erinnern.“ So weit, so schlecht, so haben es auch andere schon erlebt. „Und als ich dann angerufen habe, hat man mir dann im Callcenter gesagt, dass sie nicht sagen können, ob sie mir die Vorschreibung überhaupt geschickt haben.“

„Austria in a Nutshell“ – auch das. Die linke Hand weiß oft nicht, was die rechte tut. Und das gar nicht selten.

Der gute Mann war damit aber noch nicht am Ende. „Und da denkt man an Steuererhöhungen und gar neue Steuern, und streicht vielleicht da und dort was“, greift er sich an den Kopf. „Das tut man doch alles nur, um das derzeitige System beibehalten zu können, um nichts umstrukturieren, um nichts neu ordnen zu müssen – genau das System, das so vieles blockiert, so vieles verhindert, so teuer und das oft so abstrus ist.“ Für ihn ist klar: „Das ist an Absurdität nicht zu toppen.“

Er setzt nun auf einen der größten Ökonomen, den das Land je hervorgebracht und der auch internationale Anerkennung erlangt hat, und hält für unausweichlich, dass nur mehr das Schumpeter’sche Gesetz das Land retten kann – das „Gesetz von der schöpferischen Kraft der Zerstörung“, die Neues hervorbringt.

Viele im Land sehen das wohl ähnlich. Und es werden immer mehr. Die Stimmung ist kaputt, der Glauben an die Zukunft geschwächt, der Regierung fehlen Kraft und Vertrauen. Die Umfragen bestätigen das. Die Volkspartei und die SPÖ haben zuletzt in Umfragen historische Tiefststände erreicht. Nicht einmal zusammen können sie mit mehr Wählerinnen und Wählern rechnen als die FPÖ, die immer höher fliegt. Alles schaut danach aus, als werde Kickl die „Kraft der Zerstörung“ und als werde er als solche von immer mehr gewünscht. Man will nicht noch mehr vom Alten, sondern ist zunehmend bereit, stattdessen lieber die Unsicherheit und den Systembruch in Kauf zu nehmen – oft in der Hoffnung, dass das nur eine Zeit des Durchtauchens werde, auf dass sich der Staat und das Gemeinwesen und auch die Politik danach wieder erfangen.

Es sind schon zu viele in diesem Land, die rot sehen. Und die nicht mehr bereit sind, bei all den Gängelungen mitzuspielen und gute Miene zu zeigen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Dezember 2025

Donnerstag, 27. November 2025

Krise? Ein Fake?

Wir sind schon wieder mittendrin, und dabei ist es offiziell noch gar nicht losgegangen. Die Adventmärkte im ganzen Land sind seit dem vergangenen Wochenende überlaufen. Die Black Week mit ihren Sonderangeboten aller Art, die am Freitag dieser Woche im Black Friday gipfelt, hat uns schon fest im Griff, ehe die Zeit, die immer noch als die "besinnliche" bezeichnet wird, am kommenden Sonntag mit dem ersten Adventsonntag beginnen wird. Dann geht es erst richtig los. Es ist alles angerichtet. Irgendwo ist der schöne Satz gestanden, dass dann "das Land dem Punschduft und Glöckchen klingen der Adventmärkte verfällt". So ist es. Und es wird jedes Jahr immer noch mehr, oder, wie nicht wenige finden, es wird immer noch ärger. Krise? Ist da was? Ein Fake gar?

Die Daten und Geschichten, die in diesen Tagen veröffentlicht werden, passen jedenfalls nicht dazu. Alles, was zu Geld gemacht werden kann, wird zu Geld gemacht. Allein aus dem Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus sollen die Standler heuer Prognosen zufolge 60 Millionen Euro Umsatz machen. Auf 390 Millionen Euro wird der Umsatz aller Adventmärkte in Österreich geschätzt.

Das neueste Feld, das man entdeckt hat, sind augenscheinlich Adventkalender, die man über Jahre als einfache Kreationen mit 24 Türchen kannte, hinter denen sich im besten Fall Schokofiguren verbargen, die das Warten aufs Christkind erträglicher machen sollten. Heute ist das Schnee von vorgestern, wird doch berichtet, dass man Adventkalender auch um 1.750 Euro (sic!) bekommt. Das freilich ohne Schokofiguren, dafür aber mit einem "handgenähten Wäschestück" hinter jedem Türchen, wie es vielversprechend heißt. Dagegen nimmt sich der Back-Adventkalender, den eine Lungauer Bäuerin um 105 Euro anbietet, noch günstig aus.

Da scheint noch allemal genug Geld für das eigentliche Fest übrig zu bleiben. Handelsforscher rechnen mit einem, wenn auch nur leichten Anstieg der Ausgaben im Handel gegenüber dem Vorjahr auf 2,35 Mrd. Euro, was einem neuen Rekord entspräche. Es gelte das Motto "Das Schenken lassen wir uns nicht nehmen". Das gilt auch für die Haustiere. Auch im Tierbedarfs-Handel hat das Weihnachtsgeschäft mit allerlei für Hund und Katz' längst begonnen und läuft dem Vernehmen nach gut.

54 Prozent der Bevölkerung haben heuer Freude beim Geschenkekaufen, hat das Meinungsforschungsinstitut IMAS erhoben. 426 Euro wollen sie im Schnitt ausgeben. Die Teuerung spiele zwar schon eine Rolle, heißt es, aber bei rund einem Drittel der Leute werden es schon zwischen 200 und 1.000 Euro sein, bei drei Prozent sogar mehr als 2.000 Euro, die man ausgeben will. Es ist, als ob es keine Bremsen gäbe, immer wieder gibt es neue Höhepunkte. Mehr denn je davon wird in chinesische Kassen fließen und jene von Amazon. Bei Temu, Shein und Konsorten darf man sich die Hände reiben. "Die Kassen klingeln in Fernost" heißt es.

Was wir in diesen Wochen erleben, fügt sich zur unbändigen Reiselust im Sommer und im Winter. Zwei, drei, oft vier Urlaube oder Reisen sind für viele selbstverständlich. Der Automarkt brummt, in Restaurants bekommt man oft ohne Reservierung keinen Platz. Das alles passt so gar nicht zu den düsteren Darstellungen der Wirtschaftslage und des Arbeitsmarktes und schon gar nicht zur Stimmung im Lande, die zur Schau getragen wird.

Geht es uns wirklich so schlecht? Oder doch nicht? Oder liegen die Befragungen für die Stimmungsbarometer und Ähnlichem so daneben, weil die Antworten den Erwartungen angepasst sind? Es nimmt nicht wunder, wenn mitunter Zweifel aufkommen an all dem Gezetere, das aus allen Ecken zu vernehmen ist. Oder könnten wir nicht doch etwas dazu beitragen respektive zulassen, dass sich der Staat und seine Finanzen wieder erfangen, auf dass man wieder Handlungsspielraum für die Gestaltung der Zukunft ermöglicht?

Bei Licht betrachtet muss man angesichts der tatsächlichen Lebensverhältnisse, die sich von den in Zahlen gespiegelten oft diametral unterscheiden, wohl ja sagen -ohne dass die Meldungen davon, dass vielen in einem kargen Jahr auch ein karges Weihnachtsfest blüht, untergehen sollen.

Die Stimmung ist freilich nicht danach. Nicht wegen der ewig geifernden Opposition, vor allem aber auch nicht wegen des fehlenden Mutes der Regierung.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. November 2025

Montag, 24. November 2025

Wer von hohen Lebensmittelpreisen profitiert

Nur vier von 100 Euro, die wir fürs Essen ausgeben, landen bei den Bauern. Sogar der Finanzminister hat mehr davon. Am meisten landet – noch vor dem Handel – in Gastronomie und Hotellerie.

Hans Gmeiner

Salzburg „In der Landwirtschaft kann man nichts verdienen, aber an der Landwirtschaft kann man viel verdienen.“ Diesen Satz bekommt man auf den heimischen Bauernhöfen schon mit der Muttermilch mit. Franz Sinabell, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, relativiert ihn nur geringfügig. „In der Landwirtschaft kann man gerade so viel verdienen, dass man über die Runden kommt, und an der Landwirtschaft kann man gut verdienen“, sagt er und untermauert das mit Zahlen. „Von 100 Euro, die für Lebensmittel ausgegeben werden, kommen nur wenig mehr als vier Euro in der Landwirtschaft an.“

Am meisten geht an Gastronomie und Hotellerie

Mehr als doppelt so viel, nämlich neun Euro, gehen als Steuern in die Staatskasse, und fünf Euro landen bei den Verarbeitern der Produkte, die die Bauern liefern. Die großen Brocken aber teilen sich der Handel sowie Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe. In den Groß- und Einzelhandel gehen laut einer Aufstellung der „Wertschöpfungsverteilung bei Haushaltsausgaben für Nahrung und Getränke in Österreich“, die das Wifo erarbeitete, 14 von 100 Euro und in die Gastronomie und Hotellerie zusammen sogar 17 Euro von 100.

Ein Drittel landet direkt oder indirekt im Ausland

Damit nicht genug. Zwölf von 100 Euro, die die Konsumenten für Lebensmittel zahlen, landen direkt oder indirekt in Immobilien, bei Patenten oder bei Markenrechten. Dort ist es oft der Handel, der die Hand ein zweites Mal aufhält und etwa über Eigenmarken oder Immobiliengeschäfte profitiert. Was selbst Sinabell überraschte: „Mehr als ein Drittel, 34 Prozent, der Ausgaben für Lebensmittel landet direkt oder indirekt im Ausland.“ Dazu zählen nicht nur die Ausgaben für importierte Lebensmittel, sondern auch die Aufwendungen für Importe von Gütern, die gebraucht werden, um Nahrungsmittel in Österreich herzustellen. „Der Bogen reicht da bis hin zu Energieimporten“, erläutert Sinabell.

Insgesamt ist dieser Kuchen gut 100 Milliarden Euro groß. Die 4,3 Mrd. Euro, die als Bruttowertschöpfung dabei im Vorjahr auf die Landwirtschaft entfielen, nehmen sich sehr bescheiden aus angesichts des Geschäftsvolumens, das zu einem guten Teil mit den Produkten gemacht wird, die die Bauern liefern. Im Groß- und Einzelhandel etwa geht es um ein Volumen zwischen 15 Mrd. und 20 Mrd. Euro und in der Gastronomie um rund 14 Mrd. Euro. Und da ist noch gar nicht die Rede von den fast 10 Mrd. Euro, die als Steuern in die Staatskasse fließen.

Landwirtschaft will nicht den Schwarzen Peter

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist nachvollziehbar, dass sich die heimische Landwirtschaft in der Diskussion um die hohen Lebensmittelpreise nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen will. „Unsere Untersuchungen belegen, dass der Anteil der bäuerlichen Produktion am Endpreis gering ist und weiter abnimmt“, sagt Sinabell. Er stellt die Rechnung am Beispiel Brot auf: „Weniger als fünf Prozent des Endpreises gehen an den Bauern, der Rest verteilt sich auf Mühle, Bäckerei, Verpackung, Transport, Handel und Steuern.“

Die Wifo-Analyse zeigt, dass die Preissteigerungen der vergangenen Jahre kaum auf die Landwirtschaft zurückzuführen sind. Vielmehr seien es gestiegene Energiepreise sowie höhere Löhne und Transportkosten, die sich laut dieser Untersuchung in der gesamten Kette niederschlagen. Besonders stark sei dabei der Außer-Haus-Konsum wegen der gestiegenen Personalkosten in Gastronomie und Hotellerie betroffen. Im Lebensmittelpreisindex gehe das aber unter.

Österreich nicht im Spitzenfeld bei Preisen

Im internationalen Vergleich liegt das Preisniveau von Lebensmitteln in Österreich im oberen Mittelfeld, aber nicht an der Spitze. „Lebensmittel in Österreich sind leistbar“, sagt Sinabell. „Was fehlt, ist aber oft ein faktenbasierter Blick auf die Sachlage.“ Zu berücksichtigen sei auch, dass sich Österreich durch ein hohes Qualitätsniveau, einen überdurchschnittlichen Bioanteil und strengere Produktionsstandards von anderen Ländern abhebt.

Alkohol ist billig wie kaum wo sonst

Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den gesamten Haushaltsausgaben beträgt in Österreich nur zwölf Prozent. „Das ist der drittniedrigste Wert in der EU.“ Nahrungsmittel wie Brot, Milch, Milchprodukte, Fleisch, Obst und Gemüse, aber auch Getränke sind in vielen europäischen Staaten deutlich teurer als in Österreich. So liegt Österreich bei Milch und Milchprodukten erst an 22. Stelle, bei Fleisch an siebter, bei Brot an sechster und bei Nahrungsmitteln und Getränken insgesamt an neunter Stelle. Billig wie kaum sonst wo in Europa ist Alkohol. Da liegt Österreich an 32. Stelle.

Die Forderung nach Preisdeckeln für Lebensmittel hält Sinabell für fragwürdig. „Wenn man die Position der Bauern verbessern will, muss man sie messbar machen und dann gezielt stärken“, sagt er. Sein Rezept: die Einführung eines Preismonitoring-Systems nach französischem Vorbild, in dem Datenquellen gebündelt werden und das schrittweise zu einem umfassenden Monitoring ausgebaut wird, um mehr Transparenz zu schaffen.

Salzburger Nachrichten – Wirtschaft, 24. November 2025

Bauern profitieren von teuren Lebensmitteln am wenigsten

Salzburg. „In der Landwirtschaft kann man gerade so viel verdienen, dass man über die Runden kommt, und an der Landwirtschaft kann man gut verdienen.“ Das sagt kein Landwirt, sondern Franz Sinabell, Agrarexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Denn von 100 Euro, die für Lebensmittel ausgegeben werden, kommen nur etwas mehr als vier Euro in der Landwirtschaft an. Immerhin geht es um 100 Milliarden Euro. Wo gehen dann die restlichen 96 Prozent dieses Kuchens hin? Das zeigt die Wertschöpfungsverteilung bei Haushaltsausgaben für Nahrung und Getränke in Österreich, die das Wifo erarbeitete. Demnach landen 17 von 100 Euro in der Gastronomie und Hotellerie. Damit nicht genug: Zwölf von 100 Euro, die die Konsumenten für Lebensmittel zahlen, wandern direkt oder indirekt in Immobilien, Patente oder Markenrechte. Dort ist es oft der Handel, der die Hand ein zweites Mal aufhält und etwa über Eigenmarken oder Immobiliengeschäfte profitiert. Ohne diesen Posten gehen 14 von 100 Euro in den Groß- und Einzelhandel.

Was selbst Sinabell überraschte: „Mehr als ein Drittel, 34 Prozent, der Ausgaben für Lebensmittel landet direkt oder indirekt im Ausland.“ Dazu zählen nicht nur die Ausgaben für importierte Lebensmittel, sondern auch die Aufwendungen für Importe von Gütern, die gebraucht werden, um Nahrungsmittel in Österreich herzustellen. „Der Bogen reicht da bis hin zu Energieimporten“, erläutert Sinabell. Seite 15

Salzburger Nachrichten - Seite 1, 24. November 2025


Donnerstag, 20. November 2025

Politblase blockiert Politik

Österreichs Politik hat in diesen Tagen nur ein Thema - Harald Mahrer. Dieses Thema ist, was man "fett" und "ergiebig" nennt. Und es passt wie maßgeschneidert in den Kosmos der Politblase, die im Land die Deutungshoheit zu haben glaubt und sich gerne als Jagdgesellschaft versteht. Da ist einer, der immer schon Kanten gezeigt hat, der als arrogant empfunden wurde, zu dem man nie wirklich eine Nähe gefunden hat und der zu allem Überfluss noch der Chef einer Kammer und einer der mächtigen Männer in der ÖVP war. An so einem Mann und seinem Scheitern kann man sich wunderbar abarbeiten. Mahrers Fall ist, was die Politblase liebt, ist man doch vorzugsweise damit beschäftigt, sich gegenseitig zu beschädigen und schlecht zu machen. Da kann man alte Rechnungen begleichen und sich profilieren. Es muss gestritten und ausgeteilt werden. Das vor allem. Nach vorne schaut man freilich nie.

Bei Mahrer war alles aufgelegt. Er war von Beginn an verloren, aus eigenem Verschulden. Aber sei's drum - Mahrer ist Geschichte. Das ist wohl auch gut so.

Mit Fällen wie Mahrer wird, auch wenn es um einen bedeutenden Posten und eine bedeutende Institution im Land geht, Zeit vergeudet und werden Kapazitäten gebunden, die anderswo fehlen. Das hemmt die politische Arbeit an den tatsächlichen Problemen des Landes, wirft sie zurück und gaukelt eine Aktivität vor, die weit von dem entfernt ist, was das Land braucht. Und von dem, was sich die Leute erwarten. Zumal in einem Land, das so in den Seilen hängt wie derzeit Österreich.

Dabei ist klar, Fälle wie den Fall Mahrer darf und sollte es nicht geben. Sie sollten die politische Arbeit nicht bremsen. Dass sie es tun, ist zur Kultur geworden in diesem Land. Man versteht es, damit das p.t. Publikum zu unterhalten, man spielt sich gegenseitig die Bälle zu, man ist sich der Schlagzeilen sicher und oft auch des Beifalls von den Rängen.

Da wird zum Greifen, warum in diesem Land nichts weitergeht. Alleine die Vorwoche zeigte es. Da war nicht nur Mahrer, dessen Fall den Politbetrieb beherrschte und damit blockierte. Da waren auch so Themen wie die Juwelen Habsburgs und die unklare Antwort des Enkels des letzten Kaisers auf die Frage, ob er sich als rechtmäßiger Kaiser von Österreich sehe, oder die Auseinandersetzung um das unselige Dinghofer-Symposium im Parlament.

Das alles gilt als Politik im Land. In Wahrheit Nullthemen aus der Vergangenheit allesamt, die nicht auf der großen Bühne gelöst werden müssten, sondern auf kurzem Weg abgehandelt werden sollten. Genauso wie eigentlich auch der Rücktritt eines Kammerpräsidenten nicht große Politik sein darf, die das Land gleichsam in Geiselhaft nimmt, während die wirklichen Themen zu kurz kommen -Themen wie eine Strategie für die Industrie oder die explodierenden Ausgaben der Länder, insbesondere Wiens, und die Folgen für das Bundesbudget, die daneben in der Vorwoche fast untergegangen sind.

Da nimmt nicht wunder, dass die Politik im Ansehen der Leute regelrecht abstürzt. Der Großteil der Menschen in diesem Land fühlt sich politisch nicht mehr gehört. Die Jungen verlieren das Vertrauen in die Politik. Nur einer profitiert davon und darf sich die Hände reiben -Herbert Kickl und seine Freiheitliche Partei. Für sie war die vorige Woche wieder eine Steilvorlage. Nicht nur, weil sie sich nach dem Wöginger-Desaster schon wieder in Häme ergehen konnte, sondern auch, weil die Volkspartei insgesamt in Probleme schlitterte, die schnell an die Substanz gehen können. Und das nicht nur jener der Volkspartei, sondern auch jener der Regierung.

Der Druck auf den Bundeskanzler, nach der Phase der Beruhigung endlich Leadership zu zeigen und Ziele vorzugeben, wächst rasant. "Die Regierung fährt sich gerade im Morast fest", schreiben prominente Zeitungskommentatoren inzwischen. Und: "Die Bundesregierung muss heuer noch Pflöcke einschlagen, um nicht ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren."

Dies auch schon alleine deswegen, um einen Vergleich verstummen zu lassen, der immer öfter zu hören ist. Da und dort lästert man, "Stocker erinnert mich nicht nur wegen der Physiognomie immer öfter an Fred Sinowatz". Der war, für die Jungen unter den Lesern, in den 1980ern SP-Bundeskanzler und ging mit dem Satz "Es ist alles sehr kompliziert" in die Geschichte ein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. November 2025

Mittwoch, 12. November 2025

Wenn Bürgermeisterinnen in der Schulküche stehen

In einer Gemeinde im Oberösterreichischen, die seit Jahren finanziell mit dem Rücken zur Wand und damit unter finanzieller Kuratel des Landes steht, stand kürzlich für ein paar Tage die Bürgermeisterin höchstpersönlich mit freiwilligen Helfern in der Schulküche, weil es wegen unerwarteter Krankenstände an Personal fehlte. Dem Vernehmen nach soll sie auch schon zur Malerbürste gegriffen haben, um im Gemeindeamt einen Raum auszumalen. Aus Salzburg meldeten dieser Tage die Zeitungen Verschiebungen von Schulbauprojekten und Straßensanierungen und Kürzungen im Sport-und Kulturbereich und bei Vereinen, weil es an Geld fehlt.

Meldungen wie diese häufen sich. Das nimmt nicht wunder. Immer mehr Gemeinden im Land sind das, was man gemeinhin "völlig blank" nennt. Sie sind auf Zuschüsse der Länder angewiesen und können kaum mehr etwas planen oder gar umsetzen. "Wegen jedem Euro müssen wir in die Landeshauptstadt", heißt es dann.

Mehr als die Hälfte der Gemeinden steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Seit 2019 sind laut Agenda Austria die Einnahmen der Gemeinden um 31 Prozent gestiegen, die Ausgaben aber um 39 Prozent. Der Schuldenberg allein der Kommunen wird inzwischen mit 23 Milliarden Euro vermessen und die Prognosen schauen düster aus.

Längst fragt man auf der Suche nach Sparpotenzial in den öffentlichen Haushalten "Wozu brauchen wir so viele Gemeinden?", zumal es in Österreich immer noch 2.092 Gemeinden gibt und rund 200 davon nicht mehr als 1.000 Einwohner zählen. Für nicht wenige im Land ist klar, dass -oft neben den Bezirksverwaltungen -die Gemeindeebene die Verwaltungsebene ist, auf die man verzichten kann, seien doch ineffiziente Verwaltungsstrukturen "eine von vielen Gruben, in denen Steuergelder sinnlos versickern".

Da mag etwas dran sein. Aber selbst die schärfsten Kritiker erkennen an, dass es gerade die Gemeinden sind, die identitätsstiftend sind. Dort ist man daheim, dort fühlt man sich zugehörig, dort ist für viele der Ankerplatz im Leben. Einfach Heimat und Teil der Identität und des Selbstverständnisses auch. Daran ist oft schwer zu rütteln, zumal dann, wenn man dort geboren und groß geworden ist und gar in der Gesellschaft, im Gemeinderat, in der Pfarre, in Vereinen engagiert ist. Da hat man schnell Sorge, im Großen verloren zu gehen und unsichtbar zu werden.

Gemeinden zusammenzulegen ist daher vor allem draußen am Land politischer Sprengstoff pur. Der Graben zwischen Stadt und Land wächst, nirgendwo ist die Angst größer, dass man persönlich in den kommenden Jahren zu den Verlierern zählt. Die jüngste Eurobarometer-Befragung zeigt, dass vor allem im ländlichen Raum und in regionalen Zentren außerhalb großer Städte die Sorge am größten ist, dass sich in den kommenden Jahren der Lebensstandard verschlechtern wird. Und das nicht wegen denen in der Gemeinde, sondern wegen denen in der Stadt. Da wünscht man sich Stärkung und nicht Schwächung, als die Zusammenlegungen von Gemeinden meist empfunden werden.

Da kann man sich im wahrsten Sinn des Wortes schnell die Finger verbrennen, wenn man an dem rüttelt, was für viele eine Grundsäule des Selbstverständnisses ist. Schulden hin oder her. Vor allem Landespolitikern ist das bewusst. Landeshauptleute wie Johanna Mikl-Leitner sagen zwar "Verwaltung muss schlank, effizient und bürgernah sein", betonen aber im gleichen Atemzug "Gemeinden sind das Rückgrat unseres Landes". Ihr oberösterreichischer Kollege Thomas Stelzer bekräftigte erst am vergangenen Wochenende in der TV-Pressestunde die Forderung nach einer Neuverteilung der Einnahmen vom Bund in Richtung Länder und Gemeinden. "Es ist genug Geld da", befindet er.

Die Auseinandersetzung gewinnt an Spannung. Man müsse freilich auch "bei uns selbst" über Reformen reden, etwa was die Kooperationen zwischen Gemeinden angeht, zeigte sich erst vor Monatsfrist Gemeindebund-Chef Johannes Pressel verständnisvoll. Gleichzeitig forderte er aber verstärkte Mitsprache bei der Aufteilung der Mittel ein und sorgte mit dem Vorschlag, die Gesundheit in den Bund, dafür aber die Kinderbetreuung und Schulen zur Gänze zu den Ländern zu verschieben, für Aufsehen.

Auch wenn die Zeit drängt und für viele die Lösung klar sein mag, wird es wohl noch vieler Diskussion bedürfen. Klar ist nur, dass Bürgermeisterinnen in der Gemeindeküche und mit Malerbürste in der Hand nicht die Zukunft sein können. Auch wenn das von den Bürgerinnen und Bürgern sehr geschätzt wird.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. November 2025
 
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