Freitag, 10. Oktober 2025

Leben in der Kuckucksuhr

Ganz Österreich wartet auf den großen Schub. Nicht erst seit Wochen oder Monaten, sondern seit Jahren. Die Politik bringt ihn nicht zusammen, weil die Politiker nichts zusammenbringen. Jedenfalls nicht das, was das Land braucht. Und auch die Wirtschaft bringt ihn nicht zusammen. Weil die Politik nichts zusammenbringt. Und auch, weil es an Grundsätzlichem fehlt. An Freude an Selbstständigkeit, am Gestalten. Daran, Verantwortung zu übernehmen. Darauf, etwas aufzubauen. Darauf, sich nicht auf andere und den Staat zu verlassen, sondern auf die eigenen Fähigkeiten. Daran, dass man sich etwas zutraut und daran, dass man sein Schicksal selbst in die Hände nehmen will. Kurzum -es fehlt immer öfter an dem, was man unter Unternehmergeist versteht. Der sei abhandengekommen, meinten erst kürzlich Ökonomen, Manager und Investoren, die sich vorgenommen haben, dem nicht mehr zuzuschauen. Sie wollen das Unternehmertum, sagen sie, "in der DNA verankern", in der Kultur des Landes ist damit gemeint.

Das könnte schwierig werden. Aber das weiß man längst in diesem Land, in dem gerade alles schwierig zu sein scheint. Unternehmer zu werden, gilt hierzulande alles andere als attraktiv. Nur magere 5,4 Prozent jener Österreicherinnen und Österreicher zwischen 18 und 64 Jahren, die bisher nicht unternehmerisch tätig waren, denken daran, in den nächsten drei Jahren ein Unternehmen zu gründen. Auch wenn sie im Job als durchaus ehrgeizig und ambitioniert gelten, wie ihnen Umfragen immer wieder bescheinigen. Geringer ist die Lust, sich selbstständig zu machen, nur in Polen. Und sie ist vor allem bei Start-ups weit entfernt von Ländern wie den Niederlanden und sogar Großbritannien. Dagegen wirkt Österreich eher, als liege es in Agonie.

Dabei spielen Jungunternehmen eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, das gesamtwirtschaftliche Potenzial der Volkswirtschaft zu fördern. Würde Österreich bei der Dynamik der Unternehmensgründungen zu den Niederlanden aufschließen, könnte das bis zu 26.000 Arbeitsplätze und ein Plus von zwölf Milliarden Euro beim Bruttoinlandsprodukt bringen, hat Eco Austria errechnet.

Aber damit schaut es nicht wirklich gut aus. Viele aus der Generation Z und viele Millennials haben zwar zu tun, ihre Lebenshaltungskosten zu decken, sind aber weit davon entfernt, eine Führungsposition anzustreben oder gar ein Unternehmen zu gründen. Das will man sich dann doch nicht antun. Was nicht wunder nimmt, wenn man von der Einstellung hört, die in den Köpfen der jungen Leute dominiert. Man hält schlicht nur wenig von Unternehmen und gesteht ihnen keinen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu. Und damit nicht genug. Wenn stimmt, was die Agenda Austria ermittelte, weiß man auch gar nicht viel davon. "Die Wissenslücken in Sachen Wirtschaft sind groß", heißt es dort. Sehr groß offenbar. Beispiele gefällig? 60 Prozent halten den Staat für zuständig zu entscheiden, was im-und exportiert wird. Ebenso viele meinen die Inflation stärke die Kaufkraft und mehr als die Hälfte, dass höhere Zinsen die Staatsschulden senken würden.

Das ist starker Tobak. Und wohl eine Folge dessen, woran unsere Gesellschaft schon lange leidet. Man lebt lieber in der Kuckucksuhr. Man befasst sich gar nicht mehr damit, Verantwortung zu übernehmen, sondern hält es mehr mit der Vollkaskomentalität und lässt machen.

Dabei sind die offiziellen Zahlen gar nicht so schlecht, wie man meinen könnte. Dass es 2024 mit mehr als 36.000 gewerblichen Neugründungen einen neuen Rekord gegeben hat, klingt auch besser, als es ist. Weil davon auszugehen ist, dass mehr als 50 Prozent der Neugründungen nach fünf Jahren nicht mehr aktiv oder insolvent sind, wie die Statistik Austria einmal erhoben hat, schaut das Bild gleich nicht mehr so gut aus.

Man scheitert, woran in Österreich so viele scheitern -vor allem an der Bürokratie und an Regulierungen bei der Gründung, an Kapitalvorschriften, aber auch am nötigen Wissen. Schlechte Geschäftsplanung, Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen gelten als die wichtigsten Gründe dafür, dass über vielen jungen Unternehmungen bald der Pleitegeier kreist.

Die Hoffnung sollte man freilich nicht aufgeben. In den vergangenen Jahren wurden einige Initiativen auf den Weg gebracht. Es ist gut, dass sie das wurden. Aber wirklich gegriffen haben sie noch nicht. Nur das aber wäre das, was zählt. Leider.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Oktober 2025

Donnerstag, 2. Oktober 2025

Und wir klatschen begeistert dazu

Es gibt ja allerhand "Washings", um etwas sauber zu waschen, was nicht so sauber ist. Green-Washing ist wohl am populärsten. Es geht dabei darum, etwas zu schönen und sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen, um Image und Eindruck zu machen. Auch Health-Washing ist, wiewohl nicht ganz so bekannt, allgegenwärtig. Da werden Produkte als gesund und natürlich dargestellt obwohl sie es eigentlich kaum sind und ihre Wirkung nicht wirklich bewiesen werden kann. Dann kennt man natürlich das White-Washing, die eigentlich ursprüngliche Form und Bedeutung von Washing - da werden gerne kritische Aspekte und Dinge, die das Bild trüben könnten, einfach unter den Tisch fallen gelassen oder wortreich beschönigt, um das Image fleckenlos erscheinen zu lassen.

Und es gibt auch das Sport-Washing. In den vergangenen zwei Wochen erlebte die Welt ein besonders eindrückliches Beispiel dieser Methode, um mit großen Sportereignissen oder teuren Sponsorings von politischen Problemen, unethischem Verhalten oder gar Menschenrechtsverletzungen abzulenken und das schlechte Image aufzumöbeln. Ruanda richtete als erstes afrikanisches Land die Rad-Weltmeisterschaft aus. Aus Kalkül, wie man annehmen darf. Denn dort trifft das alles zu. Das Land wird mit harter Hand regiert. Man pflegt gute Beziehungen zu Russland und China. Und Großbritannien und die USA machte man sich zum Freund, weil man sich anbot, Migranten aufzunehmen. Und jetzt diente eben die Rad-WM als Vehikel, die Position weiter zu festigen.

Widerstand und Kritik waren überschaubar, das internationale Echo gewünscht groß. Die Welt ist inzwischen so etwas gewöhnt. Sport-Washing funktioniert besser als jedes andere Washing. Schon Adolf Hitler wusste das, als er 1936 zu den Olympischen Spielen nach Berlin lud. Putin, damals noch hofiert von ganz Österreich inklusive Karl Schranz, wusste es, als er Russland zum Gastgeber der Spiele in Sotchi machte. Und der chinesischen Führung gelang es gar innerhalb weniger Jahr sowohl die Sommer-als auch die Winterspiele zu beherbergen.

Für die Sportler und ihre Funktionäre heißt es meist Augen zu und durch. Der durchschnittliche Fan denkt sich nicht viel dabei. Wir klatschen begeistert Beifall. Und rechtfertigen damit die Strategie -zumindest aus der Sicht derer, die darauf setzen. Und am Ende bleibt immer der Glanz für die Veranstalter.

Sogar für die Scheichs in Katar, für deren Fußball-WM tausende Bau-Arbeiter ihr Leben lassen mussten. "Sie sind gestorben wie die Sklaven beim Bau der Pyramiden" schrieben Kritiker bitter, ohne Wirkung. Und seit Neymar, Ronaldo oder Benzema dem Ruf Saudi-Arabiens, dort zu kicken, nachgaben und die Formel 1 dort ihre Runden dreht, ist keine Rede mehr von der dunklen Seites des dortigen Regimes, von der strengen Justiz mit ihren archaischen Strafen oder gar von der Todesstrafe, die dort, wie übrigens in vielen anderen Ländern auch, die auf Sportwashing setzen, gang und gäbe ist und öffentlich zelebriert wird. Man bewundert die Projekte des Wüstenstaates, macht Geschäfte ohne Wenn und Aber und Reisen nach Saudi-Arabien gelten arglos als der letzte Schrei. Ein Muss für viele.

All die Millionen und Milliarden, die man da hineinsteckte, haben sich bezahlt gemacht. Und schon hat man die nächsten Ziele im Visier. Längst sind Staaten wie Saudi-Arabien dick im internationalen Sportgeschäft, Ölstaaten kaufen ganze Fußballklubs in Europa um mitzumischen, im Rennsport hat man die Finger drin, im Golf und im Tennis.

Sponsoring kennt man seit Jahrzehnten. Damit ist man vertraut. Was ist anders, wenn Staaten auftreten, fragt man. Die Grenze ist tatsächlich fließend. Geht es beim Sponsoring um Erhöhung der Verkaufszahlen und Marketing, steht beim Sport-Washing das Ziel im Vordergrund, mit Großveranstaltungen das angekratzte Image von Staaten und Regierung aufzupolieren. Das sollte man nicht vergessen.

Nicht ohne Grund wählen meist Diktatoren und Despoten diese Methode. So wie jetzt Ruanda. Und dort denkt man offenbar auch schon weiter. Was die Saudis können und die Scheichs am Golf, gefällt auch dort offenbar. In den vergangenen Jahren gelang es, den FC Bayern München, Arsenal und Paris Saint-Germain für Trikotwerbung zu gewinnen. Damit ist es seit einigen Wochen bei den Bayern zwar vorbei, den Fuß aber hat man in München dennoch in der Tür - die Bayern wollen sich weiter um die Talenteförderung im schwarzafrikanischen Land annehmen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Oktober 2025

Donnerstag, 25. September 2025

Nachhaltigkeit mit der Schubraupe

Wo sind die Zeiten geblieben? Früher wurde, zumal dann, wenn das nötige Geld vorhanden war, für Jahrzehnte gebaut, wenn nicht für Jahrhunderte. Massiv musste es sein, aushalten musste es etwas und langlebig musste es sein - kurzum das, was man heute gerne nachhaltig nennt. Freilich, heute hat man dafür außer großen Worten oft nicht sehr viel übrig dafür. Und die Worte können sehr groß sein, wie man weiß. Vor allem dann, wenn neue Bauwerke eröffnet oder in Betrieb genommen werden. "Wir übernehmen Verantwortung auf dem Weg nach morgen", heißt es da gerne, oder "Wir denken heute an morgen".

Viele reden so. Besonders gerne aber die Supermarktketten, die sich, man weiß es, meist nicht genug selbst loben können -gerade auch, wenn sie wieder irgendwo eine neue Filiale eröffnen. Draußen vor der Stadt beim Kreisverkehr, mit großen Parkflächen und oft auf dem brachem Land. Oder weil sie den Standort erneuert haben. Im Klartext bedeutet das oft nichts anderes, als dass innerhalb weniger Monate der alte Markt, der vor vielleicht gerade einmal zwanzig Jahren errichtet wurde, mit der Schubraupe mir nix, dir nix kurzerhand weggeschoben wurde, um innerhalb weniger Wochen einen neuen Markt hinzustellen. Die Presseaussendung des Händlers lobt dann das neue Bauwerk, diese Nachhaltigkeit mit der Schubraupe, wie man sie versteht, dennoch unverdrossen als "Vorzeigeprojekt in Sachen Nachhaltigkeit".

Man sieht das immer wieder. Und man wundert sich immer wieder. Und man fragt sich, wie man dazu kommt. Und man fragt sich nicht nur bei Supermarktketten, sondern auch bei Möbelhäusern, bei Geschäftszentren und ähnlichen seinerzeit schnell und billig hingestellten Bauten, die nichts wert sind und bald im Weg stehen und plötzlich wieder weg sind. Oft bleibt nicht mehr als ein Haufen Schutt.

In Linz etwa steht vor der Stadt seit mittlerweile mehr als zehn Jahren ein komplettes und riesiges Einkaufszentrum leer und wird nur rudimentär genutzt. Aber in Linz steht auch ein Rathaus, das in den 1980ern gebaut wurde und über dessen Abriss nun ernsthaft diskutiert wird. Detail am Rande -der dortige Bürgermeister residierte nie in dem Bau direkt an der Donau, sondern immer im traditionsreichen alten Rathaus auf dem Linzer Hauptplatz, dessen Wurzeln in das 17. Jahrhundert zurückgehen.

In nahezu jeder Stadt und in jedem Ort gibt es solche Bauwerke, die schnell und billig errichtet wurden, bei denen Architektur und Qualität nichts zählten, und schon gar nicht das, was man heute Nachhaltigkeit nennt. Selbst Privathäuser, seinerzeit oft noch mit eigener Hand und massiv gebaut, strahlen inzwischen oft eine Billigkeit aus, die signalisiert, als seien sie nur für Jahre, jedenfalls nicht aber für Generationen gebaut.

Für all das mag es Erklärungen geben. Und bei vielen Bauwerken muss man nachgerade froh sein, dass sie so schnell wieder abgerissen werden. Und dennoch bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit, nach dem Verbrauch von Ressourcen und von Böden. Und, um wieder auf die Supermärkte zurückzukommen, nach dem tatsächlichen Fortschritt. Die Parkflächen werden bei solchen Projekten kaum je verringert, und auch die neuen Märkte scheinen nur gebaut zu sein, um im Fall des Falles, wenn es neue Trends verlangen, wieder schnell abgerissen zu werden.

Aber es ist nicht nur das, was einem aufstößt. Es ist vor allem die Chuzpe, mit der man sich in Sachen Nachhaltigkeit wortreich zu Vorreitern erklärt und auch keine Scheu hat, das von anderen zu verlangen, obwohl die eigene Weste alles andere als sauber ist, vor allem nicht so blitzsauber, wie man das gerne hinstellt. Die Lebensmittelwirtschaft und die Bauern wissen ein Lied davon zu singen, was von ihnen alles verlangt wird. Unvergessen der Biolandwirt aus der Nachbarschaft, der am Sonntag bei heftigem Regen und eigentlich unbefahrbarem Acker Biokraut ernten musste - aus Angst, dass er von seiner ach so nachhaltigen und umweltfreundlichen Supermarktkette ausgelistet wird, wenn er für Montag nicht liefert.

Und doch sei, gleichsam zur Ehrenrettung, angeführt, dass das Thema Nachhaltigkeit bei den heimischen Supermarktketten durchaus viel Platz einnimmt und dabei auch viel vorangebracht wird. Keine Ehre aber ist -nicht nur bei ihnen -zu retten, wenn dabei zweierlei Maß angelegt wird.

Und das ist zu oft der Fall. Leider.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. September 2025

Warum Österreich bei Saatgut punktet

Das kleine Österreich feiert auf dem internationalen Saatgutmarkt beeindruckende Erfolge. Jedes fünfte Sojafeld in der EU ist heute mit Sorten aus österreichischer Züchtung bestellt.

Hans Gmeiner 

Linz. Es ist eine dieser Geschichten vom kleinen David gegen den riesigen Goliath. Obwohl vier internationale Konzerne mehr als 60 Prozent des Saatgutweltmarktes in der Hand haben, gelingt es einem Unternehmen aus der im internationalen Vergleich kleinen österreichischen Saatgutwirtschaft, zu einer internationalen Größe zu werden. Und das ausgerechnet bei Soja, einer der weltweit wichtigsten Feldfrüchte. Als vor zwanzig Jahren die Saatgutriesen das Interesse an der Züchtung von gentechnikfreiem Soja verloren, weil das in den Hauptanbauländern wie Brasilien oder den USA nicht mehr gefragt war, witterte man im kleinen Österreich die große Chance. Die gemeinsam von der Saatbau Linz und der Probstdorfer Saatzucht gegründete Saatzucht Donau sicherte das Know-how und baute in der Saatzuchtstation Reichersberg im Innviertel die Züchtung von GVO-freien Sojasorten aus.

20 Jahre später hat man 70 registrierte Sojasorten, ist Marktführer in Europa, und Saatzucht-Donau-Geschäftsführer Johann Birschitzky ist stolz darauf, dass jedes fünfte Sojafeld in der EU heute mit Sorten aus österreichischer Züchtung bestellt wird. Und nicht nur das. GVO-freies Sojasaatgut aus Österreich wird inzwischen auch in Kanada und den USA ausgesät und man verkauft den großen Saatgutkonzernen inzwischen sogar Lizenzen.

Nach einem ähnlichen Muster gelang es der Saatbau Linz, bei Saatmais zu einer Größe zu werden, die inzwischen international Anerkennung findet. „Wir haben einen Markt gefunden, der von den Großen nicht so intensiv bespielt wird“, sagt Josef Aigner, Obmann der bäuerlichen Genossenschaft, die mit mehr als 3300 Mitgliedern, 600 Mitarbeitern und 263 Mill. Euro Umsatz der größte unter den heimischen Saatgutproduzenten ist. „Bei Mais kommen viele große Züchter aus dem Süden und die orientieren sich eher an anderen Klimazonen als den nördlichen, wo unsere Stärken liegen“, sagt Aigner. „Was wir bei unseren klimatischen Verhältnissen züchten, funktioniert hingegen im Wesentlichen in den Anbauregionen rund um die Welt, die auf unseren Breitengraden liegen.“ Das sei auch der Grund für die „schönen Marktanteile“, die man in den vergangenen Jahren in Deutschland, Polen, in Großbritannien und auch in den Niederlanden erreicht habe.

Den Plafond haben die Oberösterreicher damit noch nicht erreicht. Neben Saatmais ist die Saatbau auch mit Saatgut für Getreide, Sonnenblumen und eine Reihe anderer Feldfrüchte und Gräser international im Rennen. 60 Prozent des Umsatzes macht das Unternehmen, das 1000 Sorten aus rund 160 Kulturarten im Angebot hat, inzwischen im Ausland. Derzeit werden mit 17 Tochterunternehmen in Europa, Nordamerika und Asien rund 35 Märkte rund um den Globus bearbeitet. Demnächst soll in Kasachstan, derzeit weltweit der Hotspot schlechthin in Sachen Getreide-, Mais- und Sojaanbau, die nächste Auslandsniederlassung dazukommen.

Alles ist dennoch nicht eitel Wonne. Die Herausforderungen, vor denen die heimische Saatgutwirtschaft steht, zu der insgesamt sieben Unternehmungen gehören, sind groß. Der Klimawandel verlangt neue Antworten der Züchter. Dabei geht es nicht nur um die Sicherung der Erträge, sondern auch um Resistenz gegen Trockenheit und Spätfröste und um Widerstandskraft gegen Schädlinge und Krankheiten. Wie viele andere Wirtschaftszweige auch kämpft man mit der Bürokratie und „unverständlichen Regelungen“ wie etwa der Beizung von Raps. Weil in Österreich keine Beize gegen den Erdfloh zugelassen ist, muss man das Saatgut extra ins Ausland transportieren, um es mit dort zugelassenen Produkten zu beizen. „Der Anbau dieses gebeizten Saatgutes ist dann nach EU-Regelungen in Österreich erlaubt“, sagt man kopfschüttelnd.

Über allen Herausforderungen aber steht die Frage, wie es mit den neuen Züchtungsmethoden, insbesondere mit der Genschere CRISPR/Cas, weitergeht. „Wir stehen im Wettbewerb mit den internationalen Züchtern, wir müssen uns die neuen Techniken anschauen, weil wir nichts versäumen sollten“, sagt Saatbau-Obmann Aigner. „Aber wir sind kritisch, ob das wirklich das bringen wird, was man sich erwartet.“ Mit den neuen Züchtungsmethoden könnte man Zuchtziele wie Stresstoleranz schneller erreichen, sagt Birschitzky. Für beide Vertreter der Saatgutwirtschaft ist ein Verbot der Patentierung jedoch ein Muss. Noch sind viele Fragen offen – auch die, wie man mit den Biobauern umgeht, die die neuen Züchtungsmethoden ablehnen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 25. September 2025

Donnerstag, 18. September 2025

Man hat ja nur dieses Leben

Oft mag man einfach nicht mehr. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Der erratische Trump, der eiskalte Putin, die Ukraine, die hilflose EU, jetzt auch noch die Drohnen über Polen und Rumänien und das Attentat auf den Trump-Gefolgsmann in den USA. Und zu all dem noch die ganze Israel-Hamas-Gaza-Geschichte. Es prasselt unvermindert über einen herein, jeden Tag, mittlerweile schon seit Jahren. Immer öfter ist inzwischen davon die Rede, dass wir in einer Vorkriegszeit leben. Erst dieser Tage verglich der deutsche Spiegel die heutige Zeit mit jener vor 1939. Manche Parallelen könnten einem Angst machen.

Man mag immer öfter den Fernseher gar nicht mehr einschalten, man mag nichts mehr lesen. Alles wird oft zu viel. Man ist überfordert und mag nicht mehr so viel so Kompliziertes und Komplexes, wie es einem abverlangt wird, verstehen und durchschauen müssen. Und man möchte ab und an die sorglose Leichtigkeit jener haben, denen schon immer egal war, was auf der Welt vorgeht.

Was früher gegolten hat, gilt längst nicht mehr. Alle Muster wurden auf den Kopf gestellt. Auf nichts scheint mehr Verlass zu sein, und wem man vertrauen könnte, weiß man auch nicht mehr so recht. Die Welt ist durcheinander. Schwer durcheinander und die Sorge ist groß, ob sie jemals wieder aus diesem Schlamassel herauskommen wird. Man fragt sich, wie ein Mensch wie Trump in den USA auf den Präsidentensessel kommen konnte, das zweite Mal sogar schon. Man fragt sich, wo die Demokraten sind in den Vereinigten Staaten, dass er gar so halt-und zügellos herrschen kann und ihn niemand zu bremsen vermag. Dort wo man immer so stolz war auf die Demokratie. Man hadert mit der Europäischen Union, die hilflos zwischen den Großmächten hin-und hergeschubst wird, zu nichts aus eigener Kraft fähig, sondern immer auf den Goodwill und das Verständnis anderer angewiesen ist und dabei in der Bedeutungslosigkeit unterzugehen und endgültig zum Spielball der Großmächte zu werden. Politisch und wirtschaftlich.

Immer mehr Menschen kommen nicht mehr zurecht damit. Frustriert und ohne Orientierung versinken viele in eine hilflose Wut. Ohne Zuversicht und ohne Vertrauen in die Zukunft, von der nicht zu sagen ist, wie sie sein könnte. Viele ziehen sich zurück. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass immer mehr Menschen bewusst ihren Nachrichtenkonsum einschränken. In Deutschland sollen bereits ein Drittel der Menschen Nachrichten meiden. Ganz bewusst. Die meisten Menschen machen das aus reinem Selbstschutz -und sei's drum, um sich nur ein bisschen wohler zu fühlen. Man will sich die eigene Stimmung davon nicht mehr kaputtmachen lassen und fühlt sich von der Menge der Nachrichten über Kriege und Konflikte erschöpft.

Noch geht es uns gut. Den meisten jedenfalls. Und dennoch haben inzwischen immer mehr Sympathie für die Untergangspropheten der populistischen Parteien, die ohne jede Verantwortung alles daransetzen, die fehlende Zuversicht in Stimmen für sich umzuwandeln, obwohl sie nichts zu bieten haben. Sie sind, wir wissen es, erfolgreich dabei.

Die Aufgeregtheit ist eine große. Zuweilen die Aufregung auch. "Eine Krise passt nicht in unser Selbstverständnis", sagt der Philosoph Konrad Paul Liessmann. "Wir empfinden Unberechenbarkeit nicht mehr als normale Unwägbarkeit des Lebens, die es zu akzeptieren gilt". Er bringt das damit in Zusammenhang, dass wir gewohnt sind, die Welt gefügig zu machen. Wenn das nicht möglich ist, sind viele hilflos. "In einer Krise ist dieses Prinzip außer Kraft gesetzt, das Leben erscheint uns wieder unverfügbar", sagt Liessmann in einem Interview. "Alleine eine Situation, die als unverfügbar erlebt wird, kann den modernen Menschen in eine Krise stürzen."

Und in solchen Situationen befinden sich wohl immer mehr von uns. Man will leben, man hat doch nur dieses eine Leben. Und genau das machen die politischen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten schwer und immer schwerer. Und dennoch darf man den Mut und die Zuversicht nicht verlieren. Letztere vor allem. Auch wenn es schwerfällt. In der Geschichte hat es solche Konstellationen immer gegeben.

Das ist unsere Verantwortung. Nicht nur der Gesellschaft gegenüber, auch der Familie und der unmittelbaren Umgebung gegenüber. Denn dort hat man, was man sonst oft so schmerzlich vermisst -Einfluss und Gestaltungsmöglichkeit, die Dinge zum Guten zu lenken. Dort zumindest, wenn auch nur im Rahmen des Möglichen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. September 2025

Donnerstag, 11. September 2025

Herkulische Anforderungen

Im "Sommergespräch" des ORF redet der Bundeskanzler eher beiläufig davon, dass er sich für das kommende Jahr eine Pensionsanpassung unter der Inflationsrate wünscht. Mehr brauchte er nicht. Umgehend brach der Sturm der Entrüstung übers Land. Die Senioren-und Pensionistenverbände wetterten lautstark und mächtig, "Pensionistinnen und Pensionisten dürfen nicht doppelt und dreifach belastet werden". Für den Führer der Opposition war eine Steilvorlage, was da der Kanzler in die innenpolitische Arena geworfen hat. Umgehend nutzte er es für seine Zwecke. "Damit werden genau jene bestraft, die Österreich aufgebaut haben", wusste er sofort den Nerv bei den Betroffenen zu treffen. "Schluss mit dem Verrat an unseren Pensionisten", machte er die Sache zu der seinen.

Und seither fragen sich immer mehr im Land, wie soll denn das jetzt wirklich in Zukunft gehen, in diesem Land mit den klammen Kassen, den großen Budgetlöchern und den trüben Aussichten, wenn nach jedem Vorschlag ein Sturm der Entrüstung losbricht? Die Frage ist, ob wir uns das noch leisten können. Auch wenn viel von der Aufregung, wie sich aktuell bei den Pensionisten zeigt, verständlich sein mag, wir werden wohl nicht umhinkommen, damit zurechtkommen zu müssen -mit weniger Geld aus den öffentlichen Töpfen oder zumindest damit, dass Teuerungsraten nicht automatisch abgegolten werden?

Wir haben in den vergangenen Jahren, und vor allem seit den Corona-Jahren, über unsere Verhältnisse gelebt. Koste es, was es wolle, hieß es. Und wir konnten nicht genug kriegen. Warnungen wollten wir nie hören. Und zu kurz kommen wollten wir schon gar nicht. Wann immer es ging, griffen wir mit zwei Händen zu. Wer das nicht getan hat, wurde zuweilen für dumm und ungeschickt erklärt.

Nun ist nicht mehr zu leugnen, dass uns auf den Kopf fällt, dass wir immer nur gefordert haben und uns nie mit weniger zufrieden geben wollten. Jetzt müssen wir die Suppe auslöffeln. Zurückzufinden ist für uns alle eine herkulische Aufgabe. Auch für die Politik. Neben all den Anforderungen, vor denen sie steht, um den Staat schlanker zu machen, um Geld frei zu machen.

Wir haben uns an so viel gewöhnt und empfinden so viel als selbstverständlich. In vielen Bereichen wurde uns Anspruchsdenken regelrecht anerzogen. Wenn man dir gibt, nimm -wenn man dir nimmt, schrei! Das Wort Selbstverantwortung haben viele längst aus ihrem Wortschatz gestrichen.

Es ist verständlich, dass sich viele schwer tun mit dem, was diskutiert wird. Nicht nur von den Pensionisten ist Verständnis gefordert. Auch im Sozialbereich wird man nicht um Kürzungen umhinkommen, im Gesundheitswesen nicht und auch nicht bei den Bauern und in vielen anderen Bereichen.

Es kommen unangenehme Fragen auf uns zu, die wir in den vergangenen Jahren nie aufkommen haben lassen. Viele davon werden auf die Gerechtigkeit abzielen. Schon jetzt ist in manchen Zeitungen davon zu lesen, dass die Idee, kleine Pensionen abermals stärker anzuheben, "schlichtweg ungerecht" sei. "Blanker Unfug" sei das, seien doch Pensionen keine Sozialleistungen, sondern das Ergebnis jahrelanger Einzahlungen. "Was kann nun jemand mit vierzig oder mehr Beitragsjahren dafür, dass der Staat seine Ausgaben nicht im Griff hat" und man "statt einer echten Pensionsreform nur zum Löcherstopfen" imstande ist, fragt man sich.

Es werden nicht die letzten Fragen dieser Art gewesen sein. Es werden noch mehr kommen. Sehr viel mehr, darf man annehmen. Und unangenehme auch. Von der sozialen Bedürftigkeit bis hin zur Berücksichtigung des Lebenswandels etwa. Denn was hat der eine davon, der schaut, dass er seine finanziellen Siebensachen zusammenhält und gesund zu leben versucht, während der andere alle fünf gerade sein lässt und sich auf den Staat und sein Füllhorn verlässt?

Was da auf uns zukommt, ist vielschichtig und schwierig. Und es wird darum gehen, dass vor allem jene, die wirklich Hilfe und Unterstützung brauchen, nicht mit allen über einen Kamm geschoren werden und büßen müssen dafür, dass die anderen nie genug bekommen haben.

Es werden nicht gleich schlechte Zeiten für uns anbrechen und keine Not. Aber wir müssen lernen, mit kleineren Zuwachsraten und mit weniger auszukommen. "Österreich muss kurzfristig auf ein wenig Wohlstand verzichten, um langfristig seinen Wohlstand behalten zu können", stand dieser Tage in einer Zeitung.

Das könnte eine ganz gute Leitlinie sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. September 2025

 

Freitag, 5. September 2025

Der ewige Kampf der Bauern mit der EU

Die Aufregung bei den Bauern über die Pläne zur EU-Agrarpolitik hat sich noch nicht gelegt. Nun droht mit dem Mercosur-Abkommen der nächste Schlag.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Das Verhältnis von Österreichs Landwirtschaft zur Europäischen Union war immer wieder von starken Spannungen geprägt. Derzeit kommt es aus Sicht der Bauern besonders dick. Wenige Wochen nachdem die EU-Kommission ihre Pläne für das neue Budget und die künftige Agrarpolitik vorstellte, kommt mit der Nachricht, das Mercosur-Handelsabkommen abschließen zu wollen, die nächste Hiobsbotschaft für Österreichs Agrarier.

Die Ablehnung folgte prompt. Der Mercosur-Vertrag laufe den Bestrebungen zur Absicherung der bäuerlichen Familienlandwirtschaft völlig entgegen, machte der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, seinem Ärger Luft. Am Parlamentsbeschluss, gegen das Abkommen zu stimmen, dürfe nicht gerüttelt werden.

Klar abgelehnt werden auch die Pläne für die nächste Budgetperiode. Dass die EU-Kommission behauptet, ihre Pläne für die gemeinsame Agrarpolitik in der Zeit nach 2027 würden Landwirten ein faires Einkommen und für die Verbraucher sichere und erschwingliche Lebensmittel sowie den Schutz der Umwelt bringen, sehen die Bauern völlig anders. Sie zweifeln auch die Ankündigung von einfacheren Vorschriften und Garantien für die Ernährungssicherheit und „lebendige“ ländliche Gebiete an.

Bauernvertreter und auch der zuständige Minister fahren schwere Geschütze auf. Moosbrugger nennt die EU-Kommission den „Totengräber der Landwirtschaft“, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig spricht davon, dass der Vorschlag das „österreichische Erfolgsmodell in der Landwirtschaft“ gefährde.

Verantwortlich für die Aufregung sind vor allem die geplante Kürzung der Mittel aus Brüssel und das Abgehen von der Zwei-Säulen-Struktur der Agrarpolitik, von der Österreich wie kaum ein anderes EU-Mitgliedsland profitierte, waren damit doch die Gelder für das Umweltprogramm, die Bergbauernförderung und viele andere Programme, die fast die Hälfte der Bauernförderungen ausmachen, abgesichert.

Die geplanten Änderungen haben es in der Tat in sich. Die bisher eigenständige Agrarpolitik wurde zusammen mit den Bereichen Regionalpolitik, Migration und Sicherheit in einen neuen Fonds gepackt. Für die Agrarpolitik sind dort für die Jahre 2028 bis 2034 insgesamt 302 Mrd. Euro für Direktzahlungen an die Landwirtschaft vorgesehen. Das sind rund 90 Milliarden Euro weniger als bisher. Die für Österreich so wichtige Förderung für die Umweltprogramme und die Bergbauern soll in dem Fonds aufgehen. Die Kommission will dafür künftig nur ein Minimum an Auflagen vorgeben. Alles, was darüber hinausgeht, sollen die Mitgliedsstaaten selbst bestimmen können. Deswegen schrillen nicht nur in Österreich die Alarmglocken, fürchtet man doch damit das Ende der gemeinsamen Agrarpolitik und eine Verzerrung des Wettbewerbs.

In Österreich rechnet man damit, dass für die Bauern in Zukunft rund 20 Prozent weniger an Geldern aus Brüssel zur Verfügung stehen könnten. Den Landwirten könnten damit bis zu 260 Mill. Euro fehlen, die wohl kaum aus dem ohnehin zum Zerreißen angespannten Budget ausgeglichen werden können.

Was sich für die Bauern konkret ändern soll, ist noch schwer abzusehen. Fix scheint vorerst nur, dass es eine Förderobergrenze von 100.000 Euro pro landwirtschaftlichem Betrieb und darunter eine deutliche Staffelung der Gelder nach Betriebsgröße geben soll. Vieles ist aber noch unklar und wenig konkret. Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. Es gibt aber auch zuversichtliche Stimmen. Sie gehen davon aus, dass die Kürzungen vor allem nicht bäuerliche Einrichtungen und Projekte treffen werden, die Bauern hingegen kaum.

Die Verhandlungen über die Kommissionsvorschläge, für die die Politik jetzt zwei Jahre Zeit hat, werden es wohl in sich haben. Nicht nur in Österreich, auch in anderen EU-Staaten und im EU-Parlament formiert sich Widerstand. Der Bauern- und Genossenschaftsverband Copa/Cogeca wirbt europaweit für die Unterzeichnung einer Petition gegen den Vorschlag. Da und dort gibt es warnende Stimmen vor neuen Bauernaufmärschen.

Die Aufregung ist nachvollziehbar. Die Situation der Bauern ist seit Jahren angespannt. Viele sehen für ihre Zukunft schwarz, fühlen sich überfordert. Auch in Österreich. Während es für die Rindfleisch- und Milcherzeuger seit geraumer Zeit einigermaßen passabel läuft, leiden die Schweinebauern und vor allem die Ackerbauern unter den niedrigen Preisen und hohen Kosten. Zudem kämpft man mit der Umstellung auf tierfreundliche Stallungen, mit Preisdruck, ständig neuen Auflagen, Billigimporten und mit mangelnder Wertschätzung. Nun kommen die Sorgen um die Folgen des Mercosur-Abkommens und der Zollpolitik der USA dazu. In der Branche hofft man auf Verständnis dafür, dass „Nachhaltigkeit und Eigenständigkeit in der Lebensmittelversorgung ein Auftrag für die Landwirtschaft sind“. Nachsatz: „Aber der muss auch abgegolten werden.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 5. September 2025

Donnerstag, 4. September 2025

Von "Deckeln" - und von Pharisäern

Was wurde nicht alles angekündigt, was bei der Regierungsklausur in dieser Woche Thema sein sollte. Allerhand "Bremsen" und allerhand "Deckel", um die Teuerung in den Griff zu bekommen. Manche zeigten kaum Scheu Pläne zu ventilieren, um in Märkte und Eigentum einzugreifen. Es kam viel vor, das manchen verwunderte, es kam aber eins nicht vor: es war keine Rede von einer Bremse oder gar Deckelung bei den öffentlichen Gebühren, keine Rede davon, dass die öffentliche Hand bei sich selbst spart und damit zur Dämpfung der Inflation beiträgt. Dabei lieferte just die Stadt Wien dafür einen Tag vor Beginn der Klausur ein eindrückliches Beispiel mit der Ankündigung, die Preise für Öffi-Tickets und fürs Parken um bis zu 30 Prozent und zum Drüberstreuen auch die Tourismusabgabe kräftig anzuheben. Just das rote Wien. Dort, wo die regieren, die sonst am liebsten sofort eingreifen würden, wenn ihnen irgendwo etwas zu teuer ist.

Aber das passt zum arglosen Umgang der öffentlichen Hand mit der Teuerung. Auch der Strom wurde um mehr als dreißig Prozent teurer. Dabei lernte man doch seinerzeit, dass die Energieversorgung in der öffentlichen Hand bleiben müsse, um nicht schutzlos den doch oft ach so bösen Märkten ausgeliefert zu sein. Nun, man weiß inzwischen, dass der Hase anders läuft, dass die Gesellschaften, die zumeist im Eigentum der Länder und auch des Bundes stehen, das anders sehen und dass die Landeshauptleute gerne die Hände in Unschuld waschen. Dabei ist der Anteil der nach dem Wegfall der Strompreisbremse gestiegenen Strompreise an der Inflation ungefähr genauso hoch wie der, der der viel gescholtenen Hotellerie und Gastronomie zugeschrieben wird.

Anders als beim Strom mag es beim Einfluss der öffentlichen Gebühren auf die Teuerung insgesamt um deutlich weniger gehen. Allein, aber nicht nur der Symbolik wegen, wäre es angebracht gewesen, auch dieses Thema auf die Tagesordnung der Regierungsklausur zu nehmen.

Denn was die öffentlichen Stellen den Bürgerinnen und Bürgern gerade in den vergangenen Monaten abverlangt haben, war nicht nur in Wien und nicht nur wegen der aktuellen Ankündigungen nicht nichts. Alleine im Juli betrug der Preisanstieg der Gebühren, die von den Verwaltungseinrichtungen eingehoben wurden, nicht weniger als 74 Prozent, ermittelte die Statistik Austria.

Da verwundern Schlagzeilen wie "Staat heizt Teuerung zusätzlich an" nicht, die in den vergangenen Wochen immer öfter zu sehen waren. Die Gebühren für Reisepässe, Personalausweise und für den Führerschein wurden kräftig angehoben. Und wer dem entkommen ist, hat in diesen Wochen und Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit mit kräftigen Erhöhungen der Wasser-, Abwasseroder Müllgebühren zu kämpfen.

Vielen Kommunen mag man zugutehalten, dass sie rund um und nach Corona lange zuwarteten mit Erhöhungen. Dass aber nichts davon zu hören ist, dass man einsparen will, ist dennoch auffällig. Laut Agenda Austria legten die Einnahmen seit 2019 um 31,3 Prozent zu, um knapp sechs Prozent über der Inflationsrate in diesem Zeitraum. Die Ausgaben wuchsen gar um 38,6 Prozent und damit um 13 Prozent mehr als die Inflationsrate. Und tief blicken lässt auch ein Satz aus einer Analyse des Wirtschafts-Think-Tanks: "Seit 2008 sind fast 22.000 Vollzeitposten hinzugekommen, das ist ein Anstieg um fast ein Fünftel." Vor allem beim Wiener Rathaus, wo der Anstieg kein Ende zu nehmen scheint, spart man nicht mit Häme: "Haben sie denn heute mehr Aufgaben zu erfüllen als vor 15 Jahren?"

Am Potenzial kann es kaum liegen, dass man nichts zur Verringerung der Teuerung beitragen kann. Das alleine zeigt schon ein Vergleich der Müllgebühren, den die Stadt Wien anstellte. Warum kommt Salzburg mit einem Drittel der Gebühren für den Restmüll aus und Wien mit knapp der Hälfte dessen, was den Einwohnern St. Pöltens abgeknüpft wird. Und warum machen die Kanalgebühren in Bregenz für einen 2-Personen-Haushalt nur 157 Euro aus, in Wien 236 Euro, in Klagenfurt aber 418 Euro?

Und wenn von der öffentlichen Hand die Rede ist, sollte man auch von den Sozialpartnern reden. Gerade von jenem, bei dem gerne "Deckel" gefordert werden und bei dem man sich besonders laut Sorgen um Preise macht. Die Arbeiterkammer lukrierte im Vorjahr aus der Arbeiterkammer-Umlage mit insgesamt 653 Millionen um 7,4 Prozent oder 45 Mio. Euro mehr als im Jahr zuvor. Ach ja -und die Personalkosten legten um zehn Prozent zu.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. September 2025

Donnerstag, 28. August 2025

Freiheitliches Treiben

Die Rating-Agentur Moody 's hat Österreich heruntergestuft. Von "stabil" auf "negativ". Als Gründe wurden die anhaltende und erhebliche Schwächung der Finanzkraft Österreichs genannt. Es sei von einer steigenden Staatsverschuldung auszugehen, zudem könnten die alterungsbedingten Ausgaben und Zinskosten höher ausfallen als erwartet.

Das Echo im Land war bescheiden, die Meldungen in den Medien klein. Und von der Politik war gleich gar nichts zu hören. Man hatte anderes zu tun. Wie immer möchte man sagen. Die Anwendung der Scharia bei einem Vertrag regte auf, obwohl das in der Rechtswelt immer eine Möglichkeit war, die ganz normal war. Aufgeregtheit allerorten von den Freiheitlichen bis zur Kanzleramtsministerin. Reflexartig und ohne sich lange um Sachlichkeit zu kümmern. Man glaubte, was man immer glaubt -Empörung zu zeigen zieht.

Man hält das für Politik. Genauso wie man für Politik hält, wenn man eine Umfrage hinausposaunt, der zufolge angeblich 59 Prozent der Österreicher für ein "ausländerfreies Schwimmbad" sind, oder zum Skandal macht, wenn der Vizekanzler zum Abschied seines Vorgängers im Amt zu einem Buffet lädt, das angeblich 2.000 Euro gekostet hat. Oder wenn man versucht, mit dem Slogan "Unsere Kinder geben wir nicht" Panik zu schüren, dass österreichische Soldaten in der Ukraine zum Einsatz kommen könnten. Das passt zu einem Verständnis, dass 827 parlamentarische Anfragen zur Covid-Zeit oder tausende Fragen zu Geldflüssen an Ministerien als Politik gelten.

All solche Themen, auch, dass ÖVP-Klubobmann Wöginger nun doch vor den Richter muss, mögen wichtig sein, aber warum können sie so viel Platz einnehmen und warum wird ihnen so viel Platz gegeben in einer Zeit, wo das Land viel größere Probleme plagen? Warum können sie nicht geordnet, wie es vorgesehen ist, abgearbeitet werden, um frei zu sein für die wirklichen Themen, bei denen es ums Fortkommen geht, um die Zukunft? Bei der Teuerung, bei den Energiekosten, bei Wirtschaft und Industrie, im Gesundheitswesen, bei den Pensionen oder bei staatspolitischen Themen wie der Neutralität.

Ein "Kraut-und Rüben-Untersuchungsausschuss", wie die FPÖ einen wollte, um mit Pilnacek und Covid ein Dauerthema zu schaffen, hilft da nicht. Und auch kein Badeverbot für Ausländer, kein Kopftuchverbot und auch kein loses Gerede von einer Festung Europa. Das alles frisst nur unnötig politische Energie und Kapazitäten, blockiert und bindet politische Lösungskraft, die angesichts der Probleme, die das Land hat, dringend gefordert ist. Abbeißen kann man sich davon nichts, kaufen auch nicht und billiger wird schon gar nichts davon.

Österreichs Politik bewegt sich vornehmlich auf Nebengleisen. Dass das so ist, daran hat die Freiheitliche Partei einen großen Anteil. Sie hat sich darauf verlegt, Empörung zu erzeugen und zu kanalisieren, um davon zu leben. Und das, ohne irgendwelche Lösungen zu bieten, ohne Kompromissbereitschaft zu zeigen und ohne Willen zu irgendeiner Zusammenarbeit. Was mit Jörg Haider begann, hat Kickl in den vergangenen Jahren perfektioniert. Eines der Probleme Österreichs ist, dass sich die anderen Parteien davon anstecken und sich in einen ziel-wie erfolglosen Populismus verstricken haben lassen. Und man fragt sich, warum das geschehen konnte.

"Kinder, wir haben zu tun!", möchte man hie und da den Akteuren zurufen. Die Inflation plagt und die Energiekosten auch, Wirtschaft und Industrie klagen und das Gesundheitswesen zerbröselt, ganz abgesehen davon, dass wir in Europa zu den Hinterbänklern gehören. Wir, die einstige Insel der Seligen.

Schmerzlich vermisst man Macher in der Politik. Leute, die ihren Weg gehen und Leute, die sich nicht rausbringen und die sich nicht treiben lassen. Sie sind selten geworden in der Politik, für die sich kaum mehr wer hergeben will. Und gibt es einmal dennoch welche, die man für Macher hält und denen man zutraut, sich durchzusetzen, kommen sie schnell in Gefahr und straucheln wie etwa Sepp Schellhorn.

Es fehlt an einer klaren Politik im Land und auch an Machern, die ihren Weg gehen -freilich auch die nötige Unterstützung von der Öffentlichkeit und von den Medien. Die ist viel zu selten zu finden, lechzen doch alle viel zu sehr nach Sensationen.

Das ist Kultur geworden im Land. Leider. Über die wirklichen Probleme will man lieber nicht reden. Nirgends. Weil man Konflikte vermeiden will. Weil man zu feig ist. Aber auch, das muss auch gesagt sein, weil man keine wirklichen Ideen hat oder nicht das nötige Rückgrat.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 28. August 2025

Donnerstag, 14. August 2025

Trugbilder allerorten

Es ist Sommer. Es ist Urlaubszeit. Es ist Österreichs Zeit. Eigentlich. Aber das Glück hält sich in Grenzen. Das Wetter im Juli vergällte vielen die Freude über die Zeit, die vielen als die schönste im Jahr gilt. Den Urlaubern vor allem, aber auch denen, die davon leben. "Wechselhaft" fällt die Bilanz der ersten Halbzeit dieses Sommers auch für den Tourismus aus. Man hoffe nun auf einen Goldenen Herbst, heißt es und würde es großes Glück nennen, wenn man das Vorjahresergebnis halten könnte.

Das alles verwundert nicht nur wegen des Wetters nicht. Die Preise in der Hotellerie und Gastronomie sind in den vergangenen Jahren in die Höhe geschossen. Man kennt die Diskussion - die Kosten sind es, die davonlaufen. Für die Löhne, für die Lebensmittel, für die Energie.

Wiewohl - ist das immer die passende Erklärung? Wer aus Italien heimkommt, wird nicht müde die Geschichten von den Cappuccini und Espressi zu erzählen, die nur einen Bruchteil von dem kosten, was man hierzulande auf den Tisch legen muss dafür. Man schwärmt von den günstigen Mahlzeiten und den leistbaren Hotelzimmern. Und man wundert sich. Die sind doch auch bei der EU, warum geht dort, was bei uns nicht geht, fragt man sich, zunehmend mit mürrischem Unterton.

Es ist aber nicht alleine das. Auch hierzulande sind die Preisunterschiede oft extrem groß. So groß, dass den potenziellen Gästen oft die Lust vergeht. Zum einen, weil sie nicht nachvollziehen können, warum das so ist. Und zum anderen, weil sie sich nicht selten über den Tisch gezogen fühlen. Neulich machte im Freundeskreis das Foto einer Speisekarte aus dem Mühlviertel die Runde. "Wiener Schnitzel vom Schwein mit Pommes oder Reis und Kartoffeln - € 8,90" und viele ähnlich günstige Angebote waren da aufgeführt. Wirtshauspreise wie früher. "Sachen gibts" stand unter dem Bild und "Sehr gut war's".

Wie geht das und warum geht das? Es soll hier nicht um die gehen, die Tolles anbieten und großartige Arbeit leisten. Es soll vielmehr um die Trittbrettfahrer gehen, die, die es sich einfach machen und die wenig Skrupel haben, den Gästen einfach das Geld aus den Taschen zu ziehen. Von denen mag keiner reden, obwohl es immer noch viel zu viele davon gibt und die auch dem Ruf des Urlaubslandes Österreich schaden.

Der Groll und die Unzufriedenheit verwundern dann nicht, wenn man ein teures Schnitzel auf dem Teller liegen hat, dessen Panier in der Marinade des Salats schwimmt, der am selben Teller von einem mürrischen Kellner auf den Tisch geklatscht wurde - und für das man weit mehr als das Doppelte des Preises für das Schnitzel im Mühlviertel bezahlen soll.

Denn die Gastronomie -und auch die Hotellerie -haben nicht nur ein Problem mit den Kosten und den Preisen. Sie haben oft auch eines mit der Qualität und mit der Freundlichkeit, die entweder nicht vorhanden oder oft nur picksüß und gespielt ist. Was man hierzulande aufgetischt bekommt, entspricht viel zu oft immer noch nicht den heutigen Standards. Und schon gar nicht dem, was man verspricht. Nicht beim Essen. Und auch nicht bei den Zimmern. "Ostblockcharme" bescheinigte kürzlich der Chefredakteur eines Wochenmagazins einer Hotel-Unterkunft am Attersee und befand es, gnädiger als von ihm gewohnt, als "fast schon wieder cool um 220 Euro das Doppelzimmer". Es ist, jeder weiß es, wohl nur eines von ganz vielen Zimmer, die es in dieser Art, dieser Zumutung und dieser Anmaßung immer noch gibt in Österreich.

Gastronomie und Hotellerie sind freilich nicht die einzigen Bereiche, wo Österreich aufpassen muss, nicht Fehleinschätzungen und Selbstbetrug aufzusitzen. Der Bogen reicht von mauen Freizeitangeboten in den Urlaubsregionen bis zur schlechten Ausschilderung von Wander-und Radwegen.

Und dann ist da noch das Thema, das man oft schon gar nicht wahrhaben will. "Warum ist Österreich so schiach?" fragte kürzlich sogar die noble "Presse" ganz derb und traf damit einen Punkt, den viele in diesem Land gar nicht sehen wollen. Österreich hat fraglos wunderbare Landschaften und schöne Orte und Städte. Aber die Hässlichkeiten, die man diesen Landschaften und Orten antut, sind immer öfter kaum mehr zu übersehen. Da bleibt oft nur mehr wenig zu erkennen von den Bilderbuchbildern aus den Hochglanzmagazinen und Instagrampostings, wenn man vor Ort ist. Viele zu oft sind da nur geschundene Landschaften, Ortschaften und Städte, die ihr Herz und ihre Herzlichkeit längst verloren haben - und zum Trugbild geworden sind.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. August 2025

Mittwoch, 13. August 2025

Ungleicher Kampf um Platz im Gemüseregal

Strenge Auflagen beim Pflanzenschutz, hohe Lohnkosten und Ware aus Billiglohnländern machen Gemüse- und Obstbauern zu schaffen.

Hans Gmeiner

Fraham, Linz. Die Ackerbauern klagen schon lange über fehlende Pflanzenschutzmittel. Bei vielen Mitteln ist die Zulassung ausgelaufen, Neuzulassungen von Wirkstoffen gibt es praktisch kaum mehr. Der Anbau von Zuckerrüben und von Raps leidet besonders darunter. Die Anbauflächen haben sich halbiert, weil man mit den Schädlingen nicht mehr zurande kommt.

Den Gemüsebauern geht es mit dem Pflanzenschutz nicht anders. Es gibt mittlerweile keinen Bierrettich mehr in Österreich, und auch bei den Radieschen gibt es wegen der zerfressenen Blätter Probleme. Der Kartoffelbau steht unter Druck. Und wegen der hohen Lohnkosten in Österreich und Auflagen leidet der Anbau von Gurken und Gurkerln, Kraut und anderen handarbeitsintensiven Gemüsearten.

Diese Probleme brennen Bauern schon länger unter den Nägeln. Vor allem die jungen Bäuerinnen und Bauern hadern damit, fürchten sie doch um ihre Zukunftschancen. „Es fehlen uns zunehmend die Möglichkeiten, die Produktion aufrechtzuerhalten“, sagt Mathias Ecker, Gemüsebauer im Eferdinger Becken und oberster Bauernvertreter bei Efko, dem größten heimischen Sauergemüseerzeuger. „Das ist keine Jammerei, sondern mittlerweile bittere Realität“, viele Bauern seien verunsichert. Ins gleiche Horn stößt die Jungbauern-Vertreterin Viktoria Hutter aus Niederösterreich: „In Österreich werden immer mehr Pflanzenschutzmittel verboten, ohne dass praxistaugliche Alternativen bereitgestellt werden.“

Sie sind es leid, zusehen zu müssen, wie in anderen EU-Ländern die Gesetze weniger streng ausgelegt werden als in Österreich, gar nicht zu reden von den Produktions- und Sozialstandards in Ländern wie der Türkei oder in Indien, gegen deren Produkte sich heimische Ware in den Regalen behaupten muss. Typisch dafür ist die Geschichte des heimischen Essiggurkerls. Sind früher 80 bis 90 Prozent der Gurkerl aus Österreich gekommen, so sind es nach Angaben von Efko-Chef Thomas Krahofer heute gerade einmal 45 bis 50 Prozent. „Vor allem bei den Eigenmarken des Handels wird zunehmend auf Importware aus Indien und der Türkei zurückgegriffen.“ Aber der Gemüseverarbeiter hat auch mit den hierzulande höheren Lohnkosten zu kämpfen. „Wenn ein Erntehelfer 2000 Euro brutto bekommt, dann kostet das in Deutschland einen Betrieb 2400 Euro, bei uns aber 2700 Euro.“ Das führe dazu, dass die Produktion in manchen Bereichen stetig zurückgehe, beklagen Ecker und Hutter. So ging in den vergangenen 15 Jahren der Selbstversorgungsgrad bei Getreide von 92 auf 88 Prozent zurück. Bei Obst sank er von 52 auf 45 Prozent, und bei Gemüse von 61 auf 58 Prozent.

„Noch sind wir daran gewöhnt, dass die Regale unserer Lebensmittelgeschäfte gut gefüllt sind mit österreichischen Lebensmitteln“, sagt Robert Pichler von „Wirtschaften am Land“, einem Verein aus dem Umfeld des ÖVP-Bauernbunds. Gerade die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher auf die Bauern verlassen können. Aber das könnte sich ändern. Noch sei die Versorgungssicherheit hoch, die Covid-Krise und der Ukraine-Krieg hätten aber bewusst gemacht, dass das nicht selbstverständlich sei.

Bei der Politik finden die Bauern offenbar wenig Gehör. Und das, obwohl im Landwirtschaftsministerium seit den 1990er-Jahren durchgehend ein vom ÖVP-Bauernbund gestellter Minister die Hebel in der Hand hatte und auch die Agrarressorts in den Bundesländern bis auf wenige Ausnahmen durchwegs in Händen der Bauern waren. Die Erklärungen dafür wirken eher dünn. Man verweist auf Brüssel und die EU sowie darauf, dass bei Themen wie Tierschutz das Gesundheitsministerium und für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Wirtschaftsminister zuständig sind. Und dass andere EU-Länder mit den Vorschriften salopper umgehen, während man in Österreich der Bravste der Braven sein wolle.

Salzburger Nachrichten, 13. August - Seite 1/Wirtschaft

Donnerstag, 31. Juli 2025

Einfach nur wundern

Man kann es abtun als Ausreißer, man kann auch sagen die Wahlen sind weit weg und auch, dass es ja andere Umfragen auch gibt. Faktum ist -auch die neue Regierung, immerhin auch schon wieder fast fünf Monate im Amt, schafft es nicht die FPÖ in den Griff zu kriegen. Ganz im Gegenteil. Laut der aktuellen Sonntagsfrage kommt die Partei von Herbert Kickl auf beinahe so viele Prozent wie die SPÖ und die ÖVP zusammen. 34 Prozent für die FPÖ vermeldete dieser Tage das Online-Boulevardmagazin Exxpress, das erst jüngst mit staatlichen Förderungsgeldern für Qualitätsjournalismus ausgestattet wurde.

34 Prozent sind nicht wenig und deutlich mehr als die FPÖ bei den letzten Wahlen erringen konnte. Für die großen Regierungsparteien hingegen geht's weiter bergab. Für die Volkspartei sogar ziemlich steil. Um 4,32 Prozent liegen die Türkisen laut APA-Wahltrend unter dem Wahlergebnis vom vergangenen Herbst. Dagegen nehmen sich die minus 1,2 Prozent der SPÖ mit ihrem so viel gescholtenen Vorsitzenden nachgerade harmlos aus, gar nicht zu reden von den NEOS, die laut APA sogar mit 1,4 Prozent im Plus liegen.

Diese Umfrageergebnisse mögen mit vielem zu tun haben, sie haben wohl aber auch damit zu tun, dass die ÖVP dabei ist, wieder in alte Bahnen zu geraten. Allem Stocker zum Trotz, der sie, das muss man ihm lassen, in ruhigere Gewässer geführt hat und der heimischen Politik die Aufgeregtheit genommen hat. In seiner Partei macht sich aber wieder diese Bräsigkeit breit, die von einer zur Schau getragenen Überlegenheit geprägt ist, die wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat, die schon in den vergangenen Jahren so viele Stimmen gekostet hat.

Da nimmt nicht wunder, dass den Herrschaften die Politik schon wieder um die Ohren zu fliegen beginnt. Vor allem auch, weil man immer wieder von der eigenen, bekanntermaßen nicht immer so tollen Politik der vergangenen Jahre eingeholt wird, weil sich vollmundige Versprechen allzu oft als hohl erweisen oder weil man schlicht vergisst, dass es die eigene Wählerschaft ist, auf die man da losgeht.

Die Diskussion um die Teilzeitbeschäftigung ist typisch dafür. Sie wurde vom Wirtschaftsminister dort angezettelt, wo man sie immer verortete -bei den Frauen. Das verwunderte schon, ist doch seine Partei jene, in der am längsten die Nase darüber gerümpft wurde, dass Frauen überhaupt einer Arbeit nachgehen. Inzwischen ist die Diskussion längst bei der übergebührlichen steuerlichen Belastung gelandet, die vielen die Lust an der Arbeit verleidet, weil ihnen der Finanzminister so tief in die Taschen greift, dass sie lieber daheimbleiben. Und gar nicht zu reden davon, dass sehr viele Unternehmen derzeit gar nicht so viel Arbeit haben, dass sie ihre Mitarbeiter voll beschäftigen könnten. Und dass es so ist, hat maßgeblich die Partei des Wirtschaftsministers zu verantworten, der jetzt den Eindruck erwecken will, er habe das Thema entdeckt -obwohl seine Partei zu den Verursachern zählt.

Im aufgehenden Sommerloch liefern die Türkisen mehrere Beispiele wie dieses, die die eigenen Wähler eher ratlos, wenn nicht gar verärgert zurücklassen. Da nennt etwa der Landwirtschaftsminister die Vorschläge zur künftigen EU-Agrarpolitik eine "zentrale Gefahr für die österreichische Landwirtschaft", ganz so, als ob er vor Jahresfrist vor den Europawahlen nicht durch die Lande gezogen ist, um just für jene Fraktion zu werben, deren Politik und deren Personalentscheidungen den Bauern nun diese trüben Aussichten eingebrockt hat. Gelernt hat man freilich nichts. Denn jetzt heißt es schon wieder "jetzt zeigt sich einmal mehr, wie bedeutend eine starke Vertretung der österreichischen Bauernschaft in Brüssel ist". Dreimal darf man raten, was man sich in der Bauernschaft, immerhin allem zum Trotz Stammwähler der Türkisen, darob denkt. Wundern darüber sollte man sich freilich nicht.

Und wundern sollte man sich auch nicht über die junge Bundesministerin im Bundeskanzleramt, die in Kopftüchern bei Kindern einen Ausdruck "extremistischer Tendenzen" sieht. Dabei möchte man wetten, dass sie in ihrer Mühlviertler Heimat, wo diese Art von Kopfbedeckung bei Frauen, zumal bei solchen, die zur Stammwählerschaft der Türkisen zählen, immer noch verbreitet ist, als Kind auch oft ein Kopftuch getragen hat.

Wie gesagt - man soll sich wundern. Und vielleicht auch fragen, ob es den Türkisen auf diese Art gelingt, wieder Boden unter die Füße zu kriegen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 31. Juli 2025

Dienstag, 29. Juli 2025

„Man kann’s auch übertreiben und den Wohlstand gefährden“

Zu teuer? Der Landmaschinen- Hersteller Pöttinger legt Expansionspläne in Österreich auf Eis.

Hans Gmeiner

Wegen der hohen Kosten in Österreich rechnen sich die Pläne nicht mehr, sagt Gregor Dietachmayr, Sprecher der Geschäftsführung des oberösterreichischen Familienunternehmens Pöttinger, das besonders in Grünlandtechnik auch international zu den Großen der Branche zählt.

SN: Pöttinger bekam die Krise im Vorjahr heftig zu spüren. Nach guten Jahren fiel der Umsatz um 20 Prozent. Im vergangenen Winter haben Sie von leisen positiven Signalen gesprochen. Was ist daraus geworden? 

Gregor Dietachmayr: Diese positiven Signale haben sich leider nicht fortgesetzt. Bei den Geräten für die Grünlandwirtschaft sind wir zwar stabil, bei den Geräten für den Ackerbau, auf die 35 Prozent unseres Umsatzes entfallen, spüren wir die sinkenden Preise für Feldfrüchte und die schwierige Ertragslage der Landwirte in diesem Bereich. Die Preise sinken dort, während die Kosten steigen. Weltweit lässt in diesem Bereich die Investitionsbereitschaft zu wünschen übrig.

Die USA gelten als Markt mit großem Potenzial. Wie erleben Sie die USA unter Trump? 

Wir haben in den USA vor zwei Jahren 40 Millionen Euro Umsatz gemacht. Aufgrund der aktuellen Situation hat sich dieser Umsatz halbiert. Das hat mit der schlechten Lage der US-Landwirtschaft begonnen und jetzt kam die Zollthematik dazu. Wir haben nun 15 statt zuletzt zehn Prozent auf all unsere Produkte. Und wir sind auch von den 50-prozentigen Zöllen auf Stahl betroffen, weil die auch auf Maschinen für den Ackerbau aufgeschlagen werden.

Pöttinger ist immer noch in der Ukraine und auch in Russland auf dem Markt. 

Das sind kleine Märkte. In der Ukraine haben wir 50 Beschäftigte. Die leisten großartige Arbeit und zählen zu den Gewinnern des Wirtschaftsjahrs. In Russland sind wir noch aktiv, aber deutlich reduziert, beeinträchtigt von Sanktionen und beschränkten Möglichkeiten im Kapitalverkehr. Aber da ging es nie um große Umsatzzahlen.

In Deutschland gab es Sorgen wegen der Schwierigkeiten der BayWa, des größten Kunden dort. 

Die haben uns schon ein paar schlaflose Nächte bereitet. Aber das geht jetzt wieder in die richtige Richtung. Die Zahlen stimmen.Was heißt das alles für das aktuelle Geschäftsjahr, das mit Ende Juli endet? Wir hatten von Jänner bis Mai deutlich höhere Auftragseingänge als im Vorjahr, das ist aber im Juni und Juli wieder abgerissen. Erhofften wir im Frühling noch ein leichtes Plus, so gehen wir jetzt von einem Minus im einstelligen Prozentbereich aus.

Im Vorjahr meldeten Sie im Sommer 200 Mitarbeiter beim Arbeitsmarktservice an. 

Heuer sind es deutlich weniger. Zudem schöpfen wir wieder alle Möglichkeiten wie konsequenten Urlaubsabbau und Abbau der Zeitkonten aus. Zudem haben wir die Zahl der Zeitarbeitskräfte reduziert.

Weltweit leidet die Landmaschinenindustrie. 

Alle stecken in einer Absatzkrise, die ihre Wurzeln in den Marktverwerfungen als Folge der Coronakrise und des Ukrainekriegs hat. Zuletzt kamen die Zinsen und die Inflation dazu. Die Produkte wurden immer teurer, der Absatz begann zu stocken. Dazu gab es noch Sonderfaktoren wie die Investförderung in Österreich, die viele landwirtschaftliche Betriebe zu Vorziehkäufen veranlasste. Das alles mündete dann sehr schnell in die Situation, mit der wir derzeit alle zurechtkommen müssen.

Wie reagiert man da als Unternehmen? 

Ist das so wie Fahren im Nebel? Nein, im Nebel fährt man nicht, aber man muss heute extrem unterschiedliche Szenarien entwickeln. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist eine ganz andere als vor fünf oder zehn Jahren. Es wird zunehmend weniger planbar. Wer kann mir heute sagen, was in drei oder fünf Jahren ist? 

Kommen wir zur Wirtschaftspolitik und zum Standort Österreich. Wo sehen Sie das Problem?

Vielleicht einmal vorweggeschickt: Es ist mir ein großes Anliegen festzuhalten, dass es uns Österreicherinnen und Österreichern gut geht. Das ist unbestritten und wichtig. Aber man kann’s halt auch übertreiben und man kann den Wohlstand auch gefährden. Und das ist meiner Ansicht nach in den letzten Jahren in Österreich schon passiert. Wir lassen es uns unter Anführungszeichen zu gut gehen. 

Können Sie da konkreter werden? 

Natürlich. Wir haben uns die vergangenen vier Jahre in Europa unter die Top 3, was die Arbeitskosten anlangt, hinentwickelt. Da ist ja bei den Lohn- und Gehaltsabschlüssen immer die Benya-Formel, nach der sich die Lohnabschlüsse an der Inflationsrate orientieren sollen, strapaziert worden. Die Abschlüsse liegen aber seit Jahren darüber. Es muss uns auch bewusst sein, dass wir uns mittel- und langfristig dadurch selber schaden, da gehört mit Augenmaß agiert.

Sie vermissen Augenmaß? 

Genau. Und ich meine, es ist zwar Illusion oder Wunschvorstellung, dass man einen Staat führt wie ein Unternehmen, aber es wäre manchmal gut. 

Ist Österreich als Wirtschaftsstandort uninteressant geworden? 

Wir haben jedenfalls an Attraktivität ganz massiv verloren. Wir gegenüber dem restlichen Europa und wir erst recht gegenüber der restlichen Welt. Nichts einzuwenden dagegen, dass Europa in Sachen Umwelt Vorbild sein soll, aber es ist Faktum, dass die Energiekosten für die industrielle Fertigung in Europa drei Mal so hoch sind wie in den USA. Da muss man schauen, dass man das kompensiert, dass wir besser sind, dass wir effizienter sind und so weiter und so fort. Aber man kann’s auch übertreiben. Und in Österreich haben wir sicher übertrieben. Am Ende, wenn uns nicht schnell was einfällt, wird Produktion abwandern. Das tut sie schon allein, wenn keine Investitionsentscheidungen mehr in Österreich getroffen werden.

Auch Pöttinger hatte andere Pläne, als man in der Nähe des derzeitigen Standorts Projekte entwickelte. 

Ja, wir haben in der Nähe unseres Standorts Grieskirchen begonnen, ein Werk zu errichten, aber jetzt nach der zweiten von insgesamt fünf geplanten Ausbaustufen vorerst einmal Stopp gesagt, weil sich für uns aktuell nicht abzeichnet, dass wir an dem Standort konkurrenzfähig sind. Wenn wir jetzt Investitionsentscheidungen treffen müssten, gäbe es andere Standorte, die wir vorher prüfen, als weiter in Österreich zu investieren.

Und wie sehen Sie die Zukunft von Pöttinger? 

Die Herausforderung für die Zukunft ist neben den Märkten die Technik. Entwickeln wir unsere Maschinenkonzepte in Richtung Großfläche weiter? Oder sind der technologische Treiber für uns eher autonome, also selbst fahrende Systeme, die mit geringeren Arbeitsbreiten auskommen und den großen Vorteil haben, dass sie Tag und Nacht fahren und deswegen zu ihrer Schlagkraft kommen? Vor allem geht es uns darum, weiterhin einen Teil dazu beizutragen, die Landwirtschaft mit unseren Produkten zu unterstützen und damit die Ernährung der Weltbevölkerung abzusichern.

Gregor Dietachmayr ist Sprecher der Geschäftsführung des Landmaschinenherstellers Pöttinger. Das Familienunternehmen aus Grieskirchen (OÖ) mit Produktionen in Deutschland, Tschechien und Italien ist rund um den Globus tätig und erzielt mit 2200 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 500 Mill. Euro.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 29. Juli 2025
 
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