Donnerstag, 25. September 2025

Nachhaltigkeit mit der Schubraupe

Wo sind die Zeiten geblieben? Früher wurde, zumal dann, wenn das nötige Geld vorhanden war, für Jahrzehnte gebaut, wenn nicht für Jahrhunderte. Massiv musste es sein, aushalten musste es etwas und langlebig musste es sein - kurzum das, was man heute gerne nachhaltig nennt. Freilich, heute hat man dafür außer großen Worten oft nicht sehr viel übrig dafür. Und die Worte können sehr groß sein, wie man weiß. Vor allem dann, wenn neue Bauwerke eröffnet oder in Betrieb genommen werden. "Wir übernehmen Verantwortung auf dem Weg nach morgen", heißt es da gerne, oder "Wir denken heute an morgen".

Viele reden so. Besonders gerne aber die Supermarktketten, die sich, man weiß es, meist nicht genug selbst loben können -gerade auch, wenn sie wieder irgendwo eine neue Filiale eröffnen. Draußen vor der Stadt beim Kreisverkehr, mit großen Parkflächen und oft auf dem brachem Land. Oder weil sie den Standort erneuert haben. Im Klartext bedeutet das oft nichts anderes, als dass innerhalb weniger Monate der alte Markt, der vor vielleicht gerade einmal zwanzig Jahren errichtet wurde, mit der Schubraupe mir nix, dir nix kurzerhand weggeschoben wurde, um innerhalb weniger Wochen einen neuen Markt hinzustellen. Die Presseaussendung des Händlers lobt dann das neue Bauwerk, diese Nachhaltigkeit mit der Schubraupe, wie man sie versteht, dennoch unverdrossen als "Vorzeigeprojekt in Sachen Nachhaltigkeit".

Man sieht das immer wieder. Und man wundert sich immer wieder. Und man fragt sich, wie man dazu kommt. Und man fragt sich nicht nur bei Supermarktketten, sondern auch bei Möbelhäusern, bei Geschäftszentren und ähnlichen seinerzeit schnell und billig hingestellten Bauten, die nichts wert sind und bald im Weg stehen und plötzlich wieder weg sind. Oft bleibt nicht mehr als ein Haufen Schutt.

In Linz etwa steht vor der Stadt seit mittlerweile mehr als zehn Jahren ein komplettes und riesiges Einkaufszentrum leer und wird nur rudimentär genutzt. Aber in Linz steht auch ein Rathaus, das in den 1980ern gebaut wurde und über dessen Abriss nun ernsthaft diskutiert wird. Detail am Rande -der dortige Bürgermeister residierte nie in dem Bau direkt an der Donau, sondern immer im traditionsreichen alten Rathaus auf dem Linzer Hauptplatz, dessen Wurzeln in das 17. Jahrhundert zurückgehen.

In nahezu jeder Stadt und in jedem Ort gibt es solche Bauwerke, die schnell und billig errichtet wurden, bei denen Architektur und Qualität nichts zählten, und schon gar nicht das, was man heute Nachhaltigkeit nennt. Selbst Privathäuser, seinerzeit oft noch mit eigener Hand und massiv gebaut, strahlen inzwischen oft eine Billigkeit aus, die signalisiert, als seien sie nur für Jahre, jedenfalls nicht aber für Generationen gebaut.

Für all das mag es Erklärungen geben. Und bei vielen Bauwerken muss man nachgerade froh sein, dass sie so schnell wieder abgerissen werden. Und dennoch bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit, nach dem Verbrauch von Ressourcen und von Böden. Und, um wieder auf die Supermärkte zurückzukommen, nach dem tatsächlichen Fortschritt. Die Parkflächen werden bei solchen Projekten kaum je verringert, und auch die neuen Märkte scheinen nur gebaut zu sein, um im Fall des Falles, wenn es neue Trends verlangen, wieder schnell abgerissen zu werden.

Aber es ist nicht nur das, was einem aufstößt. Es ist vor allem die Chuzpe, mit der man sich in Sachen Nachhaltigkeit wortreich zu Vorreitern erklärt und auch keine Scheu hat, das von anderen zu verlangen, obwohl die eigene Weste alles andere als sauber ist, vor allem nicht so blitzsauber, wie man das gerne hinstellt. Die Lebensmittelwirtschaft und die Bauern wissen ein Lied davon zu singen, was von ihnen alles verlangt wird. Unvergessen der Biolandwirt aus der Nachbarschaft, der am Sonntag bei heftigem Regen und eigentlich unbefahrbarem Acker Biokraut ernten musste - aus Angst, dass er von seiner ach so nachhaltigen und umweltfreundlichen Supermarktkette ausgelistet wird, wenn er für Montag nicht liefert.

Und doch sei, gleichsam zur Ehrenrettung, angeführt, dass das Thema Nachhaltigkeit bei den heimischen Supermarktketten durchaus viel Platz einnimmt und dabei auch viel vorangebracht wird. Keine Ehre aber ist -nicht nur bei ihnen -zu retten, wenn dabei zweierlei Maß angelegt wird.

Und das ist zu oft der Fall. Leider.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. September 2025

Warum Österreich bei Saatgut punktet

Das kleine Österreich feiert auf dem internationalen Saatgutmarkt beeindruckende Erfolge. Jedes fünfte Sojafeld in der EU ist heute mit Sorten aus österreichischer Züchtung bestellt.

Hans Gmeiner 

Linz. Es ist eine dieser Geschichten vom kleinen David gegen den riesigen Goliath. Obwohl vier internationale Konzerne mehr als 60 Prozent des Saatgutweltmarktes in der Hand haben, gelingt es einem Unternehmen aus der im internationalen Vergleich kleinen österreichischen Saatgutwirtschaft, zu einer internationalen Größe zu werden. Und das ausgerechnet bei Soja, einer der weltweit wichtigsten Feldfrüchte. Als vor zwanzig Jahren die Saatgutriesen das Interesse an der Züchtung von gentechnikfreiem Soja verloren, weil das in den Hauptanbauländern wie Brasilien oder den USA nicht mehr gefragt war, witterte man im kleinen Österreich die große Chance. Die gemeinsam von der Saatbau Linz und der Probstdorfer Saatzucht gegründete Saatzucht Donau sicherte das Know-how und baute in der Saatzuchtstation Reichersberg im Innviertel die Züchtung von GVO-freien Sojasorten aus.

20 Jahre später hat man 70 registrierte Sojasorten, ist Marktführer in Europa, und Saatzucht-Donau-Geschäftsführer Johann Birschitzky ist stolz darauf, dass jedes fünfte Sojafeld in der EU heute mit Sorten aus österreichischer Züchtung bestellt wird. Und nicht nur das. GVO-freies Sojasaatgut aus Österreich wird inzwischen auch in Kanada und den USA ausgesät und man verkauft den großen Saatgutkonzernen inzwischen sogar Lizenzen.

Nach einem ähnlichen Muster gelang es der Saatbau Linz, bei Saatmais zu einer Größe zu werden, die inzwischen international Anerkennung findet. „Wir haben einen Markt gefunden, der von den Großen nicht so intensiv bespielt wird“, sagt Josef Aigner, Obmann der bäuerlichen Genossenschaft, die mit mehr als 3300 Mitgliedern, 600 Mitarbeitern und 263 Mill. Euro Umsatz der größte unter den heimischen Saatgutproduzenten ist. „Bei Mais kommen viele große Züchter aus dem Süden und die orientieren sich eher an anderen Klimazonen als den nördlichen, wo unsere Stärken liegen“, sagt Aigner. „Was wir bei unseren klimatischen Verhältnissen züchten, funktioniert hingegen im Wesentlichen in den Anbauregionen rund um die Welt, die auf unseren Breitengraden liegen.“ Das sei auch der Grund für die „schönen Marktanteile“, die man in den vergangenen Jahren in Deutschland, Polen, in Großbritannien und auch in den Niederlanden erreicht habe.

Den Plafond haben die Oberösterreicher damit noch nicht erreicht. Neben Saatmais ist die Saatbau auch mit Saatgut für Getreide, Sonnenblumen und eine Reihe anderer Feldfrüchte und Gräser international im Rennen. 60 Prozent des Umsatzes macht das Unternehmen, das 1000 Sorten aus rund 160 Kulturarten im Angebot hat, inzwischen im Ausland. Derzeit werden mit 17 Tochterunternehmen in Europa, Nordamerika und Asien rund 35 Märkte rund um den Globus bearbeitet. Demnächst soll in Kasachstan, derzeit weltweit der Hotspot schlechthin in Sachen Getreide-, Mais- und Sojaanbau, die nächste Auslandsniederlassung dazukommen.

Alles ist dennoch nicht eitel Wonne. Die Herausforderungen, vor denen die heimische Saatgutwirtschaft steht, zu der insgesamt sieben Unternehmungen gehören, sind groß. Der Klimawandel verlangt neue Antworten der Züchter. Dabei geht es nicht nur um die Sicherung der Erträge, sondern auch um Resistenz gegen Trockenheit und Spätfröste und um Widerstandskraft gegen Schädlinge und Krankheiten. Wie viele andere Wirtschaftszweige auch kämpft man mit der Bürokratie und „unverständlichen Regelungen“ wie etwa der Beizung von Raps. Weil in Österreich keine Beize gegen den Erdfloh zugelassen ist, muss man das Saatgut extra ins Ausland transportieren, um es mit dort zugelassenen Produkten zu beizen. „Der Anbau dieses gebeizten Saatgutes ist dann nach EU-Regelungen in Österreich erlaubt“, sagt man kopfschüttelnd.

Über allen Herausforderungen aber steht die Frage, wie es mit den neuen Züchtungsmethoden, insbesondere mit der Genschere CRISPR/Cas, weitergeht. „Wir stehen im Wettbewerb mit den internationalen Züchtern, wir müssen uns die neuen Techniken anschauen, weil wir nichts versäumen sollten“, sagt Saatbau-Obmann Aigner. „Aber wir sind kritisch, ob das wirklich das bringen wird, was man sich erwartet.“ Mit den neuen Züchtungsmethoden könnte man Zuchtziele wie Stresstoleranz schneller erreichen, sagt Birschitzky. Für beide Vertreter der Saatgutwirtschaft ist ein Verbot der Patentierung jedoch ein Muss. Noch sind viele Fragen offen – auch die, wie man mit den Biobauern umgeht, die die neuen Züchtungsmethoden ablehnen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 25. September 2025

Donnerstag, 18. September 2025

Man hat ja nur dieses Leben

Oft mag man einfach nicht mehr. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Der erratische Trump, der eiskalte Putin, die Ukraine, die hilflose EU, jetzt auch noch die Drohnen über Polen und Rumänien und das Attentat auf den Trump-Gefolgsmann in den USA. Und zu all dem noch die ganze Israel-Hamas-Gaza-Geschichte. Es prasselt unvermindert über einen herein, jeden Tag, mittlerweile schon seit Jahren. Immer öfter ist inzwischen davon die Rede, dass wir in einer Vorkriegszeit leben. Erst dieser Tage verglich der deutsche Spiegel die heutige Zeit mit jener vor 1939. Manche Parallelen könnten einem Angst machen.

Man mag immer öfter den Fernseher gar nicht mehr einschalten, man mag nichts mehr lesen. Alles wird oft zu viel. Man ist überfordert und mag nicht mehr so viel so Kompliziertes und Komplexes, wie es einem abverlangt wird, verstehen und durchschauen müssen. Und man möchte ab und an die sorglose Leichtigkeit jener haben, denen schon immer egal war, was auf der Welt vorgeht.

Was früher gegolten hat, gilt längst nicht mehr. Alle Muster wurden auf den Kopf gestellt. Auf nichts scheint mehr Verlass zu sein, und wem man vertrauen könnte, weiß man auch nicht mehr so recht. Die Welt ist durcheinander. Schwer durcheinander und die Sorge ist groß, ob sie jemals wieder aus diesem Schlamassel herauskommen wird. Man fragt sich, wie ein Mensch wie Trump in den USA auf den Präsidentensessel kommen konnte, das zweite Mal sogar schon. Man fragt sich, wo die Demokraten sind in den Vereinigten Staaten, dass er gar so halt-und zügellos herrschen kann und ihn niemand zu bremsen vermag. Dort wo man immer so stolz war auf die Demokratie. Man hadert mit der Europäischen Union, die hilflos zwischen den Großmächten hin-und hergeschubst wird, zu nichts aus eigener Kraft fähig, sondern immer auf den Goodwill und das Verständnis anderer angewiesen ist und dabei in der Bedeutungslosigkeit unterzugehen und endgültig zum Spielball der Großmächte zu werden. Politisch und wirtschaftlich.

Immer mehr Menschen kommen nicht mehr zurecht damit. Frustriert und ohne Orientierung versinken viele in eine hilflose Wut. Ohne Zuversicht und ohne Vertrauen in die Zukunft, von der nicht zu sagen ist, wie sie sein könnte. Viele ziehen sich zurück. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass immer mehr Menschen bewusst ihren Nachrichtenkonsum einschränken. In Deutschland sollen bereits ein Drittel der Menschen Nachrichten meiden. Ganz bewusst. Die meisten Menschen machen das aus reinem Selbstschutz -und sei's drum, um sich nur ein bisschen wohler zu fühlen. Man will sich die eigene Stimmung davon nicht mehr kaputtmachen lassen und fühlt sich von der Menge der Nachrichten über Kriege und Konflikte erschöpft.

Noch geht es uns gut. Den meisten jedenfalls. Und dennoch haben inzwischen immer mehr Sympathie für die Untergangspropheten der populistischen Parteien, die ohne jede Verantwortung alles daransetzen, die fehlende Zuversicht in Stimmen für sich umzuwandeln, obwohl sie nichts zu bieten haben. Sie sind, wir wissen es, erfolgreich dabei.

Die Aufgeregtheit ist eine große. Zuweilen die Aufregung auch. "Eine Krise passt nicht in unser Selbstverständnis", sagt der Philosoph Konrad Paul Liessmann. "Wir empfinden Unberechenbarkeit nicht mehr als normale Unwägbarkeit des Lebens, die es zu akzeptieren gilt". Er bringt das damit in Zusammenhang, dass wir gewohnt sind, die Welt gefügig zu machen. Wenn das nicht möglich ist, sind viele hilflos. "In einer Krise ist dieses Prinzip außer Kraft gesetzt, das Leben erscheint uns wieder unverfügbar", sagt Liessmann in einem Interview. "Alleine eine Situation, die als unverfügbar erlebt wird, kann den modernen Menschen in eine Krise stürzen."

Und in solchen Situationen befinden sich wohl immer mehr von uns. Man will leben, man hat doch nur dieses eine Leben. Und genau das machen die politischen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten schwer und immer schwerer. Und dennoch darf man den Mut und die Zuversicht nicht verlieren. Letztere vor allem. Auch wenn es schwerfällt. In der Geschichte hat es solche Konstellationen immer gegeben.

Das ist unsere Verantwortung. Nicht nur der Gesellschaft gegenüber, auch der Familie und der unmittelbaren Umgebung gegenüber. Denn dort hat man, was man sonst oft so schmerzlich vermisst -Einfluss und Gestaltungsmöglichkeit, die Dinge zum Guten zu lenken. Dort zumindest, wenn auch nur im Rahmen des Möglichen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 18. September 2025

Donnerstag, 11. September 2025

Herkulische Anforderungen

Im "Sommergespräch" des ORF redet der Bundeskanzler eher beiläufig davon, dass er sich für das kommende Jahr eine Pensionsanpassung unter der Inflationsrate wünscht. Mehr brauchte er nicht. Umgehend brach der Sturm der Entrüstung übers Land. Die Senioren-und Pensionistenverbände wetterten lautstark und mächtig, "Pensionistinnen und Pensionisten dürfen nicht doppelt und dreifach belastet werden". Für den Führer der Opposition war eine Steilvorlage, was da der Kanzler in die innenpolitische Arena geworfen hat. Umgehend nutzte er es für seine Zwecke. "Damit werden genau jene bestraft, die Österreich aufgebaut haben", wusste er sofort den Nerv bei den Betroffenen zu treffen. "Schluss mit dem Verrat an unseren Pensionisten", machte er die Sache zu der seinen.

Und seither fragen sich immer mehr im Land, wie soll denn das jetzt wirklich in Zukunft gehen, in diesem Land mit den klammen Kassen, den großen Budgetlöchern und den trüben Aussichten, wenn nach jedem Vorschlag ein Sturm der Entrüstung losbricht? Die Frage ist, ob wir uns das noch leisten können. Auch wenn viel von der Aufregung, wie sich aktuell bei den Pensionisten zeigt, verständlich sein mag, wir werden wohl nicht umhinkommen, damit zurechtkommen zu müssen -mit weniger Geld aus den öffentlichen Töpfen oder zumindest damit, dass Teuerungsraten nicht automatisch abgegolten werden?

Wir haben in den vergangenen Jahren, und vor allem seit den Corona-Jahren, über unsere Verhältnisse gelebt. Koste es, was es wolle, hieß es. Und wir konnten nicht genug kriegen. Warnungen wollten wir nie hören. Und zu kurz kommen wollten wir schon gar nicht. Wann immer es ging, griffen wir mit zwei Händen zu. Wer das nicht getan hat, wurde zuweilen für dumm und ungeschickt erklärt.

Nun ist nicht mehr zu leugnen, dass uns auf den Kopf fällt, dass wir immer nur gefordert haben und uns nie mit weniger zufrieden geben wollten. Jetzt müssen wir die Suppe auslöffeln. Zurückzufinden ist für uns alle eine herkulische Aufgabe. Auch für die Politik. Neben all den Anforderungen, vor denen sie steht, um den Staat schlanker zu machen, um Geld frei zu machen.

Wir haben uns an so viel gewöhnt und empfinden so viel als selbstverständlich. In vielen Bereichen wurde uns Anspruchsdenken regelrecht anerzogen. Wenn man dir gibt, nimm -wenn man dir nimmt, schrei! Das Wort Selbstverantwortung haben viele längst aus ihrem Wortschatz gestrichen.

Es ist verständlich, dass sich viele schwer tun mit dem, was diskutiert wird. Nicht nur von den Pensionisten ist Verständnis gefordert. Auch im Sozialbereich wird man nicht um Kürzungen umhinkommen, im Gesundheitswesen nicht und auch nicht bei den Bauern und in vielen anderen Bereichen.

Es kommen unangenehme Fragen auf uns zu, die wir in den vergangenen Jahren nie aufkommen haben lassen. Viele davon werden auf die Gerechtigkeit abzielen. Schon jetzt ist in manchen Zeitungen davon zu lesen, dass die Idee, kleine Pensionen abermals stärker anzuheben, "schlichtweg ungerecht" sei. "Blanker Unfug" sei das, seien doch Pensionen keine Sozialleistungen, sondern das Ergebnis jahrelanger Einzahlungen. "Was kann nun jemand mit vierzig oder mehr Beitragsjahren dafür, dass der Staat seine Ausgaben nicht im Griff hat" und man "statt einer echten Pensionsreform nur zum Löcherstopfen" imstande ist, fragt man sich.

Es werden nicht die letzten Fragen dieser Art gewesen sein. Es werden noch mehr kommen. Sehr viel mehr, darf man annehmen. Und unangenehme auch. Von der sozialen Bedürftigkeit bis hin zur Berücksichtigung des Lebenswandels etwa. Denn was hat der eine davon, der schaut, dass er seine finanziellen Siebensachen zusammenhält und gesund zu leben versucht, während der andere alle fünf gerade sein lässt und sich auf den Staat und sein Füllhorn verlässt?

Was da auf uns zukommt, ist vielschichtig und schwierig. Und es wird darum gehen, dass vor allem jene, die wirklich Hilfe und Unterstützung brauchen, nicht mit allen über einen Kamm geschoren werden und büßen müssen dafür, dass die anderen nie genug bekommen haben.

Es werden nicht gleich schlechte Zeiten für uns anbrechen und keine Not. Aber wir müssen lernen, mit kleineren Zuwachsraten und mit weniger auszukommen. "Österreich muss kurzfristig auf ein wenig Wohlstand verzichten, um langfristig seinen Wohlstand behalten zu können", stand dieser Tage in einer Zeitung.

Das könnte eine ganz gute Leitlinie sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. September 2025

 

Freitag, 5. September 2025

Der ewige Kampf der Bauern mit der EU

Die Aufregung bei den Bauern über die Pläne zur EU-Agrarpolitik hat sich noch nicht gelegt. Nun droht mit dem Mercosur-Abkommen der nächste Schlag.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Das Verhältnis von Österreichs Landwirtschaft zur Europäischen Union war immer wieder von starken Spannungen geprägt. Derzeit kommt es aus Sicht der Bauern besonders dick. Wenige Wochen nachdem die EU-Kommission ihre Pläne für das neue Budget und die künftige Agrarpolitik vorstellte, kommt mit der Nachricht, das Mercosur-Handelsabkommen abschließen zu wollen, die nächste Hiobsbotschaft für Österreichs Agrarier.

Die Ablehnung folgte prompt. Der Mercosur-Vertrag laufe den Bestrebungen zur Absicherung der bäuerlichen Familienlandwirtschaft völlig entgegen, machte der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, seinem Ärger Luft. Am Parlamentsbeschluss, gegen das Abkommen zu stimmen, dürfe nicht gerüttelt werden.

Klar abgelehnt werden auch die Pläne für die nächste Budgetperiode. Dass die EU-Kommission behauptet, ihre Pläne für die gemeinsame Agrarpolitik in der Zeit nach 2027 würden Landwirten ein faires Einkommen und für die Verbraucher sichere und erschwingliche Lebensmittel sowie den Schutz der Umwelt bringen, sehen die Bauern völlig anders. Sie zweifeln auch die Ankündigung von einfacheren Vorschriften und Garantien für die Ernährungssicherheit und „lebendige“ ländliche Gebiete an.

Bauernvertreter und auch der zuständige Minister fahren schwere Geschütze auf. Moosbrugger nennt die EU-Kommission den „Totengräber der Landwirtschaft“, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig spricht davon, dass der Vorschlag das „österreichische Erfolgsmodell in der Landwirtschaft“ gefährde.

Verantwortlich für die Aufregung sind vor allem die geplante Kürzung der Mittel aus Brüssel und das Abgehen von der Zwei-Säulen-Struktur der Agrarpolitik, von der Österreich wie kaum ein anderes EU-Mitgliedsland profitierte, waren damit doch die Gelder für das Umweltprogramm, die Bergbauernförderung und viele andere Programme, die fast die Hälfte der Bauernförderungen ausmachen, abgesichert.

Die geplanten Änderungen haben es in der Tat in sich. Die bisher eigenständige Agrarpolitik wurde zusammen mit den Bereichen Regionalpolitik, Migration und Sicherheit in einen neuen Fonds gepackt. Für die Agrarpolitik sind dort für die Jahre 2028 bis 2034 insgesamt 302 Mrd. Euro für Direktzahlungen an die Landwirtschaft vorgesehen. Das sind rund 90 Milliarden Euro weniger als bisher. Die für Österreich so wichtige Förderung für die Umweltprogramme und die Bergbauern soll in dem Fonds aufgehen. Die Kommission will dafür künftig nur ein Minimum an Auflagen vorgeben. Alles, was darüber hinausgeht, sollen die Mitgliedsstaaten selbst bestimmen können. Deswegen schrillen nicht nur in Österreich die Alarmglocken, fürchtet man doch damit das Ende der gemeinsamen Agrarpolitik und eine Verzerrung des Wettbewerbs.

In Österreich rechnet man damit, dass für die Bauern in Zukunft rund 20 Prozent weniger an Geldern aus Brüssel zur Verfügung stehen könnten. Den Landwirten könnten damit bis zu 260 Mill. Euro fehlen, die wohl kaum aus dem ohnehin zum Zerreißen angespannten Budget ausgeglichen werden können.

Was sich für die Bauern konkret ändern soll, ist noch schwer abzusehen. Fix scheint vorerst nur, dass es eine Förderobergrenze von 100.000 Euro pro landwirtschaftlichem Betrieb und darunter eine deutliche Staffelung der Gelder nach Betriebsgröße geben soll. Vieles ist aber noch unklar und wenig konkret. Das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen. Es gibt aber auch zuversichtliche Stimmen. Sie gehen davon aus, dass die Kürzungen vor allem nicht bäuerliche Einrichtungen und Projekte treffen werden, die Bauern hingegen kaum.

Die Verhandlungen über die Kommissionsvorschläge, für die die Politik jetzt zwei Jahre Zeit hat, werden es wohl in sich haben. Nicht nur in Österreich, auch in anderen EU-Staaten und im EU-Parlament formiert sich Widerstand. Der Bauern- und Genossenschaftsverband Copa/Cogeca wirbt europaweit für die Unterzeichnung einer Petition gegen den Vorschlag. Da und dort gibt es warnende Stimmen vor neuen Bauernaufmärschen.

Die Aufregung ist nachvollziehbar. Die Situation der Bauern ist seit Jahren angespannt. Viele sehen für ihre Zukunft schwarz, fühlen sich überfordert. Auch in Österreich. Während es für die Rindfleisch- und Milcherzeuger seit geraumer Zeit einigermaßen passabel läuft, leiden die Schweinebauern und vor allem die Ackerbauern unter den niedrigen Preisen und hohen Kosten. Zudem kämpft man mit der Umstellung auf tierfreundliche Stallungen, mit Preisdruck, ständig neuen Auflagen, Billigimporten und mit mangelnder Wertschätzung. Nun kommen die Sorgen um die Folgen des Mercosur-Abkommens und der Zollpolitik der USA dazu. In der Branche hofft man auf Verständnis dafür, dass „Nachhaltigkeit und Eigenständigkeit in der Lebensmittelversorgung ein Auftrag für die Landwirtschaft sind“. Nachsatz: „Aber der muss auch abgegolten werden.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 5. September 2025

Donnerstag, 4. September 2025

Von "Deckeln" - und von Pharisäern

Was wurde nicht alles angekündigt, was bei der Regierungsklausur in dieser Woche Thema sein sollte. Allerhand "Bremsen" und allerhand "Deckel", um die Teuerung in den Griff zu bekommen. Manche zeigten kaum Scheu Pläne zu ventilieren, um in Märkte und Eigentum einzugreifen. Es kam viel vor, das manchen verwunderte, es kam aber eins nicht vor: es war keine Rede von einer Bremse oder gar Deckelung bei den öffentlichen Gebühren, keine Rede davon, dass die öffentliche Hand bei sich selbst spart und damit zur Dämpfung der Inflation beiträgt. Dabei lieferte just die Stadt Wien dafür einen Tag vor Beginn der Klausur ein eindrückliches Beispiel mit der Ankündigung, die Preise für Öffi-Tickets und fürs Parken um bis zu 30 Prozent und zum Drüberstreuen auch die Tourismusabgabe kräftig anzuheben. Just das rote Wien. Dort, wo die regieren, die sonst am liebsten sofort eingreifen würden, wenn ihnen irgendwo etwas zu teuer ist.

Aber das passt zum arglosen Umgang der öffentlichen Hand mit der Teuerung. Auch der Strom wurde um mehr als dreißig Prozent teurer. Dabei lernte man doch seinerzeit, dass die Energieversorgung in der öffentlichen Hand bleiben müsse, um nicht schutzlos den doch oft ach so bösen Märkten ausgeliefert zu sein. Nun, man weiß inzwischen, dass der Hase anders läuft, dass die Gesellschaften, die zumeist im Eigentum der Länder und auch des Bundes stehen, das anders sehen und dass die Landeshauptleute gerne die Hände in Unschuld waschen. Dabei ist der Anteil der nach dem Wegfall der Strompreisbremse gestiegenen Strompreise an der Inflation ungefähr genauso hoch wie der, der der viel gescholtenen Hotellerie und Gastronomie zugeschrieben wird.

Anders als beim Strom mag es beim Einfluss der öffentlichen Gebühren auf die Teuerung insgesamt um deutlich weniger gehen. Allein, aber nicht nur der Symbolik wegen, wäre es angebracht gewesen, auch dieses Thema auf die Tagesordnung der Regierungsklausur zu nehmen.

Denn was die öffentlichen Stellen den Bürgerinnen und Bürgern gerade in den vergangenen Monaten abverlangt haben, war nicht nur in Wien und nicht nur wegen der aktuellen Ankündigungen nicht nichts. Alleine im Juli betrug der Preisanstieg der Gebühren, die von den Verwaltungseinrichtungen eingehoben wurden, nicht weniger als 74 Prozent, ermittelte die Statistik Austria.

Da verwundern Schlagzeilen wie "Staat heizt Teuerung zusätzlich an" nicht, die in den vergangenen Wochen immer öfter zu sehen waren. Die Gebühren für Reisepässe, Personalausweise und für den Führerschein wurden kräftig angehoben. Und wer dem entkommen ist, hat in diesen Wochen und Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit mit kräftigen Erhöhungen der Wasser-, Abwasseroder Müllgebühren zu kämpfen.

Vielen Kommunen mag man zugutehalten, dass sie rund um und nach Corona lange zuwarteten mit Erhöhungen. Dass aber nichts davon zu hören ist, dass man einsparen will, ist dennoch auffällig. Laut Agenda Austria legten die Einnahmen seit 2019 um 31,3 Prozent zu, um knapp sechs Prozent über der Inflationsrate in diesem Zeitraum. Die Ausgaben wuchsen gar um 38,6 Prozent und damit um 13 Prozent mehr als die Inflationsrate. Und tief blicken lässt auch ein Satz aus einer Analyse des Wirtschafts-Think-Tanks: "Seit 2008 sind fast 22.000 Vollzeitposten hinzugekommen, das ist ein Anstieg um fast ein Fünftel." Vor allem beim Wiener Rathaus, wo der Anstieg kein Ende zu nehmen scheint, spart man nicht mit Häme: "Haben sie denn heute mehr Aufgaben zu erfüllen als vor 15 Jahren?"

Am Potenzial kann es kaum liegen, dass man nichts zur Verringerung der Teuerung beitragen kann. Das alleine zeigt schon ein Vergleich der Müllgebühren, den die Stadt Wien anstellte. Warum kommt Salzburg mit einem Drittel der Gebühren für den Restmüll aus und Wien mit knapp der Hälfte dessen, was den Einwohnern St. Pöltens abgeknüpft wird. Und warum machen die Kanalgebühren in Bregenz für einen 2-Personen-Haushalt nur 157 Euro aus, in Wien 236 Euro, in Klagenfurt aber 418 Euro?

Und wenn von der öffentlichen Hand die Rede ist, sollte man auch von den Sozialpartnern reden. Gerade von jenem, bei dem gerne "Deckel" gefordert werden und bei dem man sich besonders laut Sorgen um Preise macht. Die Arbeiterkammer lukrierte im Vorjahr aus der Arbeiterkammer-Umlage mit insgesamt 653 Millionen um 7,4 Prozent oder 45 Mio. Euro mehr als im Jahr zuvor. Ach ja -und die Personalkosten legten um zehn Prozent zu.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. September 2025
 
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